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Regelwerk, BGR / DGUV-R

DGUV Regel 112-190 - Benutzung von Atemschutzgeräten (BGR/GUV-R 190)
Berufsgenossenschaftliche Regeln für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (BGR/GUV-R)

(Ausgabe 04/2004; 11/2009; 12/2011aufgehoben)



Zur aktuellen Fassung

Archiv 11/2009

DGUV Regeln stellen bereichs-, arbeitsverfahrens- oder arbeitsplatzbezogen Inhalte zusammen. Sie erläutern, mit welchen konkreten Präventionsmaßnahmen die Pflichten zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren erfüllt werden können.

DGUV Regeln zeigen zudem dort, wo es keine Arbeitsschutz- oder Unfallverhütungsvorschriften gibt, Wege auf, wie Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren vermieden werden können. Darüber hinaus bündeln sie das Erfahrungswissen aus der Präventionsarbeit der Unfallversicherungsträger.

Aufgrund ihres besonderen Entstehungsverfahrens und ihrer inhaltlichen Ausrichtung auf konkrete betriebliche Abläufe oder Einsatzbereiche (Branchen-/ Betriebsarten-/ Bereichsorientierung) sind DGUV Regeln fachliche Empfehlungen zur Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit. Sie haben einen hohen Praxisbezug und Erkenntniswert, werden von den beteiligten Kreisen mehrheitlich für erforderlich gehalten und können deshalb als geeignete Richtschnur für das betriebliche Präventionshandeln herangezogen werden. Eine Vermutungswirkung entsteht bei DGUV Regeln nicht.

Vorbemerkung

Diese Regel erläutert die Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) hinsichtlich der Benutzung von Atemschutz.

In dieser Regel sind die Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes und der PSA-Benutzungsverordnung berücksichtigt.

Die in dieser Regel enthaltenen technischen Lösungen schließen andere, mindestens ebenso sichere Lösungen nicht aus, die auch in technischen Regeln anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder der Türkei oder anderer Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ihren Niederschlag gefunden haben können. Sind zur Konkretisierung staatlicher Arbeitsschutzvorschriften von den dafür eingerichteten Ausschüssen technische Regeln aufgestellt worden, sind diese vorrangig anzuwenden.

Diese Regel wurde in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis "Anwendung" des Arbeitsausschusses "Atemgeräte für Arbeit und Rettung" im DIN-Normenausschuss Feinmechanik und Optik erarbeitet. Dabei wurden die DIN- und EN-Normen über Atemschutz sowie die DIN EN 529 "Anleitung zur Auswahl und Anwendung von Atemschutzgeräten" berücksichtigt.

1 Anwendungsbereich

Diese Regel findet Anwendung auf die Auswahl und die Benutzung von Atemschutzgeräten für Arbeit und Rettung sowie für Fluchtzwecke.

In dieser Regel werden die Atemschutzgerätetypen und ihre Einteilung, Kennzeichnung, Auswahl, ihr Einsatz und ihre Instandhaltung behandelt. Sie enthält Festlegungen über die Anforderungen für Gerätträger und Gerätewarte und an deren Aus- und Fortbildung sowie Unterweisung.

Diese Regel findet keine Anwendung auf den Einsatz von Atemschutzgeräten öffentlicher Feuerwehren und in Betrieben im Geltungsbereich des Bundesberggesetzes, soweit dort eigene Vorschriften bestehen. Werkfeuerwehren im Feuerwehreinsatz sind den öffentlichen Feuerwehren gleichgestellt.

Diese Regel findet auch keine Anwendung auf Tauchgeräte und Höhenatmer.

2 Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieser Regel wird bestimmt:

  1. Arbeitsplatzgrenzwert (AGW) ist der Grenzwert für die zeitlich gewichtete durchschnittliche Konzentration eines Stoffes in der Luft am Arbeitsplatz in Bezug auf einen gegebenen Referenzzeitraum. Er gibt an, bei welcher Konzentration eines Stoffes akute oder chronische schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit im Allgemeinen nicht zu erwarten sind. Der AGW gilt nicht für krebserzeugende, erbgutverändernde oder fruchtbarkeitsgefährdende Stoffe.
  2. Atemanschluss ist der Teil eines Atemschutzgerätes, der die Verbindung zum Benutzer eines Atemschutzgerätes herstellt.
  3. Atemluft ist die zum Atmen geeignete Luft.

    Für komprimierte Atemluft siehe auch DIN EN 12021.

  4. Atemminutenvolumen ist das Luftvolumen, das in einer Minute veratmet wird.
  5. Atemschutzgeräte sind persönliche Schutzausrüstungen (PSA), die den Träger vor dem Einatmen von Schadstoffen aus der Umgebungsatmosphäre oder vor Sauerstoffmangel schützen.
  6. Atemschutzanzug ist ein Anzug, der Kopf und Körper vollständig oder teilweise umschließt und über eine Atemluftversorgung den Gerätträger direkt aus dem Anzug mit Atemluft versorgt. Er stellt somit den Atemanschluss dar. In den relevanten Normen wird dieser als Schutzkleidung oder Anzug bezeichnet.
  7. Belastende Atemschutzgeräte sind Geräte, bei deren Benutzung die "Auswahlkriterien für die spezielle arbeitsmedizinische Vorsorge nach dem Berufsgenossenschaftlichen Grundsatz G 26 'Atemschutzgeräte'" zu berücksichtigen sind.
  8. Betriebsmäßige Benutzung ist der arbeitstägliche Gebrauch eines Atemschutzgerätes von mehr als 30 Minuten.
  9. CMR-Stoffe (cancerogenic, mutagenic, toxic for reproduction) sind krebserzeugende, erbgutverändernde und fruchtbarkeitsgefährdende Stoffe und Zubereitungen gemäß § 3 Abs. 2 Gefahrstoffverordnung ( GefStoffVO).
  10. Erholungsdauer ist der Zeitraum zwischen zwei fortwährenden Benutzungen eines Atemschutzgerätes, der zur Erholung dient. Die Erholungszeit schließt eine leichte körperliche Arbeit nicht aus.
  11. Enzyme sind Substanzen, in der Regel Proteine (oder Eiweiße), die hocheffizient und spezifisch als biologische Katalysatoren wirken.
  12. Fluchtgeräte (Selbstretter und Fluchtfiltergeräte) sind Atemschutzgeräte, die im Gefahrenfalle ausschließlich zur Selbstrettung eingesetzt werden. Sie dürfen nicht zur Arbeit benutzt werden.
  13. Gebrauch pro Schicht ist die Häufigkeit des Gebrauchs eines Atemschutzgerätes bei maximaler Tragedauer während einer Arbeitsschicht.
  14. Gebrauch ist jegliche Benutzung, bei der eine Verbindung zwischen dem Gerätträger und dem Atemanschluss hergestellt wird.
  15. Gerätträger ist der Benutzer eines Atemschutzgerätes.
  16. Grenzwert (GW) ist die höchst zulässige Konzentration eines Schadstoffes in der Umgebungsatmosphäre.
    Grenzwerte unterliegen aufgrund wissenschaftlicher und medizinischer Erkenntnisse einer ständigen Anpassung. Sie sind z.B. zu finden im technischen Regelwerk zur Gefahrstoffverordnung (TRGS 900 etc.), in EU-Richtlinien ( 98/24/EG, 2004/37/EG, 2003/18/EG etc.).
  17. Luftgetragene biologische Arbeitsstoffe sind Mikroorganismen (Bakterien, Pilze und deren Sporen, Viren), die als freie Erreger oder an Staub oder Töpfchen gebunden durch den Atemtrakt aufgenommen werden und Krankheiten verursachen können.
  18. Mehrfachgebrauch ist der wiederholte Gebrauch eines Atemschutzgerätes durch den Gerätträger während einer Arbeitsschicht.
  19. Schadstoffe sind Gefahrstoffe laut Gefahrstoffverordnung, radioaktive Stoffe, biologische Arbeitsstoffe und Enzyme, soweit sie als Gase, Dämpfe oder luftgetragene Partikel vorliegen.
  20. Schichten pro Woche bedeutet die Anzahl der Arbeitsschichten während einer Arbeitswoche bei Gebrauch eines Atemschutzgerätes unter maximaler Ausnutzung der Einsätze pro Arbeitsschicht.
  21. Schutzanzüge sind PSA, die den Körper vor Gefährdungen schützen, aber keine Atemschutzfunktion aufweisen. Sie werden in Kombination mit Atemschutzgeräten benutzt und stellen keinen Atemanschluss dar (siehe auch "Atemschutzanzug").
  22. Schutzanzüge mit Hitzestress verringerten Eigenschaften sind PSA, die beim Gebrauch einen geringeren Hitzestress verursachen und den Körper vor der Einwirkung flüssiger und fester Schadstoffe in der Umgebungsatmosphäre schützen.
  23. Schutzanzüge ohne Ventilation sind gas- und flüssigkeitsdichte PSA, die den Träger vollständig von der Umgebungsatmosphäre trennen und dadurch auch den Wärmetransport vom Körper verhindern, z.B. schwere Chemikalienschutzanzüge.
  24. Schutzanzüge mit Ventilation sind zwangsbelüftete PSA, die den Träger vor der Einwirkung flüssiger und fester Schadstoffe in der Umgebungsatmosphäre schützen und dabei den Wärmetransport vom Körper einschränken.
  25. Ständige Maßnahme ist die betriebsmäßige Benutzung von Atemschutzgeräten, wenn durch ein Arbeitsverfahren atembare Schadstoffe freigesetzt werden.
  26. Stand der Technik ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherheit der Beschäftigten gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Standes der Technik sind insbesondere vergleichbare Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen heranzuziehen, die mit Erfolg in der Praxis erprobt worden sind. Gleiches gilt für die Anforderungen an die Arbeitsmedizin und die Arbeitsplatzhygiene.
  27. Totraum ist der Bereich von Atemanschlüssen, in dem sich durch Ausatmen die Atemluft mit Kohlenstoffdioxid anreichert und wieder eingeatmet wird.
  28. Tragedauer ist der Zeitraum fortwährenden Gebrauchs einer PSA.
  29. Umgebungsatmosphäre ist die Atmosphäre, die den Menschen umgibt.
  30. Wiederbenutzung ist der wiederholte Gebrauch eines Atemschutzgerätes über eine Arbeitsschicht hinaus, einschließlich der Zwischenlagerungen, des Mitführens etc.

3 Maßnahmen zur Verhütung von Gefahren für Leben und Gesundheit bei Arbeit und Rettung sowie Flucht

3.1 Bereitstellung

3.1.1 Gefährdungsbeurteilung

Vor Auswahl und Einsatz von Atemschutzgeräten hat der Unternehmer eine Gefährdungsbeurteilung nach § 3 Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) durchzuführen. Gefährdungsbeurteilung ist eine Kurzbezeichnung für die Ermittlung von Gefährdungen und Belastungen von Arbeitnehmern am Arbeitsplatz, deren Beurteilung und die Ableitung entsprechender Maßnahmen.

3.1.1.1 Gefährdungsermittlung

Bei der Gefährdungsermittlung werden Gefährdungen und Belastungen an einem bestimmten Arbeitsplatz, in einem Arbeitsbereich oder für eine Person(engruppe) systematisch und umfassend untersucht. Sie soll sich an der Tätigkeit der Mitarbeiter orientieren.

Bei der Ermittlung sind insbesondere zu erfassen:

Bezogen auf den Atemschutz hat der Unternehmer zu ermitteln, ob Gefährdungen durch die Umgebungsatmosphäre vorliegen. Er hat für alle Arbeitsvorgänge festzustellen, ob Sauerstoffmangel, Schadstoffe oder beides die Atemluft beeinflussen.

Gefährdungen des menschlichen Organismus, die über die Atemwege wirksam werden, können durch Sauerstoffmangel oder durch Schadstoffe der Umgebungsatmosphäre hervorgerufen werden.

Sauerstoffmangel in der Einatemluft führt zu einem Sauerstoffmangel in den Zellen des menschlichen Körpers und blockiert wichtige Lebensfunktionen. Er wird durch die menschlichen Sinne nicht wahrgenommen. Sauerstoffmangel kann zu Bewusstlosigkeit führen, irreversible Schädigung von Gehirnzellen und sogar den Tod bewirken. Der Umfang der Schädigung ist abhängig von der restlichen Sauerstoffkonzentration in der Einatemluft, der Einwirkdauer, dem Atemminutenvolumen und der körperlichen Verfassung.

Die Aufnahme von Schadstoffen in den Körper kann je nach spezifischer (physikalischer, chemischer oder kombinierter) Wirkungsweise des Stoffes zu Lungenerkrankungen, akuten oder chronischen Vergiftungen, Strahlenschäden, durch Bakterien oder Viren übertragbare Krankheiten sowie zu sonstigen Schäden, z.B. Sensibilisierung, Allergien oder Krebserkrankungen, führen. Im allgemeinen ist der Umfang dieser Schädigung abhängig von der Konzentration und der Einwirkdauer des Schadstoffes, der Wirkungsweise im Körper, der Schwere der auszuführenden Arbeit sowie von der körperlichen Verfassung.

Manche Schadstoffe können durch die Haut aufgenommen werden oder die Haut schädigen. Kommen solche Stoffe in der Umgebungsatmosphäre vor, sollte der ganze Körper geschützt werden. Beispielsweise erfordern radioaktive oder ätzende Stoffe in der Umgebungsatmosphäre außer Atemschutz zusätzlich die Benutzung weiterer PSA.

Handlungshilfen für die Belastungen durch Atemschutzgeräte finden sich in den Abschnitten 3.1.5 "Auswahl von Atemschutzgeräten", 3.2 "Benutzung" und im Anhang 2 "Tragezeitbegrenzung". Medizinische Voraussetzungen an die Gerätträger sind dem Berufsgenossenschaftlichen Grundsatz G 26 "Atemschutz" und der Information BGI/GUV-I 504-26 zu entnehmen. Auszüge befinden sich im Anhang 3.

3.1.1.2 Gefährdungsbewertung

Eine Gefährdungsbewertung beinhaltet die Risikoabschätzung der ermittelten Gefährdungen und Belastungen nach:

Hierbei muss nach Abwägung aller denkbaren Gefährdungen/Belastungen eingeschätzt werden, ob das vorliegende Risiko unter Einbeziehung der evtl. bereits vorhandenen Schutzmaßnahmen akzeptabel ist. Kann das Risiko für die Gesundheit oder das Leben des Versicherten nicht akzeptiert werden, sind weitere Maßnahmen zu treffen, die dieses auf ein vertretbares Maß senken. Der Unternehmer hat z.B. dafür zu sorgen, dass die Atemluft der Beschäftigten so viel Sauerstoff enthält und außerdem so frei von Schadstoffen ist, dass eine Beeinträchtigung der Gesundheit nicht eintreten kann. Grundlage hierfür sind z.B. die geltenden AGWs oder die Einstufung des Stoffes in die entsprechende Schutzstufe.

3.1.2 Rangfolge der Schutzmaßnahmen

Der Unternehmer hat analog zu § 4 Ziff. 5 Arbeitsschutzgesetz und §§ 8 und 9 " Gefahrstoffverordnung" in folgender Rangfolge Maßnahmen zu treffen:

  1. Er hat zu prüfen, ob Stoffe oder Zubereitungen mit geringerem gesundheitlichen Risiko verwendet werden können.
  2. Ist das Auftreten von Gefahrstoffen in der Umgebungsatmosphäre nicht sicher auszuschließen, hat er zu ermitteln, ob deren Grenzwerte eingehalten werden.
  3. Er hat geeignete Verfahren und technische Steuerungseinrichtungen sowie die Verwendung geeigneter Arbeitsmittel und Materialien nach dem Stand der Technik zu gestalten.
  4. Er hat kollektive Schutzmaßnahmen an der Gefahrenquelle, wie zum Beispiel angemessene Be- und Entlüftung und geeignete organisatorische Maßnahmen durchzuführen.
  5. Sofern eine Gefährdung nicht durch Maßnahmen nach Nummer 3 und 4 verhütet werden kann, hat er individuelle Schutzmaßnahmen, die auch die Anwendung von Atemschutz umfassen können, durchzuführen. Beschäftigte müssen bereitgestellte, geeignete und insbesondere individuell passende Atemschutzgeräte benutzen, solange eine Gefährdung besteht. Der Unternehmer darf das Tragen von belastenden Atemschutzgeräten nicht als ständige Maßnahme zulassen und dadurch technische oder organisatorische Schutzmaßnahmen nicht ersetzen. Der Unternehmer stellt sicher, dass Atemschutzgeräte

3.1.3 Einteilung der Atemschutzgeräte

Einteilung und Benennung von Atemschutzgeräten, bestehend aus Atemanschluss und Funktionsteil, sind in DIN EN 133 und DIN EN 134 festgelegt. Sie umfassen Atemschutzgeräte für Arbeit, Rettung und Selbstrettung (Fluchtgeräte).

Nach ihrer Wirkungsweise wird zwischen Filtergeräten (abhängig von der Umgebungsatmosphäre wirkend) und Isoliergeräten (unabhängig von der Umgebungsatmosphäre wirkend) unterschieden:

Bild 1: Einteilung der Atemschutzgeräte


3.1.3.1 Filtergeräte - Abhängig von der Umgebungsatmosphäre wirkende Atemschutzgeräte

Filtergeräte unterscheiden sich durch Ihre Bauform und Ihre Funktionsweise.

Bild 2: Unterteilung der abhängig von der Umgebungsatmosphäre wirkenden Atemschutzgeräte

3.1.3.2 Isoliergeräte - Unabhängig von der Umgebungsatmosphäre wirkende Atemschutzgeräte

Unabhängig von der Umgebungsatmosphäre wirkende Atemschutzgeräte unterscheiden sich durch ihre bauartspezifische Wirkungsweise:

Bild 3: Unterteilung der unabhängig von der Umgebungsatmosphäre wirkenden Atemschutzgeräte

3.1.3.3 Atemanschlüsse

Es werden folgende Atemanschlüsse unterschieden:

3.1.4 Kennzeichnung

3.1.4.1 CE-Kennzeichnung

Atemschutzgeräte gelten als komplexe persönliche Schutzausrüstungen, die gegen tödliche Gefahren oder ernste und irreversible Gesundheitsschäden schützen sollen ( 8. Verordnung zum Gerätesicherheitsgesetz). Für diese persönlichen Schutzausrüstungen besteht eine Prüfpflicht. Ferner sind die EG-Baumusterprüfbescheinigung einer notifizierten Stelle und regelmäßige Kontrollmaßnahmen erforderlich. Dies ist Voraussetzung für die EG-Konformitätserklärung und CE-Kennzeichnung durch den Hersteller.

Zur Benutzung dürfen nur zertifizierte, also mit CE-Kennzeichnung versehene Atemschutzgeräte, beschafft werden, die neben dem CE-Zeichen die vierstellige Nummer der notifizierten Stelle enthalten.

3.1.4.2 Weitere Kennzeichnungen

Zu den weiteren Kennzeichnungen gehören z.B.:

Die Kennzeichnungen von Atemschutzgeräten werden in den entsprechenden Kapiteln behandelt.

3.1.5 Auswahl von Atemschutzgeräten

Vor der Auswahl hat der Unternehmer nach § 2 PSA-Benutzungsverordnung die von ihm vorgesehenen Atemschutzgeräte zu bewerten, um festzustellen, ob sie

  1. Schutz gegenüber den abzuwehrenden Gefahren bieten, ohne selbst eine größere Gefahr mit sich zu bringen,
  2. für die am Arbeitsplatz vorliegenden Bedingungen geeignet sind, z.B. beengte Raumverhältnisse, klimatische Verhältnisse, Zusammenwirken mit anderen persönlichen Schutzausrüstungen,
  3. den ergonomischen Anforderungen und gesundheitlichen Erfordernissen der Versicherten genügen.
    Dabei ist insbesondere die vorgesehene Tragezeit zu berücksichtigen.

3.1.5.1 Allgemeine Voraussetzungen

Nach der Bewertung hat der Unternehmer nach § 29 Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) das für die ermittelten Gefahren geeignete Atemschutzgerät unter Beteiligung der Versicherten und deren Vertreter auszuwählen und kostenlos zur Verfügung zu stellen.

Für die Auswahl der Atemschutzgeräte sind neben der Eignung des Trägers folgende Einsatzbedingungen von entscheidender Bedeutung:

Sind die Einsatzbedingungen nicht hinreichend bekannt, wie dies z.B. bei Erkundungsgängen, Brandbekämpfungs- und Rettungsarbeiten sowie bei Arbeiten in Behältern und engen Räumen der Fall sein kann, müssen Isoliergeräte verwendet werden. Bestimmte Gase, z.B. H2S und Phosgen, können die üblicherweise in diesen Geräten verwendeten Elastomere (z.B. Silikon) durchdringen, wodurch die Luftgrenzwerte für diese Gase in der Einatemluft überschritten werden können. Die Einsatzmöglichkeit des Isoliergerätes ist in diesem Fall mit dem Hersteller zu klären.

Bei der Auswahl von Fluchtgeräten hat der Unternehmer die zu erwartende Art und Konzentration der möglichen Schadstoffe und die Länge des Fluchtweges zu berücksichtigen.

Die Auswahl ungeeigneter Geräte, aber auch die unsachgemäße Verwendung geeigneter Geräte, täuscht einen Schutz vor, der nicht vorhanden ist.

3.1.5.2 Auswahlprinzipien

Das Benutzen von Atemschutzgeräten ist immer mit einer zusätzlichen Belastung verbunden. Grundsätzlich gilt:

SOVIEL SCHUTZ WIE NÖTIG, SO WENIG BELASTUNG WIE MÖGLICH!

Es gibt in der Praxis kein Atemschutzgerät, das seinen Träger vollkommen von der Umgebungsatmosphäre abschließt. Deshalb hat der Unternehmer Atemschutzgeräte auszuwählen, deren Leckage so gering ist - d.h., die so wenig Schadstoff in das Innere des Atemanschlusses gelangen lassen -, dass in der Einatemluft der Grenzwert des Schadstoffes sicher unterschritten bleibt. Dieser Schutz durch das Gerät kann auch durch die Angabe des Vielfachen des Grenzwertes (VdGW) charakterisiert werden, bis zu dem das Gerät eingesetzt werden kann (siehe Tabellen 1 bis 3). Gegen CMR-Stoffe und Zubereitungen ist grundsätzlich die höchste Klasse auszuwählen

Von dieser Regelung kann abgewichen werden, wenn innerhalb der Gefährdungsbeurteilung nachgewiesen und dokumentiert wurde, dass ein Atemschutzgerät einer geringeren Klasse ausreichend wirksam ist, oder wenn allgemein für bestimmte Fälle die Wirksamkeit von Atemschutzgeräten geringerer Klasse im Rahmen von Technischen Regeln attestiert worden ist.

Dies gilt auch für Schadstoffe, für die kein Grenzwert ausgewiesen ist.

Die hohe Schutzwirkung der aufgeführten Gerätetypen ist nur durch sorgfältige Beachtung aller für den Einsatz wichtigen Bedingungen zu erreichen, z.B.:

Bei der Festlegung der Schutzwirkung in den Tabellen 1 bis 3 sind außer der in der jeweiligen Norm angegebenen höchstzulässigen Leckage weitere Einflussgrößen berücksichtigt worden, z.B. Atemwiderstand bei hohen Atemminutenvolumina, verbleibender Schutz bei Störung am Gerät.

Für biologische Arbeitsstoffe, wie Mikroorganismen, sowie für Enzyme können Grenzwerte generell nicht benannt werden. Gemäß Biostoffverordnung werden biologische Arbeitsstoffe nach ihrem Infektionsrisiko in vier Risikogruppen eingeteilt. Für Enzyme gelten diese nicht. Praktisch wird ein Anhaltswert von 20 ng/m³ vom internationalen Verband der Waschmittelhersteller, A.I.S.E., benannt.

Insofern ist eine spezifische Gefährdungsbeurteilung unter Einbeziehung medizinischen Sachverstandes erforderlich.

Voraussetzungen für die richtige Auswahl sind ausreichende Kenntnisse über die Art und den örtlichen und zeitlichen Konzentrationsverlauf der Schadstoffe. Der in den Tabellen 1 und 2 angegebene Schutz kann nur dann erwartet werden, wenn die Atemschutzgeräte in einwandfreiem Zustand bestimmungsgemäß eingesetzt und dem Gerätträger vorher genau angepasst werden.

Atemschutzgeräte mit Filtern schützen nicht bei Sauerstoffmangel. Bei weniger als 17 Vol.-% Sauerstoff in der Umgebungsatmosphäre dürfen sie nicht eingesetzt werden.

Regelungen für spezielle Bereiche und Kohlenstoffmonoxid-Filter (CO-Filter) sehen auch eine untere Grenze von 19 Vol.-% Sauerstoff vor.

Partikelfilter schützen nur gegen feste oder flüssige Aerosole; Gasfilter hingegen nur gegen Gase und nicht gegen feste oder flüssige Aerosole.

Verursachen Schadstoffe in der Umgebungsatmosphäre auch Reizungen oder Schädigungen der Augen, ist Augenschutz erforderlich. Zweckmäßigerweise sollte ein Atemanschluss ausgewählt werden, der gleichzeitig die Augen schützt, zum Beispiel eine Vollmaske oder eine Atemschutzhaube.

Neben den Tabellen sind auch die Anwendungs- und Auswahlhinweise sowie die Anwendungsbeschränkungen in der Informationsbroschüre (Gebrauchsanleitung) des Herstellers zu berücksichtigen.

Tabelle 1: Auswahl von Filtergeräten

Geräteart Norm
DIN EN
VdGW Bemerkungen, Einschränkungen
Vollmaske oder Mundstückgarnitur mit P1-Filter 136 4 Als Atemschutz nicht sinnvoll, da der hohe Filterdurchlass die geringe Maskenleckage aufhebt .

Nicht gegen CMR-Stoffe und radioaktive Stoffe sowie luftgetragene biologische Arbeitsstoffe mit der Einstufung in Risikogruppe 2 und 3 und Enzyme.

142
143
Vollmaske oder Mundstückgarnitur mit P2-Filter 136 15 Gegen CMR-Stoffe und radioaktive Stoffe sowie luftgetragene biologische Arbeitsstoffe mit der Einstufung in Risikogruppe 3 und Enzyme nur nach Gefährdungsbeurteilung (siehe Auswahlprinzipien) .
142
143
Vollmaske oder Mundstückgarnitur mit P3-Filter 136 400  
142
143
Halb-/Viertelmaske mit P1- Filter, partikelfiltrierende Halbmaske FFP1 140 4 Nicht gegen CMR-Stoffe und radioaktive Stoffe sowie luftgetragene biologische Arbeitsstoffe mit der Einstufung in Risikogruppe 2 und 3 und Enzyme.
143
149
1827
Halb-/Viertelmaske mit P2- Filter, partikelfiltrierende Halbmaske FFP2 140 10 Gegen CMR-Stoffe und radioaktive Stoffe sowie luftgetragene biologische Arbeitsstoffe mit der Einstufung in Risikogruppe 3 und Enzyme nur nach Gefährdungsbeurteilung (siehe Auswahlprinzipien) .
143
149
1827
Halb-/Viertelmaske mit P3- Filter, partikelfiltrierende Halbmaske FFP3 140 30  
143
149
1827
Vollmaske oder Mundstückgarnitur mit Gasfilter *) 136 400  
141
142
Halb-/Viertelmaske mit Gasfilter *) 140 30  
14387
Gasfiltrierende Halbmaske *) 405 bzw. 1827 30  
Geräte mit Kombinationsfilter Es gelten die jeweiligen Vielfachen des Grenzwertes für den Gas- oder Partikelfilterteil, und zwar jeweils der schärfere Wert.
*) Sofern damit nicht bereits die auf das Gasaufnahmevermögen bezogenen höchstzulässigen Einsatzkonzentrationen von 0,1 Vol.-% in Gasfilterklasse 1, 0,5 Vol.-% in Gasfilterklasse 2 und 1 Vol.-% in Gasfilterklasse 3 überschritten werden.


T
abelle 2: Auswahl von Filtergeräten mit Gebläse

Geräteart Norm
DIN EN
VdGW Bemerkungen, Einschränkungen
Masken mit Gebläse und Partikelfilter 12942   Geräte der Klasse TM1P dürfen nicht gegen CMR-Stoffe und Partikel radioaktiver Stoffe sowie luftgetragene biologische Arbeitsstoffe mit der Einstufung in Risikogruppe 2 und 3 und Enzyme eingesetzt werden.
TM1P 10
TM2P 100
TM3P 500
Helme/Hauben mit Gebläse und Partikelfilter 12941   Die offenen Atemanschlüsse (Helm oder Haube) bieten bei Ausfall oder Schwächerwerden des Gebläses keinen ausreichenden Schutz.

Deshalb dürfen Geräte ohne entsprechende Warneinrichtung und Geräte der Klasse TH1P nicht gegen CMR-Stoffe und Partikel sehr giftiger und radioaktiver Stoffe sowie luftgetragene biologische Arbeitsstoffe mit der Einstufung in Risikogruppe 2 und 3 und Enzyme eingesetzt werden.

TH1P 5
TH2P 20
TH3P 100
Masken mit Gebläse und Gasfilter*) 12942  
TM1 Gasfilterklasse 1**) 10 Geräte der Klasse TM1 dürfen nicht gegen radioaktive Gase eingesetzt werden.
TM1 Gasfilterklasse 2
TM1 Gasfilterklasse 3
TM2 Gasfilterklasse 1 100  
TM2 Gasfilterklasse 2
TM2 Gasfilterklasse 3
TM3 Gasfilterklasse 1 500
TM3 Gasfilterklasse 2
TM3 Gasfilterklasse 3
Helme/Hauben mit Gebläse und Gasfilter *) 12941   Die offenen Atemanschlüsse (Helm oder Haube) bieten bei Ausfall oder Schwächerwerden des Gebläses keinen ausreichenden Schutz.

Deshalb dürfen Geräte ohne entsprechende Warneinrichtung und Geräte der Klasse TH1 nicht gegen CMR-Stoffe sowie sehr giftige und radioaktive Gase und Dämpfe eingesetzt werden.

TH1 Gasfilterklasse 1 **) 5
TH1 Gasfilterklasse 2
TH1 Gasfilterklasse 3
TH2 Gasfilterklasse 1 20
TH2 Gasfilterklasse 2
TH2 Gasfilterklasse 3
TH3 Gasfilterklasse 1 100
TH3 Gasfilterklasse 2
TH3 Gasfilterklasse 3
Geräte mit Kombinationsfilter Es gelten die jeweiligen Vielfachen des Grenzwertes für den Gas- oder Partikelfilterteil, und zwar jeweils der schärfere Wert.
Atemschutzanzug mit Gebläse und Filter Schutz der Atemwege und des gesamten Körpers gegen feste und flüssige Aerosole und Gase.
Klasse 1 prEN 500
Klasse 2 - 5 1073-3 500 Hiervon abweichend nur nach Gefährdungsbeurteilung.
*) Sofern damit nicht bereits die auf das Gasaufnahmevermögen bezogenen höchstzulässigen Einsatzkonzentrationen für Gasfilter in Filtergeräten mit Gebläse von 0,05 Vol.-% in Gasfilterklasse 1, 0,1 Vol.-% in Gasfilterklasse 2 und 0,5 Vol.-% in Gasfilterklasse 3 überschritten werden.
**) Bei AX- und SX-Filtern gibt es nur eine Gasfilterklasse.


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