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160 Akteneinsicht durch den Verteidiger
Während die Frist zur Revisionsbegründung läuft, sind die Akten zur Einsichtnahme durch den Verteidiger bereitzuhalten.
161 Berichtigung des Verhandlungsprotokolls
(1) Wird beantragt, das Protokoll über die Hauptverhandlung zu berichtigen, so führt der Staatsanwalt eine Erklärung des Vorsitzenden und des Urkundsbeamten herbei.
(2) Wird - ohne einen förmlichen Antrag auf Berichtigung - nur in der Revisionsbegründung geltend gemacht, dass das Protokoll unrichtig oder unvollständig sei, so wird es sich empfehlen, dies vor der Einsendung der Akten an das Revisionsgericht durch Rückfrage aufzuklären.
162 Gegenerklärung des Staatsanwalts
(1) Begründet der Angeklagte oder der Nebenkläger seine Revision nur mit der Verletzung des sachlichen Rechts, so kann der Staatsanwalt in der Regel von einer Gegenerklärung (§ 347 Abs. 1 Satz 2 StPO) absehen.
(2) Wird das Urteil wegen eines Verfahrensmangels angefochten, so gibt der Staatsanwalt eine Gegenerklärung fristgemäß ab, wenn anzunehmen ist, dass dadurch die Prüfung der Revisionsbeschwerden erleichtert wird und zeitraubende Rückfragen und Erörterungen vermieden werden. Die Gegenerklärung soll die Tatsachen, auf die sich die Verfahrensrügen erstrecken, erschöpfend darstellen; die in Betracht kommenden Aktenstellen sind abzulichten oder abschriftlich wiederzugeben. Ausführungen des angefochtenen Urteils, die Gegenstand einer Verfahrensrüge sind, werden in die Gegenerklärung nicht aufgenommen. Wird die Behandlung von Beweisanträgen gerügt, so ist aus dem Protokoll über die Hauptverhandlung festzustellen, ob die Beteiligten auf weitere Beweise verzichtet oder sich mit der Schließung der Beweisaufnahme einverstanden erklärt haben. Trifft dies zu, so ist dieser Teil des Protokolls in der Gegenerklärung wörtlich wiederzugeben. Ist über einen Antrag, namentlich einen Beweisantrag, im Urteil entschieden worden, so ist auf die betreffende Urteilsstelle (nach der Seite der Abschrift) zu verweisen. Bezieht sich die Verfahrensrüge auf einen Vorgang, der aus einem Protokoll über die Hauptverhandlung nicht ersichtlich und auch von dem Sitzungsstaatsanwalt nicht wahrgenommen worden ist, so wird es zweckmäßig sein, über den Vorgang eine Äußerung der Beteiligten herbeizuführen.
(3) Der Staatsanwalt teilt eine Gegenerklärung dem Beschwerdeführer mit und legt sie dem Gericht vor. Anlagen (dienstliche Äußerungen usw.), auf die Bezug genommen wird, sind der Vorlage an das Gericht beizufügen. Enthält die Gegenerklärung erhebliche neue Tatsachen oder Beweisergebnisse, so ist sie dem Beschwerdeführer zuzustellen. Wird keine Gegenerklärung abgegeben, so braucht das Gericht hiervon nicht unterrichtet zu werden.
(4) Der Vorsitzende leitet die Akten der Staatsanwaltschaft zur weiteren Verfügung zu, wenn er von der Gegenerklärung Kenntnis genommen hat oder wenn die Frist (§ 347 Abs. 1 Satz 2 StPO) abgelaufen ist.
163 Übersendung der Akten an das Revisionsgericht
(1) Die Akten werden dem Revisionsgericht durch die Staatsanwaltschaft bei diesem Gericht vorgelegt. Ist der Bundesgerichtshof zur Entscheidung über die Revision zuständig und betreibt der Staatsanwalt allein oder neben einem anderen Beteiligten die Revision, so werden die Akten über den Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht geleitet. Dies gilt nicht, wenn das Amt des Staatsanwalts bei dem Oberlandesgericht durch den Generalbundesanwalt ausgeübt wird (§ 142a GVG). Der Vorlage an den Bundesgerichtshof ist ein Übersendungsbericht beizufügen; dies gilt auch für die Vorlage an ein Revisionsgericht eines Landes, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn der Beschwerdeführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder die Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 346 Abs. 2 StPO beantragt hat.
(3) Vor der Übersendung prüft der Staatsanwalt, ob die Zustellungen und Vollmachten in Ordnung sind und veranlasst, dass alle Mängel beseitigt werden. Ist die Urschrift des Urteils schwer lesbar, so ist eine einwandfreie Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils beizuheften.
164 Form und Inhalt des Übersendungsberichts
(1) Der Übersendungsbericht soll folgende Angaben enthalten:
(2) In Haftsachen ist ferner anzugeben, wo der Angeklagte verwahrt wird. Auf dem Übersendungsbericht ist deutlich sichtbar "Haft" zu vermerken (vgl. Nr. 52). Dieser Vermerk ist durch nähere Angaben (z.B. "Strafhaft in der Sache ...") zu erläutern.
(3) Auf andere Strafverfolgungsmaßnahmen (vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, vorläufiges Berufsverbot u.a.), die eine Entschädigungspflicht auslösen könnten, ist hinzuweisen.
(4) Legt der Staatsanwalt wegen der Bedeutung der Strafsache oder aus anderen Gründen, z.B. weil gegen den Angeklagten Haftbefehl erlassen ist, Wert darauf, über die Entscheidung des Revisionsgerichts beschleunigt unterrichtet zu werden, so weist er hierauf hin; wird eine besondere Übermittlungsart gewünscht (z.B. Telex, Telefax), so ist dies deutlich hervorzuheben.
165 Anlagen zum Übersendungsbericht
(1) Für das Revisionsgericht sind beizufügen je eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift
(2) Kommen für die Entscheidung landesrechtliche oder örtliche Vorschriften in Betracht, die nur in Amts-, Kreis- oder ähnlichen Blättern von örtlicher Bedeutung veröffentlicht sind, so sind Abdrucke oder beglaubigte Abschriften beizufügen.
(3) Für die Staatsanwaltschaft beim Revisionsgericht sind je eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der in den Abs. 1 und 2 bezeichneten Schriftstücke beizufügen.
166 Übersendung von Überführungsstücken und Beiakten
(1) Dem Revisionsgericht sind nur die für die Entscheidung über die Revision nötigen Überführungsstücke und Akten zu übersenden, z.B. die Akten, die für die Nachprüfung von Prozessvoraussetzungen oder für die Anwendung der §§ 66, 69, 70 StGB von Bedeutung sind.
(2) Schriftstücke, Skizzen und Lichtbilder, auf die in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen ist oder die zum besseren Verständnis des Urteils beitragen (z.B. Verkehrsunfallskizzen, Lichtbilder), sind zu übersenden. Welche anderen Überführungsstücke und Akten zu übersenden sind, entscheidet der Staatsanwalt.
167 Beschleunigung
Ist über Haft-, Dienstaufsichts- oder sonstige Beschwerden oder über Anträge auf Festsetzung von Kosten, Vergütungen oder Entschädigungen zu entscheiden, sind Gnadengesuche von Mitverurteilten zu bearbeiten oder ist gegen diese die Strafvollstreckung einzuleiten, so ist zu prüfen, ob diese Entscheidungen auf Grund von Aktenteilen, die für das Revisionsgericht entbehrlich sind, oder auf Grund von Abschriften oder Ablichtungen getroffen werden können. Ist dies nicht der Fall, so ist zu erwägen, ob die Angelegenheit bis zur Rückkunft der Akten aus der Revisionsinstanz zurückgestellt werden kann. Eine Zurückstellung unterbleibt bei Vollstreckungsmaßnahmen und Gnadenverfahren.
168 Überprüfung durch den Generalstaatsanwalt und Rücknahme der Revision
(1) Ist zur Entscheidung über die Revision der Staatsanwaltschaft der Bundesgerichtshof zuständig, so prüft der Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht, ob die Förmlichkeiten beachtet worden sind und ob die Revision durchgeführt werden soll. Hält er sie nicht für angebracht oder verspricht er sich von ihr keinen Erfolg, so nimmt er die Revision entweder selbst zurück oder weist die Staatsanwaltschaft an, sie zurückzunehmen. Bei der Weiterleitung der Akten soll der Generalstaatsanwalt zum Ausdruck bringen, ob er der Revisionsbegründung beitritt oder aus welchen anderen Gründen er die Revision durchzuführen wünscht.
(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn das Oberlandesgericht zur Entscheidung über die Revision zuständig ist.
169 Rückleitung der Akten
(1) Nach Erledigung der Revision werden die Akten über den Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht an die Staatsanwaltschaft zurückgeleitet. Die Akten werden unmittelbar an die Staatsanwaltschaft zurückgeleitet, wenn lediglich der Angeklagte Revision eingelegt und der Generalstaatsanwalt bei dem Oberlandesgericht darauf verzichtet hat, dass die Akten über ihn zurückgeleitet werden.
(2) In Haftsachen ist die Rückleitung zu beschleunigen; der Zeitpunkt, zu dem das Urteil rechtskräftig geworden ist, soll nach Stunde und Minute angegeben und dem Staatsanwalt, wenn nötig, fernmündlich oder in der von ihm sonst gewünschten Art im voraus mitgeteilt werden.
(3) In den Fällen der Nr. 164 Abs. 3 sind die Akten beschleunigt zurückzusenden. Dasselbe gilt, wenn die Befugnis zuerkannt worden ist, die Verurteilung innerhalb einer Frist öffentlich bekanntzumachen.
V. Abschnitt
Wiederaufnahme des Verfahrens
170 Allgemeines
(1) Der Staatsanwalt, der die Anklage oder die Antragsschrift verfasst hat oder der an der Hauptverhandlung gegen den Verurteilten teilgenommen hat, soll in der Regel in dem von dem Verurteilten beantragten Wiederaufnahmeverfahren nicht mitwirken.
(2) Der Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht soll im Wiederaufnahmeverfahren von seiner Befugnis gemäß § 145 Abs. 1 GVG, die Amtsverrichtungen der Staatsanwaltschaft selbst zu übernehmen oder mit ihrer Wahrnehmung einen anderen als den zunächst zuständigen Beamten (§§ 140a, 143 GVG) zu beauftragen, nur in besonders begründeten Ausnahmefällen Gebrauch machen.
171 Erneuerung der Hauptverhandlung
(1) Ist die Wiederaufnahme des Verfahrens angeordnet, so muss in der Regel eine neue Hauptverhandlung stattfinden, weil nur so die meist vorhandenen Widersprüche geklärt und das gesamte Beweismaterial umfassend gewürdigt werden kann und weil nur dadurch gesichert ist, dass die Umstände, die für die frühere Verurteilung maßgebend waren, neben dem Ergebnis der neuen Beweisaufnahme gebührend berücksichtigt werden. Der Staatsanwalt wird deshalb einem Freispruch ohne neue Hauptverhandlung nur ausnahmsweise zustimmen können.
(2) Eine solche Ausnahme kann vorliegen, wenn einwandfrei festgestellt ist, dass der Verurteilte zur Zeit der Tat geisteskrank war, oder wenn seine Unschuld klar zutage tritt und es wegen der besonderen Umstände des Falles unzweckmäßig ist, die Hauptverhandlung zu erneuern; jedoch ist zu berücksichtigen, dass der Verurteilte mitunter ein berechtigtes Interesse daran hat, dass seine Ehre in öffentlicher Verhandlung wiederhergestellt wird.
VI. Abschnitt
Beteiligung des Verletzten am Verfahren
1. Privatklage
172 Übernahme der Verfolgung durch den Staatsanwalt
(1) Legt das Gericht dem Staatsanwalt die Akten nach § 377 Abs. 1 Satz 2 StPO vor oder erwägt der Staatsanwalt von sich aus, die Verfolgung zu übernehmen, hält er aber noch weitere Ermittlungen für nötig, so teilt er dies dem Gericht mit und ersucht, die Entscheidung nach § 383 StPO zurückzustellen.
(2) Übernimmt der Staatsanwalt die Verfolgung (vgl. Nr. 86), so teilt er dies dem Gericht und dem Privatkläger mit; der Privatkläger ist zugleich auf eine etwa bestehende Nebenklagebefugnis und auf die Kostenfolge des § 472 Abs. 3 Satz 2 StPO hinzuweisen. Hält der Staatsanwalt später die Einstellung des Verfahrens für angezeigt, so legt er dem Gericht seine Auffassung dar und beantragt, das Hauptverfahren nicht zu eröffnen. Verneint er das öffentliche Interesse an weiterer Verfolgung, so gibt er die Akten dem Gericht mit einem entsprechenden Vermerk zurück.
2. Entschädigung des Verletzten
173 Unterrichtung des Verletzten über das Entschädigungsverfahren 15
Der Staatsanwalt trägt dafür Sorge, dass Verletzte oder deren Erben so früh wie möglich, spätestens aber mit Anklageerhebung, auf die Möglichkeit, einen Entschädigungsanspruch nach den §§ 403 ff. StPO geltend zu machen, hingewiesen werden. Dabei wird der Verletzte über die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe (§ 404 Abs. 5 StPO), Form und Inhalt des Antrags (§ 404 Abs. 1 StPO) und über das Recht auf Teilnahme an der Hauptverhandlung (§ 404 Abs. 3 StPO) zu belehren sein. Auch wird er darauf hinzuweisen sein, dass es sich in der Regel empfiehlt, den Antrag möglichst frühzeitig zu stellen, dass er seinen Anspruch, soweit er ihm nicht zuerkannt wird, noch im Zivilrechtsweg verfolgen kann (§ 406 Abs. 3 StPO) und dass das Gericht aus bestimmten Gründen von der Entscheidung über den Antrag absehen kann (§ 406 Abs. 1 StPO).
174 Stellung des Staatsanwalts im Entschädigungsverfahren 12
(1) Der Staatsanwalt soll zur Eignung des Entschädigungsantrages für eine Erledigung im Strafverfahren Stellung nehmen (§ 406 Abs. 1 Satz 4 und 5 StPO). Im Übrigen äußert er sich, wenn dies nötig ist, um die Tat strafrechtlich zutreffend zu würdigen.
(2) Der Staatsanwalt hat den bei ihm eingegangenen Entschädigungsantrag dem Gericht beschleunigt zuzuleiten, weil die Rechtswirkungen des Antrags (§ 404 Abs. 2 StPO) erst eintreten, wenn dieser bei Gericht eingegangen ist.
3. Sonstige Befugnisse des Verletzten 12
174a Unterrichtung des Verletzten, seiner Angehörigen und Erben 12 16
Sobald der Staatsanwalt mit den Ermittlungen selbst befasst ist, prüft er, b die Informationen gemäß § 406i Abs. 1, §§ 406j bis 406l StPO erteilt worden sind. Falls erforderlich, holt er dies nach. Dazu kann er das übliche Formblatt verwenden.
174b Bestellung des Beistandes und des psychosozialen Prozessbegleiters 12 16 18
Geht während eines Ermittlungsverfahrens oder im Klageerzwingungsverfahren (§ 172 StPO) bei der Staatsanwaltschaft ein Antrag des Verletzten auf Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand oder auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nach den §§ 406h, 397a StPO ein, ist dieser Antrag unverzüglich an das zuständige Gericht weiterzuleiten. Gleiches gilt, wenn während eines Ermittlungsverfahrens bei der Staatsanwaltschaft ein Antrag des Verletzten auf Beiordnung eines psychosozialen Prozessbegleiters nach § 406g StPO eingeht.
174c Umgang mit Anträgen des Verletzten nach § 406d Abs. 2 StPO 16
Anträge nach § 406d Abs. 2 StPO sind in das Vollstreckungsheft aufzunehmen und deutlich sichtbar zu kennzeichnen sowie gegebenenfalls der Justizvollzugsanstalt oder der Einrichtung des Maßregelvollzugs mitzuteilen.
VII. Abschnitt
Besondere Verfahrensarten
1. Verfahren bei Strafbefehlen
175 Allgemeines
(1) Erwägt der Staatsanwalt, den Erlass eines Strafbefehls zu beantragen, so vermerkt er den Abschluss der Ermittlungen in den Akten (vgl. Nr. 109).
(2) Der Erlass eines Strafbefehls soll nur beantragt werden, wenn der Aufenthalt des Beschuldigten bekannt ist, so dass in der regelmäßigen Form zugestellt werden kann. Sonst ist das Verfahren vorläufig einzustellen oder, wenn sich die Abwesenheit des Beschuldigten erst nach dem Antrag auf Erlass des Strafbefehls herausgestellt hat, die vorläufige Einstellung des Verfahrens (§ 205 StPO) zu beantragen.
(3) Im Übrigen soll von dem Antrag auf Erlass eines Strafbefehls nur abgesehen werden, wenn die vollständige Aufklärung aller für die Rechtsfolgenbestimmung wesentlichen Umstände oder Gründe der Spezial- oder Generalprävention die Durchführung einer Hauptverhandlung geboten erscheinen lassen. Auf einen Strafbefehlsantrag ist nicht schon deswegen zu verzichten, weil ein Einspruch des Angeschuldigten zu erwarten ist.
(4) Bei verhafteten oder vorläufig festgenommenen Personen ist zu prüfen, ob das beschleunigte Verfahren nach § 417 StPO eine raschere Erledigung ermöglicht.
175a Strafbefehl nach Eröffnung des Hauptverfahrens 15
Ein Antrag auf Erlass eines Strafbefehls nach Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 408a Abs. 1 Satz 1 StPO) kommt namentlich in Betracht, wenn
176 Anträge
(1) Zur Vereinfachung und Beschleunigung des Geschäftsgangs hat der Staatsanwalt, wenn nicht besondere Umstände ein abweichendes Verfahren rechtfertigen, den Strafbefehlsantrag so zu stellen, dass er einen Strafbefehlsentwurf einreicht und beantragt, einen Strafbefehl dieses Inhalts zu erlassen. In den Fällen des § 444 StPO in Verbindung mit § 30 OWiG ist im Strafbefehlsentwurf die Anordnung der Beteiligung der juristischen Person oder Personenvereinigung und die Festsetzung einer konkreten Geldbuße aufzunehmen. In den Fällen des § 407 Abs. 2 Satz 2 StPO schlägt er gegebenenfalls zugleich geeignete Auflagen und Weisungen vor; für Auflagen gelten Nr. 93 Abs. 3, 4 und Nr. 93a sinngemäß.
(2) Dem Entwurf ist die zur Zustellung des Strafbefehls und für etwa vorgeschriebene Mitteilungen nötige Zahl von Durchschlägen beizufügen.
177 Fassung des Strafbefehlsentwurfs
(1) Der Strafbefehlsentwurf muss klar, übersichtlich und leicht verständlich sein. Er darf sich nicht darauf beschränken, die Straftat formelhaft mit den Worten des Gesetzes zu bezeichnen.
(2) Soll die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre für die Erteilung nicht angeordnet werden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kommt, so müssen die Gründe dafür im Strafbefehlsentwurf angegeben werden (vgl. 409 Abs. 1 Satz 3 StPO).
(3) Beantragt der Staatsanwalt die Beteiligung der juristischen Person oder Personenvereinigung und die Festsetzung einer Geldbuße gegen diese (Nr. 180a Abs. 2), führt er sie als Nebenbeteiligte an und gibt die tatsächliche und rechtliche Grundlage für die begehrte Maßnahme an.
178 Prüfung durch den Richter
(1) Hat der Richter Bedenken, ohne Hauptverhandlung zu entscheiden, oder will er von der rechtlichen Beurteilung im Strafbefehlsantrag abweichen oder eine andere als die beantragte Rechtsfolge festsetzen (§ 408 Abs. 3 Satz 2 StPO), so teilt er vor einer Entscheidung über die Anberaumung der Hauptverhandlung seine Auffassung dem Staatsanwalt mit und bittet ihn um Äußerung.
(2) Tritt der Staatsanwalt der Auffassung des Richters bei, so gibt er die Akten mit einem entsprechenden Vermerk und dem abgeänderten Strafbefehlsantrag zurück. Sonst erklärt er, dass er seinen Antrag aufrechterhalte.
(3) Verfährt der Richter nach § 408 Abs. 1 Satz 2 StPO, so legt der Staatsanwalt seine Auffassung über die Zuständigkeit bei Weiterleitung der Akten dar.
(4) Der Beschluss, durch den der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zurückgewiesen wird, ist dem Angeschuldigten mitzuteilen, wenn das Verfahren durch den Beschluss abgeschlossen wird.
179 Zustellung
(1) Der Strafbefehl muss dem Angeklagten förmlich zustellt werden, wenn er ihm nicht von dem Richter bekannt gemacht worden ist (§§ 35, 409 StPO). Es genügt nicht, dass ein Beamter der Geschäftsstelle dem Angeklagten den Strafbefehl eröffnet.
(2) Ist der Angeklagte verhaftet, so ist der Zeitpunkt der Zustellung und, falls auf Einspruch verzichtet wird, auch der des Verzichts nach Stunde und Minute festzustellen.
(3) Hat der Angeklagte einen gesetzlichen Vertreter, so wird diesem eine Abschrift des Strafbefehls übersandt (§ 409 Abs. 2 StPO).
2. Selbständiges Verfahren bei Verfall und Einziehung
(1) Für das selbständige Verfahren nach den §§ 440 ff. StPO (z.B. in den Fällen des § 76a StGB) besteht kein Verfolgungszwang.
(2) Soweit die Möglichkeit besteht, auf durch die Straftat erlangte Vermögensvorteile zuzugreifen, beantragt der Staatsanwalt die selbständige Anordnung des Verfalls.
(3) Ist es wegen der Bedeutung oder der Schwierigkeit der Sache oder im Interesse eines Beteiligten geboten, so beantragt der Staatsanwalt, auf Grund mündlicher Verhandlung zu entscheiden.
(4) Sind keine Beteiligten vorhanden oder haben sie - gegebenenfalls nach Hinweis auf die Rechtslage - auf ihre Rechte und auf die Durchführung des selbständigen Verfahrens verzichtet oder kommt ihre Befragung nicht in Betracht, so kann der Gegenstand in der Regel formlos aus dem Verkehr entfernt werden. Der Staatsanwalt leitet auch in diesen Fällen das selbständige Verfahren ein, wenn die Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung wegen der tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeit oder sonstigen Bedeutung der Sache zweckmäßig ist.
3. Verfahren bei Festsetzung einer Geldbuße gegen eine juristische Person oder Personenvereinigung
(1) Gehört der Beschuldigte zum Leitungsbereich einer juristischen Person oder Personenvereinigung, prüft der Staatsanwalt, ob auch die Festsetzung einer Geldbuße gegen die juristische Person oder Personenvereinigung in Betracht kommt (§ 30 OWiG, § 444 StPO; vgl. aber Nr. 270 Satz 3). Ist dies der Fall, so sind schon im vorbereitenden Verfahren die Vertreter der juristischen Person oder Personenvereinigung wie Beschuldigte zu hören (§ 444 Abs. 2, § 432 StPO).
(2) Der Staatsanwalt beantragt in der Anklageschrift oder im Strafbefehlsantrag die Beteiligung der juristischen Person oder Personenvereinigung (§ 444 Abs. 1 StPO), insbesondere wenn die Festsetzung einer Geldbuße gegen diese die Möglichkeit eröffnet, die wirtschaftlichen Verhältnisse der juristischen Person oder Personenvereinigung auch im Hinblick auf den durch die Tat erlangten wirtschaftlichen Vorteil angemessen zu berücksichtigen (§ 30 Abs. 3 i.V.m. § 17 Abs. 4 OWiG). In der Anklageschrift kündigt er zudem die Beantragung der Festsetzung einer Geldbuße an und im Strafbefehlsantrag beantragt er diese. Dies kann vor allem bei Delikten der Wirtschaftskriminalität, einschließlich Korruptions- und Umweltdelikten, in Betracht kommen.
(3) Für den Antrag auf Festsetzung einer Geldbuße im selbständigen Verfahren gegen die juristische Person oder Personenvereinigung in den - auch die Einstellungen nach §§ 153, 153a StPO, 47 OWiG erfassenden - Fällen des § 30 Abs. 4 OWiG (§ 444 Abs. 3 i.V.m. § 440 StPO) gilt Absatz 2 entsprechend.
VIII. Abschnitt
Verfahren gegen sprachunkundige Ausländer
(1) Bei der ersten verantwortlichen Vernehmung eines Ausländers ist aktenkundig zu machen, ob der Beschuldigte die deutsche Sprache soweit beherrscht, dass ein Dolmetscher nicht hinzugezogen zu werden braucht.
(2) Ladungen, Haftbefehle, Strafbefehle, Anklageschriften und sonstige gerichtliche Sachentscheidungen sind dem Ausländer, der die deutsche Sprache nicht hinreichend beherrscht, mit einer Übersetzung in eine ihm verständliche Sprache bekanntzugeben.
IX. Abschnitt
Erteilung von Auskünften, Überlassung von Abschriften und Gewährung von Akteneinsicht
182 Geltungsbereich
Für die Erteilung von Auskünften, die auch durch eine Überlassung von Abschriften aus den Akten erfolgen kann (§ 477 Abs. 1 StPO), und die Gewährung von Akteneinsicht gegenüber Dritten nach den §§ 474 ff. StPO (auch in Verbindung mit § 487 Abs. 2 Satz 1 StPO) gelten ergänzend die nachfolgenden Bestimmungen. Sie gelten hingegen insbesondere nicht
183 Zuständigkeit für die Erteilung von Auskünften und die Gewährung von Akteneinsicht
(1) Soweit nach § 478 Abs. 1 StPO die Staatsanwaltschaft die Entscheidung über die Erteilung von Auskünften und die Akteneinsicht zu treffen hat, obliegt diese Entscheidung grundsätzlich dem Staatsanwalt, im Vollstreckungsverfahren auch dem Rechtspfleger. In den Fällen des § 476 StPO ist Nr. 189 Abs. 2 zu beachten.
(2) Von der Möglichkeit der Delegation an die Behörden des Polizeidienstes nach § 478 Abs. 1 Satz 3 StPO soll nur insoweit Gebrauch gemacht werden, als dies im Interesse aller Beteiligten zur einfacheren oder beschleunigten Unterrichtung des Ersuchenden sachdienlich erscheint. Soweit eine Delegation in Betracht kommt, wird es grundsätzlich angezeigt sein, diese auf einfach und schnell zu erledigende Auskünfte zu beschränken.
184 Vorrang der Verfahrensbearbeitung, Gefährdung der Ermittlungen
Die Erteilung von Auskünften und die Gewährung von Akteneinsicht unterbleiben insbesondere dann, wenn das Verfahren unangemessen verzögert oder der Untersuchungszweck gefährdet würde. Auskünfte und Akteneinsicht unterbleiben nach § 477 Abs. 2 Satz 1 StPO u.a. dann, wenn Zwecke des Strafverfahrens entgegenstehen.
185 Vorrang der Erteilung von Auskünften
Abgesehen von den Fällen des § 474 Abs. 1 StPO räumt das Gesetz im Hinblick auf die Vermeidung einer Übermittlung von Überschussinformationen der Erteilung von Auskünften grundsätzlich Vorrang vor der Gewährung von Einsicht in die Verfahrensakten ein, soweit nicht die Aufgabe oder das berechtigte Interesse des Ersuchenden oder der Zweck der Forschungsarbeit die Einsichtnahme in Akten erfordert. Wenn mit der Auskunftserteilung - gegebenenfalls in der Form der Überlassung von Ablichtungen aus den Akten (§ 477 Abs. 1 StPO) - ein unverhältnismäßiger Aufwand verbunden wäre, kann dem Ersuchen grundsätzlich auch durch - gegebenenfalls teilweise (siehe Nr. 186) - Gewährung der Einsicht in die Akten nachgekommen werden (§ 474 Abs. 3, § 475 Abs. 2, § 476 Abs. 2 StPO).
186 Umfang der Akteneinsicht 12
(1) Die Akteneinsicht soll außer in den Fällen des § 474 Abs. 1 StPO nur in dem Umfang erfolgen, als dies zur Erfüllung der Aufgaben der ersuchenden öffentlichen Stelle, zur Wahrnehmung des berechtigten Interesses der Privatperson oder sonstigen Stelle oder zur Erreichung des Forschungszweckes erkennbar erforderlich ist. Wenn eine derartig beschränkte Akteneinsicht nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich wäre, kann umfassende Akteneinsicht gewährt werden.
(2) Da die Frage der Einsichtsgewährung nicht immer für die Gesamtheit der Verfahrensakte einheitlich beantwortet werden kann, erscheint es angebracht, Aktenteile, die erkennbar sensible persönliche Informationen enthalten, gesondert zu heften und hinsichtlich der Einsichtsgewährung einer besonderen Prüfung zu unterziehen. Damit wird zugleich der Aufwand für eine beschränkte Akteneinsicht gering gehalten und in den Fällen der §§ 98a, 100a, 110a und 163f StPO die Erkennbarkeit erhöht, wodurch im Interesse des Schutzes sensibler persönlicher Informationen eine beschränkte Akteneinsicht häufiger ermöglicht wird.
Niederschriften über die in den §§ 98a, 100a, 110a und 163f StPO genannten Ermittlungsmaßnahmen, sowie personenbezogene Informationen aus Maßnahmen nach den §§ 100c und 100f Abs. 1 StPO.
Nr. 16 Abs. 2 Satz 2 und Nr. 220 Abs. 2 Satz 1 sind zu beachten.
(3) Von der Einsicht sind die Handakten der Staatsanwaltschaft und andere innerdienstliche Vorgänge auszuschließen. In Akten einer anderen Verwaltung darf nur mit deren ausdrücklicher Zustimmung Einsicht gewährt werden, deren Nachweis dem Antragsteller obliegt.
(4) Bei Verschlusssachen ist Nr. 213 zu beachten.
187 Überlassung der Akten
(1) Öffentlichen Stellen werden, soweit nicht lediglich eine Auskunft erteilt wird, die Akten teilweise oder ganz übersandt.
(2) Rechtsanwälten und Rechtsbeiständen sollen auf Antrag die Akten im Umfang der gewährten Akteneinsicht mit Ausnahme der Beweisstücke zur Einsichtnahme mitgegeben oder übersandt werden, soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen.
(3) Im Übrigen ist die Akteneinsicht grundsätzlich nur in den Diensträumen der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts oder bei Delegation auf die Behörden des Polizeidienstes in deren Räumen zu gewähren.
188 Bescheid an den Antragsteller
(1) Wird die Erteilung der Auskunft oder die Gewährung von Akteneinsicht versagt, so wird dem Ersuchenden ein kurzer Bescheid erteilt. Ist in dem Ersuchen ein berechtigtes oder ein rechtliches Interesse an der Akteneinsicht dargelegt, so muss der Bescheid erkennen lassen, dass dieses Interesse gegen entgegenstehende Interessen abgewogen worden ist. Eine Begründung des Bescheides unterbleibt, soweit hierdurch der Untersuchungszweck gefährdet werden könnte.
(2) Ist der Antrag von einer Privatperson oder einer privaten Einrichtung gestellt worden, so soll, wenn dem Gesuch nicht nach § 475 Abs. 4 StPO entsprochen werden kann, auf die Möglichkeit der Akteneinsicht durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt hingewiesen werden.
189 Auskünfte und Akteneinsicht für wissenschaftliche Vorhaben
(1) Wenn die Voraussetzungen der §§ 476, 477 Abs. 2 Satz 3 StPO gegeben sind, also u.a. Zwecke des Strafverfahrens nicht entgegenstehen (§ 477 Abs. 2 Satz 1 StPO), ist die Übermittlung personenbezogener Informationen zu Forschungszwecken grundsätzlich zulässig. Ob Auskünfte und Akteneinsicht erteilt werden, steht im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Stelle. Gegen die Erteilung von Auskünften und die Gewährung von Akteneinsicht kann insbesondere sprechen, dass es sich um ein vorbereitendes Verfahren oder ein Verfahren mit sicherheitsrelevanten Bezügen handelt.
(2) Soweit in den Fällen des § 476 StPO die Staatsanwaltschaft nach § 478 Abs. 1 StPO die Entscheidung über die Erteilung von Auskünften und Akteneinsicht zu treffen hat, obliegt diese Entscheidung dem Behördenleiter.
(3) Betrifft ein Forschungsvorhaben erkennbar mehrere Staatsanwaltschaften, ist der gemeinschaftlichen übergeordneten Behörde auf dem Dienstweg ein Absichtsbericht vorzulegen. Sind erkennbar Staatsanwaltschaften mehrerer Länder betroffen, ist der jeweils obersten Dienstbehörde auf dem Dienstweg ein Absichtsbericht vorzulegen.
(4) Stammt ein Ersuchen nach § 476 StPO von einer Einrichtung, die ihren Sitz außerhalb des Geltungsbereichs der Strafprozessordnung hat, ist der obersten Dienstbehörde auf dem Dienstweg ein Absichtsbericht vorzulegen.
X. Abschnitt
Einholung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
(1) Hat das Gericht beschlossen, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 und 2 oder Art. 126 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 11, 12, 14 §§ 80, 83 oder 86 Abs. 2 BVerfGG zu beantragen, so leitet der Vorsitzende die Akten dem Bundesverfassungsgericht unmittelbar zu (§ 80 Abs. 1 BVerfGG). Das Begleitschreiben ist von dem Vorsitzenden zu unterschreiben. Es wird Bestandteil der Akten des Bundesverfassungsgerichts; eine beglaubigte Abschrift ist als Versendungsbeleg zurückzubehalten.
(2) Der Antrag an das Bundesverfassungsgericht ist zu begründen (§ 80 Abs. 2 BVerfGG). Seine Urschrift bleibt Bestandteil der Strafakten.
(3) Dem Begleitschreiben sind außer den Akten eine beglaubigte und 50 einfache Abschriften des Antrages für das Bundesverfassungsgericht beizufügen.
XI. Abschnitt
Strafsachen gegen Mitglieder des Deutschen Bundestages, der gesetzgebenden Körperschaften der Länder sowie des Europäischen Parlaments
191 Prozesshindernis der Immunität 12 15 16
(1) Wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung darf ein Abgeordneter des Deutschen Bundestages nur mit Genehmigung des Bundestages zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden, es sei denn, dass er bei der Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen wird (Artikel 46 Abs. 2 GG). Entsprechende Vorschriften sind in den Verfassungen der Länder enthalten. 4*
(2) Ein Ermittlungs- oder Strafverfahren, dessen Durchführung von der vorhergehenden gesetzgebenden Körperschaft genehmigt oder das vor dem Erwerb des Mandats eingeleitet worden war, darf nur mit Genehmigung der gesetzgebenden Körperschaft fortgesetzt werden, der der Abgeordnete zur Zeit der Fortsetzung angehört. 5*
(3) Die Immunität hindert nicht,
(4) Zur Klärung der Frage, ob es sich um eine offensichtlich unbegründete Anzeige handelt, kann der Staatsanwalt Feststellungen über die Persönlichkeit des Anzeigeerstatters sowie über andere für die Beurteilung der Ernsthaftigkeit der Anzeige wichtige Umstände treffen.
(5) Wird gegen einen Abgeordneten ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, ohne dass es hierzu einer Genehmigung der gesetzgebenden Körperschaft bedarf (Artikel 46 Abs. 2 GG und die entsprechenden Vorschriften der Landesverfassungen), so unterrichtet der Staatsanwalt unverzüglich und unmittelbar den Präsidenten der betreffenden gesetzgebenden Körperschaft von der Einleitung des Verfahrens. Abschriften seiner Mitteilung übersendet er gleichzeitig dem Generalstaatsanwalt und der Landesjustizverwaltung, bei Abgeordneten des Deutschen Bundestages auch dem Bundesministerium der Justiz. Im weiteren Verfahren teilt der Staatsanwalt in gleicher Weise jede richterliche Anordnung einer Freiheitsentziehung und einer Freiheitsbeschränkung gegen den Abgeordneten sowie die Erhebung der öffentlichen Klage mit.
(6) In jedem Stadium des Verfahrens ist bei Auskünften und Erklärungen gegenüber Presse, Hörfunk und Fernsehen der Funktionsfähigkeit und dem Ansehen der betreffenden gesetzgebenden Körperschaft Rechnung zu tragen. Das Interesse der gesetzgebenden Körperschaft, über eine die Immunität berührende Entscheidung früher als die Öffentlichkeit unterrichtet zu werden, ist zu berücksichtigen. Auf Nr. 23 wird hingewiesen.
192 Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages und der gesetzgebenden Körperschaften der Länder
(1) Beabsichtigt der Staatsanwalt, gegen einen Abgeordneten ein Ermittlungsverfahren einzuleiten oder ein auf Freiheitsstrafe lautendes Urteil zu vollstrecken oder sonst eine genehmigungsbedürftige Strafverfolgungsmaßnahme zu treffen, so beantragt er, einen Beschluss der gesetzgebenden Körperschaft, der der Abgeordnete angehört, über die Genehmigung der Strafverfolgung oder der Strafvollstreckung oder zur Durchführung der beabsichtigten Maßnahme herbeizuführen.
(2) Der Antrag ist mit einer Sachdarstellung und einer Erläuterung der Rechtslage zu verbinden. Die Beschreibung der zur Last gelegten Tat soll die Tatsachen enthalten, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gesehen werden, sowie Zeit und Ort ihrer Begehung angeben; die Strafvorschriften sind zu bezeichnen, die als verletzt in Betracht kommen. Auf eine aus sich heraus verständliche Darstellung ist zu achten. Bei Anträgen auf Genehmigung der Strafvollstreckung genügt die Bezugnahme auf ein vorliegendes oder beigefügtes Strafurteil.
(3) Der Antrag ist auf dem Dienstweg an den Präsidenten der betreffenden Körperschaft zu richten, bei Abgeordneten des Deutschen Bundestages auch über das Bundesministerium der Justiz. Für die Landesjustizverwaltung und - bei Abgeordneten des Deutschen Bundestages - für das Bundesministerium der Justiz sind Abschriften des Antrages beizufügen; eine beglaubigte Abschrift ist zu den Akten zu nehmen.
(4) In Privatklagesachen führt der Staatsanwalt die Genehmigung nur herbei, wenn er die Verfolgung übernehmen will (§§ 377, 376 StPO).
(5) Die Mitteilung nach § 8 EGStPO erfolgt auf dem Dienstweg.
192a Allgemeine Genehmigung zur Durchführung von Ermittlungsverfahren (vereinfachte Handhabung) 12 16
(1) Der Deutsche Bundestag sowie die gesetzgebenden Körperschaften der Länder pflegen regelmäßig zu Beginn einer neuen Wahlperiode eine allgemeine Genehmigung zur Durchführung von Ermittlungsverfahren gegen Abgeordnete zu erteilen; ausgenommen sind Ermittlungen wegen Beleidigungen (§§ 185, 186, 188 Abs. 1 StGB) politischen Charakters. Diese allgemeine Genehmigung wird im Einzelfall erst wirksam, nachdem dem Präsidenten der gesetzgebenden Körperschaft eine Mitteilung nach Absatz 3 zugegangen ist. 7*
(2) Die allgemeine Genehmigung umfasst nicht
Die allgemeine Genehmigung umfasst jedoch die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a StPO).
(3) Soweit Ermittlungsverfahren allgemein genehmigt sind, ist dem Präsidenten der gesetzgebenden Körperschaft und, soweit nicht Gründe der Wahrheitsfindung entgegenstehen, dem betroffenen Abgeordneten mitzuteilen, dass die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens beabsichtigt ist. In der Mitteilung an den Präsidenten ist zu erklären, dass der Abgeordnete gleichzeitig benachrichtigt worden ist; ist eine Mitteilung an den Abgeordneten unterblieben, so ist der Präsident auch hiervon unter Angabe der Gründe zu unterrichten. Die Mitteilung ist unmittelbar an den Präsidenten der gesetzgebenden Körperschaft zu richten. 9* Für ihren Inhalt gilt Nr. 192 Abs. 2 entsprechend; in den Fällen der Nr. 191 Abs. 3 Buchst. c) soll auch der wesentliche Inhalt einer Stellungnahme des Abgeordneten mitgeteilt werden. Abschriften der Mitteilung sind gleichzeitig dem Generalstaatsanwalt und der Landesjustizverwaltung sowie, bei Abgeordneten des Deutschen Bundestages, auch dem Bundesministerium der Justiz zu übersenden.
(4) Will der Staatsanwalt nach dem Abschluss der Ermittlungen die öffentliche Klage erheben, so beantragt er, einen Beschluss der gesetzgebenden Körperschaft über die Genehmigung der Strafverfolgung herbeizuführen. Für den Inhalt und den Weg des Antrags gilt Nr. 192 Abs. 2 und 3. Stellt er das Verfahren nicht nur vorläufig ein, so verfährt er nach Nr. 192 Abs. 5.
(5) Beabsichtigt der Staatsanwalt, die Genehmigung zur Durchführung der Strafverfolgung wegen einer Beleidigung politischen Charakters einzuholen, so verfährt er nach Nr. 192 Abs. 1 bis 3. Zur Vorbereitung seiner Entscheidung, ob die Genehmigung zur Strafverfolgung wegen einer Beleidigung politischen Charakters herbeigeführt werden soll, teilt der Staatsanwalt dem Abgeordneten den Vorwurf mit und stellt ihm anheim, hierzu Stellung zu nehmen.
(6) Für Bußgeldsachen wird auf Nr. 298 verwiesen.
192b Aufhebung der Immunität eines Mitglieds des Europäischen Parlaments
(1) Einem Mitglied des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland steht die einem Abgeordneten des Deutschen Bundestages zuerkannte Immunität zu. Ein ausländisches Mitglied des Europäischen Parlaments kann im Inland weder festgehalten noch gerichtlich verfolgt werden. Die Immunität nach den vorstehenden Sätzen besteht während der Dauer der fünfjährigen Wahlperiode und auch während der Reise zum und vom Tagungsort des Europäischen Parlaments. Bei Ergreifung auf frischer Tat kann die Immunität nicht geltend gemacht werden (Artikel 4 Abs. 2 des Aktes des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 20. September 1976 zur Einführung allgemeiner unmittelbarer Wahlen der Abgeordneten der Versammlung - BGBl. 1977 II S. 733, 735 - in Verbindung mit Artikel 10 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften vom 8. April 1965 - BGBl. 1965 II S. 1453, 1482). Nr. 191 Abs. 3 Buchst. b) bis e) und Abs. 4 gilt entsprechend.
(2) Das Europäische Parlament hat eine allgemeine Genehmigung zur Durchführung von Ermittlungsverfahren nicht erteilt.
(3) Beabsichtigt der Staatsanwalt, gegen ein Mitglied des Europäischen Parlaments ein Ermittlungsverfahren einzuleiten oder ein auf Freiheitsstrafe lautendes Urteil zu vollstrecken oder sonst eine genehmigungsbedürftige Strafverfolgungsmaßnahme zu treffen, so beantragt er, einen Beschluss des Europäischen Parlaments über die Aufhebung der Immunität herbeizuführen.
(4) Zur Vorbereitung seiner Entschließung teilt der Staatsanwalt, soweit nicht Gründe der Wahrheitsfindung entgegenstellen, dem Abgeordneten den Vorwurf mit und stellt ihm anheim, Stellung zu nehmen.
(5) Der Antrag ist an den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Generalsekretariat, Plateau du Kirchberg, L-2929 Luxemburg, zu richten und auf dem Dienstweg, auch über das Bundesministerium der Justiz, zu übermitteln. Nr. 192 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 gilt entsprechend. Nr. 192 Abs. 5 gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass die Übermittlung über das Bundesministerium der Justiz erfolgt.
XII. Abschnitt
Behandlung der von der deutschen Gerichtsbarkeit befreiten Personen
193 Allgemeines
(1) Handlungen, die eine Ausübung der inländischen Gerichtsbarkeit darstellen, sind gegenüber den Personen, die nach §§ 18 bis 20 GVG oder nach anderen Rechtsvorschriften von der Deutschen Gerichtsbarkeit befreit sind, ohne ihre Zustimmung grundsätzlich unzulässig.
(2) Sache der Justizbehörden ist es, im Einzelfall die nötigen Feststellungen zu treffen und darüber zu befinden, ob und wieweit Personen nach den §§ 18 und 19 GVG von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit sind.
194 Ausweise von Diplomaten und der anderen von der inländischen Gerichtsbarkeit befreiten Personen 12 18
Die Art der Ausweise von Diplomaten und der anderen von der inländischen Gerichtsbarkeit befreiten Personen ergibt sich aus dem Rundschreiben des Auswärtigen Amtes zur Behandlung von Diplomaten und anderen bevorrechtigten Personen in der Bundesrepublik Deutschland vom 15. September 2015 (GMBl. S. 1206).
195 Verhalten gegenüber Diplomaten und den anderen von der inländischen Gerichtsbarkeit befreiten Personen 15 18
(1) Gegen Personen, die rechtmäßig den Ausweis eines Diplomaten oder einer anderen von der inländischen Gerichtsbarkeit befreiten Person besitzen oder die ihre Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit anders glaubhaft machen, ist nicht einzuschreiten. Der Staatsanwalt hat sich darauf zu beschränken, die zulässigen Ermittlungen beschleunigt durchzuführen. Er unterrichtet unverzüglich unter Beigabe der Akten das Bundesamt für Justiz über die Landesjustizverwaltung. Für diese und das Auswärtige Amt sind Abschriften beizufügen.
(2) In besonders eiligen Fällen kann unmittelbar beim Auswärtigen Amt in Berlin (Telefonnummer: 030-5000-3411 bzw. 0228-9917-2633 von 9.00 bis 16.00 Uhr, ansonsten im Lagezentrum unter: 030-5000-2911) bzw. beim Bundeskanzleramt (Telefon 01888/400-0 oder 030/4000-0, Telefax 030/4000-2357) Auskunft erbeten werden.
(3) Ist nach Absatz 2 eine Auskunft erbeten worden oder liegt ein Fall von besonderer Bedeutung vor, so ist die vorläufige Unterrichtung des Bundesministeriums der Justiz geboten, falls noch weitere Ermittlungen nötig sind. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt sinngemäß.
(4) Über Verkehrsordnungswidrigkeiten exterritorialer Personen ist das Auswärtige Amt unmittelbar zu unterrichten. Die Akten brauchen der Mitteilung nicht beigefügt zu werden. Einer Unterrichtung des Bundesministeriums der Justiz und der Landesjustizverwaltung bedarf es in diesen Fällen nicht.
196 Zustellungen
(1) Für die Zustellung von Schriftstücken, z.B. von Ladungen oder Urteilen, an Diplomaten oder andere von der inländischen Gerichtsbarkeit befreite Personen ist stets die Vermittlung des Auswärtigen Amts in Anspruch zu nehmen.
(2) Das Schreiben an das Auswärtige Amt, in dem um Zustellung ersucht wird, ist mit einem Begleitbericht der Landesjustizverwaltung vorzulegen, die es an das Auswärtige Amt weiterleitet. Das zuzustellende Schriftstück ist beizufügen.
(3) In dem Schreiben an das Auswärtige Amt ist der Sachverhalt kurz darzustellen und außerdem anzugeben:
(4) Die Reinschrift des Schreibens an das Auswärtige Amt hat der Richter oder der Staatsanwalt handschriftlich zu unterzeichnen.
(5) Als Nachweis dafür, dass das Schriftstück dem Empfänger übergeben worden ist, übersendet das Auswärtige Amt ein Zeugnis.
(6) Ist ein Angehöriger einer diplomatischen Vertretung als Privatkläger oder Nebenkläger durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Rechtsanwalt vertreten, so kann nach § 378 StPO an den Anwalt zugestellt werden.
(7) Stellt der von einem Gericht oder einem Staatsanwalt mit der Zustellung beauftragte Beamte nach Empfang des Schriftstücks fest, dass die geforderte Amtshandlung nach den vorstehenden Bestimmungen nicht vorgenommen werden darf, so hat er den Auftrag unter Hinweis auf diese Bestimmung an die ersuchende Stelle zurückzugeben.
197 Ladungen
(1) Bei der Ladung eines Diplomaten oder einer anderen von der inländischen Gerichtsbarkeit befreiten Person sind weder Vordrucke zu verwenden noch Zwangsmaßnahmen anzudrohen. Es ist vielmehr eine besondere Vorladung zu fertigen, in der die von der Gerichtsbarkeit befreite Person unter genauer Bezeichnung des Gegenstandes und der Art der Verhandlung gebeten wird, zu erklären, ob sie bereit ist, sich zu dem angegebenen Zeitpunkt einzufinden oder ob sie sich stattdessen in ihren Wohn- oder Diensträumen vernehmen lassen oder über den Gegenstand der Vernehmung eine schriftliche Äußerung abgeben möchte.
(2) Die Ladung ist nach Nr. 196 zuzustellen.
(3) Abgesehen von besonders dringlichen Fällen ist der Tag der Vernehmung in der Regel so festzusetzen, dass zwischen der Absendung der Ladung mit Begleitbericht an die Landesjustizverwaltung und der Vernehmung mindestens vier Wochen liegen.
198 Vernehmungen
(1) Erscheint ein Diplomat oder eine andere von der inländischen Gerichtsbarkeit befreite Person vor Gericht, so soll sie möglichst bald vernommen und entlassen werden.
(2) Die Vernehmung in den Dienst- oder Wohnräumen eines Diplomaten oder einer anderen von der inländischen Gerichtsbarkeit befreiten Person darf nur unter den Voraussetzungen der Nr. 199 Abs. 1 erfolgen. Andere an dem Strafverfahren Beteiligte dürfen nur anwesend sein, wenn der Leiter der fremden Dienststelle ausdrücklich zugestimmt hat. Die Teilnahme eines sonst Beteiligten ist in dem Antrag auf Zustimmung zur Vernehmung in den Dienst- oder Wohnräumen besonders zu begründen.
199 Amtshandlungen in den Dienst- und Wohnräumen
(1) In den Diensträumen der diplomatischen Vertretungen, der konsularischen Vertretungen sowie von Organisationen und Stellen, die auf Grund allgemeiner Regeln des Völkerrechts, völkerrechtlicher Vereinbarungen oder sonstiger Rechtsvorschriften Unverletzlichkeit genießen, dürfen Amtshandlungen, durch die inländische Gerichtsbarkeit ausgeübt wird, nur mit Zustimmung des Leiters der Vertretung, der Organisation oder Stelle vorgenommen werden. Entsprechendes gilt für die Wohnräume der Mitglieder der diplomatischen Vertretungen.
(2) In den vorgenannten Dienst- und Wohnräumen dürfen Amtshandlungen nach Absatz 1 einschließlich Zustellungen ohne Zustimmung des Leiters der Vertretung, der Organisation oder der Stelle auch nicht gegenüber Personen vorgenommen werden, die nicht von der inländischen Gerichtsbarkeit befreit sind. Ihnen kann nach Nr. 196, 197 zugestellt werden.
(3) Die Zustimmung des Leiters nach Absatz 1 ist in entsprechender Anwendung der Nr. 196 zu beantragen.
(4) Zur Vornahme der Amtshandlung dürfen die Dienst- und Wohnräume nur betreten werden, wenn die Zustimmung schriftlich vorliegt.
XIII. Abschnitt
Der Abschnitt ist gestrichen.
XIV. Abschnitt
Verfahren nach Feststellung der Entschädigungspflicht nach dem Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen
Wegen der Belehrung über Recht und Frist zur Antragstellung nach rechtskräftiger Feststellung der Entschädigungspflicht sowie hinsichtlich des weiteren Verfahrens zur Feststellung der Höhe des Anspruchs wird auf die Ausführungsvorschriften zum Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (Anlage C ) verwiesen.
I. Abschnitt
Strafvorschriften des StGB
1. Staatsschutz und verwandte Strafsachen
202 Strafsachen, die zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehören 14
(1) Vorgänge, aus denen sich der Verdacht einer zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehörenden Straftat (§ 120 GVG, §§ 1 und 3 NATO-Truppen-Schutzgesetz) ergibt, übersendet der Staatsanwalt mit einem Begleitschreiben unverzüglich dem Generalbundesanwalt.
(2) Das Begleitschreiben soll eine gedrängte Darstellung und eine kurze rechtliche Würdigung des Sachverhalts enthalten sowie die Umstände angeben, die sonst für das Verfahren von Bedeutung sein können. Erscheinen richterliche Maßnahmen alsbald geboten, so ist hierauf hinzuweisen. Das Schreiben ist dem Generalbundesanwalt über den Generalstaatsanwalt, in dringenden Fällen unmittelbar bei gleichzeitiger Übersendung von Abschriften an den Generalstaatsanwalt, zuzuleiten.
(3) Der Staatsanwalt hat jedoch die Amtshandlungen vorzunehmen, bei denen Gefahr im Verzuge ist; dringende richterliche Handlungen soll er nach Möglichkeit bei dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes (§ 169 StPO) beantragen. Vor solchen Amtshandlungen hat der Staatsanwalt, soweit möglich, mit dem Generalbundesanwalt Fühlung zu nehmen; Nr. 5 findet Anwendung.
(4) Die Pflicht der Behörden und Beamten des Polizeidienstes, ihre Verhandlungen in Strafsachen, die zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug gehören, unmittelbar dem Generalbundesanwalt zu übersenden (§ 163 Abs. 2 Satz 1 StPO; § 142a Abs. 1 GVG), wird durch Absatz 1 nicht berührt.
203 Behandlung der nach § 142a Abs. 2 und 4 GVG abgegebenen Strafsachen
(1) Gibt der Generalbundesanwalt ein Verfahren nach § 142a Abs. 2 oder 4 GVG an eine Landesstaatsanwaltschaft ab, so ist er über den Ausgang zu unterrichten. Die Anklageschrift und die gerichtlichen Sachentscheidungen sind ihm in Abschrift mitzuteilen.
(2) Ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass der Generalbundesanwalt nach § 142a Abs. 3 GVG zuständig ist oder dass infolge einer Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes die Voraussetzungen für die Abgabe nach § 142a Abs. 2 Nr. 1 GVG entfallen, so sind dem Generalbundesanwalt die Akten unverzüglich zur Entscheidung über die erneute Übernahme vorzulegen. Der Generalbundesanwalt ist ferner unverzüglich zu unterrichten, sobald sonst Anlass zu der Annahme besteht, dass er ein nach § 142a Abs. 2 oder 4 GVG abgegebenes Verfahren wieder übernehmen wird. Bei der Vorlage ist auf die Umstände hinzuweisen, die eine erneute Übernahme des Verfahrens durch den Generalbundesanwalt nahe legen.
(3) Überweist ein Oberlandesgericht ein Verfahren nach § 120 Abs. 2 Satz 2 GVG an ein Landgericht, so unterrichtet der Staatsanwalt den Generalbundesanwalt über den Ausgang des Verfahrens und teilt ihm die gerichtlichen Sachentscheidungen in Abschrift mit.
(4) Für die Unterrichtung nach Absatz 1, 2 und 3 gilt Nr. 202 Abs. 2 Satz 3 sinngemäß.
(5) Beschwerden und weitere Beschwerden, über die der Bundesgerichtshof zu entscheiden hat, übersendet der Generalstaatsanwalt dem Generalbundesanwalt mit einer kurzen Stellungnahme.
204 Strafsachen, die zur Zuständigkeit der zentralen Strafkammern gehören 14
(1) Vorgänge, aus denen sich der Verdacht einer zur Zuständigkeit der Staatsschutzkammer gehörenden Straftat (§ 74a Abs. 1 GVG, §§ 1 und 3 NATO-Truppen-Schutzgesetz) ergibt, übersendet der Staatsanwalt unverzüglich dem hierfür zuständigen Staatsanwalt; er hat jedoch die Amtshandlungen vorzunehmen, bei denen Gefahr im Verzuge ist.
(2) Besteht ein Anlass zu der Annahme, dass der Generalbundesanwalt einem zur Zuständigkeit der Staatsschutzkammer gehörenden Fall besondere Bedeutung (§ 74a Abs. 2 GVG) beimessen wird, so unterrichtet der zuständige Staatsanwalt den Generalbundesanwalt möglichst frühzeitig über den Sachverhalt und dessen bisherige rechtliche Würdigung sowie über die Gründe, aus denen er die besondere Bedeutung des Falles folgert; Nr. 202 Abs. 2 Satz 3 gilt sinngemäß. Der Staatsanwalt hat jedoch die Ermittlungen fortzuführen; er soll aber vor Ablauf eines Monats seit der Unterrichtung des Generalbundesanwalts keine abschließende Verfügung treffen, sofern der Generalbundesanwalt nicht vorher die Übernahme des Verfahrens abgelehnt hat. Übernimmt der Generalbundesanwalt das Verfahren nicht, so gilt Nr. 203 Abs. 2 und 4 sinngemäß.
205 Unterrichtung der Behörden für Verfassungsschutz in Staatsschutz- und anderen Verfahren 14 18
(1) In Staatsschutzstrafverfahren (§§ 74a, 120 Abs. 1 und 2 GVG, Artikel 7, 8 des Vierten Strafrechtsänderungsgesetzes) arbeitet der Staatsanwalt mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und den Landesbehörden für Verfassungsschutz in geeigneter Weise nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften insbesondere unter Berücksichtigung des informationellen Trennungsprinzips zusammen, damit dort gesammelte Informationen bei den Ermittlungen des Staatsanwalts und dessen Erkenntnisse für die Aufgaben des Verfassungsschutzes ausgewertet werden können. Dies gilt auch für andere Verfahren, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es um Straftaten zur Durchsetzung verfassungsfeindlicher Ziele geht.
(2) Der Staatsanwalt unterrichtet das Bundesamt für Verfassungsschutz bei Bekanntwerden von Tatsachen nach § 18 Abs. 1 BVerfSchG und die Verfassungsschutzbehörden des Landes nach Maßgabe des entsprechenden Landesrechts von sich aus in geeigneter Weise über die Einleitung und den Fortgang von Verfahren sowie die für eine Auswertung wesentlichen Entscheidungen (z.B. Anklageschriften, Urteile, Einstellungsverfügungen).
Eine Unterrichtung nach Satz 1 soll insbesondere erfolgen in Verfahren wegen
Im Übrigen unterrichtet der Staatsanwalt unter den Voraussetzungen des § 18 Absatz 1b BVerfSchG das Bundesamt für Verfassungsschutz und nach Maßgabe des Landesrechts die Verfassungsschutzbehörde des Landes jedenfalls dann, wenn dies für deren Aufgabenerfüllung erforderlich und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist.
(2a) Der Staatsanwalt soll bei allen Verfahren im Sinne der Absätze 1 und 2 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften die Behörden für Verfassungsschutz um Übermittlung der dort vorhandenen Informationen ersuchen, die für das Ermittlungsverfahren von Bedeutung sein können.
(3) Der Staatsanwalt unterrichtet die Behörden für Verfassungsschutz auf deren Ersuchen über vorhandene Erkenntnisse (vgl. § 18 Abs. 3 BVerfSchG und entsprechende Landesregelungen). Er kann ihnen auch Niederschriften über Vernehmungen oder Vermerke über andere Ermittlungshandlungen überlassen.
(4) Auf die Übermittlungsverbote nach § 23 BVerfSchG, den Minderjährigenschutz des § 24 BVerfSchG und die entsprechenden Landesregelungen wird hingewiesen.
(5) Angehörige der Behörden für Verfassungsschutz können als Sachverständige oder Auskunftspersonen zu Vernehmungen und anderen Ermittlungshandlungen (z.B. Tatortbesichtigung, Durchsuchung oder Beschlagnahme) zugezogen werden. Ihre Zuziehung ist in den Akten zu vermerken.
(6) Unbeschadet bestehender Berichtspflichten ist im Rahmen der Absätze 1 bis 3 und des Absatzes 5 der unmittelbare Geschäftsverkehr mit den in Absatz 1 bezeichneten Behörden zulässig.
206 Unterrichtung des Militärischen Abschirmdienstes und des Bundesnachrichtendienstes
Der Staatsanwalt unterrichtet den Militärischen Abschirmdienst von sich aus nach Maßgabe des § 22 i.V.m. § 18 Abs. 1 und 2 BVerfSchG und auf dessen Ersuchen nach Maßgabe des § 22 i.V.m. § 18 Abs. 3 BVerfSchG. Er unterrichtet den Bundesnachrichtendienst von sich aus zu dessen Eigensicherung nach Maßgabe des § 8 Abs. 2 BNDG sowie auf dessen Ersuchen nach Maßgabe des § 8 Abs. 3 BNDG i.V.m. § 18 Abs. 3 BVerfSchG. Nr. 205 ist jeweils entsprechend anzuwenden.
207 Benachrichtigung des Bundeskriminalamtes 15 16 18
(1) Von der Einleitung eines Verfahrens wegen eines Organisationsdeliktes (§§ 84, 85, 129, 129a, 129b StGB; § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 des Vereinsgesetzes; § 95 Abs. 1 Nr. 8 des Aufenthaltsgesetzes) ist das Bundeskriminalamt, Thaerstraße 11, 65193 Wiesbaden, zu benachrichtigen. Dieses gibt auf Anfrage anhand der von ihm geführten Karteien Auskünfte darüber, ob und wo wegen des gleichen oder eines damit zusammenhängenden Organisationsdeliktes ein weiteres Verfahren anhängig ist oder anhängig gewesen ist.
(2) Die Staatsanwaltschaft übersendet in Ermittlungs- und Strafverfahren wegen
dem Bundeskriminalamt - unabhängig von einem polizeilichen Informationsaustausch - alsbald nach Abschluss des Verfahrens eine Kopie der staatsanwaltschaftlichen oder gerichtlichen Abschlussentscheidung (z.B. Urteil mit Gründen, Strafbefehl, Einstellungsverfügung), möglichst in elektronischer Form, zur Auswertung.
Ausgenommen sind:
(3) Straftaten im Sinne des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 5 sind politisch motiviert, wenn bei Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie
208 Verfahren betreffend staatsgefährdende Schriften 16
(1) Ist eine Schrift (§ 11 Abs. 3 StGB) zur Begehung einer Straftat nach den §§ 80 bis 101a, 129 bis 130 StGB, § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 des Vereinsgesetzes oder nach § 95 Abs. 1 Nr. 8 des Aufenthaltsgesetzes gebraucht worden oder bestimmt gewesen, benachrichtigt der Staatsanwalt das Bundeskriminalamt, Thaerstraße 11, 65193 Wiesbaden, unverzüglich von der Einleitung des Verfahrens. Einer gesonderten Benachrichtigung von der Einleitung des Verfahrens bedarf es nicht, wenn das Bundeskriminalamt binnen kürzester Frist durch ein Auskunftsersuchen nach Absatz 2 oder durch eine Mitteilung nach Absatz 4 benachrichtigt wird.
(2) Bevor der Staatsanwalt die Beschlagnahme oder die Einziehung beantragt, holt er eine Auskunft des Bundeskriminalamtes darüber ein, ob und wo wegen der Schriften (§ 11 Abs. 3 StGB) schon ein Verfahren anhängig ist oder anhängig gewesen ist und ob und wo bereits Beschlagnahme- oder Einziehungsentscheidungen beantragt oder ergangen sind. In Eilfällen kann die Auskunft auch fernmündlich fernschriftlich oder telegrafisch eingeholt werden. Ergibt sich aus der Auskunft des Bundeskriminalamtes, dass in einem wegen derselben Schriften (§ 11 Abs. 3 StGB) bereits anhängigen Verfahren eine die gesamte Auflage erfassende (allgemeine) Beschlagnahmeanordnung beantragt oder ergangen oder eine allgemeine Einziehung beantragt oder angeordnet, aber noch nicht rechtskräftig geworden ist, so wartet der Staatsanwalt den Abschluss dieses Verfahrens ab, wenn für ihn lediglich die Durchführung des selbständigen Einziehungsverfahrens in Betracht käme. In allen anderen Fällen gilt Nr. 249 sinngemäß.
(3) In selbständigen Einziehungsverfahren ist zu prüfen, ob auf die Herbeiführung einer gerichtlichen Beschlagnahme verzichtet und zugleich die Einziehung beantragt werden kann; von dieser Möglichkeit wird in der Regel bei selbständigen Einziehungsverfahren betreffend Massenschriften Gebrauch zu machen sein. Anträge auf Beschlagnahme sollen nach Möglichkeit beim Amtsgericht am Sitz der in § 74a GVG bezeichneten Strafkammer gestellt werden. Anträge auf Beschlagnahme oder Einziehung sollen, soweit nicht Rechtsgründe entgegenstehen, die gesamte Auflage erfassen.
(4) Das Bundeskriminalamt ist von allen auf Beschlagnahme- und Einziehungsanträge hin ergehenden Entscheidungen sowie von der Rücknahme solcher Anträge unverzüglich zu benachrichtigen. Handelt es sich um die Entscheidungen, durch welche die Beschlagnahme oder Einziehung nicht periodischer Schriften angeordnet, wieder aufgehoben oder abgelehnt wird, so kann zugleich um Bekanntmachung der Entscheidung im Bundeskriminalblatt ersucht werden; dasselbe gilt bei periodischen Schriften, die im räumlichen Geltungsbereich des Strafgesetzbuches erscheinen.
(5) Im Übrigen gelten die Nr. 226 Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2, 251, 252 und 253 sinngemäß. Für die Verwertung der in Staatsschutzverfahren eingezogenen Filme gilt die bundeseinheitlich getroffene Anordnung vom 2. April 1973.
(6) Postsendungen, die von den Zollbehörden gemäß § 2 des Gesetzes zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote vom 24. Mai 1961 10* der Staatsanwaltschaft vorgelegt, jedoch von dieser nach Prüfung freigegeben werden, sind beschleunigt an die Empfänger weiterzuleiten. Geöffnete Sendungen sind zu verschließen sowie mit dem Vermerk:
"Auf Grund des Gesetzes zur Überwachung strafrechtlicher und anderer Verbringungsverbote vom 24. Mai 1961 zollamtlich geöffnet und von der Staatsanwaltschaft freigegeben"
und mit dem Dienststempel der Staatsanwaltschaft zu versehen.
209 Verfahren wegen Verunglimpfung und Beleidigung oberster Staatsorgane
(1) Bei Verunglimpfungen und Beleidigungen oberster Staatsorgane des Bundes (§§ 90, 90b, 185 bis 188 StGB) ist das Bundesministerium der Justiz, bei Verunglimpfungen oder Beleidigungen oberster Staatsorgane eines Landes die Landesjustizverwaltung beschleunigt zu unterrichten, damit der Verletzte eine Entschließung darüber treffen kann, ob die Sache verfolgt werden soll. Zu diesem Zweck sind die im Interesse der Beweissicherung notwendigen Ermittlungen zu führen, von der Vernehmung des Beschuldigten ist jedoch zunächst abzusehen. Der Bericht soll eine gestraffte Darstellung des Sachverhalts mit kurzer rechtlicher Würdigung sowie Angaben über die persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten, sofern diese bekannt sind, enthalten. Bei Verunglimpfungen und Beleidigungen oberster Staatsorgane des Bundes ist der Bericht dem Bundesministerium der Justiz unmittelbar unter gleichzeitiger Übersendung von Abschriften an die Landesjustizverwaltung und die vorgesetzten Behörden zu erstatten.
(2) Erwägt ein oberstes Staatsorgan, eine Ermächtigung zur Strafverfolgung zu erteilen oder Strafantrag zu stellen, so ist der Sachverhalt beschleunigt aufzuklären. Der abschließende Bericht soll den Sachverhalt erschöpfend darstellen und rechtlich würdigen, die für die Entschließung des Verletzten bedeutsamen Umstände, wie besondere Tatumstände, Persönlichkeit, Verhältnis, Vorstrafen und Reue des Täters, Entschuldigungen, Widerruf oder sonstige Wiedergutmachung bzw. die Bereitschaft dazu, darlegen sowie mit der Verunglimpfung oder Beleidigung zusammentreffende, von Amts wegen zu verfolgende Straftaten einbeziehen; soweit nach der Beweislage eine Überführung des Täters zweifelhaft erscheint, soll hierauf hingewiesen werden. Dem Bericht sind die erforderliche Anzahl von Abschriften für die Ermächtigungs- oder Antragsberechtigten sowie in der Regel die Akten beizufügen. Der Bericht ist auf dem Dienstwege, in dringenden Fällen (z.B. bei bevorstehendem Fristablauf) unmittelbar, dem Bundesministerium der Justiz oder der Landesjustizverwaltung unter gleichzeitiger Übersendung von Abschriften an die vorgesetzten Behörden zu erstatten.
(3) Ist die Befugnis zur Bekanntgabe der Verurteilung anzuordnen, so gilt Nr. 231 sinngemäß.
(4) Kann bei Verunglimpfungen oder Beleidigungen oberster Staatsorgane selbständig auf Einziehung und Unbrauchbarmachung erkannt werden (Nr. 180), so gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend.
210 Verfahren wegen Handlungen gegen ausländische Staaten (§§ 102 bis 104a StGB)
(1) Bei Handlungen gegen ausländische Staaten (§§ 102 bis 104a StGB) soll der Staatsanwalt beschleunigt die im Interesse der Beweissicherung notwendigen Ermittlungen durchführen sowie die Umstände aufklären, die für die Entschließung des verletzten ausländischen Staates, ein Strafverlangen zu stellen, und für die Entschließung der Bundesregierung, die Ermächtigung zur Strafverfolgung zu erteilen, von Bedeutung sein können.
(2) Von dem Ergebnis dieser Ermittlungen ist das Bundesministerium der Justiz auf dem Dienstwege zu unterrichten. Für die Berichterstattung gilt Nr. 209 Abs. 2 Satz 2 sinngemäß. Dem Bericht sind drei Abschriften für die Bundesregierung sowie in der Regel die Akten beizufügen.
(3) Ist die Befugnis zur Bekanntgabe der Verurteilung anzuordnen (§§ 103 Abs. 2, 200 StGB), so gilt Nr. 231 sinngemäß.
211 Anhörung und Unterrichtung oberster Staatsorgane 14 15 18
(1) In den Fällen, in denen ein oberstes Staatsorgan des Bundes oder eines Landes die Ermächtigung zur Strafverfolgung nach § 89a Abs. 4, § 89c Abs. 4, § 90 Abs. 4, § 90b Abs. 2, § 97 Abs. 3, §§ 104a, 129b Abs. 1 Satz 3, § 194 Abs. 4 StGB erteilt oder Strafantrag wegen Beleidigung gestellt hat, teilt der Staatsanwalt, bevor er das Verfahren nach § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO oder nach § 153 Abs. 1, § 153a Abs. 1 StPO einstellt oder einer vom Gericht beabsichtigten Einstellung nach § 153 Abs. 2, § 153a Abs. 2 StPO zustimmt, dem obersten Staatsorgan unter Beifügung der Akten die Gründe mit, die für die Einstellung des Verfahrens sprechen, und gibt ihm Gelegenheit zur Stellungnahme.
(2) Wird in den in Absatz 1 Satz 1 bezeichneten Fällen die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt, das Verfahren durch das Gericht eingestellt oder der Angeklagte freigesprochen und erscheint ein Rechtsmittel nicht aussichtslos, so gibt der Staatsanwalt dem obersten Staatsorgan Gelegenheit zur Stellungnahme, bevor er von der Einlegung eines Rechtsmittels absieht, auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet oder ein Rechtsmittel zurücknimmt. Dies gilt auch, wenn der Staatsanwalt der Auffassung ist, dass die erkannte Strafe in einem Missverhältnis zur Schwere der Tat steht. Bei drohendem Fristablauf wird in der Regel die vorsorgliche Einlegung eines Rechtsmittels geboten sein.
(3) In den in Absatz 1 Satz 1 bezeichneten Fällen gibt der Staatsanwalt dem obersten Staatsorgan ferner Gelegenheit zur Stellungnahme,
(4) Das Bundesministerium der Justiz, bei Beteiligung eines obersten Staatsorgans eines Landes die Landesjustizverwaltung, ist in angemessenen Zeitabständen über den Fortgang des Verfahrens sowie über dessen Ausgang zu unterrichten. Abschriften der Einstellungsverfügungen und der gerichtlichen Sachentscheidungen sind in der erforderlichen Zahl für die beteiligten obersten Staatsorgane beizufügen.
(5) Für die Berichterstattung nach Absatz 1 bis 4 gilt Nr. 209 Abs. 2 Satz 4 sinngemäß; Nr. 5 Abs. 4 findet Anwendung.
212 Verfahren bei weiteren Ermächtigungsdelikten 15 18
(1) Wird dem Staatsanwalt eine Straftat nach §§ 353a oder 353b StGB bekannt, so holt er unter Mitteilung des bekanntgewordenen Sachverhalts, jedoch in der Regel vor weiteren Ermittlungen, über das Bundesministerium der Justiz bzw. über die Landesjustizverwaltung die Entscheidung ein, ob die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt wird. Die Vorschriften der Nr. 209 Abs. 2 Satz 3 und 4, 211 gelten sinngemäß.
(2) Bei Straftaten betreffend die Bildung krimineller oder terroristischer Vereinigungen im Ausland außerhalb der Europäischen Union (§§ 129, 129a in Verbindung mit § 129b StGB) soll der Staatsanwalt beschleunigt die zur Beweissicherung notwendigen Ermittlungen durchführen sowie die Umstände aufklären, die für die Entschließung des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz, die Ermächtigung zur Strafverfolgung zu erteilen, von Bedeutung sein können. Von dem Ergebnis dieser Ermittlungen ist das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz auf dem Dienstweg zu unterrichten. In Eilfällen (zum Beispiel Haftsachen) kann die Unterrichtung unmittelbar unter gleichzeitiger Übersendung von Abschriften an die vorgesetzte Behörde erfolgen. Der Bericht soll die Erkenntnisse zu der Vereinigung, die Gegenstand des Verfahrens ist, zusammenfassend darstellen.
(3) Bei Straftaten nach den §§ 89a , 89b oder 89c StGB gilt Absatz 2 Satz 1 bis 3 sinngemäß.
213 Geheimhaltung
(1) Geheimzuhaltende Tatsachen und Erkenntnisse, insbesondere Staatsgeheimnisse (§ 93 StGB), dürfen in Sachakten nur insoweit schriftlich festgehalten werden, als dies für das Verfahren unerlässlich ist.
(2) Bei der Behandlung von Verschlusssachen sind die Vorschriften der Verschlusssachenanweisung, bei der Behandlung von Verschlusssachen zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Ursprungs die für diese geltenden besonderen Geheimschutzvorschriften zu beachten. Das gilt auch bei der Mitteilung von Verschlusssachen an Verteidiger, Sachverständige und sonstige Verfahrensbeteiligte (z.B. Dolmetscher), soweit nicht zwingende Rechtsgrundsätze entgegenstehen.
(3) Auch wenn bei der Mitteilung von Verschlusssachen an Verteidiger, Sachverständige oder sonstige Verfahrensbeteiligte zwingende Rechtsgrundsätze den Vorschriften der Verschlusssachenanweisung oder den besonderen Geheimschutzvorschriften entgegenstehen, sind die Empfänger gleichwohl eindringlich auf ihre Geheimhaltungspflicht (§§ 93 ff., 203, 353b StGB) hinzuweisen; dabei ist ihnen zu empfehlen, bei der Behandlung der Verschlusssachen nach den im Einzelfall einschlägigen Vorschriften zu verfahren, die ihnen zu erläutern sind. Über den Hinweis und die Empfehlungen ist ein Vermerk zu den Akten zu nehmen; dieser soll vom Empfänger unterschrieben werden.
(4) Der Mitteilung von Verschlusssachen an Verteidiger im Sinne der Absätze 2 und 3 steht die Akteneinsicht gleich, wenn sie sich auf Verschlusssachen erstrecken. Bei Akten, die Verschlusssachen des Geheimhaltungsgrades VS-VERTRAULICH, GEHEIM oder STRENG GEHEIM enthalten, ist besonders sorgfältig zu prüfen,
Dies gilt sinngemäß bei Sachverständigen und sonstigen Verfahrensbeteiligten.
(5) In geeigneten Fällen soll der Staatsanwalt die Verteidiger, Sachverständigen und sonstigen Verfahrensbeteiligten zur Geheimhaltung der ihnen mitgeteilten geheimhaltungsbedürftigen Umstände unter Hinweis auf die Strafbarkeit der Geheimnisverletzung (§ 353b Abs. 2 StGB) förmlich verpflichten. Dabei ist zu beachten, dass eine derartige Verpflichtung zur Geheimhaltung nur auf Grund eines Gesetzes oder mit Einwilligung des Betroffenen möglich ist. Über die Einwilligung des Betroffenen und über die Vornahme der Verpflichtung ist ein Vermerk zu den Akten zu nehmen, der von dem Verpflichteten unterschrieben werden soll.
(6) Ist eine Gefährdung der Staatssicherheit zu besorgen, so hat der Staatsanwalt durch entsprechende Anträge auf gerichtliche Maßnahmen nach §§ 172 und 174 Abs. 2 GVG hinzuwirken. Im Übrigen ist Nr. 131 zu beachten.
214 Verlust oder Preisgabe von Verschlusssachen
Bei Ermittlungen, die den Verlust oder die Preisgabe von Verschlusssachen betreffen, ist zu prüfen, ob eine Verpflichtung besteht, ausländische Geheimhaltungsinteressen wahrzunehmen. Hierzu kann es sich empfehlen, eine Anfrage an das Bundesministerium des Innern zu richten, das eine Liste der internationalen Geheimschutzvereinbarungen führt.
2. Geld- und Wertzeichenfälschung
215 Internationale Abkommen
Bei der Verfolgung der Geld- und Wertzeichenfälschung (Münzstrafsachen) sind völkerrechtliche Vereinbarungen, insbesondere das Internationale Abkommen vom 20. April 1929 zur Bekämpfung der Falschmünzerei zu beachten. Auskunft erteilt das Bundesministerium der Justiz.
216 Zusammenwirken mit anderen Stellen
(1) Bei der Verfolgung von Münzstrafsachen arbeitet der Staatsanwalt insbesondere mit folgenden Stellen zusammen:
(2) Bei Münzstrafsachen, die Schuldverschreibungen oder deren Zins- oder Erneuerungsscheine betreffen, soll die Körperschaft (z.B. das Land, die Gemeinde, der Gemeindeverband) beteiligt werden, die echte Schuldverschreibungen dieser Art ausgegeben hat oder in ihnen als Ausgeber genannt ist.
217 Nachrichtensammel- und Auswertungsstelle bei dem Bundeskriminalamt
(1) Bei der Verfolgung von Münzstrafsachen beachtet der Staatsanwalt, dass das Bundeskriminalamt auf diesem Gebiet die Aufgaben einer Zentralstelle wahrnimmt (vgl. Art. 12, 13 des Internationalen Abkommens zur Bekämpfung der Falschmünzerei) und die folgenden Sammlungen unterhält:
(2) Auch die Landeskriminalämter unterhalten eine Nachrichtensammelstelle zur Bekämpfung von Geldfälschungen; sie stehen in enger Verbindung mit dem Bundeskriminalamt und erhalten von diesem regelmäßig Bericht mit Angaben über die Anfallmenge, Anfallorte und Verausgabungsstellen, mit Hinweisen auf vermutliche Verbreitungszusammenhänge sowie mit einer Übersicht über die Menge der angehaltenen Fälschungstypen, Fälschungsklassen und die Verbreitungsschwerpunkte.
218 Verbindung mehrerer Verfahren
(1) Mehrere dieselbe Fälschungsklasse betreffende Verfahren, die von derselben Staatsanwaltschaft geführt werden, sind regelmäßig zu verbinden.
(2) Werden gegen mehrere Verbreiter oder gegen Hersteller und Verbreiter durch verschiedene Staatsanwaltschaften Verfahren geführt, so wird eine Verbindung nur zweckmäßig sein, wenn zwischen den Beschuldigten unmittelbare Zusammenhänge feststellbar sind. Ist ein Zusammenhang (Ringbildung) erkennbar, so ist die Verbindung regelmäßig geboten.
219 Unterrichtung und Ausschluss der Öffentlichkeit
(1) Über Münzstrafsachen unterrichtet der Staatsanwalt die Öffentlichkeit grundsätzlich nur im Einvernehmen mit den in Nr. 216 Abs. 1 Buchst. a und b genannten Stellen. Dies gilt auch für die Bezeichnung der Fälschungsklasse und die Reihennummern der einzelnen Falschstücke.
(2) In der Anklageschrift sind über die in Absatz 1 bezeichneten Umstände, sowie über die bei Münzstraftaten angewandten Verfahren und die Mittel zur Bekämpfung dieser Straftaten nur die unbedingt notwendigen Angaben zu machen.
(3) In der Hauptverhandlung soll der Staatsanwalt den Ausschluss der Öffentlichkeit sowie die Auferlegung der Schweigepflicht beantragen (§§ 172 Nr. 1, 174 Abs. 3 GVG; vgl. auch Nr. 131 Abs. 2); regelmäßig ist dies für die Erörterung des Herstellungsverfahrens und der anderen in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Umstände geboten. Auch wenn es sich nur um die Verbreitung von Falschgeld handelt, ist dies zweckmäßig.
3. Sexualstraftaten
220 Rücksichtnahme auf Verletzte
(1) Die Anordnung und Durchführung der körperlichen Untersuchung erfordern Behutsamkeit, Einfühlungsvermögen sowie hinreichende Betreuung und Information. Die Durchführung der körperlichen Untersuchung sollte mit Rücksicht auf das Schamgefühl des Opfers möglichst einer Person gleichen Geschlechts oder einer ärztlichen Kraft (§ 81d StPO) übertragen werden. Bei berechtigtem Interesse soll dem Wunsch, die Untersuchung einer Person oder einem Arzt bestimmten Geschlechts zu übertragen, entsprochen werden. Auf Verlangen der betroffenen Person soll eine Person des Vertrauens zugelassen werden. Auf die beiden vorgenannten Regelungen ist die betroffene Person hinzuweisen.
(2) Lichtbilder von Verletzten, die sie ganz oder teilweise unbekleidet zeigen, sind in einem verschlossenen Umschlag oder gesondert geheftet zu den Akten zu nehmen und bei der Gewährung von Akteneinsicht - soweit sie nicht für die verletzte Person selbst erfolgt - vorübergehend aus den Akten zu entfernen. Der Verteidigung ist insoweit Akteneinsicht auf der Geschäftsstelle zu gewähren (§ 147 Abs. 4 Satz 1 StPO).
221 Beschleunigung in Verfahren mit kindlichen Opfern
(1) Das Verfahren ist zu beschleunigen, vor allem deswegen, weil das Erinnerungsvermögen der Kinder rasch verblasst und weil sie besonders leicht zu beeinflussen sind.
(2) Wird ein Beschuldigter, der in häuslicher Gemeinschaft mit dem Geschädigten lebt oder der auf diesen in anderer Weise unmittelbar einwirken kann, freigelassen, so ist das Jugendamt unverzüglich zu benachrichtigen, damit die erforderlichen Maßnahmen zum Schutze des Geschädigten ergriffen werden können. Die Benachrichtigung obliegt derjenigen Stelle, welche die Freilassung veranlasst hat.
222 Vernehmung von Kindern, Ausschluss und Beschränkung der Öffentlichkeit
(1) Werden Kinder als Zeugen vernommen, so sind die Nr. 19, 19a, 130a Abs. 2 und 135 Abs. 2 zu beachten. Vielfach wird es sich empfehlen, schon zur ersten Vernehmung einen Sachverständigen beizuziehen, der über besondere Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Kinderpsychologie verfügt.
(2) Hat der Beschuldigte ein glaubhaftes Geständnis vor dem Richter abgelegt, so ist im Interesse des Kindes zu prüfen, ob dessen Vernehmung noch nötig ist (vgl. Nr. 111 Abs. 4).
(3) Wegen des Ausschlusses oder der Beschränkung der Öffentlichkeit sind Nr. 131a, 132 zu beachten.
222a Anhörung des durch eine Straftat nach den §§ 174 bis 182 StGB Verletzten 12
(1) Vor der Einleitung verfahrensbeendender Maßnahmen nach den §§ 153 Abs. 1, 153a Abs. 1, 153b Abs. 1 oder 154 Abs. 1 StPO soll dem Verletzten Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem beabsichtigten Verfahrensabschluss gegeben werden, in den Fällen des § 154 Abs. 1 StPO jedoch nur, wenn die Einstellung im Hinblick auf andere Taten zum Nachteil Dritter erfolgen soll. Hiervon kann abgesehen werden, wenn der Verletzte bereits bei seiner Vernehmung als Zeuge hierzu befragt worden ist. Widerspricht der Verletzte einer beabsichtigten Maßnahme und wird das Verfahren eingestellt, soll eine Würdigung seiner Einwendungen in den Bescheid über die Einstellung (Nr. 89, 101 Abs. 2) aufgenommen werden.
(2) Dem Verletzten soll auch Gelegenheit gegeben werden, sich durch einen anwaltlichen Beistand bei einer etwaigen Erörterung des Verfahrensstands nach § 160b StPO sowie im Hinblick auf eine etwaige Entscheidung über die Anklageerhebung nach § 24 Abs. 1 Nr. 3 GVG oder § 26 Abs. 2 GVG (vgl. Nr. 113 Abs. 2) zu seiner besonderen Schutzbedürftigkeit zu äußern. In geeigneten Fällen kann auch der Verletzte selbst an der Erörterung des Verfahrensstands beteiligt werden.
4. Verbreitung und Zugänglichmachen gewaltdarstellender, pornographischer und sonstiger jugendgefährdender Schriften und Inhalte
223 Zentralstellen der Länder 15
Die Zentralstellen der Länder zur Bekämpfung gewaltdarstellender, pornographischer und sonstiger jugendgefährdender Schriften sorgen dafür, dass Straftaten nach den §§ 131, 184, 184a, 184b, 184c, 184d StGB und §§ 15, 27 des Jugendschutzgesetzes, § 23 des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages (JMStV) 12* und Ordnungswidrigkeiten nach den §§ 119, 120 Abs. 1 Nr. 2 OWiG, § 28 Abs. 1 Nr. 1 bis 4, Nr. 9, Nr. 14 bis 20, Abs. 2, 3 und 4 JuSchG, § 24 JMStV nach einheitlichen Grundsätzen verfolgt werden, und halten insbesondere in den über den Bereich eines Landes hinausgehenden Fällen miteinander Verbindung. Sie beobachten auch die in ihrem Geschäftsbereich erscheinenden oder verbreiteten Zeitschriften und Zeitungen.
224 Mehrere Strafverfahren 15 16
(1) Das Bundeskriminalamt gibt Auskunft darüber, ob eine Schrift (§ 11 Abs. 3 StGB) bereits Gegenstand eines Strafverfahrens nach den §§ 131, 184, 184a, 184b, 184c, 184d StGB oder den §§ 15, 27 JuSchG, § 23 JMStV gewesen ist.
(2) Um zu verhindern, dass voneinander abweichende Entscheidungen ergehen, sind folgende Grundsätze zu beachten:
(3) Auf Schriften, auf denen der Name des Verlegers oder - beim Selbstverlag - der Name des Verfassers oder des Herausgebers und ein inländischer Erscheinungsort nicht angegeben sind, findet Absatz 2 keine Anwendung.
(4) Die Absätze 1 bis 3 sind auf mittels Rundfunk oder Telemedien verbreitete Inhalte entsprechend anzuwenden, wobei anstelle
abzustellen ist. Bei der entsprechenden Anwendung des Absatzes 3 ist auf den Rundfunkveranstalter bzw. den Nutzer, der insbesondere Informationen zugänglich machen will, abzustellen.
225 Verwahrung beschlagnahmter Schriften
Die beschlagnahmten Stücke sind so zu verwahren, dass ein Missbrauch ausgeschlossen ist; sie dürfen nur dem Staatsanwalt und dem Gericht zugänglich sein. Von den verwahrten Schriften werden höchstens je zwei Stück in einem besonderen Umschlag (zum Gebrauch des Staatsanwalts und des Gerichts) zu den Ermittlungs- oder Strafakten genommen. Wenn diese Stücke nicht benötigt werden, sind sie wie die übrigen amtlich verwahrten Schriften unter Verschluss zu halten.
226 Veröffentlichung von Entscheidungen 16
(1).Die Beschlagnahme gewaltdarstellender, pornographischer und sonstiger jugendgefährdender Schriften ist im Bundeskriminalblatt bekanntzumachen, sofern nicht wegen voraussichtlich geringer oder nur örtlich beschränkter Verbreitung eine Veröffentlichung im Landeskriminalblatt genügt. Beschränkt sich die Beschlagnahme auf die in § 74d Abs. 3 StGB bezeichneten Stücke, wird hierauf in der Bekanntmachung hingewiesen. Nr. 251 Abs. 2 bis 6 gilt sinngemäß. Wird die Beschlagnahme aufgehoben, ist dies in gleicher Weise bekanntzumachen.
(2) Bei rechtskräftigen Entscheidungen, die auf Einziehung einer Schrift erkennen, ist nach § 81 StVollstrO zu verfahren.
(3) Rechtskräftige Entscheidungen, in denen das Gericht den gewaltdarstellenden, pornographischen oder sonst jugendgefährdenden Charakter einer Schrift (§ 11 Abs. 3 StGB) oder eines mittels Rundfunk oder Telemedien verbreiteten Inhalts verneint und den Angeklagten freigesprochen oder die Einziehung abgelehnt hat, sind im Bundeskriminalblatt auszugsweise zu veröffentlichen, wenn der Medieninhalt genau genug bezeichnet werden kann. Ist der Medieninhalt nur geringfügig (etwa nur in wenigen Stücken) oder nur in örtlich begrenztem Gebiet verbreitet worden, so genügt die Veröffentlichung im Landeskriminalblatt.
227 Unterrichtung des Bundeskriminalamts 16
Gerichtliche Entscheidungen über den gewaltdarstellenden, pornographischen oder sonst jugendgefährdenden Charakter einer Schrift (§ 11 Abs. 3 StGB) oder eines mittels Rundfunk oder Telemedien verbreiteten Inhalts, insbesondere über die Beschlagnahme oder die Einziehung von Schriften nach den §§ 74d, 76a StGB, teilen die Zentralstellen dem Bundeskriminalamt auch dann mit, wenn eine Bekanntmachung oder Veröffentlichung im Bundeskriminalblatt nicht verlangt wird oder nicht erfolgt ist. Von der Mitteilung wird abgesehen, sofern die Aufnahme entsprechender Schriften in die Liste nach § 18 JuSchG bereits bekanntgemacht ist.
228 Unterrichtung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien 14 15 16
(1) Ist rechtskräftig festgestellt, dass eine Schrift (§ 11 Abs. 3 StGB) oder ein mittels Rundfunk oder Telemedien verbreiteter Inhalt einen in den §§ 86, 130, 130a, 131, 184, 184a, 184b oder 184c StGB bezeichneten Charakter hat, übersendet die Zentralstelle eine Ausfertigung dieser Entscheidung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien nach § 18 Abs. 5 JuSchG. Die Ausfertigung soll mit Rechtskraftvermerk versehen sein.
(2) Rechtskräftige Entscheidungen, in denen das Gericht den gewaltdarstellenden, pornographischen oder sonstigen jugendgefährdenden Charakter einer Schrift (§ 11 Abs. 3 StGB) oder eines mittels Rundfunk oder Telemedien verbreiteten Inhalts verneint hat, teilen die Zentralstellen der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien in gleicher Form mit.
5. Beleidigung
229 Erhebung der öffentlichen Klage
(1) Von der Erhebung der öffentlichen Klage soll der Staatsanwalt regelmäßig absehen, wenn eine wesentliche Ehrenkränkung nicht vorliegt, wie es vielfach bei Familienzwistigkeiten, Hausklatsch, Wirtshausstreitigkeiten der Fall ist. Liegt dagegen eine wesentliche Ehrenkränkung oder ein Fall des § 188 StGB vor, so wird das öffentliche Interesse meist gegeben sein. Auf Nr. 86 wird verwiesen.
(2) Auch wenn ein Strafantrag nach § 194 Abs. 3 StGB gestellt ist, prüft der Staatsanwalt, ob ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. Will er es verneinen, so gibt er dem Antragsteller vor der abschließenden Verfügung Gelegenheit, sich hierzu zu äußern.
(3) Ist kein Strafantrag nach § 194 Abs. 3 StGB gestellt, so folgt daraus allein noch nicht, dass kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht. Will der Staatsanwalt die öffentliche Klage erheben, gibt er dem nach § 194 Abs. 3 StGB Berechtigten Gelegenheit, einen Strafantrag zu stellen. Dies gilt sinngemäß, sofern eine Beleidigung nur mit Ermächtigung der betroffenen politischen Körperschaften (§ 194 Abs. 4 StGB) zu verfolgen ist.
230 Wahrheitsbeweis
Dem Versuch, die Zulassung des Wahrheitsbeweises zur weiteren Verunglimpfung des Beleidigten zu missbrauchen und dadurch den strafrechtlichen Ehrenschutz zu unterlaufen, tritt der Staatsanwalt im Rahmen des § 244 Abs. 2, 3 StPO entgegen.
231 Öffentliche Bekanntgabe der Verurteilung
Ist nach § 200 StGB die Bekanntgabe der Verurteilung anzuordnen, so hat der Staatsanwalt darauf hinzuwirken, dass der Name des Beleidigten in die Urteilsformel aufgenommen wird. Ist die öffentliche Bekanntgabe der Verurteilung zu vollziehen (§ 463c StPO), so sind die dazu ergangenen Vorschriften der Strafvollstreckungsordnung zu beachten.
232 Beleidigung von Justizangehörigen
(1) Wird ein Justizangehöriger während der Ausübung seines Berufs oder in Beziehung auf ihn beleidigt und stellt die vorgesetzte Dienststelle zur Wahrung des Ansehens der Rechtspflege Strafantrag nach § 194 Abs. 3 StGB, so ist regelmäßig auch das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung im Sinne des § 376 StPO zu bejahen (vgl. Nr. 229).
(2) Wird in Beschwerden, Gnadengesuchen oder ähnlichen Eingaben an Entscheidungen und anderen Maßnahmen von Justizbehörden oder -angehörigen in beleidigender Form Kritik geübt, so ist zu prüfen, ob es sich um ernst zu nehmende Ehrenkränkungen handelt und es zur Wahrung des Ansehens der Rechtspflege geboten ist, einzuschreiten (vgl. Nr. 229 Abs. 1). Offenbar haltlose Vorwürfe unbelehrbarer Querulanten oder allgemeine Unmutsäußerungen von Personen, die sich in ihrem Recht verletzt glauben, werden regelmäßig keine Veranlassung geben, die öffentliche Klage zu erheben, es sei denn, dass wegen falscher Verdächtigung vorzugehen ist.
(3) Für ehrenamtliche Richter gelten die Absätze 1 und 2 entsprechend.
6. Körperverletzung
233 Erhebung der öffentlichen Klage
Das öffentliche Interesse an der Verfolgung von Körperverletzungen ist vor allem dann zu bejahen, wenn eine rohe Tat, eine erhebliche Misshandlung oder eine erhebliche Verletzung vorliegt (vgl. Nr. 86). Dies gilt auch, wenn die Körperverletzung in einer engen Lebensgemeinschaft begangen wurde; Nr. 235 Abs. 3 gilt entsprechend.
234 Besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung (§ 230 Abs. 1 StGB) 15
(1) Ein besonderes öffentliches Interesse an der Verfolgung von Körperverletzungen (§ 230 Abs. 1 Satz 1 StGB) wird namentlich dann anzunehmen sein, wenn der Täter einschlägig vorbestraft ist, roh oder besonders leichtfertig oder aus rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Beweggründen gehandelt hat, durch die Tat eine erhebliche Verletzung verursacht wurde oder dem Opfer wegen seiner persönlichen Beziehung zum Täter nicht zugemutet werden kann, Strafantrag zu stellen, und die Strafverfolgung ein gegenwärtiges Anliegen der Allgemeinheit ist. Nr. 235 Abs. 3 gilt entsprechend. Andererseits kann auch der Umstand beachtlich sein, dass der Verletzte auf Bestrafung keinen Wert legt.
(2) Ergibt sich in einem Verfahren wegen einer von Amts wegen zu verfolgenden Tat nach Anklageerhebung, dass möglicherweise nur eine Verurteilung wegen Körperverletzung (§ 230 Abs. 1 StGB) in Betracht kommt oder dass eine derartige Verurteilung nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zusätzlich dringend geboten erscheint, so erklärt der Staatsanwalt, ob er ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.
(3) Bei im Straßenverkehr begangenen Körperverletzungen ist Nr. 243 Abs. 3 zu beachten.
235 Kindesmisshandlung
(1) Auch namenlosen und vertraulichen Hinweisen geht der Staatsanwalt grundsätzlich nach; bei der Beweissicherung beachtet er insbesondere § 81c Abs. 3 Satz 3 StPO. Im Übrigen gelten die Nr. 220, 221, 222 Abs. 1 und 2 sinngemäß.
(2) Bei einer Kindesmisshandlung ist das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung (§ 230 Abs. 1 Satz 1 StGB) grundsätzlich zu bejahen. Eine Verweisung auf den Privatklageweg gemäß § 374 StPO ist in der Regel nicht angezeigt.
(3) Sind sozialpädagogische, familientherapeutische oder andere unterstützende Maßnahmen eingeleitet worden und erscheinen diese erfolgversprechend, kann ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung entfallen.
7. Betrug
236 Schwindelunternehmen, Vermittlungsschwindel 15
(1) Bei der Bekämpfung von Schwindelunternehmen kann es zweckmäßig sein, mit dem Deutschen Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität e.V. Frankfurt am Main, Landgrafenstraße 24 b, 61348 Bad Homburg v.d.H., in Verbindung zu treten. Auf Grund seiner umfangreichen Stoffsammlungen kann er Auskünfte erteilen und Sachverständige benennen.
(2) Der Immobilienverband Deutschland (IVD) Bundesverband der Immobilienberater, Makler, Verwalter und Sachverständigen e.V., Littenstraße 10, 10179 Berlin, und der Deutsche Schutzverband gegen Wirtschaftskriminalität e.V. Frankfurt am Main, Landgrafenstraße 24 b, 61348 Bad Homburg v.d.H., haben sich bereit erklärt, zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität Material zur Verfügung zu stellen und Auskünfte zu erteilen.
(3) Verstöße gegen vom Bundeskartellamt nach §§ 24 bis 27 GWB anerkannte Wettbewerbsregeln können nach den Vorschriften des UWG mit Strafe oder nach § 81 GWB als Ordnungswidrigkeiten mit Geldbuße bedroht sein. Dies ist insbesondere von Bedeutung, wenn in Ermittlungsverfahren gegen Makler ein Betrug nicht nachweisbar ist. Ferner ist die Verordnung über die Pflichten der Makler, Darlehensvermittler, Bauträger und Baubetreuer (Makler- und Bauträgerverordnung - MaBV). 13*
237 Abzahlungsgeschäfte
(1) Bei Strafanzeigen, die Abzahlungsgeschäfte zum Gegenstand haben, berücksichtigt der Staatsanwalt die Erfahrung, dass Abzahlungskäufer nicht selten leichtfertig des Betruges verdächtigt werden, um zivilrechtliche Ansprüche des Anzeigeerstatters unter dem Druck eines Strafverfahrens durchzusetzen.
(2) In den Fällen, in denen beim Abschluss von Abzahlungsgeschäften Unerfahrenheit, Ungewandtheit und Leichtgläubigkeit der Käufer ausgenutzt worden sind, prüft der Staatsanwalt, ob insoweit eine Straftat vorliegt.
238 Betrügerische Bankgeschäfte
Besteht gegen Geschäftsleiter von Kreditinstituten der Verdacht einer Straftat, so setzt sich der Staatsanwalt in der Regel möglichst frühzeitig mit der Aufsichtsbehörde in Verbindung. Nach dem Gesetz über das Kreditwesen 10* besteht eine allgemeine Fachaufsicht über sämtliche Kreditinstitute, die die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Graurheindorfer Straße 108, 53117 Bonn) ausübt. Die Sonderaufsicht (Staatsaufsicht) bestimmt sich nach Landes- oder Bundesrecht (§ 52 Kreditwesengesetz).
8. Mietwucher
Bei der Verfolgung von Mietwucher (§ 291 Abs. 1 Nr. 1 StGB) empfiehlt es sich, auch die in den Ländern erlassenen Richtlinien zur wirksameren Bekämpfung von Mietpreisüberhöhungen zu berücksichtigen.
9. Glücksspiel und Ausspielung
240 Glücksspiel
Gutachten darüber, ob es sich bei der Benutzung von mechanisch betriebenen Spielgeräten um ein Glücksspiel oder ein Geschicklichkeitsspiel handelt, erstattet die Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Abbestraße 2-12, 10587 Berlin. Gutachten über den Spielcharakter nichtmechanischer Spiele (Glücks- oder Geschicklichkeitsspiele) werden vom Bundeskriminalamt erstellt.
241 Öffentliche Lotterien und Ausspielungen
Gewerbliche Unternehmen versuchen oft, in unlauterer Weise ihren Kundenkreis dadurch zu erweitern, dass sie unter dem Deckmantel eines Preisrätsels oder in ähnlicher Art (z.B. durch Benutzung des sogenannten Schneeball- oder Hydrasystems) öffentliche Lotterien oder Ausspielungen veranstalten. Anlass zum Einschreiten besteht regelmäßig schon dann, wenn in öffentlichen Ankündigungen ein Hinweis auf die behördliche Genehmigung der Lotterie oder Ausspielung fehlt.
10. Straftaten gegen den Wettbewerb
(1) Bei der Verfolgung von wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen (§ 298 StGB) ist, wenn auch der Verdacht einer Kartellordnungswidrigkeit besteht, frühestmöglich eine Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Kartellbehörde sicherzustellen. Durch die vertrauensvolle gegenseitige Abstimmung können unnötige Doppelarbeiten dieser Behörden vermieden und die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen vermindert werden.
(2) Hat die Kartellbehörde in den Fällen des § 82 Satz 1 GWB ein § 30 OWiG betreffendes Verfahren nicht nach § 82 Satz 2 GWB an die Staatsanwaltschaft abgegeben, ist grundsätzlich eine gegenseitige Unterrichtung über geplante Ermittlungsschritte mit Außenwirkung sowie eine Abstimmung der zu treffenden oder zu beantragenden Rechtsfolgen angezeigt.
(3) Bei Zweifeln, ob die Landeskartellbehörde oder das Bundeskartellamt zuständig ist, ist regelmäßig mit der Landeskartellbehörde Kontakt aufzunehmen.
242a Besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung (§ 301 Abs. 1, §§ 299, 300 StGB)
(1) Ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung wegen Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn
(2) Kommt ein besonders schwerer Fall (§ 300 StGB) in Betracht, so kann das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung nur ausnahmsweise verneint werden.
11. Straßenverkehr
243 Verkehrsstraftaten, Körperverletzungen im Straßenverkehr
(1) In Verkehrsstrafsachen wird der Staatsanwalt, wenn nötig (vgl. Nr. 3), die Ermittlungen selbst führen, den Tatort besichtigen, die Spuren sichern lassen und frühzeitig - in der Regel schon bei der Tatortbesichtigung - einen geeigneten Sachverständigen zuziehen, falls dies zur Begutachtung technischer Fragen notwendig ist. Neben einer Auskunft aus dem Zentralregister soll auch eine Auskunft aus dem Verkehrszentralregister eingeholt werden.
(2) Besteht der Verdacht, dass der Täter unter Alkoholeinwirkung gehandelt hat, so ist für eine unverzügliche Blutentnahme zur Bestimmung des Blutalkoholgehalts zu sorgen.
(3) Ein Grundsatz, dass bei einer im Straßenverkehr begangenen Körperverletzung das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung (§ 230 Abs. 1 Satz 1 StGB) stets oder in der Regel zu bejahen ist, besteht nicht. Bei der im Einzelfall zu treffenden Ermessensentscheidung sind das Maß der Pflichtwidrigkeit, insbesondere der vorangegangene Genuss von Alkohol oder anderer berauschender Mittel, die Tatfolgen für den Verletzten und den Täter, einschlägige Vorbelastungen des Täters sowie ein Mitverschulden des Verletzten von besonderem Gewicht.
244 Internationale Abkommen
Hinsichtlich des Rechtshilfeverkehrs mit dem Ausland wird auf die völkerrechtlichen Vereinbarungen, insbesondere das Übereinkommen vom 08.11.1968 über den Straßenverkehr, ergänzt durch das Europäische Zusatzübereinkommen vom 01.05.1971 sowie ggf. das Internationale Abkommen vom 24. April 1926 über Kraftfahrzeugverkehr hingewiesen. Auskunft erteilt das Bundesministerium der Justiz.
12. Bahnverkehr, Schifffahrt und Luftfahrt
245 Transportgefährdung
(1) Bei dem Verdacht einer strafbaren Transportgefährdung, die wegen ihrer Folgen oder aus anderen Gründen in der Öffentlichkeit Aufsehen erregen kann, führt der Staatsanwalt, wenn nötig, die Ermittlungen selbst und besichtigt den Tatort (vgl. Nr. 3).
(2) Für die Frage, ob Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert im Sinne der §§ 315, 315a StGB gefährdet worden sind, ist die Art des Verkehrsmittels von Bedeutung. Der Staatsanwalt wird daher in Verbindung treten bei Beeinträchtigung der Sicherheit
(3) Im Betrieb der Eisenbahn wird eine Gefahr für Leib oder Leben eines anderen oder für fremde Sachen von bedeutendem Wert in der Regel dann bestehen, wenn der Triebfahrzeugführer bei Erkennen des Fahrthindernisses oder einer anderen Beeinträchtigung der Sicherheit des Betriebs pflichtgemäß die Schnellbremsung einzuleiten hätte.
(4) Wegen der Eigenart der in Absatz 2 genannten Verkehrsmittel können schon geringfügige Versehen Betriebsbeeinträchtigungen verursachen, die den Tatbestand des § 315 Abs. 5, 6 StGB erfüllen. Ist in solchen Fällen die Schuld des Täters gering, so wird der Staatsanwalt prüfen, ob §§ 153 Abs. 1, 153a Abs. 1 StPO (vgl. Nr. 93 Abs. 1) anzuwenden sind.
246 Unfälle beim Betrieb von Eisenbahnen
(1) Zur Aufklärung eines Unfalls beim Betrieb von Eisenbahnen, der wegen seiner Folgen oder aus anderen Gründen in der Öffentlichkeit Aufsehen erregen kann, setzt sich der Staatsanwalt sofort mit der zuständigen Polizeidienststelle und ggf. der zuständigen Aufsichtsbehörde der Eisenbahn in Verbindung und begibt sich in der Regel selbst unverzüglich an den Unfallort, um die Ermittlungen zu leiten (vgl. Nr. 3 und 11).
(2) Soweit im weiteren Verfahren Sachverständige benötigt werden, sind in der Regel fachkundige Angehörige der zuständigen Aufsichtsbehörde heranzuziehen. Wenn andere Sachverständige beauftragt werden, so ist auch der Aufsichtsbehörde Gelegenheit zur gutachtlichen Äußerung zu geben.
247 Schifffahrts- und Luftverkehrssachen 15
(1) In Strafverfahren wegen Gefährdung des Schiffsverkehrs (§ 315a Abs. 1 Nr. 2 StGB) und bei der Untersuchung von Schiffsunfällen können namentlich folgende Vorschriften zur Sicherung des Schiffsverkehrs von Bedeutung sein:
(2) In solchen Verfahren empfiehlt es sich in der Regel, die Wasser- und Schifffahrtsdirektionen zu hören. Bei Verstößen gegen Sicherheitsvorschriften sind im Bereich des Seeschiffsverkehrs die Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft und gegebenenfalls das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie in Hamburg und im Bereich des Binnenschiffsverkehrs die Berufsgenossenschaft für Transport und Verkehrswirtschaft zu beteiligen.
(3) Verstöße gegen die in Absatz 1 Buchst. a) genannten Seeverkehrsvorschriften sind überwiegend auch Seeunfälle im Sinne des Seesicherheits-Untersuchungs-Gesetzes ( SUG) 10*, die von den Seeämtern Rostock, Kiel, Hamburg, Bremerhaven und Emden förmlich untersucht werden. Die Seeämter sind zu beteiligen.
(4) In Strafverfahren wegen Zuwiderhandlungen gegen luftrechtliche Vorschriften, die der Abwehr von Gefahren für den Luftverkehr dienen (§§ 59, 60, 62 Luftverkehrsgesetz) 10*, und bei der Untersuchung von Luftfahrzeugunfällen sind die obersten Verkehrsbehörden der Länder, die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU, Hermann-Blenk-Str. 16, 38108 Braunschweig, Telefon 0531/35480) oder das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur zu beteiligen.
13. Förderung der Prostitution, Menschenhandel und Zuhälterei
(1) Es empfiehlt sich, nach der ersten Aussage einer Prostituierten unverzüglich, möglichst im Anschluss an die polizeiliche Vernehmung, eine richterliche Vernehmung herbeizuführen, da Prostituierte erfahrungsgemäß nicht selten ihre Aussage gegen den Zuhälter in der Hauptverhandlung nicht aufrechterhalten oder zu diesem Zeitpunkt nicht mehr erreichbar sind.
(2) Ist zu befürchten, dass ein Zeuge wegen der Anwesenheit bestimmter Personen in der Hauptverhandlung die Wahrheit nicht sagen werde, so wirkt der Staatsanwalt auf gerichtliche Maßnahmen nach § 172 GVG oder §§ 247, 247a StPO hin.
(3) Ist in einem Strafverfahren die Ladung einer von der Tat betroffenen ausländischen Person als Zeuge zur Hauptverhandlung erforderlich und liegt deren Einverständnis für einen weiteren befristeten Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland vor, informiert der Staatsanwalt die zuständige Ausländerbehörde mit dem Ziel, aufenthaltsbeendende Maßnahmen für die Dauer des Strafverfahrens zurückzustellen. Wird die ausländische Person nicht mehr als Zeuge für das Strafverfahren benötigt, setzt der Staatsanwalt die Ausländerbehörde hiervon umgehend in Kenntnis.
14. Pressestrafsachen
249 Allgemeines
(1) Pressestrafsachen im Sinne dieses Abschnitts sind Strafsachen, die Verstöße gegen die Pressegesetze der Länder oder solche Straftaten zum Gegenstand haben, die durch Verbreitung von Druckschriften (Druckwerken) strafbaren Inhalts begangen werden.
(2) Ist eine Straftat nach §§ 80 bis 101a, 129 bis 131 StGB, § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 des Vereinsgesetzes oder nach § 95 Abs. 1 Nr. 8 des Aufenthaltsgesetzes (Nr. 208 Abs. 1 Satz 1), eine Verunglimpfung oder eine Beleidigung oberster Staatsorgane (Nr. 209 Abs. 1 Satz 1) oder eine Beleidigung fremder Staatspersonen (Nr. 210 Abs. 1) mittels einer Druckschrift begangen worden, so gelten die Nr. 202 bis 214.
(3) Auf Straftaten nach §§ 131, 184, 184a, 184b, 184c StGB und §§ 15, 27 JuSchG, § 23 JMStV finden die Nr. 223 bis 228 Anwendung.
(4) Die Vorschriften dieses Abschnitts finden auf die in den Absätzen 2 und 3 bezeichneten Straftaten nur Anwendung, soweit es besonders bestimmt ist.
(5) Durch rasches Handeln ist zu verhindern, dass Druckschriften strafbaren Inhalts weitere Verbreitung finden; dies gilt vor allem, wenn Flugblätter, Handzettel, verbotene Zeitungen und Zeitschriften heimlich verbreitet werden. Beschleunigung ist auch wegen der kurzen Verjährungsfristen von Pressestrafsachen geboten.
(6) Die Akten sind als Pressestrafsache kenntlich zu machen und mit einem Hinweis auf die kurze Verjährungsfrist zu versehen.
250 Einheitliche Bearbeitung verschiedener, dieselbe Druckschrift betreffende Verfahren
(1) Strafsachen, welche dieselbe Veröffentlichung betreffen, sind möglichst einheitlich zu bearbeiten. Leitet der Staatsanwalt wegen einer Veröffentlichung in einer Druckschrift, die nicht in seinem Bezirk erschienen ist, ein Verfahren ein, so hat er dies dem Staatsanwalt des Erscheinungsortes unverzüglich mitzuteilen (vgl. § 7 StPO). Dieser prüft, ob ein Verfahren einzuleiten oder das bei der anderen Staatsanwaltschaft anhängige Verfahren zu übernehmen ist.
(2) Werden die Verfahren getrennt geführt, so unterrichten sich die beteiligten Staatsanwälte gegenseitig.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten sinngemäß, wenn die Veröffentlichung im Wesentlichen ein Abdruck aus einer anderen Veröffentlichung oder mit einer anderen Veröffentlichung im Wesentlichen inhaltsgleich ist.
251 Vollstreckung einer Beschlagnahmeanordnung
(1) Maßnahmen zur Vollstreckung einer Beschlagnahmeanordnung sind der Bedeutung des Falles sowie dem Umfang und der Art der Verbreitung der Druckschrift anzupassen.
(2) Ist die Druckschrift offenbar noch nicht verbreitet, so wird es in der Regel genügen, wenn sich der Staatsanwalt in den Besitz der erreichbaren Stücke setzt.
(3) Ist eine nur örtliche Verbreitung der Druckschrift anzunehmen, so ist lediglich die Polizeidienststelle, in deren Bereich die Verbreitung vermutlich stattgefunden hat oder stattfinden könnte, und, wenn die Verbreitung über einen örtlichen Polizeibezirk hinausgeht, auch das zuständige Landeskriminalamt zu ersuchen, die Vollstreckung der Beschlagnahme zu veranlassen.
(4) Ist es unmöglich oder unangebracht, die Durchführung der Beschlagnahme örtlich zu beschränken, so empfiehlt es sich, das Ersuchen um Vollstreckung der Beschlagnahmeanordnung den Polizeidienststellen durch den Sprech- und Datenfunk der Polizei bekanntzumachen.
(5) Die Ersuchen sind auf schnellstem Wege zu übermitteln. Es ist dafür zu sorgen, dass die Beschlagnahmeanordnung nicht vorzeitig bekannt wird. Mitunter wird es nötig sein, Vollstreckungsersuchen an die Polizeidienststellen in verschlüsselter (chiffrierter) Form weiterzugeben.
(6) In dem Ersuchen sind die ersuchende Behörde, die zugrunde liegende Anordnung (nach Aktenzeichen, anordnender Stelle, Ort und Datum der Anordnung) und der genaue Titel der Druckschrift (mit Verlag und Erscheinungsort) anzugeben.
252 Aufhebung der Beschlagnahme
Wird die Beschlagnahme aufgehoben, so sind davon unverzüglich alle Behörden und Stellen, die um die Vollstreckung ersucht worden sind, auf demselben Wege unter Rücknahme des Vollstreckungsersuchens zu benachrichtigen.
253 Einziehung, Unbrauchbarmachung und Ablieferung
Der Staatsanwalt hat bei Veröffentlichungen strafbaren Inhalts durch geeignete Anträge, notfalls durch Einlegung der zulässigen Rechtsmittel, darauf hinzuwirken, dass auf Einziehung und Unbrauchbarmachung (§§ 74d, 74e StGB) erkannt wird. Kann wegen der Straftat aus tatsächlichen Gründen keine bestimmte Person verfolgt oder verurteilt werden, so ist zu prüfen, ob das selbständige Verfahren nach § 76a StGB einzuleiten ist.
254 Sachverständige in Presseangelegenheiten 15
Soweit Sachverständige in Presseangelegenheiten benötigt werden, wendet sich der Staatsanwalt oder das Gericht
II. Abschnitt
Strafvorschriften des Nebenstrafrechts
A. Allgemeines
(1) Auch die Straftaten des Nebenstrafrechts sind Zuwiderhandlungen, die ein sozialethisches Unwerturteil verdienen; sie sind deshalb nach den gleichen Grundsätzen und mit dem gleichen Nachdruck zu verfolgen wie Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften des Strafgesetzbuchs. Dies gilt auch für die Anwendung der §§ 153, 153a StPO. Maßnahmen zur Abschöpfung des durch die Tat erlangten wirtschaftlichen Vorteils einer juristischen Person oder Personenvereinigung nach Nr. 180a können auch bei Straftaten des Nebenstrafrechts in Betracht kommen. Den zuständigen Fachbehörden ist nach den Nr. 90, 93 Gelegenheit zur Äußerung zu geben.
(2) Bei der Verfolgung von Straftaten des Nebenstrafrechts arbeitet der Staatsanwalt mit den zuständigen Fachbehörden zusammen. Die Fachbehörden können vor allem bei der Benennung geeigneter Sachverständiger Hilfe leisten.
B. Einzelne Strafvorschriften
1. Waffen- und Sprengstoffsachen
(1) Bei der Verfolgung von Straftaten nach dem Waffengesetz oder dem Ausführungsgesetz zu Art. 26 Abs. 2 GG ( Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen) einschließlich der auf Grund dieser Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen empfiehlt es sich, auch die hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften, namentlich die allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz ( WaffVwV), heranzuziehen.
(2) Ein besonderes Augenmerk ist auf die Erkennung überörtlicher Zusammenhänge zu richten. In geeigneten Fällen ist mit der Zollbehörde zusammenzuarbeiten. Es empfiehlt sich, möglichst frühzeitig Strafregisterauszüge aus den Staaten, in denen sich der Beschuldigte vermutlich aufgehalten hat, anzufordern.
(3) Bevor der Staatsanwalt Schusswaffen, insbesondere auch nachträglich veränderte (z.B. durchbohrte oder verkürzte) Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen in amtliche Verwahrung nimmt, prüft er, ob der Schusswaffenerkennungsdienst durchgeführt ist.
(4) Der Staatsanwalt teilt der Polizei oder der Verwaltungsbehörde unverzüglich alle Umstände mit, aus denen sich der Verdacht ergibt, dass
vorschriftswidrig mit Sprengstoffen umgegangen oder gehandelt wurde, oder diese Stoffe vorschriftswidrig befördert worden sind,
vorschriftswidrig Schusswaffen hergestellt, gehandelt oder erworben worden sind.
2. Straftaten nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) und dem Betäubungsmittelgesetz 14
(1) Bei Straftaten nach dem Arzneimittel- und Betäubungsmittelgesetz gilt Nr. . 256 Abs. 2 entsprechend.
(2) Der Staatsanwalt arbeitet auch mit den Stellen zusammen, die sich um die Betreuung von Suchtkranken bemühen, namentlich mit den Gesundheitsämtern, Jugendämtern und Verbänden der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege.
In Ermittlungsverfahren, die Straftaten nach § 95 Abs. 1 Nr. 2a und b, Abs. 3 Nummer 2 AMG zum Gegenstand haben und einen Bezug zu Leistungssportlern bzw. deren Ärzten, Trainern, Betreuern oder Funktionären aufweisen, kann es zweckmäßig sein, mit der Nationalen Anti Doping Agentur Deutschland (NADA) - Stiftung privaten Rechts - Heussallee 38, 53113 Bonn (www.nadabonn.de), in Verbindung zu treten, die gegebenenfalls sachdienliche Auskünfte erteilen kann."
3. Arbeitsschutz
(1) Vorschriften zum Schutze der Arbeitskraft und der Gesundheit der Arbeitnehmer sind namentlich enthalten in
(2) Arbeitsschutzrechtliche Vorschriften enthalten auch die Strahlenschutzverordnung 10*, die Röntgenverordnung 10*, die Gefahrstoffverordnung 10*, die PSA-Benutzungsverordnung (Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Benutzung persönlicher Schutzausrüstungen bei der Arbeit 10*, die Bildschirmarbeitsverordnung 10*, die Lastenhandhabungsverordnung 10*, die Arbeitsstättenverordnung 10*, die Biostoffverordnung 10* und die Baustellenverordnung 10*.
(3) Fachbehörden sind das Gewerbeaufsichtsamt, das Bergamt oder die sonst nach Landesrecht zuständigen Stellen.
259 Schutz des Arbeitsmarktes
(1) Vorschriften zum Schutze des Arbeitsmarktes und gegen die missbräuchliche Ausnutzung fremder Arbeitskraft sind namentlich enthalten im
(2) Zuständige Fachbehörde ist die Bundesagentur für Arbeit.
4. Unlauterer Wettbewerb
260 Öffentliches Interesse an der Strafverfolgung
Das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung wegen unlauteren Wettbewerbs (§ 299 StGB, §§ 16 bis 19 UWG) wird in der Regel zu bejahen sein, wenn eine nicht nur geringfügige Rechtsverletzung vorliegt. Dies gilt in Fällen
Die Verweisung auf die Privatklage (§ 374 Abs. 1 Nr. 5a, 7, § 376 StPO) ist in der Regel nur angebracht, wenn der Verstoß leichter Art ist und die Interessen eines eng umgrenzten Personenkreises berührt.
260a Besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung
(1) Ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung von Verletzungen von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen (§§ 17 bis 19 UWG) wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn der Täter wirtschaftsstrafrechtlich vorbestraft ist, ein erheblicher Schaden droht oder eingetreten ist, die Tat Teil eines gegen mehrere Unternehmen gerichteten Plans zur Ausspähung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen ist oder den Verletzten in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht.
(2) Kommt ein besonders schwerer Fall (§ 17 Abs. 4 UWG) in Betracht, so kann das besondere öffentliche Interesse an der Verfolgung nur ausnahmsweise verneint werden. Das gleiche gilt, auch bezüglich § 18 UWG, wenn der Täter davon ausgeht, dass das Geheimnis im Ausland verwertet werden soll, oder er es selbst im Ausland verwertet.
260b Geheimhaltung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen
(1) Bittet der Verletzte um Geheimhaltung oder stellt er keinen Strafantrag, so sollen Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse in der Sachakte nur insoweit schriftlich festgehalten werden, als dies für das Verfahren unerlässlich ist.
(2) Wird in den Fällen des Absatzes 1 Akteneinsicht gewährt, so ist darauf hinzuweisen, dass die Akte Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse enthält; hierüber ist ein Vermerk zu den Akten zu nehmen. Dies gilt sinngemäß bei sonstigen Mitteilungen aus den Akten. Es ist zu prüfen, ob nicht Gründe entgegenstehen, dem Verteidiger die Akten zur Einsichtnahme in seine Geschäftsräume oder in seine Wohnung mitzugeben (§ 147 Abs. 4 StPO).
(3) Vor Gewährung von Akteneinsicht an Dritte ist, auch wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 nicht vorliegen, besonders sorgfältig zu prüfen, ob nicht schutzwürdige Interessen des Verletzten entgegenstehen.
Bei unlauteren Wettbewerbsmethoden von örtlicher Bedeutung können die Industrie- und Handelskammern Auskünfte geben; im Übrigen erteilen Auskünfte:
Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (VZbV), Markgrafenstraße 66, 10969 Berlin.
5. Straftaten nach den Gesetzen zum Schutze des geistigen Eigentums
261 Öffentliches Interesse an der Strafverfolgung 15
Das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung von Verletzungen von Rechten des geistigen Eigentums (§ 142 Abs. 1 des Patentgesetzes, § 25 Abs. 1 des Gebrauchsmustergesetzes, § 10 Abs. 1 des Halbleiterschutzgesetzes, § 39 Abs. 1 des Sortenschutzgesetzes, § 143 Abs. 1, § 143a und § 144 Abs. 1 und 2 des Markengesetzes, § 51 Abs. 1 und § 65 Abs. 1 des Designgesetzes, §§ 106 bis 108 und § 108b des Urheberrechtsgesetzes und § 33 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photografie) wird in der Regel zu bejahen sein, wenn eine nicht nur geringfügige Schutzrechtsverletzung vorliegt. Zu berücksichtigen sind dabei insbesondere das Ausmaß der Schutzrechtsverletzung, der eingetretene oder drohende wirtschaftliche Schaden und die vom Täter erstrebte Bereicherung.
261a Besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung
Ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung (§ 142 Abs. 4 des Patentgesetzes, § 25 Abs. 4 des Gebrauchsmustergesetzes, § 10 Abs. 4 des Halbleiterschutzgesetzes, § 39 Abs. 4 des Sortenschutzgesetzes, § 143 Abs. 4 des Markengesetzes, §§ 51 Abs. 4, 65 Abs. 2 des Geschmacksmustergesetzes, § 109 des Urheberrechtsgesetzes) wird insbesondere dann anzunehmen sein, wenn der Täter einschlägig vorbestraft ist, ein erheblicher Schaden droht oder eingetreten ist, die Tat den Verletzten in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht oder die öffentliche Sicherheit oder die Gesundheit der Verbraucher gefährdet.
261b Öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung
Ist die Bekanntmachung der Verurteilung anzuordnen, so hat der Staatsanwalt darauf hinzuwirken, dass der Name des Verletzten in die Urteilsformel aufgenommen wird. Ist die öffentliche Bekanntmachung der Verurteilung zu vollziehen (§ 463c StPO), so ist § 59 der Strafvollstreckungsordnung zu beachten.
6. Verstöße gegen das Lebensmittelrecht
Strafvorschriften des Lebensmittelrechts sind insbesondere enthalten
7. Verstöße gegen das Weingesetz
Als Sachverständige für Fragen der Herstellung und des gewerbsmäßigen Verkehrs mit Weinen und weinähnlichen Getränken kommen namentlich die hauptberuflichen Kontrolleure sowie die Beamten und Angestellten) der Staatlichen Versuchs- und Lehranstalten für Obst- und Weinbau in Betracht. Für Fragen des Weinbaues benennen die landwirtschaftlichen Berufsvertretungen (z.B. Landwirtschaftskammern) Sachverständige.
8. Verstöße gegen das Futtermittelgesetz
In Verfahren wegen Straftaten nach §§ 58, 59 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches 10* kommen als Sachverständige vor allem die mit der Futtermitteluntersuchung betrauten wissenschaftlichen Beamten (Angestellten) der öffentlich-rechtlichen oder unter öffentlicher Aufsicht stehenden Untersuchungs- und Forschungsinstitute oder die vereidigten Handelschemiker, ferner sachkundige Leiter (Inhaber) von Herstellerbetrieben und anderen Handelsfirmen, leitende Angestellte landwirtschaftlicher Genossenschaften oder Landwirte in Betracht.
9. Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz
(1) In Verfahren wegen Straftaten nach dem Außenwirtschaftsgesetz 10* und der Außenwirtschaftsverordnung 10*kann der Staatsanwalt Ermittlungen auch durch die Hauptzollämter oder die Zollfahndungsämter und in Fällen überörtlicher Bedeutung auch durch das Zollkriminalamt vornehmen lassen. Auf die Koordinierungs- und Lenkungsfunktion des Zollkriminalamtes (§ 3 Abs. 5 des Gesetzes über das Zollkriminalamt und die Zollfahndungsämter) wird hingewiesen.
(2) Zuständige Verwaltungsbehörde ist das Hauptzollamt. Ort und Zeit der Hauptverhandlung sind ihm mitzuteilen; sein Vertreter erhält in der Hauptverhandlung auf Verlangen das Wort (vgl. § 22 Abs. 2 des Außenwirtschaftsgesetzes).
10. Verstöße gegen die Steuergesetze
(einschließlich der Gesetze über Eingangsabgaben)
266 Zusammenwirken mit den Finanzbehörden
(1) Ermittelt der Staatsanwalt wegen einer Steuerstraftat/Zollstraftat, so unterrichtet er das sonst zuständige Finanzamt/Hauptzollamt.
(2) Bei der Verfolgung von Straftaten gegen die Zoll- und Verbrauchssteuergesetze, das Branntweinmonopolgesetz und gegen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverbote kann der Staatsanwalt die Zollfahndungsämter oder ihre Zweigstellen zur Mitwirkung heranziehen. Nach Übersendung des Schlussberichts durch das Zollfahndungsamt richtet der Staatsanwalt Anfragen, die das Besteuerungsverfahren oder das Steuerstrafverfahren betreffen, an das sonst zuständige Hauptzollamt.
267 Zuständigkeit
(1) Von dem Recht, das Verfahren wegen einer Steuerstraftat/Zollstraftat an sich zu ziehen, macht der Staatsanwalt Gebrauch, wenn dies aus besonderen Gründen geboten erscheint, etwa wenn der Umfang und die Bedeutung der Steuerstraftat/Zollstraftat dies nahe legen, wenn die Steuerstraftat/Zollstraftat mit einer anderen Straftat zusammentrifft oder wenn der Verdacht der Beteiligung eines Angehörigen der Finanzverwaltung besteht.
(2) Im Interesse einer einheitlichen Strafzumessungspraxis unterrichtet sich der Staatsanwalt über die den Strafbefehlsanträgen des Finanzamtes/Hauptzollamtes zugrundeliegenden allgemeinen Erwägungen.
11. Umwelt- und Tierschutz
(1) Dem Schutz der Umwelt dienen außer den § 307 Abs. 2 bis 4, § 309 Abs. 3 und 6, §§ 310, 311, 312, 324 bis 330a StGB in den Bereichen
Abfall- und Abwässerbeseitigung,
Boden-, Gewässer- und Grundwasserschutz,
Lärmbekämpfung,
Luftreinhaltung,
Naturschutz und Landschaftspflege,
Pflanzenschutz,
Strahlenschutz,
Tierschutz,
Tierkörperbeseitigung,
Trinkwasserschutz,
Straf- und Bußgeldvorschriften u.a. in folgenden Bundesgesetzen:
(2) Von erheblicher Bedeutung sind außerdem landesrechtliche Straf- und Bußgeldvorschriften. Auf die in einzelnen Ländern bestehenden Sammlungen von Straf- und Bußgeldvorschriften auf dem Gebiet des Umweltschutzes wird hingewiesen.
Richtlinien für das Bußgeldverfahren
I. Abschnitt
Zuständigkeit
269 Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Staatsanwaltschaft und Verwaltungsbehörde
(1) Die Staatsanwaltschaft ist im Vorverfahren für die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit nur ausnahmsweise zuständig (vgl. Nr. 270). Sie ist nicht befugt, ausschließlich wegen einer Ordnungswidrigkeit Anklage zu erheben.
(2) Im gerichtlichen Verfahren ist die Staatsanwaltschaft für die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit stets zuständig (vgl. Nr. 271). In Verfahren nach Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid wird sie dies, sobald die Akten bei ihr eingehen (§ 69 Abs. 4 Satz 1 OWiG).
270 Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft im vorbereitenden Verfahren
Die Staatsanwaltschaft ist im vorbereitenden Verfahren wegen einer Straftat zugleich auch für die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit zuständig, soweit
Die Übernahme der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit nach § 130 OWiG eines zum Leitungsbereich einer juristischen Person oder Personenvereinigung gehörenden Betroffenen kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Ordnungswidrigkeit andernfalls nicht verfolgt werden könnte und die Übernahme die Möglichkeit der Verhängung einer Verbandsgeldbuße nach § 30 OWiG eröffnet; im Fall der Übernahme gilt Nr. 180a entsprechend.
In den Fällen des § 82 GWB ist die Staatsanwaltschaft nur zuständig, wenn die Kartellbehörde das betreffende Verfahren abgegeben hat.
271 Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft im gerichtlichen Verfahren
(1) Die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft für die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit im gerichtlichen Verfahren erstreckt sich auf
(2) Im Verfahren nach Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen eine Maßnahme der Verwaltungsbehörde (§ 62 OWiG) ist die Staatsanwaltschaft nicht beteiligt.
II. Abschnitt
Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaft mit den Verwaltungsbehörden
(1) Im Interesse einer sachgerechten Beurteilung und einer gleichmäßigen Behandlung berücksichtigt der Staatsanwalt, soweit er für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zuständig ist, die Belange der Verwaltungsbehörde und macht sich ihre besondere Sachkunde zunutze. Dies gilt namentlich bei Verstößen gegen Rechtsvorschriften, die nicht zum vertrauten Arbeitsgebiet des Staatsanwalts gehören.
(2) Auch in den Fällen, die in den nachstehenden Bestimmungen nicht ausdrücklich genannt sind, prüft der Staatsanwalt, bevor er Anträge stellt oder Entschließungen trifft, ob hierfür die besondere Sachkunde der zuständigen Verwaltungsbehörde von Bedeutung sein kann oder deren Interessen in besonderem Maße berührt sind. Trifft dies zu, so hört er die Verwaltungsbehörde.
(3) Sind mehrere Verwaltungsbehörden sachlich oder örtlich zuständig, so wendet sich der Staatsanwalt an die Verwaltungsbehörde, der nach § 39 Abs. 1 Satz 1 OWiG der Vorzug gebührt. Besteht keine Vorzugszuständigkeit, so wählt der Staatsanwalt unter mehreren zuständigen Verwaltungsbehörden diejenige aus, deren Einschaltung wegen ihrer besonderen Sachkunde oder im Interesse der Beschleunigung oder Vereinfachung des Verfahrens oder aus anderen Gründen sachdienlich erscheint; gegebenenfalls wendet er sich an die Verwaltungsbehörde, die auf Grund Vereinbarung mit der Verfolgung der Ordnungswidrigkeit betraut ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Staatsanwalt durch Übersendung der Akten an eine der mehreren zuständigen Verwaltungsbehörden bei sinngemäßer Anwendung des § 39 Abs. 1 Satz 1 OWiG deren Vorzugszuständigkeit herbeiführt, wenn der Betroffene wegen der Tat bereits vernommen ist.
III. Abschnitt
Einbeziehung von Ordnungswidrigkeiten in das vorbereitende Verfahren wegen einer Straftat
1. Berücksichtigung des rechtlichen Gesichtspunktes einer Ordnungswidrigkeit
273 Umfang der Ermittlungen
(1) Der Staatsanwalt erstreckt die Ermittlungen wegen einer Straftat auch auf den rechtlichen Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit, soweit er für die Beurteilung der Tat von Bedeutung ist oder sein kann.
(2) Ist eine Handlung gleichzeitig Straftat und Ordnungswidrigkeit, so kann das ordnungswidrige Verhalten für die Strafbemessung von Bedeutung sein oder die Grundlage für die Anordnung einer Nebenfolge bilden (§ 21 Abs. 1 Satz 2 OWiG). Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Ordnungswidrigkeit selbständige Bedeutung erlangt, wenn sich der Verdacht der Straftat nicht erweist oder wenn eine Strafe nicht verhängt wird (§ 21 Abs. 2 OWiG).
(3) Umfasst die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat mehrere Handlungen im materiellrechtlichen Sinne und ist eine von ihnen eine Ordnungswidrigkeit, so prüft der Staatsanwalt, ob die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit geboten ist (§ 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG). Bejaht er dies, so macht er seine Entschließung aktenkundig und klärt den Sachverhalt auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Ordnungswidrigkeit auf, ohne dass es einer Übernahme der Verfolgung (vgl. Abschnitt III/2) bedarf. Ist jedoch zweifelhaft, ob ein einheitliches Tatgeschehen vorliegt, so ist es zweckmäßig, die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit ausdrücklich zu übernehmen (vgl. Nr. 277 Abs. 3).
274 Unterbrechung der Verjährung
Kommt eine Ahndung der Tat auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit in Betracht (vgl. Nr. 273 Abs. 1, 3), so ist es, namentlich in Verkehrssachen, vielfach geboten, die Verjährung der Ordnungswidrigkeit zu unterbrechen (§ 33 OWiG), damit diese geahndet werden kann, wenn der Täter wegen der anderen Rechtsverletzungen nicht verurteilt wird.
275 Einstellung des Verfahrens wegen der Ordnungswidrigkeit 15
(1) Erwägt der Staatsanwalt, das Verfahren wegen einer Straftat auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Ordnungswidrigkeit (§ 40 OWiG) oder nur hinsichtlich einer mit der Straftat zusammenhängenden Ordnungswidrigkeit (§ 42 Abs. 1 OWiG) einzustellen, so gibt er der Verwaltungsbehörde Gelegenheit zur Stellungnahme (§ 63 Abs. 3 OWiG). Hiervon kann abgesehen werden, wenn der Staatsanwalt in der Beurteilung bestimmter Ordnungswidrigkeiten ausreichende Erfahrung hat oder wenn die Einstellung des Verfahrens allein von einer Rechtsfrage abhängt, für deren Entscheidung es auf die besondere Sachkunde der Verwaltungsbehörde nicht ankommt.
(2) Bei Ordnungswidrigkeiten nach den Steuergesetzen (einschließlich der Gesetze über Eingangsabgaben und Monopole) ist die sonst zuständige Verwaltungsbehörde (Finanzamt, Hauptzollamt) vor der Einstellung zu hören. Dasselbe gilt bei Ordnungswidrigkeiten nach dem Wirtschaftsstrafgesetz 1954 10* und der Direktzahlungen dem Außenwirtschaftsgesetz 10* und dem Gesetz zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisation ( MOG) 10*, da die Verwaltungsbehörde in diesen Fällen auch im Strafverfahren stets zu beteiligen ist (§ 13 Abs. 2 des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954, § 22 Abs. 2 des Außenwirtschaftsgesetzes, § 38 Abs. 2 MOG).
(3) Würde die Anhörung der Verwaltungsbehörde das Verfahren unangemessen verzögern, so sieht der Staatsanwalt von der Einstellung des Verfahrens unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit ab; in diesem Falle gibt er die Sache, sofern er die Tat nicht als Straftat weiterverfolgt, an die Verwaltungsbehörde ab, wenn Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass die Tat als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden kann (§ 43 Abs. 1 OWiG).
(4) Stellt der Staatsanwalt das Verfahren sowohl wegen der Straftat als auch wegen der Ordnungswidrigkeit ein, so trifft er eine einheitliche Einstellungsverfügung.
(5) Stellt der Staatsanwalt das Verfahren unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Ordnungswidrigkeit ein, so braucht er dem Anzeigenden die Gründe für die Einstellung in der Regel nicht mitzuteilen. Hatte die Verwaltungsbehörde wegen der Ordnungswidrigkeit bereits ein Bußgeldverfahren eingeleitet, so teilt der Staatsanwalt auch ihr die Einstellung mit.
276 Einstellung des Verfahrens nur wegen der Straftat
(1) Der Staatsanwalt gibt die Sache an die Verwaltungsbehörde ab, wenn er das Verfahren nur wegen der Straftat einstellt, aber Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass die Tat als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden kann (§ 43 Abs. 1 OWiG). Die Nr. 88 ff. sind zu beachten.
(2) Der Verwaltungsbehörde werden im Falle des Absatzes 1 Satz 1 die Vorgänge oder Abdrucke der Vorgänge, soweit sie sich auf die Ordnungswidrigkeit beziehen, übersandt. Bei der Abgabe der Sache ist mitzuteilen, worin die Anhaltspunkte dafür gesehen werden, dass die Tat als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden kann; dies gilt nicht, wenn ein solcher Hinweis für die Verwaltungsbehörde entbehrlich ist.
(3) Wird gegen die Einstellung des Verfahrens wegen der Straftat Beschwerde eingelegt, so hindert dies den Staatsanwalt nicht, die Sache wegen des Verdachts der Ordnungswidrigkeit an die Verwaltungsbehörde abzugeben. Die Abgabe wird in diesem Falle namentlich dann geboten sein, wenn die Beschwerde unbegründet erscheint und die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit zu verjähren droht.
2. Übernahme der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit
277 Übernahme
(1) Der Staatsanwalt soll die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit nur dann übernehmen, wenn diese Verfahrensgestaltung wegen besonderer Umstände sachdienlich erscheint (§ 42 Abs. 2 OWiG). Das wird in erster Linie zu bejahen sein, wenn die Taten in einer engen zeitlichen oder räumlichen Beziehung zueinander stehen. Auch sonst kann die Übernahme zweckmäßig sein, z.B. wenn einheitliche Ermittlungen den Betroffenen oder die Ermittlungsbehörden weniger belasten.
(2) Der Staatsanwalt soll grundsätzlich nicht die Verfolgung solcher Ordnungswidrigkeiten übernehmen, mit deren Beurteilung er im Allgemeinen nicht vertraut ist (z.B. Ordnungswidrigkeiten nach den innerstaatlichen EG-Durchführungsbestimmungen). Erscheint es zweifelhaft, ob die Übernahme der Verfolgung sachdienlich ist, so hört die Staatsanwaltschaft vor der Übernahme die sonst zuständige Verwaltungsbehörde.
(3) Der Staatsanwalt macht die Übernahme aktenkundig und unterrichtet zugleich die Verwaltungsbehörde, wenn sie bereits ein Bußgeldverfahren eingeleitet hat oder diese Möglichkeit nahe liegt.
(4) Übernimmt der Staatsanwalt die Verfolgung nicht, so gilt Nr. 276 Abs. 2 entsprechend.
278 Verfahren nach Übernahme
(1) Ergeben die Ermittlungen wegen der Ordnungswidrigkeit, dass deren weitere Verfolgung im Zusammenhang mit der Straftat nicht sachdienlich erscheint, so gibt der Staatsanwalt insoweit die Sache an die Verwaltungsbehörde ab (§ 43 Abs. 2 Halbsatz 1 OWiG); Nr. 276 Abs. 2 gilt entsprechend.
(2) Erwägt der Staatsanwalt, das Verfahren wegen der übernommenen Ordnungswidrigkeit einzustellen, so ist § 63 Abs. 3 OWiG zu beachten. Im Übrigen gilt Nr. 275 Abs. 3 entsprechend.
279 Einstellung des Verfahrens nur wegen der Straftat
Stellt der Staatsanwalt nach Übernahme der Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit das Verfahren nur wegen der zusammenhängenden Straftat ein (§ 43 Abs. 2 Halbsatz 2 OWiG), so gilt Nr. 276 entsprechend.
IV. Abschnitt
Erstreckung der öffentlichen Klage auf die Ordnungswidrigkeit
(1) Erstreckt der Staatsanwalt die öffentliche Klage auf die übernommene Ordnungswidrigkeit (§§ 42, 64 OWiG), so sind die Straftat und die Ordnungswidrigkeit in einer einheitlichen Anklageschrift zusammenzufassen.
(2) In der Anklageschrift ist die Ordnungswidrigkeit zu bezeichnen, die dem Angeschuldigten oder einem Betroffenen zur Last gelegt wird (§ 42 Abs. 1 Satz 2, 2. Fall OWiG). Die Nr. 110 bis 112 gelten sinngemäß auch für den Teil der Anklage, der sich auf die Ordnungswidrigkeit bezieht. Wer nur wegen einer Ordnungswidrigkeit verfolgt wird, ist in der Anklageschrift als "Betroffener" zu bezeichnen.
(3) § 63 Abs. 2 OWiG ist zu beachten.
(4) Für den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend.
V. Abschnitt
Verfahren nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid
281 Prüfung der Zulässigkeit des Einspruchs; Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Werden die Akten nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid über die Staatsanwaltschaft an das Amtsgericht übersandt und stellt der Staatsanwalt dabei fest, dass der Einspruch nicht rechtzeitig, nicht in der vorgeschriebenen Form oder sonst nicht wirksam eingelegt ist, so gibt er die Akten an die Verwaltungsbehörde zur Entscheidung über die Zulässigkeit des Einspruchs (§ 69 Abs. 1 Satz 1 OWiG) zurück. Satz 1 gilt entsprechend, wenn der Betroffene wegen Versäumung der Einspruchsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und die Verwaltungsbehörde hierüber noch nicht entschieden hat.
282 Prüfung des Vorwurfs
(1) Bei einem zulässigen Einspruch prüft der Staatsanwalt, ob der hinreichende Verdacht einer Ordnungswidrigkeit besteht, die Verfolgung geboten ist (§ 47 Abs. 1 OWiG) und Verfahrenshindernisse nicht entgegenstehen.
(2) Im Rahmen seiner Prüfung kann der Staatsanwalt selbst Ermittlungen vornehmen oder Ermittlungsorgane darum ersuchen oder von Behörden oder sonstigen Stellen die Abgabe von Erklärungen über dienstliche Wahrnehmungen, Untersuchungen und Erkenntnisse (§ 77a Abs. 2 OWiG) verlangen.
(3) Stellt der Staatsanwalt das Verfahren ein, teilt er dies dem Betroffenen und der Verwaltungsbehörde formlos mit; Nr. 275 Abs. 2 gilt für die dort genannten Fälle entsprechend. Eine Auslagenentscheidung nach § 108a Abs. 1 OWiG trifft die Staatsanwaltschaft in der Regel nur auf Antrag des Betroffenen oder eines anderen Antragsberechtigten; die Entscheidung kann auch von Amts wegen getroffen werden, so z.B. dann, wenn sich aus den Akten ergibt, dass dem Betroffenen notwendige Auslagen entstanden sind und das Verfahren mangels hinreichenden Verdachts eingestellt wird. Für die Festsetzung der notwendigen Auslagen des Betroffenen (§ 108a Abs. 3 OWiG, § 464b StPO) gilt Nr. 145 entsprechend.
(4) Bei der Einstellung des Verfahrens wegen eines Halt- oder Parkverstoßes hat der Staatsanwalt auch zu prüfen, ob eine Kostenentscheidung nach § 25a StVG in Betracht kommt.
283 Zustimmung zur Rückgabe der Sache an die Verwaltungsbehörde
Eine Zustimmung zur Rückgabe der Sache an die Verwaltungsbehörde wegen offensichtlich ungenügender Aufklärung des Sachverhalts (§ 69 Abs. 5 Satz 1 OWiG) kommt namentlich in Betracht, wenn
Die Zustimmung zur Rückgabe ist in diesen Fällen geboten, wenn es angezeigt ist, die Verwaltungsbehörde auch für künftige Fälle zu einer näheren Prüfung nach § 69 Abs. 2 OWiG zu veranlassen.
284 Stellungnahme des Staatsanwalts bei Vorlage
(1) Bei der Vorlage der Akten an das Gericht soll sich der Staatsanwalt dazu äußern, ob er
(2) Stimmt der Staatsanwalt einer Entscheidung durch Beschluss zu, so äußert er sich zugleich zur Sache und stellt einen bestimmten Antrag.
285 Hauptverhandlung
(1) Für die Hauptverhandlung sind, soweit nichts anderes bestimmt ist, die Nr. 116 bis 145 sinngemäß anzuwenden. Dabei ist auch zu prüfen, ob die Anwendung einzelner Vorschriften im Hinblick auf die unterschiedliche Bewertung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten angemessen ist.
(2) Es wird sich empfehlen, die Termine zur Hauptverhandlung in ihrer Aufeinanderfolge von denen in Strafsachen getrennt festzusetzen. Auch in der Bezeichnung der Sachen auf Formularen und Terminszetteln sollten Bußgeld- und Strafverfahren möglichst getrennt behandelt werden.
286 Umfang der Sachaufklärung
Bei der Aufklärung der Sache wird die Erörterung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die Prüfung, ob der Betroffene bestraft oder gegen ihn schon früher eine Geldbuße festgesetzt worden ist, nur dann in Betracht kommen, wenn dies für die Entscheidung von Bedeutung sein kann.
287 Teilnahme an der Hauptverhandlung
(1) Der Staatsanwalt nimmt an der Hauptverhandlung teil, wenn
(2) Der Staatsanwalt soll im Übrigen an der Hauptverhandlung teilnehmen, wenn seine Mitwirkung aus besonderen Gründen geboten erscheint. Das kommt vor allem in Betracht, wenn
288 Beteiligung der Verwaltungsbehörde
(1) Der Termin zur Hauptverhandlung wird der Verwaltungsbehörde so rechtzeitig mitgeteilt, dass ihr Vertreter sich auf die Hauptverhandlung vorbereiten und die Akten vorher einsehen kann (§ 76 Abs. 1 OWiG). Nr. 275 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 gilt entsprechend.
(2) Kann nach Auffassung des Staatsanwalts die besondere Sachkunde der Verwaltungsbehörde für die Entscheidung von Bedeutung sein, so wirkt er darauf hin, dass ein Vertreter der Verwaltungsbehörde an der Hauptverhandlung teilnimmt.
(3) § 76 Abs. 4 OWiG ist zu beachten.
289 Rücknahme der Klage
(1) Erwägt der Staatsanwalt, die Klage zurückzunehmen, so prüft er, ob die Verwaltungsbehörde vorher zu hören ist (§ 76 Abs. 3 OWiG). Nr. 275 Abs. 2, 3 gilt entsprechend.
(2) Nimmt der Staatsanwalt die Klage zurück, so teilt er dies dem Betroffenen und der Verwaltungsbehörde formlos mit.
290 Übergang vom Bußgeld- zum Strafverfahren
(1) Ergibt sich nach Einspruch gegen den Bußgeldbescheid, dass der hinreichende Verdacht einer Straftat besteht, so übersendet der Staatsanwalt die Akten dem Gericht mit dem Antrag, den Betroffenen auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes hinzuweisen (§ 81 Abs. 2 Satz 1 OWiG). In diesem Falle widerspricht er zugleich einer Entscheidung durch Beschluss (§ 72 OWiG).
(2) Auch im weiteren Verlauf des Verfahrens hat der Staatsanwalt darauf zu achten, ob der hinreichende Verdacht einer Straftat besteht. Gegebenenfalls wird der Betroffene auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes hinzuweisen sein (vgl. § 81 Abs. 2 Satz 1 OWiG).
(3) Wegen der weitreichenden Folgen, die sich aus dem Hinweis auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes ergeben (§ 81 Abs. 2 OWiG), soll der Staatsanwalt darauf hinwirken, dass das Gericht den Betroffenen und seinen Verteidiger vor dem Hinweis hört, wenn er beantragt, den Hinweis zu geben, oder das Gericht dies erwägt.
VI. Abschnitt
Rechtsbeschwerdeverfahren
291 Rechtsbeschwerde und Antrag auf deren Zulassung
Für die Rechtsbeschwerde und den Antrag auf deren Zulassung gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist, die Nr. 147 bis 152 sinngemäß.
292 Vorsorgliche Einlegung
Hat die Verwaltungsbehörde angeregt, gegen eine gerichtliche Entscheidung ein Rechtsmittel einzulegen, und bestehen Zweifel, ob die Anregung sachlich berechtigt ist, so kann das Rechtsmittel ausnahmsweise vorsorglich eingelegt werden, wenn die Zweifel vor Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht behoben werden können.
293 Verfahren nach Einlegung
(1) Für das Verfahren nach Einlegung der Rechtsbeschwerde und des Antrags auf deren Zulassung gelten die Nr. 153 bis 169 sinngemäß. Ein Übersendungsbericht ist abweichend von Nr. 163 Abs. 1 Satz 4 nur in umfangreichen Sachen beizufügen.
(2) Beantragt der Staatsanwalt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 80 OWiG), so ist anzugeben, aus welchen Gründen die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Aufhebung des Urteils wegen Versagung des rechtlichen Gehörs geboten erscheint.
VII. Abschnitt
Bußgelderkenntnis im Strafverfahren
(1) Der Staatsanwalt achtet nach Erhebung der öffentlichen Klage wegen einer Straftat darauf, dass das Gericht über die Tat zugleich unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit entscheidet, wenn sich der Verdacht der Straftat nicht erweist oder eine Strafe nicht verhängt wird (§ 82 Abs. 1 OWiG).
(2) Ist eine Handlung gleichzeitig Straftat und Ordnungswidrigkeit so, prüft der Staatsanwalt weiterhin, ob bei einer Bestrafung die Anordnung einer Nebenfolge der Ordnungswidrigkeit in Betracht kommt (vgl. Nr. 273 Abs. 2 Satz 1) und berücksichtigt dies bei seinem Antrag zur Entscheidung in der Sache.
VIII. Abschnitt
Entschädigung für Verfolgungsmaßnahmen
Das Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen gilt sinngemäß auch für das Bußgeldverfahren (§ 46 Abs. 1 OWiG). Auf die Ausführungsvorschriften zu diesem Gesetz (Anlage C) wird verwiesen.
IX. Abschnitt
Akteneinsicht
Die Nr. 182 bis 189 gelten für das Bußgeldverfahren sinngemäß.
X. Abschnitt
Einholung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Die Nr. 190 ist auch im Bußgeldverfahren anzuwenden.
XI. Abschnitt
Bußgeldsachen gegen Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaften
Die Immunität der Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaften hindert nicht, gegen diese ein Bußgeldverfahren durchzuführen. Dagegen ist der Übergang zum Strafverfahren nach § 81 OWiG nur mit Genehmigung der gesetzgebenden Körperschaft zulässig (vgl. Nr. 191 ff.); dies gilt auch für die Anordnung der Erzwingungshaft.
XII. Abschnitt
Behandlung der von der deutschen Gerichtsbarkeit befreiten Personen
Die Nr. 193 bis 199 gelten für das Bußgeldverfahren entsprechend.
XIII. Abschnitt
Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland
Die Staatsanwaltschaft kann im Bußgeldverfahren der Verwaltungsbehörde im Wege der Amtshilfe bei ausländischen Behörden Rechtshilfe erbitten, soweit dies in zwischenstaatlichen Verträgen vereinbart ist oder aufgrund besonderer Umstände (z.B. eines Notenwechsels zwischen der Bundesregierung und einer ausländischen Regierung) damit gerechnet werden kann, dass der ausländische Staat die Rechtshilfe auch ohne vertragliche Regelung gewähren wird.
_____
1*) Eine Aufstellung der Lizenzunternehmen kann im Internet abgerufen werden unter http://www.bundesnetzagentur.de/cln_1421/DE/Sachgebiete/Post/Unternehmen_Institutionen/Lizenzierung/Erteilte Lizenzen/erteiltelizenzennode. html
2*) vgl. Fundstellennachweis a zum Bundesrecht
3*) In Bayern gilt diese Vorschrift in einer abweichenden Fassung (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz über die Einführung der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren, Justizministerialblatt)
4*) 12Sonderregelung in Art. 58 der Verfassung Brandenburgs, in Art. 15 der Verfassung Hamburgs und Art. 58 der Landesverfassung Sachsen-Anhalts.
5*) Sonderregelungen in Bayern, Berlin und Saarland; vgl. die jeweiligen Verwaltungsvorschriften
6*) Vgl. Fußnote zu Nr. 191 Abs. 1 Satz 2
7*) 12 abweichend Berlin, Bremen, Rheinland-Pfalz, Sachsen:
48 Stunden nach Zugang;
Deutscher Bundestag, Bayern:
48 Stunden nach Zugang (Fällt das Ende der Frist auf einen Samstag, einen Sonntag oder einen Feiertag, endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktags);
Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Schleswig-Holstein:
48 Stunden nach Absendung
8*) Abweichend Bayern:
Die allgemeine Genehmigung umfasst auch den Antrag auf Erlass eines Strafbefehls wegen einer Straftat, die der Beschuldigte beim Führen eines Kraftfahrzeuges oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen hat, wenn der Beschuldigte damit einverstanden ist.
9*) abweichend Bremen:
Die Mitteilung ist über den Präsidenten des Senats an den Präsidenten des Deutschen Bundestages oder den Präsidenten der Bremischen Bürgerschaft, im übrigen unmittelbar an den Präsidenten der gesetzgebenden Körperschaft zu richten.
Sachsen-Anhalt:
Die Mitteilung ist über das Ministerium der Justiz an den Präsidenten des Landtags von Sachsen-Anhalt zu richten.
10*) Vgl. Fundstellennachweis a zum Bundesrecht.
11*) Vgl. Fundstellennachweis B zum Bundesgesetzblatt Teil II
12*) Vgl. Fundstellennachweise zum jeweiligen Landesrecht
13*) zu beachten. Vgl. Fundstellennachweis a zum Bundesrecht.
Gemeinsame Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren des Bundes und der Länder über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Polizeibeamte auf Anordnung des Staatsanwalts | Anlage A |
A.
Im Hinblick auf die Verantwortung der Staatsanwaltschaft für das Ermittlungsverfahren und damit auch für die Vollständigkeit der Ermittlungen und ihre Rechtmäßigkeit umfasst die Leitungs- und Weisungsbefugnis des Staatsanwalts gegenüber der Polizei auch Anordnungen zur Anwendung unmittelbaren Zwanges.
Die Gefahrenabwehr ist Aufgabe der Polizei. In diesem Bereich besteht kein Raum für Anordnungen des Staatsanwalts.
B.
Für die Ausübung des Weisungsrechts zur Anwendung unmittelbaren Zwanges ergehen - unbeschadet der Vorschriften des § 161 StPO , § 152 GVG - folgende Richtlinien:
I.
Der Staatsanwalt richtet, solange nicht ein bestimmter Beamter mit der Bearbeitung des konkreten Falles befasst ist, Weisungen grundsätzlich an die zuständige Polizeidienststelle.
Sind in einem konkreten Fall mehrere Polizeibeamte unter einem weisungsbefugten Beamten eingesetzt (z.B. Einsatzleitung, Sonderkommission), richtet der Staatsanwalt Weisungen grundsätzlich an den weisungsbefugten Beamten.
Dieser gibt - unabhängig davon, ob er selbst zu dem Kreis der nach § 152 GVG bezeichneten Beamten gehört - die Weisung an die ihm unterstellten Bediensteten weiter und veranlasst ihre Durchführung.
Ist eine polizeiliche Einsatzleitung gebildet, begibt sich der Staatsanwalt, der auf die Anwendung unmittelbaren Zwanges Einfluss nehmen will, grundsätzlich zur Einsatzleitung. Seine Weisungen soll er an den mit der Gesamtverantwortung betrauten Einsatzleiter richten. Besteht eine mehrstufige Einsatzleitung, hält sich der Staatsanwalt grundsätzlich bei der Gesamtleitung auf. Befindet er sich bei einem nachgeordneten Einsatzleiter, so wird er Weisungen nur im Rahmen der Befehlsgebung der übergeordneten Einsatzleitung und des Ermessensspielraums geben, der dem nachgeordneten Einsatzleiter eingeräumt ist.
II.
Zur Art und Weise der Ausübung des unmittelbaren Zwanges soll der Staatsanwalt nur allgemeine Weisungen erteilen und deren Ausführung der Polizei überlassen.
Konkrete Einzelweisungen zur Art und Weise der Ausübung unmittelbaren Zwanges soll der Staatsanwalt nur erteilen, wenn
die Polizei darum nachsucht,
es aus Rechtsgründen unerläßlich ist oder
die Ausübung des unmittelbaren Zwanges Auswirkungen auf das weitere Ermittlungsverfahren hat. Ob die Voraussetzungen zu Nr. 2 oder 3 gegeben sind, entscheidet der Staatsanwalt.
Die Erteilung konkreter Einzelweisungen setzt die genaue Kenntnis der jeweiligen Situation und der bestehenden Möglichkeiten für die Ausübung unmittelbaren Zwanges voraus. Dies bedingt in der Regel die Anwesenheit am Ort des Einsatzes oder der Einsatzleitung. Für konkrete Einzelweisungen zum Gebrauch von Schußwaffen ist die Anwesenheit am Ort des Einsatzes unerläßlich.
Bei konkreten Einzelweisungen soll der Staatsanwalt die besondere Sachkunde der Polizei berücksichtigen.
III.
Ergeben sich bei einem einheitlichen Lebenssachverhalt gleichzeitig und unmittelbar Aufgaben der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr, so sind die Staatsanwaltschaft und die Polizei zuständig, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Maßnahmen zu treffen.
In einem solchen Falle ist eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei in ganz besonderem Maße erforderlich. Die partnerschaftliche Zusammenarbeit gebietet es, dass jede Stelle bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben auch die Belange der übrigen sich aus dem Lebenssachverhalt stellenden Aufgaben berücksichtigt. Schaltet sich die Staatsanwaltschaft ein, so werden der Staatsanwalt und die Polizei möglichst im Einvernehmen handeln
Dies gilt auch dann, wenn die Situation die gleichzeitige angemessene Wahrnehmung beider Aufgaben nicht zuläßt. In diesem Falle ist nach dem Grundsatz der Güter- und Pflichtenabwägung jeweils für die konkrete Lage zu entscheiden, ob die Strafverfolgung oder die Gefahrenabwehr das höherwertige Rechtsgut ist.
Erfordert die Lage unverzüglich eine Entscheidung über die Anwendung unmittelbaren Zwanges und ist ein Einvernehmen darüber, welche Aufgabe in der konkreten Lage vorrangig vorzunehmen ist, - gegebenenfalls auch nach Einschaltung der vorgesetzten Dienststellen - nicht herzustellen, so entscheidet hierüber die Polizei.
Richtlinien über die Inanspruchnahme von Publikationsorganen und die Nutzung des Internets sowie anderer elektronischer Kommunikationsmittel zur Öffentlichkeitsfahndung nach Personen im Rahmen von Strafverfahren | Anlage B |
Anlage B im Srl eingeführt: Amtsbl. 10 vom 17.03.2016 S. 199
Für die Inanspruchnahme von Publikationsorganen und die Nutzung des Internets sowie anderer elektronischer Kommunikationsmittel zur Öffentlichkeitsfahndung nach Personen im Rahmen von Strafverfahren wird Folgendes bestimmt:
1 Allgemeines
1.1 Grundsätzliches zur Einschaltung von Publikationsorganen und zur Nutzung von öffentlich zugänglichen elektronischen Medien
Die Strafverfolgungsbehörden sind gehalten, alle gesetzlich zulässigen Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet sind, zur Aufklärung von Straftaten beizutragen. Insbesondere besteht die Möglichkeit, Publikationsorgane (z.B. Presse, Rundfunk, Fernsehen), die im Hinblick auf ihre Breitenwirkung in vielen Fällen wertvolle Fahndungshilfe leisten können, um ihre Mitwirkung zu bitten sowie öffentlich zugängliche elektronische Kommunikationsmittel zur Bereitstellung oder gezielten Verbreitung der Informationen (insbesondere das Internet) zu nutzen. Das gilt sowohl für die Fahndung nach einem bekannten oder unbekannten Tatverdächtigen als auch für die Suche nach anderen Personen, insbesondere Zeugen.
Die Einschaltung von Publikationsorganen sowie die Nutzung der öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsmittel zu Fahndungszwecken stellen stets eine Öffentlichkeitsfahndung dar, die nur bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (vgl. insbesondere § 131 Abs. 3 sowie § 131a Abs. 3, §§ 131b, 131c Abs. 1 Satz 1 und § 131c Abs. 2 der Strafprozessordnung - StPO) in Betracht kommt.
Darüber hinaus ist zu bedenken, dass bei allzu häufiger Inanspruchnahme der Massenmedien das Interesse und die Bereitschaft der Öffentlichkeit, an der Aufklärung von Straftaten mitzuwirken, erlahmen können. Stets ist auch zu prüfen, ob die Gefahr der Täter- oder Beteiligtenwarnung oder die Gefahr der Nachahmung von Straftaten zu befürchten ist.
1.2 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Die gesetzlichen Regelungen der Öffentlichkeitsfahndung stellen in weiten Teilen Ausgestaltungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. In jedem Einzelfall bedarf es daher einer sorgfältigen Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung einerseits und den schutzwürdigen Interessen des Beschuldigten und anderer Betroffener andererseits. Dabei sind namentlich folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen:
Die Öffentlichkeitsfahndung kann dazu führen, dass Straftaten beschleunigt aufgeklärt werden und der Tatverdächtige bald ergriffen wird. Die zügige Aufklärung von Straftaten und die Aburteilung des Täters können verhindern, dass der Täter weitere Straftaten begeht. Eine schnelle und wirksame Strafverfolgung hat auch einen bedeutenden generalpräventiven Effekt. Sie dient der Sicherheit und dem Schutz des Bürgers und schafft dadurch die Voraussetzungen für eine wirksame Verbrechensbekämpfung.
Andererseits entsteht durch die Erörterung eines Ermittlungsverfahrens mit Namensnennung des Tatverdächtigen in den Publikationsorganen die Gefahr einer erheblichen Rufschädigung. Mit zunehmender Verbreitung des Internets gilt dies im wachsenden Maße auch für die Nutzung dieses elektronischen Mediums zu Fahndungszwecken. Die spätere Resozialisierung des Täters kann durch unnötige Publizität seines Falles schon vor der Verhandlung erschwert werden. Auch andere Personen, die in den Tatkomplex verwickelt sind oder die in nahen Beziehungen zu dem Tatverdächtigen stehen, können durch eine öffentliche Erörterung schwer benachteiligt werden. Eine Bloßstellung oder Schädigung des Tatverdächtigen oder anderer Betroffener, muss nicht nur in deren Interesse, sondern auch im Interesse der Strafrechtspflege möglichst vermieden werden.
Daher ist stets auch zu prüfen, ob der beabsichtigte Fahndungserfolg nicht auch durch Maßnahmen, die den Tatverdächtigen oder andere Betroffene weniger beeinträchtigen, erreicht werden kann, namentlich dass
nur Medien von geringerer Breitenwirkung in Anspruch genommen werden,
andere Formen der Öffentlichkeitsfahndung wie Plakate, Handzettel oder Lautsprecherdurchsagen gewählt werden oder
die Fahndungshilfe örtlich oder in anderer Weise, etwa durch Verzicht auf die Verbreitung der Abbildung eines Gesuchten, beschränkt wird.
Bei der Nutzung des Internets zu Fahndungszwecken ist außerdem zu berücksichtigen, dass die im Internet eingestellten Daten weltweit abgerufen und verarbeitet werden können. Dabei ist regelmäßig zu prüfen, ob und ggf. in welchem Umfang eine Internationale Fahndung einzuleiten ist.
Auf die schutzwürdigen Interessen von Personen, die von einer Straftat betroffen sind, ist Rücksicht zu nehmen. In der Regel ist dies dadurch zu erreichen, dass die Namen solcher Personen nicht publiziert werden. Sollte die Publizierung eines solchen Namens aus Fahndungsgründen zwingend notwendig sein, so ist vor Beginn der Öffentlichkeitsfahndung mit diesen Personen ins Benehmen zu treten, soweit der Fahndungszweck dadurch nicht gefährdet wird.
2 Entscheidung über die Einschaltung von Publikationsorganen und die Nutzung von öffentlich zugänglichen elektronischen Medien
2.1 Fahndung nach einem bekannten Tatverdächtigen
Die Öffentlichkeitsfahndung nach einem bekannten Verdächtigen kommt rege Imäßig nur in Betracht, wenn dringender Tatverdacht wegen einer von erheblicher Bedeutung (Verbrechen, Vergehen von erheblichem Gewicht, z.B. schwere oder gefährliche Körperverletzung, Betrug mit hohem Vermögensschaden, Unterschlagung hoher Geldbeträge, Serientaten) gegeben ist.
Grundsätzlich muss bei Fahndungen mit dem Ziel der Festnahme ein Haftbefehl oder ein Unterbringungsbefehl vorliegen. Ist dies der Fall oder liegen die Voraussetzungen des § 131 Abs. 2 Satz 1 StPO vor, entscheidet über die Öffentlichkeitsfahndung grundsätzlich die Staatsanwaltschaft (§ 131 Abs. 3 Satz 1 StPO). Die Polizei führt eine nach § 131 Abs. 3 Satz 1 StPO gleichfalls mögliche Entscheidung des Richters nur herbei, wenn sie die Staatsanwaltschaft nicht rechtzeitig erreichen kann. Ist für die Polizei auch der Richter nicht rechtzeitig erreichbar, ist nach § 131 Abs. 3 Satz 2 bis 4 StPO zu verfahren und insbesondere unverzüglich binnen 24 Stunden eine Entscheidung der Staatsanwaltschaft herbeizuführen.
Wird die polizeiliche Eilanordnung von der Staatsanwaltschaft binnen 24 Stunden nicht bestätigt, teilt die Polizei dies den eingeschalteten Publikationsorganen mit und weist sie darauf hin, dass sie sich bei einer Fortsetzung ihrer Maßnahmen nicht mehr auf ein Fahndungsersuchen der Strafverfolgungsbehörden berufen können; eine erfolgte Nutzung des Internets zu Fahndungszwecken ist zu beenden.
Erfolgt die Öffentlichkeitsfahndung aufgrund einer Entscheidung der Staatsanwaltschaft, liegt ein Haft- oder Unterbringungsbefehl noch nicht vor und ist die Öffentlichkeitsfahndung noch nicht erledigt, ist unverzüglich, spätestens binnen einer Woche, von der Staatsanwaltschaft beim Richter eine Entscheidung über den Haft- oder Unterbringungsbefehl herbeizuführen (§ 131 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit § 131 Abs. 2 Satz 2 StPO). Lehnt der Richter den Erlass des Haft- oder Unterbringungsbefehls ab und ordnet er auch keine Öffentlichkeitsfahndung mit dem Ziel der Aufenthaltsermittlung (§ 131a Abs. 3 StPO) oder der Aufklärung einer Straftat (§ 131b Abs. 1 StPO) an, teilt die Staatsanwaltschaft dies den eingeschalteten Publikationsorganen mit und weist sie darauf hin, dass sie sich bei einer Fortsetzung ihrer Maßnahmen nicht mehr auf ein Fahndungsersuchen der Strafverfolgungsbehörden berufen können; eine erfolgte Nutzung des Internets zu Fahndungszwecken ist zu beenden.
2.2 Fahndung nach einem unbekannten Tatverdächtigen
Auch bei der Fahndung nach einem unbekannten Tatverdächtigen kann die Öffentlichkeitsfahndung veranlasst sein. In diesen Fällen gilt § 131 StPO nicht. Es ist daher - wenn nicht Gefahr im Verzug vorliegt - stets eine richterliche Entscheidung herbeizuführen (§ 131c Abs. 1 Satz 1 StPO). Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 131b Abs. 1 StPO sind zu beachten. § 131b Abs. 1 StPO gilt auch für Phantombilder.
Wenn bei Gefahr im Verzug die Staatsanwaltschaft tätig geworden ist, bedarf die Maßnahme dann einer nachträglichen richterlichen Bestätigung, wenn das Internet zu Fahndungszwecken genutzt worden ist oder das Fernsehen oder ein periodisches Druckwerk dahingehend in Anspruch genommen worden ist, dass es zu einer wiederholten Veröffentlichung kommt, und die Maßnahme nicht binnen einer Woche erledigt ist (§ 131c Abs. 2 Satz 1 StPO). Eine nachträgliche richterliche Bestätigung ist daher insbesondere dann nicht erforderlich, wenn der Hörfunk in Anspruch genommen wurde oder sich die Maßnahme binnen einer Woche erledigt hat.
Wenn bei Gefahr im Verzug eine Ermittlungsperson der Staatsanwaltschaft tätig geworden ist und die Maßnahme sich nicht alsbald erledigt hat, ist die Staatsanwaltschaft rechtzeitig vor Ablauf der Wochenfrist des § 131c Abs. 2 Satz 2 StPO einzuschalten, damit die Staatsanwaltschaft entweder selbst über die Bestätigung der Fahndung entscheiden oder eine nach § 131c Abs. 2 Satz 1 StPO notwendige richterliche Entscheidung herbeiführen kann.
2.3 Fahndung nach Zeugen
Für die Öffentlichkeitsfahndung nach Zeugen gilt die Nummer 2.2 entsprechend. Maßnahmen zur Aufenthaltsermittlung eines bekannten Zeugen sind in § 131a Abs. 1, 3 bis 5 StPO, Maßnahmen zur Aufklärung einer Straftat, insbesondere zur Feststellung der Identität eines unbekannten Zeugen sind in § 131b Abs. 2 und 3 StPO geregelt. Eine Öffentlichkeitsfahndung zur Aufenthaltsermittlung eines Zeugen unterbleibt nach § 131a Abs. 4 Satz 3 StPO, wenn überwiegende schutzwürdige Interessen des Zeugen entgegenstehen. Bei der Veröffentlichung der Abbildung eines Zeugen ist zu beachten, dass die Subsidiaritätsklausel in § 131b Abs. 2 StPO enger gefasst ist als die in § 131b Abs. 1 StPO. Stets muss die Veröffentlichung erkennbar machen, dass die gesuchte Person nicht Beschuldigter ist (§ 131a Abs. 4 Satz 2, § 131b Abs. 2 Satz 2 StPO).
2.4 Fahndung nach einem flüchtigen Verurteilten
Die Öffentlichkeitsfahndung nach einem flüchtigen Verurteilten soll nur dann erfolgen, wenn der wegen einer Straftat von erheblicher Bedeutung Verurteilte noch mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe zu verbüßen hat, wenn seine Unterbringung angeordnet ist oder wenn seine Ergreifung aus anderen Gründen, etwa wegen der Gefahr weiterer erheblicher Straftaten, im öffentlichen Interesse liegt.
Wer über die Öffentlichkeitsfahndung entscheidet, hängt auch in diesen Fällen davon ab, ob ein Haftbefehl oder Unterbringungsbefehl bzw. deren Voraussetzungen vorliegen oder nicht. Wenn die Voraussetzungen für einen Haftbefehl nach § 457 zumindest Abs. 2 StPO oder einen Unterbringungsbefehl nach § 463 Abs. 1 in Verbindung mit § 457 Abs. 2 StPO gegeben sind, was in aller Regel der Fall sein dürfte, gilt Nummer 2.1 Abs. 2 bis 4 mit der Maßgabe entsprechend, dass über den Vollstreckungshaftbefehl und die Öffentlichkeitsfahndung nicht der Richter entscheidet, sondern die Vollstreckungsbehörde.
3 Umsetzung der Maßnahmen
3.1 Einschaltung von Publikationsorganen, insbesondere des Fernsehens
Die Publikationsorgane sind grundsätzlich nicht verpflichtet, bei der Öffentlichkeitsfahndung mitzuwirken. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass viele Publikationsorgane zur Mitwirkung bereit sind.
Von praktischer Bedeutung für die inländische Fernsehfahndung sind dabei die "Grundsätze für die bundesweite Ausstrahlung von Fahndungsmeldungen im Fernsehen" aus dem Jahr 1987, an deren Erarbeitung die ARD-Rundfunkanstalten und das ZDF einerseits sowie die Justizminister und Innenminister und -senatoren des Bundes und der Länder andererseits beteiligt waren. Bei diesen Grundsätzen handelt es sich nicht um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, sondern um Absichtserklärungen der Beteiligten darüber, wie sie im Rahmen einer Fernsehfahndung verfahren wollen.
Wenn ausländische Fernsehsender in die Öffentlichkeitsfahndung eingeschaltet werden sollen, sind die Grundsätze der Internationalen Rechtshilfe und der Internationalen Fahndungsausschreibung zu beachten.
3.2 Nutzung des Internets
Um die Aufmerksamkeit der Internetnutzer für die Öffentlichkeitsfahndung zu erlangen, ist es zweckmäßig, die staatlichen Fahndungsaufrufe im Internet auf speziellen Seiten - etwa der Polizei - zu bündeln. Private Internetanbieter sollen grundsätzlich nicht eingeschaltet werden.
Sobald das Fahndungsziel erreicht ist oder die Ausschreibungsvoraussetzungen aus sonstigen Gründen nicht mehr vorliegen, ist die Nutzung des Internets zu Fahndungszwecken unverzüglich zu beenden. Darüber hinaus sind Internetfahndungen von der Staatsanwaltschaft - in den Fällen der Nummer 2.4 von der Vollstreckungsbehörde - regelmäßig, spätestens in halbjährlichen Abständen, hinsichtlich des weiteren Vorliegens der Ausschreibungsvoraussetzungen, insbesondere der weiteren Erfolgsaussichten dieser Fahndungsmethode, zu prüfen.
4 Öffentlichkeitsfahndung, die nicht ausschließlich Zwecken der Strafverfolgung oder -vollstreckung dient
Zum Strafverfahren im Sinne dieser Regelung gehören auch die Fälle des § 131a Abs. 2 StPO und des § 2 Abs. 3 des DNA-Identitätsfeststellungsgesetzes. Die Inanspruchnahme der Fahndungshilfe durch Publikationsorgane sowie die Nutzung des Internets oder anderer elektronischer Kommunikationsmittel zur Fahndung für andere Aufgaben, insbesondere für präventivpolizeiliche Zwecke, zur Identifizierung von unbekannten Toten, zur Auffindung von Vermissten sowie die Sachfahndung bleiben von dieser Regelung unberührt. Dies gilt auch dann, wenn die Fahndungshilfe durch die Medien für eine andere Aufgabe in Anspruch genommen wird, zugleich aber auch der Strafverfolgung dient und die andere öffentliche Aufgabe vorrangig ist.
5 Auskünfte an Publikationsorgane aus anderen Gründen
Das Informationsrecht, das den Publikationsorganen nach dem Presserecht zusteht, sowie Auskünfte (insbesondere nach § 475 StPO) und Mitteilungen von Amts wegen, die nicht auf Öffentlichkeitsfahndung abzielen, bleiben von dieser Regelung unberührt.
Ausführungsvorschriften zum Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen | Anlage C |
Wurde nicht durch den Bund in Kraft gesetzt.
Gemeinsame Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder über die Inanspruchnahme von Informanten sowie über den Einsatz von Vertrauenspersonen (V-Person) | Anlage D |
Wurde nicht durch den Bund in Kraft gesetzt.
Gemeinsame Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren der Länder über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Verfolgung der Organisierten Kriminalität | Anlage E |
Wurde nicht durch den Bund in Kraft gesetzt.
Richtlinien über die internationale Fahndung nach Personen, insbesondere im Schengener Informationssystem (SIS) 2) und auf Grund eines Europäischen Haftbefehls | Anlage F 21 |
Die internationale Fahndung nach Personen kann im SIS, durch INTERPOL und durch gezielte Mitfahndungsersuchen an andere Staaten veranlasst werden. Die Regelungen für die Fahndung zur Strafverfolgung gelten für die Strafvollstreckung entsprechend. Voraussetzung der internationalen Fahndung ist die nationale Fahndung im Informationssystem der Polizei (INPOL).
Nummer 2
International sind Ausschreibungen zur
möglich.
Nummer 3
Das SIS ist ein computergestütztes Fahndungssystem, das als Ausgleichsmaßnahme zum Abbau der Personenkontrollen an den Binnengrenzen der Schengen-Staaten errichtet wurde. Durch einen einheitlichen, grenzüberschreitenden Fahndungsraum soll ein mögliches Sicherheitsdefizit durch den Grenzabbau so gering wie möglich gehalten werden. Eine Beschränkung der Fahndung auf einen oder mehrere Staaten ist im SIS technisch nicht möglich (vgl. aber Abschnitt II Kapitel B Nummer 11 Absatz 2).
Nummer 4
Soweit eine Fahndung nicht im gesamten Schengenraum oder über diesen hinaus erfolgen soll, wird international durch INTERPOL gefahndet. Die Fahndung kann auf Staaten oder Fahndungsräume (vgl. Vordruck Nummer 40a RiVASt) beschränkt werden. Bei der Entscheidung über die Fahndung sowie bei der Festlegung der INTERPOL-Zone, in der gefahndet werden soll, sind der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Nummer 13 RiVASt zu beachten.
Nummer 5
Staaten, die INTERPOL nicht angehören (vgl. Länderteil RiVASt), werden vom Bundeskriminalamt um Mitfahndung ersucht, wenn die betreibende Behörde dies ausdrücklich verlangt und Anhaltspunkte vorliegen, dass sich die gesuchte Person in diesem Staat aufhält.
II. Fahndungsausschreibung zur Festnahme zwecks Auslieferung
A. Einleitung der internationalen Fahndung
Nummer 6
Um internationale Fahndung ist unter Verwendung des Vordrucks Nummer 40a RiVASt und des Vordrucks für den Europäischen Haftbefehl (Vordruck Nummer 40 RiVASt) in deutscher Sprache sowie, falls in dem betreffenden Bundesland erforderlich, des Vordrucks KP 21/24 zu ersuchen. Das Ersuchen ist auf dem jeweils vorgesehenen Geschäftsweg über das Landeskriminalamt bzw. in Fällen, in denen Zollbehörden oder die Bundespolizei die nationale Fahndung veranlassen, über das Zollkriminalamt oder die jeweilige Bundespolizeidirektion an das Bundeskriminalamt zu richten. In Verfahren, die das Bundeskriminalamt selbst führt, ist das Ersuchen unmittelbar an das Bundeskriminalamt zu richten. Der Europäische Haftbefehl soll in elektronischer Form übermittelt werden, die es dem Nutzer ermöglicht, den Text elektronisch zu durchsuchen und einzelne Datenfelder zu selektieren und zu kopieren. Eine beglaubigte Mehrfertigung des nationalen Haft- oder Unterbringungsbefehls sowie Identifizierungsunterlagen, soweit erforderlich und nicht im Europäischen Haftbefehl enthalten, sind beizufügen (vgl. Nummer 41 Absatz 1 RiStBV). Identifizierungsmaterial ist grundsätzlich in INPOL bereitzustellen.
In das Formular des Europäischen Haftbefehls ist eine verkürzte und auf das Wesentliche beschränkte Sachverhaltsdarstellung, welche jedoch jede Einzeltat unverwechselbar und rechtlich eindeutig subsumierbar beschreibt, aufzunehmen. Auf Anlagen soll nicht Bezug genommen werden.
Nummer 7
In dringenden Fällen übermittelt die verfahrensleitende Justizbehörde gleichzeitig mit der Einleitung der nationalen Fahndung das Ersuchen um internationale Fahndung unter begründeter Darlegung der besonderen Dringlichkeit unmittelbar dem Bundeskriminalamt und zugleich dem zuständigen Landeskriminalamt bzw. dem Zollkriminalamt oder der zuständigen Bundespolizeidirektion.
Nummer 8
Bei der Einleitung der Fahndung ist im Vordruck Nummer 40a RiVASt der Fahndungsraum zu bezeichnen. Unter der Voraussetzung der Nummer 41 Absatz 2 RiStBV ist zumindest im Fahndungsraum I zu fahnden. Eine darüber hinausgehende Fahndung, insbesondere in INTERPOL-Zone 2, ist zu prüfen. Bei der Bestimmung des Fahndungsraums ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
Nummer 9
Die Löschung der Fahndung soll erst nach der Übernahme der gesuchten Person durch die deutschen Behörden veranlasst werden.
Nummer 10
Wird bei bestehender Interpolfahndung die nationale Fahndung zurückgenommen oder endet die nationale Fahndung durch Fristablauf, ist das Bundeskriminalamt gemäß Nummer 6 RiVASt unverzüglich unter Angabe des Löschungsgrundes (z.B. Festnahme, Auslieferung, Verjährung, Aussetzen des Ersuchens etc.) zu unterrichten, damit von dort aus die bestehende internationale Fahndung widerrufen werden kann.
B. Besonderheiten der Fahndung in den EU-Staaten und den Schengenassoziierten Staaten
Nummer 11
Bei den im Formular des Europäischen Haftbefehls (vgl. Vordruck Nummer 40 RiVASt) bezeichneten Deliktsgruppen ist die beiderseitige Strafbarkeit nicht zu prüfen. Im Übrigen kann von der beiderseitigen Strafbarkeit ausgegangen werden, wenn keine anderweitigen Erkenntnisse vorliegen. Fehlt die beiderseitige Strafbarkeit in einem oder mehreren Staaten oder beabsichtigt die ausschreibende Behörde, in einem oder mehreren Staaten im Falle der Festnahme die Auslieferung nicht zu betreiben, so hat sie hierauf in ihrem Anschreiben nach Vordruck Nummer 40a RiVASt ausdrücklich hinzuweisen.
Eine Ausschreibung im SIS ist auch bei fehlender beiderseitiger Strafbarkeit zulässig. In diesen Fällen werden die betroffenen Vertragsstaaten durch die SIRENE Deutschland parallel zur Einstellung ins SIS entsprechend unterrichtet, sodass diese Staaten von der Möglichkeit der Umwandlung in eine Ausschreibung zur Aufenthaltsermittlung Gebrauch machen können.
Die Einleitung einer Fahndung im SIS kann in dringenden Fällen auch ohne Vorliegen eines nationalen Haftbefehls oder Europäischen Haftbefehls erfolgen. Gleichzeitig müssen der nationale und der Europäische Haftbefehl beantragt werden. Nach deren Erlass wird der Europäische Haftbefehl dem Bundeskriminalamt zugeleitet. Erfolgt die Zuleitung nicht binnen neun Stunden (wobei die Stunden zwischen Mitternacht und neun Uhr nicht zählen) nach Einleitung der Fahndung, ist die Fahndung zurückzunehmen.
Nummer 12
Wenn der Fahndungserfolg durch eine gezielte, örtlich begrenzte Fahndung erzielt werden kann, bleibt es unbenommen, bilaterale Ersuchen um vorläufige Festnahme auf der Grundlage der im Auslieferungsrecht vorgesehenen Verfahrenswege ohne Ausschreibung im SIS zu stellen. Eine Ausschreibung im SIS kann gleichwohl in Betracht kommen, um möglichen unerwarteten Bewegungen der gesuchten Person zuvorzukommen oder eine Beschleunigung der Bearbeitung des Ersuchens zu erreichen.
Nummer 13
Die ausschreibende Behörde hat mindestens bei der alle drei Jahre erforderlichen Überprüfung, ob die nationale Fahndung zu verlängern ist, auch die SIS-Fahndung auf deren Aktualität zu überprüfen. Entsprechende Verfügungen um Verlängerung der bestehenden Ausschreibung sind noch vor Fristablauf an die für die Dateneingabe zuständige Stelle zu leiten; andernfalls erfolgt eine automatische Löschung. Besteht nur eine nationale Fahndung, so ist bei deren Überprüfung immer auch zu erwägen, ob zusätzlich eine SIS-Fahndung zu veranlassen ist. Zudem ist die Ausweitung auf die INTERPOL-Zone 2 (übriges Europa) zu prüfen.
III. Fahndungsausschreibung zur Aufenthaltsermittlung von Zeugen und Beschuldigten
A. Fahndung im SIS
Nummer 14
Das Ersuchen um Fahndung im SIS zur Aufenthaltsermittlung ist unter Verwendung des Vordrucks KP 21/24 an die für die Dateneingabe zuständige Stelle zu übersenden.
Nummer 15
Die ausschreibende Stelle unterrichtet bei Erledigung der Ausschreibung die für die Dateneingabe zuständige Stelle, andernfalls erfolgt die Löschung der Ausschreibung durch Fristablauf. Die ausschreibende Stelle ist angehalten, die bestehenden Fahndungen regelmäßig auf Aktualität zu prüfen. Bei festgestellter ladungsfähiger Anschrift ist die Fahndung in der Regel zurückzunehmen.
B. Fahndung durch INTERPOL
Nummer 16
Das Ersuchen um Fahndung zur Aufenthaltsermittlung in Staaten, die nicht am SIS angeschlossen sind, ist unter Verwendung des Vordrucks KP 21/24 sowie unter Benennung des Fahndungsraums und, soweit erforderlich, der Fahndungszone und eines übermittlungsfähigen Sachverhalts über die für die Dateneingabe zuständige Stelle an das Bundeskriminalamt zu richten.
Nummer 17
Wird die nationale Fahndung zurückgenommen oder endet die nationale Fahndung durch Fristablauf, ist dem Bundeskriminalamt über die für die Dateneingabe zuständige Stelle gemäß Nummer 6 RiVASt unverzüglich unter Angabe des Löschungsgrundes (z.B. festgestellte ladungsfähige Anschrift, Verfahrensbeendigung) mitzuteilen, dass von dort aus die bestehende Fahndung zu widerrufen ist.
C. Fahndung im SIS und durch INTERPOL
Nummer 18
Soll sowohl in den Staaten, die am SIS angeschlossen sind, als auch darüber hinaus eine internationale Fahndung durchgeführt werden, so ist dieses Ersuchen unter Verwendung des Vordrucks KP 21/24 an die für die Dateneingabe zuständige Stelle zwecks Weiterleitung an das Bundeskriminalamt zu richten. Die Abschnitte A und B gelten entsprechend.
IV. Fahndungsausschreibung zur verdeckten Kontrolle bzw. polizeilichen Beobachtung
A. Fahndung im SIS
Nummer 19
Das Ersuchen um Fahndung im SIS zur verdeckten Kontrolle zum Zwecke der Strafverfolgung oder der Strafvollstreckung ist unter Verwendung des Vordrucks KP 21/24 an die für die Dateneingabe zuständige Stelle zu übersenden. Die Entscheidung für die Einleitung einer Fahndung zur verdeckten Kontrolle obliegt der zuständigen Justizbehörde und fällt nicht in die Anordnungskompetenz von § 163e StPO.
Nummer 20
Die ausschreibende Stelle unterrichtet bei Erledigung der Ausschreibung die für die Dateneingabe zuständige Stelle, andernfalls erfolgt die Löschung der Ausschreibung durch Fristablauf.
B. Fahndung durch INTERPOL
Nummer 21
Das Ersuchen um internationale Fahndung zur polizeilichen Beobachtung in Staaten, die nicht am SIS angeschlossen sind, ist unter Verwendung des Vordrucks KP 21/24 sowie unter Benennung des Fahndungsraums und, soweit erforderlich, der Fahndungszonen und eines übermittlungsfähigen Sachverhalts über die für die Dateneingabe zuständige Stelle an das Bundeskriminalamt zu richten.
Nummer 22
Wird die nationale Fahndung zurückgenommen oder endet die nationale Fahndung durch Fristablauf, ist dem Bundeskriminalamt gemäß Nummer 6 RiVASt unverzüglich unter Angabe des Löschungsgrundes (z.B. Festnahme, Auslieferung, Verjährung, Aussetzen des Ersuchens etc.) mitzuteilen, dass von dort aus die bestehende internationale Fahndung zu widerrufen ist.
C. Fahndung im SIS und durch INTERPOL
Nummer 23
Soll sowohl in den Staaten, die am SIS angeschlossen sind, als auch darüber hinaus eine internationale Fahndung durchgeführt werden, so ist dieses Ersuchen unter Verwendung des Vordrucks KP 21/24 sowie unter Benennung des Fahndungsraums und, soweit erforderlich, der Fahndungszonen und eines übermittlungsfähigen Sachverhalts über die für die Dateneingabe zuständige Stelle an das Bundeskriminalamt zu richten. Die Abschnitte A und B gelten entsprechend.
V. Festnahme im Rahmen einer Nacheile
Nummer 24
Wird die verfolgte Person im Rahmen einer Nacheile aufgegriffen, muss der zuständigen ausländischen Behörde innerhalb von sechs Stunden (wobei die Stunden zwischen Mitternacht und neun Uhr nicht mitzählen) ein Ersuchen um vorläufige Festnahme zugehen (Artikel 41 Absatz 6 SDÜ).
VI. Inkrafttreten
Nummer 25
Die Richtlinien treten am 1. Dezember 2021 in Kraft.
________
1) Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweiz (Stand 1. Dezember 2021).
2) Rechtsgrundlagen der Fahndung im SIS sind der SIS II-Beschluss (Beschluss 2007/533/JI des Rates vom 12. Juni 2007 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems der zweiten Generation, ABl. L 205 vom 07.08.2007 S. 63) und ab einem von der EU Kommission bis zum 28. Dezember 2021 zu bestimmenden Termin die SIS-VO (Verordnung (EU) 2018/1862 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. November 2018 über die Einrichtung, den Betrieb und die Nutzung des Schengener Informationssystems im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, zur Änderung und Aufhebung des Beschlusses 2007/533/JI des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1986/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und des Beschlusses 2010/261/EU der Kommission, ABl. L 312/56 vom 07.12.2018 S. 56).
ENDE |
(Stand: 29.08.2023)
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