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Regelwerk

VVHSOG - Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung
- Hessen -

Vom 1. Februar 2010
(StAnz. Nr. 8 vom 22.02.2010 S. 322; 10.11.2015 S. 1226 15aufgehoben)


zur aktuellen Fassung

Archiv: 2005

Aufgrund des § 114 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in der Fassung vom 14. Januar 2005 (GVBl. I S. 14), zuletzt geändert durch Gesetz vom 14. Dezember 2009 (GVBl. I S. 635), erlasse ich folgende Verwaltungsvorschrift:

Zu § 1

1. Aufgaben der Gefahrenabwehr- und der Polizeibehörden

1.0 Die Vorschrift enthält die umfassende Aufgabenbeschreibung für die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden. Sie ist reine Aufgabenzuweisungs- und keine Befugnisnorm.

1.1 Zu Abs. 1

1.1.1 Der Begriff der Gefahrenabwehr umfasst abstrakte und konkrete Gefahren sowie die Verhütung zu erwartender Straftaten (siehe Nr. 1.4). Die Vorschrift ist daher auch Rechtsgrundlage für ein vorbeugendes Tätigwerden zum Schutz der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung ohne Eingriffscharakter (zum Beispiel Streifenfahrten oder Verkehrsbeobachtung). Die Vorbereitung auf die Hilfeleistung in besonderen Gefahrenfällen ist ebenfalls Teil der Gefahrenabwehr (zum Beispiel Bereithalten von Adressen von Abschleppunternehmen, um verkehrswidrig abgestellte Kraftfahrzeuge entfernen zu können).

1.1.2 Gefahrenabwehrbehörden sind die Verwaltungsbehörden, die allgemeinen Ordnungsbehörden sowie die Sonderordnungsbehörden. Die Polizeibehörden sind in § 91 Abs. 2 genannt.

1.2 Zu Abs. 2

Zu den durch andere Rechtsvorschriften zugewiesenen Aufgaben gehören insbesondere auch die Tätigkeit der Polizeibehörden nach der Strafprozessordnung (§§ 161, 163) sowie dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (§ 53) und die den allgemeinen Ordnungsbehörden nach § 1 HSOGDVO zugewiesenen Aufgaben. Die Befugnis, nach Maßgabe der §§ 56, 57 Abs. 2 OWiG mündliche Verwarnungen zu erteilen, steht grundsätzlich allen Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten zu, die die I. Fachprüfung oder die Zwischenprüfung nach § 30 APOgPVD vom 8. August 2005 (StAnz. S. 3263), geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2006 (StAnz. S. 1382), in der jeweils geltenden Fassung bestanden haben.

1.3 Zu Abs. 3

Die Vorschrift ist Aufgabenbeschränkungsnorm für den Schutz privater Rechte. Die wichtigste Form des Schutzes privater Rechte ist die Identitätsfeststellung (§ 18 Abs. 1).

1.4 Zu Abs. 4

Die vorbeugende Bekämpfung von Straftaten hat durch die Polizeibehörden zu erfolgen. Die Aufgabe ist nur im Hinblick auf die Verhütung zu erwartender Straftaten Teil der Gefahrenabwehr. Die Vorsorge für die Verfolgung zukünftiger Straftaten ist Teil der Repression und kann im HSOG geregelt werden, soweit der Bundesgesetzgeber nicht abschließend von der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht hat.

Zu § 2

2. Aufgabenabgrenzung

2.1 Die Aufgaben der Gefahrenabwehr sind primär von den Landkreisen und Gemeinden zu erfüllen. Dies gilt dann nicht, wenn die Zuständigkeit einer Behörde der Landesverwaltung (zum Beispiel Regierungspräsidien) gegeben ist, den Ordnungsbehörden oder den Polizeibehörden diese Aufgaben nach Maßgabe des § 1 Abs. 2, 4 oder 5 zugewiesen worden sind oder ein Eilfall vorliegt.

2.2 Erscheint die Abwehr der Gefahr durch die primär zuständige Behörde nicht oder nicht rechtzeitig möglich (Eilfall), sind für die Abwehr der Gefahr Ordnungsbehörden und Polizeibehörden zur Vornahme unaufschiebbarer Maßnahmen der Gefahrenabwehr sachlich zuständig. Diejenige Ordnungs- oder Polizeibehörde, die mit einer Angelegenheit zuerst befasst wird, hat die erforderlichen Maßnahmen zu treffen; eine Zuständigkeitsabstufung zwischen den Ordnungs- und den Polizeibehörden sieht das Gesetz nicht vor. Von der Subsicliaritätsregel wird die Vorbereitung für die Hilfeleistung in Gefahrenfällen (§ 1 Abs. 1 Satz 2) nicht erfasst.

Zu § 3

3. Geltungsbereich

3.1 Zu Abs. 1

Die Befugnisgeneralklausel (§ 11) kann als Ermächtigungsgrundlage zur Ergänzung spezialgesetzlicher Regelungen, die keine abschließenden Vorschriften enthalten, herangezogen werden. Daneben können auch die übrigen Vorschriften für die besonderen Gebiete des Gefahrenabwehrrechts Anwendung finden.

3.2 Zu Abs. 2

3.2.1 Abs. 2 erfasst die Fälle der Heranziehung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen und Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern, Zeuginnen und Zeugen sowie Dritten, die nicht dem unmittelbaren Geltungsbereich des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) unterliegen.

3.2.2 Verantwortliche Personen nach §§ 6 und 7 sowie Beschuldigte in Strafverfahren sind weder Zeugen noch Dritte und erhalten keine Entschädigung. Für die Entschädigung nicht verantwortlicher Personen im Sinne des § 9 gelten daneben die §§ 64 bis 70.

3.3 Zu Abs. 3

Die Strafprozessordnung enthält keine abschließenden Regelungen über die Ausübung unmittelbaren Zwanges. Die Vorschriften des HSOG (§§ 52 bis 61) sind ergänzend anzuwenden. Für die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte auf Anordnung des Staatsanwalts gelten die Gemeinsamen Richtlinien der Justizminister/-senatoren und der Innenminister/-senatoren des Bundes und der Länder über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Polizeibeamte auf Anordnung des Staatsanwalts ( Anlage 1).

Zu § 4

4. Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

4.0 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hat Verfassungsrang. Die Vorschrift ist bei jeder Maßnahme zu berücksichtigen.

4.1 Zu Abs. 1 und 2

Abs. 1 beinhaltet den Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs. Abs. 2 enthält den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Ein Nachteil steht erkennbar außer Verhältnis zum Erfolg, wenn zwischen verfolgtem Zweck und dadurch bewirktem Nachteil bei der betroffenen Person ein offenbares Missverhältnis besteht.

Zu § 5

5. Ermessen, Wahl der Mittel

5.0 Die Vorschrift umschreibt das Opportunitätsprinzip.

5.1 Zu Abs. 1

Den Gefahrenabwehr- und den Polizeibehörden steht grundsätzlich ein Ermessen zu, ob sie eine zulässige Maßnahme treffen und welche von mehreren zulässigen Maßnahmen sie wählen. Von einer zulässigen Maßnahme kann insbesondere abgesehen werden, wenn mehrere Gefahren zugleich abzuwehren sind und die vorhandenen Kräfte und Mittel nur zur Abwehr einer dieser Gefahren oder einiger dieser Gefahren ausreichen. Eine Verpflichtung zum Einschreiten besteht grundsätzlich dann, wenn eine gegenwärtige erhebliche Gefahr (§ 9 Abs. 1 Nr. 1) abzuwehren ist und eine Selbstschutzmöglichkeit für die betroffene Person nicht besteht.

5.2 Zu Abs. 2

Die Vorschrift des Abs. 2 Satz 2 regelt das so genannte Austauschmittel.

Zu § 6

6. Verantwortlichkeit für das Verhalten von Personen

6.1 Zu Abs. 1

Die Vorschrift setzt in der Regel voraus, dass eine Person unmittelbar durch ihr Verhalten oder ihren Zustand die Gefahr hervorgerufen hat. Ein Unterlassen einer Handlung kann nur dann eine Gefahr im Sinne des Abs. 1 verursachen, wenn die Person rechtlich zum Handeln verpflichtet ist. Auf ein Verschulden kommt es nicht an. Eingriffsmaßnahmen gegen Hoheitsträger sind grundsätzlich unzulässig. Eingriffsmaßnahmen in deren hoheitlichen Tätigkeitsbereich gegen Dritte sind nur zulässig auf Ersuchen oder wenn der Hoheitsträger nicht oder nicht rechtzeitig tätig werden kann. In der Regel wird es genügen, den Hoheitsträger auf die Gefahr hinzuweisen und gegebenenfalls dessen Aufsichtsbehörde zu unterrichten (vergleiche auch § 1 Abs. 6, § 22).

6.2 Zu Abs. 2

Der Kreis der zur Aufsicht Verpflichteten ist größer als der der Sorgeberechtigten. Aufsichtspflichten können auch durch Vertrag oder tatsächliche Gewährübernahme entstehen.

Zu § 7

7. Verantwortlichkeit für den Zustand von Tieren und Sachen

7.1 Zu Abs. 1

7.1.1 Zur so genannten Zustandshaftung gehört auch die Verantwortlichkeit für das Verhalten oder den Zustand eines Tieres. Tiere sind keine Sachen; auf sie sind jedoch die für die Sachen geltenden Vorschriften anzuwenden.

7.1.2 Nr. 6.1 Satz 4 und 5 gilt entsprechend.

Zu § 8

8. Unmittelbare Ausführung einer Maßnahme

8.1 Zu Abs. 1

8.1.1 Die Vorschrift setzt voraus, dass gegen die verantwortliche Person keine Anordnung ergehen kann, aber bei unterstellter Anwesenheit rechtmäßig hätte ergehen können. Ist eine Anordnung ergangen - hierbei kann es sich auch um eine durch Verkehrszeichen erfolgte Anordnung handeln - und kommt ihr die verantwortliche Person nicht nach, so kann die Anordnung durch Zwangsmittel nach § 48 ff. durchgesetzt werden, wobei § 47 Abs. 3 zu beachten ist. Auf Nr. 47.2 wird hingewiesen. Bei der Maßnahme, die unmittelbar auszuführen ist, muss es sich um eine vertretbare Handlung handeln. Nicht vertretbar ist eine Handlung, die ausschließlich durch die verantwortliche Person selbst erfolgen kann.

8.1.2 Die Unterrichtung kann schriftlich oder mündlich (auch fernmündlich) erfolgen. Ist ein verkehrswidrig abgestelltes Kraftfahrzeug abgeschleppt worden, kann die Unterrichtung erfolgen, wenn sich die verantwortliche Person bei der Behörde meldet, um sich nach dem Verbleib des Kraftfahrzeugs zu erkundigen. Meldet sie sich auch am nächsten Tag nach der Abschleppmaßnahme nicht, ist die Halterin oder der Halter des Fahrzeugs fernmündlich oder schriftlich zu unterrichten.

8.2 Zu Abs. 2

Die Kosten werden durch Bescheid festgesetzt. Kosten, die aufgrund der Verwahrung einer Sache - zum Beispiel eines abgeschleppten Kraftfahrzeugs - entstanden sind, werden in entsprechender Anwendung des § 43 erhoben. § 43 eröffnet zudem die Möglichkeit der Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts und der Ermächtigung einer dritten Person (zum Beispiel eines Abschleppunternehmers), Zahlungen der voraussichtlichen Kosten in Empfang zu nehmen. Die Erhebung der Kosten erfolgt nach dem Hessischen Verwaltungskostengesetz (HVwKostG) in Verbindung mit der Verwaltungskostenordnung für den Geschäftsbereich des Ministeriums des Innern und für Sport (VwKostO-MdI) und der Allgemeinen Verwaltungskostenordnung.

Zu § 9

9. Inanspruchnahme nicht verantwortlicher Personen

9.1 Zu Abs. 1

9.1.1 Eine gegenwärtige Gefahr im Sinne der Nr. 1 liegt vor, wenn die Einwirkung des schädigenden Ereignisses bereits begonnen hat oder wenn diese Einwirkung unmittelbar oder in allernächster Zeit mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bevorsteht. Die gegenwärtige Gefahr ist erheblich, wenn ein Schaden für ein bedeutendes Rechtsgut zu befürchten ist.

9.1.2 Die Voraussetzungen der Nr. 2 liegen insbesondere vor, wenn entweder verantwortliche Personen nicht vorhanden sind, zum Beispiel bei Naturkatastrophen, oder wenn sie nicht oder nicht schnell genug in Anspruch genommen werden.

Zu § 10

10. Einschränkung von Grundrechten

Die Vorschrift ist wegen Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG (Zitiergebot) erforderlich.

Zu § 11

11. Allgemeine Befugnisse

11.0 Die Vorschrift enthält die allgemeine Befugnisnorm. Sie ist gegenüber den nachfolgenden Regelungen der §§ 12 bis 43 subsidiär. Einzelermächtigungen regeln den betreffenden Sachverhalt abschließend.

11.1 Gefahr im Sinne der Vorschrift ist die konkrete Gefahr, also die im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Zur Abwehr einer konkreten Gefahr gehören auch die Feststellung, ob eine Gefahr vorliegt oder nicht und die Beseitigung einer bereits eingetretenen und fortwirkenden Störung. Eine solche Gefahr im Sinne einer bereits eingetretenen und fortwirkenden Störung ist auch dann gegeben, wenn gegen Rechtsvorschriften verstoßen wird. Bei Verstößen gegen zivilrechtliche Rechtsvorschriften ist § 1 Abs. 3 zu beachten.

Zu § 12

12. Befragung und Auskunftspflicht

12.1 Zu Abs. 1

12.1.1 Voraussetzung ist eine sachverhaltsbezogene Befragung über einen bestimmten Anlass, wobei die Auskunft zur Aufklärung des Sachverhalts in einer bestimmten gefahrenabwehrbehördlichen oder polizeilichen Angelegenheit erforderlich ist.

12.1.2 In Fällen der Abwehr einer (konkreten) Gefahr können Personen zum Zwecke der Befragung angehalten werden. Das Anhalten stellt lediglich eine Freiheitsbeschränkung dar. Die Herbeiführung einer richterlichen Entscheidung ist nicht erforderlich. Sofern auch personenbezogene Daten erfragt werden, ist § 13 zu berücksichtigen.

12.2 Zu Abs. 2

Die Auskunftspflicht trifft nur die nach den §§ 6 und 7 verantwortlichen Personen, es sei denn, es liegen die Voraussetzungen des § 9 vor. Ausgenommen sind Personen, denen ein Auskunftsverweigerungsrecht nach den §§ 52 bis 55 StPO zusteht. Dieses Auskunftsverweigerungsrecht gilt für Rechtsanwälte und die in § 53 Nr. 1, 2, 4 und 5 StPO genannten Personen einschließlich der Berufshelfer dieser Personen (vergleiche § 53a StPO) uneingeschränkt. Alle anderen berechtigten Personen haben kein Auskunftsverweigerungsrecht, wenn die Auskunft zur Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist. In diesem Fall dürfen die so erlangten Auskünfte nur zu Zwecken der Gefahrenabwehr nach § 1 Abs. 1 und 4 verwendet werden. Die Auskunftspflicht muss im Einzelfall durch einen Verwaltungsakt konkretisiert werden.

Zu § 13

13. Erhebung personenbezogener Daten

13.0 Erhebung ist das Beschaffen von Daten über die betroffene Person (§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 HDSG), das heißt eine auf die Gewinnung von Daten abzielende Handlung. Personenbezogene Daten sind Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (§ 2 Abs. 1 HDSG).

13.1 Zu Abs. 1

13.1.1 Eine besondere Form der Einwilligung (zum Beispiel Schriftform) ist bei Nr. 1 nicht erforderlich. Die einwilligende Person muss nicht geschäftsfähig, wohl aber einsichts- und urteilsfähig, sein. Tatsächliche Anhaltspunkte rechtfertigen die Annahme, wenn es nach polizeilicher oder gefahrenabwehrbehördlicher Erfahrung als möglich erscheint, dass ein bestimmter Sachverhalt vorliegt und hierfür bestimmte Indizien sprechen.

13.1.2 Allgemein zugängliche Quellen nach Nr. 2 sind Veröffentlichungen aller Art (zum Beispiel Adress- oder Telefonbücher) einschließlich öffentlicher Datensammlungen, die jeder Person ohne Nachweis eines Interesses zugänglich sind (zum Beispiel Handelsregister).

13.1.3 Nach Nr. 3 können unter den dort genannten Voraussetzungen Daten auch über andere als die in den §§ 6 und 7 genannten Personen erhoben werden (zum Beispiel Hinweisgeberinnen oder Zeugen).

13.2 Zu Abs. 2

13.2.1 Unter Straftaten nach Nr. 1 sind tatbestandsmäßige, rechtswidrige Handlungen zu verstehen. Auf Verschulden kommt es nicht an.

13.2.2 Nr. 2 regelt die Datenerhebung über so genannte Kontakt- und Begleitpersonen, Nr. 3 die Datenerhebung über so genannte Risikopersonen. Die Datenerhebung über Risikopersonen ist bereits dann zulässig, wenn die Person sich im räumlichen Umfeld der gefährdeten Person aufhalten wird.

13.3 Zu Abs. 3

Die Vorschrift enthält die Legaldefinition der Straftaten mit erheblicher Bedeutung.

13.4 Zu Abs. 4

Die Sondervorschriften der §§ 14 bis 19 gehen der allgemeinen Regelung vor.

13.7 Zu Abs. 7

Die Vorschrift enthält den Grundsatz der offenen Datenerhebung. Die verdeckte Datenerhebung ist nur in Ausnahmefällen zulässig (vergleiche insbesondere §§ 15 bis 17).

Zu § 14

14. Datenerhebung und sonstige Datenverarbeitung an öffentlichen Orten und besonders gefährdeten öffentlichen Einrichtungen.

14.1 Zu Abs. 1

14.1.1 In Abs. 1 wird die Datenerhebung bei den nicht durch das Grundrecht des Art. 8 GG geschützten öffentlichen Veranstaltungen und Ansammlungen geregelt. Ein Zusammenhang mit der Veranstaltung oder der Ansammlung verlangt eine räumliche oder zeitliche Beziehung.

14.1.2 Die offene Videoüberwachung richtet sich nach § 14 Abs. 3 (siehe dazu Nr. 14.3). Die verdeckte Datenerhebung mittels Videotechnik bestimmt sich nach § 15.

14.1.3 Nicht geringfügige Ordnungswidrigkeiten sind solche, bei denen der Betroffene nicht verwarnt und kein Verwarnungsgeld erhoben werden kann (vergleiche § 56 OWiG).

14.1.4 Die Unterlagen dürfen nur zur Abwehr einer Gefahr, zur Verfolgung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit oder zur Strafvollstreckung verarbeitet werden. Werden sie hierzu nicht benötigt, sind sie so früh wie möglich, spätestens nach zwei Monaten, zu vernichten, es sei denn, sie werden zur Aus- und Fortbildung oder zu statistischen Zwecken nach Maßgabe des § 20 Abs. 7 benötigt.

14.2 Zu Abs. 2

14.2.1 Die Vorschrift regelt die Datenerhebung bei Versammlungen und Aufzügen mit Ausnahme von Bild- und Tonaufnahmen. Die Anfertigung von Bild- und Tonaufnahmen (einschließlich Bild- und Tonaufzeichnungen) von Teilnehmern bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen ist in den §§ 12a, 19a VersammlG abschließend geregelt.

14.2.2 Anders als in Abs. 1 ist die Datenerhebung nur zulässig, wenn Straftaten drohen. Zudem sind die Unterlagen unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, zu vernichten, wenn sie nicht zur Abwehr einer Gefahr, zur Verfolgung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit oder zur Strafvollstreckung benötigt werden.

14.3 Zu Abs. 3 und Abs. 4

14.3.1 Die Regelungen erfassen sowohl das offene Beobachten als auch das offene Aufzeichnen mittels Bildübertragung (offene Videoüberwachung). Für Polizeibehörden gilt Abs. 3, für Gefahrenabwehrbehörden Abs. 4; zum Schutz besonders gefährdeter öffentlicher Einrichtungen kann auch der Hausrechtsinhaber, der insoweit Gefahrenabwehrbehörde ist, die offene Videoüberwachung anordnen. Wohnungen sind auch in den Fällen des § 38 Abs. 7 keine öffentlich zugänglichen Orte im Sinne dieser Bestimmung. Der Begriff "öffentliche Einrichtung" ist weiter als im Kommunalrecht und erfasst daher auch Verwaltungseinrichtungen wie zum Beispiel Rathäuser.

14.3.2 Die Tatsache der Videoüberwachung und die hierfür zuständige Behörde sind, zum Beispiel durch ein Hinweisschild, erkennbar zu machen. Für jede Videoüberwachungsanlage ist ein Verfahrensverzeichnis nach § 28 Abs. 1 zu erstellen. Aufzeichnungen sind so früh wie möglich, spätestens nach zwei Monaten, zu vernichten, soweit sie nicht zur Abwehr einer - konkreten - Gefahr, zur Verfolgung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit oder zur Strafvollstreckung benötigt werden. Bei Aufzeichnungen über einen Zeitraum von mehr als einem Tag beginnt die Vernichtungsfrist mit Ablauf des jeweiligen Tages. Eine fest installierte Videoüberwachungsanlage darf zwei Jahre betrieben werden, ohne dass die Voraussetzungen erneut geprüft werden müssen. Ergibt eine Prüfung, dass nach Ablauf dieser Frist die Voraussetzungen weiterhin vorliegen, schließt sich ein weiterer Zweijahreszeitraum an.

14.3.3 Eine einfache Bildübertragung ohne Aufzeichnung im Hauseingangsbereich einer Behörde unterfällt nicht dem HSOG. Sie ist allein nach dem Hessischen Datenschutzgesetz zu beurteilen.

14.5 Zu Abs. 5

Die Vorschrift ist nichtig (vergleiche BVerfG, Urteil vom 11. März 2008 -1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07 -). Eine Regelung über den Einsatz automatischer Kennzeichenlesesysteme ist in § 14a getroffen worden.

14.6 Zu Abs. 6

Die Vorschrift enthält die Ermächtigung zum Einsatz von technischen Mitteln zur Anfertigung von Bildübertragungen und -aufzeichnungen zum Zwecke der Eigensicherung der Polizei an öffentlich zugänglichen Orten. Die Vorschrift stellt eine Ergänzung der in § 36 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 enthaltenen Regelungen zur Eigensicherung dar. Die Aufzeichnungen dürfen als Beweismaterial in einem Strafverfahren verwendet werden. Unbeteiligte dürfen nach Satz 2 mit erfasst werden, wenn sich das nicht vermeiden lässt. Die Aufzeichnungen sind unverzüglich - spätestens nach Schichtende - zu löschen, soweit sie nicht als Beweismittel benötigt werden.

Zu § 14a

14a Automatische Kennzeichenlesesysteme (AKLS)

14a.1 Zu Abs. 1

Geregelt wird die Phase der Datenerhebung. Mit dem AKLS dürfen alle vorbeifahrenden Fahrzeuge optisch erfasst und deren Kennzeichen ermittelt werden. Der Einsatz des AKLS darf unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 7 auch verdeckt erfolgen.

14a.2 Zu Abs. 2

Die Vorschrift regelt nach den dort näher beschriebenen Bestimmungen, dass die ermittelten Kennzeichen mit den Sachfahndungsdateien des beim Bundeskriminalamt nach den Vorschriften des Bundeskriminalamtgesetzes (§ 2 Abs. 3, § 9, § 11 Abs. 1, § 34 BKAG) und mit den entsprechenden Dateien des beim Hessischen Landeskriminalamt (HLKA) nach den Vorschriften des HSOG (§§ 15, 17, 20, 28) geführten polizeilichen Informationssystems abgeglichen werden dürfen. Der Abgleich darf nur mit vollständigen Kennzeichen des Fahndungsbestands erfolgen.

14a.3 Zu Abs. 3

Der Absatz regelt die so genannten Nichttrefferfälle. In Nichttrefferfällen steht das erfasste Kennzeichen nicht zur Auswertung durch staatliche Stellen zur Verfügung. Damit können sich in einem Nichttrefferfall auch keine weiteren Folgemaßnahmen ergeben.

14a.4 Zu Abs. 4

Geregelt wird die weitere Datenverarbeitung für den Fall, in dem das Kennzeichen des Fahrzeugs im Fahndungsbestand enthalten ist (Trefferfall). Die Löschungspflicht ergibt sich aus § 27 Abs. 2.

Zu § 15

15. Datenerhebung durch Observation und Einsatz technischer Mittel

15.1 Zu Abs. 1

15.1.1 Eine Beobachtung über einen kürzeren Zeitraum als in den in Nr. 1 genannten Fällen fällt nicht unter diese Vorschrift. Hierbei ist § 13 zu beachten.

15.1.2 Die Regelungen über die Datenerhebung durch den Einsatz technischer Mittel gelten unabhängig davon, ob sie mit einer Observation verbunden sind. Keine technischen Mittel sind zum Beispiel Brillen, Ferngläser oder Kraftfahrzeuge. Die Beobachtung eines Objekts als solches ist keine Observation.

15.2 Zu Abs. 2

Die Vorschrift regelt, unter welchen Voraussetzungen personenbezogene Daten durch Observation oder unter Einsatz technischer Mittel erhoben werden können. Zunächst muss geprüft werden, ob andere Maßnahmen mit Ausnahme der in den §§ 16 und 17 genannten erheblich weniger Erfolg versprechen würden oder die polizeiliche Aufgabenerfüllung mit Hilfe anderer Maßnahmen wesentlich erschwert würde. Die Datenerhebung wird nicht dadurch unzulässig, dass andere als die in Satz 1 genannten Personen (dritte Personen) betroffen werden, wenn dies unerlässlich ist, um die Datenerhebung nach Satz 1 durchführen zu können.

15.3 Zu Abs. 3

15.3.1 Für die Datenerhebung durch Observation ist eine richterliche Anordnung nicht erforderlich. Sie wird durch die Behördenleitung oder eine von dieser beauftragten Bediensteten oder einen von dieser beauftragten Bediensteten angeordnet, es sei denn, es liegt Gefahr im Verzug vor. Das gilt auch für den Einsatz technischer Mittel mit Ausnahme des Abhörens oder des Aufzeichnens des nicht öffentlich gesprochenen Wortes (vergleiche Abs. 5).

15.3.2 Für eine Observation über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten ist die Zustimmung des HLKa als benannter Stelle erforderlich (vergleiche § 6 Abs. 2 HSOG-DVO).

15.4 Zu Abs. 4

Die Vorschrift nennt die besonderen Voraussetzungen für die Datenerhebung durch Observation und den Einsatz technischer Mittel in oder aus Wohnungen. Der Begriff Wohnung ist in § 38 Abs. 1 definiert. Abweichend davon sind Observationen ohne Einsatz technischer Mittel in Betrieben, Geschäfts- und anderen in § 38 Abs. 7 genannten Räumen auch ohne Vorliegen einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit zulässig. Soweit ein Auskunftsverweigerungsrecht besteht oder allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung erlangt würden, ist der Einsatz technischer Mittel unzulässig. Ob ein Sachverhalt dem unantastbaren Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzuordnen ist, hängt davon ab, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters ist, also auch in welcher Art und Intensität er aus sich heraus die Sphäre anderer oder Belange der Gemeinschaft berührt. Ein hinreichender Sozialbezug besteht bei Außerungen, die sich unmittelbar auf eine konkrete Straftat oder Gefahr beziehen. Bei Zweifeln hat eine dem Gericht nach Abs. 5 vorzulegende automatische Aufzeichnung zu erfolgen.

15.5 Zu Abs. 5

15.5.1 Für das Abhören oder Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes durch den Einsatz technischer Mittel sowie für die Datenerhebung in oder aus Wohnungen ist die richterliche Anordnung erforderlich, soweit nicht Gefahr im Verzug gegeben ist. Zum Begriff Gefahr im Verzug siehe Nr. 39.1. Bei Gefahr im Verzug ist die richterliche Bestätigung der polizeilichen Anordnung unverzüglich zu beantragen, weil diese außer Kraft tritt, wenn sie nicht bis zum Ablauf des folgenden Tages richterlich bestätigt wird.

15.5.2 Bei einer Datenerhebung nach Abs. 4 ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Wohnung liegt. Für das Abhören oder Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Wortes durch den Einsatz technischer Mittel ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk die Polizeibehörde, die die Maßnahme angeordnet hat (sachbearbeitende Dienststelle), ihren Sitz hat.

15.5.3 Gegen die ablehnende Entscheidung des Amtsgerichts kann Beschwerde nach Maßgabe des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit eingelegt werden.

15.6 Zu Abs. 6

15.6.1 Eingesetzt im Sinne dieser Vorschrift sind solche Personen, die in amtlicher Eigenschaft tätig sind. Dazu gehören auch die V-Personen. Das Mittel muss nicht von diesen Personen mitgeführt werden. Das Abhören kann zum Beispiel auch aus einem Begleitfahrzeug erfolgen.

15.6.2 Die Abwehr einer Gefahr für Leib oder Leben kann auch im Rahmen der Strafverfolgung erforderlich werden. Satz 3 regelt die Vernichtung der Aufzeichnung von Abhörmaßnahmen außerhalb von Wohnungen. Sollen Erkenntnisse aus Abhörmaßnahmen in oder aus Wohnungen zu Beweiszwecken im Strafverfahren verwendet werden, bedarf es - außer bei Gefahr im Verzug - eines Beschlusses des Amtsgerichts, in dessen Bezirk die anordnende Stelle ihren Sitz hat (§ 161 Abs. 2 StPO). Dasselbe gilt, wenn derartige Daten zur Abwehr einer Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer anderen Person verwendet werden sollen.

15.7 Zu Abs. 7

Die Regelung erfasst nicht nur Wohnraumüberwachungen im Sinne des Abs. 4, sondern auch Fälle, in denen zum Beispiel ein in einer Garage abgestelltes Fahrzeug mit einem Peilsender versehen werden soll. Voraussetzung ist, dass es keine andere Möglichkeit zur polizeilichen Aufgabenerfüllung gibt.

Zu § 15a

15a. Datenerhebung durch Telekommunikationsüberwachung

15a.1 Zu Abs. 1

Die Vorschrift regelt die Telekommunikationsüberwachung durch Mithören beziehungsweise Mitlesen des Fernmeldeverkehrs. Sie gestattet sie unter denselben strengen Voraussetzungen, unter denen das nicht öffentlich gesprochene Wort nach § 15 Abs. 4 abgehört werden darf. Umfasst sind sowohl die Inhaltsdaten der Kommunikation (Gesprächsinhalte, Töne, Bilder, Zeichen) als auch Verbindungsdaten (Beginn und Ende der Verbindung nebst Datum und Uhrzeit, Angaben über den jeweiligen Ort des im Netz angemeldeten Endgeräts). Im Hinblick auf Auskunftsverweigerungsrechte und Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung siehe Nr. 15.4.

15a.2 Zu Abs. 2

Im Gegensatz zu Abs. 1, der das Mithören und Mitlesen der Kommunikation durch die Polizei zum Gegenstand hat, begründet Abs. 2 einen Auskunftsanspruch der Polizei gegenüber Telekommunikationsunternehmen über Verkehrsdaten, die in der Vergangenheit erhoben worden sind oder zukünftig erhoben werden. Außerdem erstreckt sich die Auskunftspflicht auf Kommunikationsinhalte, die im Netz gespeichert sind (Mailboxen). Die Vorschrift verpflichtet die Unternehmen nicht zur Speicherung von Daten, sondern ermöglicht der Polizeibehörde lediglich den Zugriff auf Daten, soweit und solange sie gespeichert sind. Die Bestimmung erfasst auch die Funksignale aktiv geschalteter Mobiltelefone.

15a.3 Zu Abs. 3

Die Vorschrift regelt den Einsatz des so genannten IMSICatchers. Sein Einsatz ist unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 4 zulässig. Zur Strafverfolgung siehe § 100i StPO. Mit Hilfe der Kartennummer lässt sich die zugehörige Telefonnummer in der Regel problemlos ermitteln. Kennt die Polizeibehörde die Hardware-Kennung (IMEI-Nummer) des benutzten Telefons aus anderweitigen Ermittlungen, kann sie diese ohne Umweg über Abs. 3 unmittelbar zur Beantragung einer Telekommunikationsüberwachung verwenden.

15a.4 Zu Abs. 4

Die Vorschrift ist die Rechtsgrundlage für Eingriffe der Polizeibehörden zur Störung von Telekommunikationsverbindungen mit technischen Mitteln. Die Blockierung von Frequenzen stellt eine Frequenznutzung im Sinne des § 3 Nr. 9 TKG dar, die nach den Ausnahmeregelungen des § 55 Abs. 1 Satz 4 und 5 TKG grundsätzlich zulässig ist. Die von der Bundesnetzagentur festgelegten Rahmenbedingungen sind insoweit zu beachten. Nicht erfasst sind dagegen Anordnungen gegenüber Diensteanbietern zur Unterbrechung des Telekommunikationsverkehrs; insoweit kann im Bedarfsfall auf die Befugnisgeneralklausel (§ 11) zurückgegriffen werden.

15a.5 Zu Abs. 5

In formeller Hinsicht übernimmt die Regelung uneingeschränkt die strengen Anforderungen des § 15 Abs. 5, die lediglich in Bezug auf den Inhalt der richterlichen Anordnung den technischen Gegebenheiten angepasst werden.

15a.6 Zu Abs. 6

Die Vorschrift regelt die Verwertung von so genannten Zufallserkenntnissen. Für solche, die sich auf eine Straftat beziehen, ergibt sich eine Übermittlungspflicht aus § 163 StPO.

15a.7 Zu Abs. 7

Der Verweis auf § 17 Artikel-10-Gesetz begründet Mitteilungsverbote für den Telekommunikationsunternehmer. Die Unterrichtung der betroffenen Person durch die Polizeibehörde erfolgt nach Maßgabe des § 29. Die Löschung der Daten richtet sich nach § 27.

Zu § 15b

15b. Telekommunikationsüberwachung an informationstechnischen Systemen

15b.1 Zu Abs. 1

Die Vorschrift ist Rechtsgrundlage für den verdeckten, technischen Eingriff in ein informationstechnisches System zum Zweck der Telekommunikationsüberwachung (so genannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung). Die Maßnahme ist nur unter denselben strengen materiellen Voraussetzungen zulässig, die auch sonst für Maßnahmen nach § 15a gelten.

15b.2 Zu Abs. 2

15b.2.1 Vor nicht unbedingt erforderlichen Veränderungen zu schützen sind nicht nur die von dem Nutzer des informationstechnischen Systems angelegten Anwenderdateien, sondern auch die für die Funktion des Liftsystems erforderlichen Systemdateien. Auch Beeinträchtigungen der Systemleistung sind auf das technisch Unvermeidbare zu begrenzen.

15b.2.2 Die Rückgängigmachung der vorgenommenen Veränderungen hat im Interesse einer möglichst zuverlässigen und einfachen Abwicklung grundsätzlich automatisiert zu geschehen. Soweit eine automatisierte Rückgängigmachung technisch unmöglich ist, sind die vorgenommenen Veränderungen manuell rückgängig zu machen.

15b.3 Zu Abs. 3

Flüchtige Veränderungen im Sinne von Satz 1 Nr. 2 sind solche, die im Arbeitsspeicher einschließlich der Auslagerungsdatei gespeichert werden.

15b.4 Zu Abs. 4

Nach Abs. 4 darf sich eine Maßnahme nach Abs. 1 nur gegen polizeirechtlich Verantwortliche richten.

15b.5 Zu Abs. 5

Im Hinblick auf Auskunftsverweigerungsrechte und Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung siehe Nr. 15.4. Zum Richtervorbehalt siehe Nr. 15.5. Die Unterrichtungspflicht gegenüber betroffenen Personen ergibt sich aus § 29 Abs. 6.

Zu § 16

16. Datenerhebung durch Einsatz von Personen, deren Zusammenarbeit mit Polizeibehörden Dritten nicht bekannt ist, und durch verdeckt ermittelnde Personen

16.1 Zu Abs. 1

Die V-Person gehört der Polizeibehörde nicht an. Sie kann unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 Satz 1 verdeckt Daten erheben.

16.2 Zu Abs. 2

16.2.1 Die Vorschrift regelt die Voraussetzungen des Einsatzes einer VE-Person. Als VE-Person darf nur eine für diese Funktion geeignete Polizeivollzugsbeamtin oder ein geeigneter Polizeivollzugsbeamter eingesetzt werden.

16.2.2 Die Vorgehensweise der VE-Person unterliegt hinsichtlich der Strafverfolgung dem Legalitätsprinzip. Erhält sie im Rahmen ihrer Tätigkeit Kenntnis von Straftaten, hat die VE-Person unverzüglich ihre Dienststelle zu unterrichten. Diese hat sodann in Absprache mit der Staatsanwaltschaft die erforderlichen Maßnahmen zur Strafverfolgung zu treffen. Im Einzelfall hat die VE-Person im Wege der Rechtsgüterabwägung zu entscheiden, ob sie unter Preisgabe ihrer Legende notwendige Sofortmaßnahmen vornimmt.

16.3 Zu Abs. 3

16.3.1 Zunächst ist zu prüfen, ob andere Maßnahmen mit Ausnahme der in den §§ 15, § 15a und 17 genannten erheblich weniger Erfolg versprechen würden oder die polizeiliche Aufgabenerfüllung mit Hilfe anderer Maßnahmen wesentlich erschwert würde. Die Datenerhebung wird nicht dadurch unzulässig, dass dritte Personen betroffen werden, wenn dies unerlässlich ist, um die Datenerhebung nach Abs. 1 und 2 durchführen zu können.

16.3.2 Im Hinblick auf Abs. 3 Satz 3 ist es zulässig, dass andere Behörden auf Ersuchen der Polizeibehörde entsprechende Urkunden verändern oder ausstellen, die für den Aufbau und die Aufrechterhaltung der Legende der VE-Personen dringend benötigt werden. Die Ersuchen sind unter Hinweis auf § 16 Abs. 3 an die Leitung der ersuchten Behörde zu richten.

16.3.3 Die VE-Person darf zur Erfüllung ihres Auftrags unter der Legende bei öffentlichen Stellen auftreten und privatrechtliche Vereinbarungen treffen. Durch die unter der

Legende erfolgte Teilnahme am Rechtsverkehr darf den Vertragspartnerinnen und Vertragspartnern kein wirtschaftlicher Schaden entstehen.

16.5 Zu Abs. 5

16.5.1 Die Anordnung über den Einsatz von V-Personen trifft die Behördenleitung oder eine von dieser beauftragte Bedienstete oder ein von dieser beauftragter Bediensteter. Bei Gefahr im Verzug kann der Einsatz auch durch andere Bedienstete einer Polizeibehörde erfolgen. Die Staatsanwaltschaft ist unverzüglich über die Anordnung des Einsatzes einer V-Person zu unterrichten.

16.5.2 Im Hinblick auf die Anordnung eines Einsatzes einer VE-Person mit einer Legende, die nicht auf Dauer angelegt ist, gilt Nr. 16.5.1 entsprechend. Eine VE-Person wird mit einer auf Dauer angelegten Legende tätig, wenn die Legende auch noch nach dem Abschluss des Einsatzes gewahrt werden soll.

16.5.3 Der Einsatz einer VE-Person mit einer auf Dauer angelegten Legende bedarf der richterlichen Anordnung. Dies gilt nicht, wenn Gefahr im Verzug vorliegt. In diesem Fall ist auch die Behördenleitung oder eine von dieser beauftragte Bedienstete oder ein von dieser beauftragter Bediensteter zur Anordnung befugt; es ist jedoch unverzüglich die richterliche Bestätigung der Anordnung zu beantragen, weil diese außer Kraft tritt, wenn sie nicht binnen drei Tage richterlich bestätigt wird. Die Staatsanwaltschaft ist unverzüglich über den richterlich oder behördlich angeordneten Einsatz einer VE-Person mit einer auf Dauer angelegten Legende zu unterrichten.

Zu § 17

17. Polizeiliche Beobachtung

17.1 Zu Abs. 1

Zweck der Ausschreibung zur Polizeilichen Beobachtung ist es, andere Polizeibehörden, (Vollzugs-)Polizeibehörden der anderen Länder oder des Bundes sowie der Zollbehörden, soweit sie Aufgaben der Grenzkontrolle wahrnehmen, zu befähigen, das Antreffen der ausgeschriebenen Person oder des ausgeschriebenen Kraftfahrzeugs der ausschreibenden Stelle zu melden, wenn dies bei Gelegenheit einer Überprüfung aus anderem Anlass (zum Beispiel einer Identitätsfeststellung) erfolgt.

17.2 Zu Abs. 2

17.2.1 Die Ausschreibung zur Polizeilichen Beobachtung ist nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Sie dient nicht der Erforschung zukünftiger Straftaten und ist keine Maßnahme zur Strafverfolgung. Nach Nr. 1 ist eine Prognoseentscheidung erforderlich. Bei den bisherigen Straftaten muss es sich ebenfalls um Straftaten mit erheblicher Bedeutung gehandelt haben. Bei der Gesamtwürdigung sind insbesondere die in Planung, Ausführung oder zeitlicher Folge früherer Straftaten gezeigte Energie, die rücksichtslose Durchsetzung des verbrecherischen Willens oder die offensichtliche Wirkungslosigkeit von Straf- oder Resozialisierungsmaßnahmen zu berücksichtigen.

17.2.2 Nach Nr. 2 ist die Polizeiliche Beobachtung auch zulässig, wenn die Voraussetzungen für die Anordnung einer Observation (§ 15 Abs. 2 Satz 1) gegeben sind.

17.2.3 Beide Ausschreibungsalternativen setzen tatsächliche Anhaltspunkte für die Annahme voraus, dass die aufgrund der Ausschreibung zu erwartenden Erkenntnisse für die Verhütung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung erforderlich sind.

17.3 Zu Abs. 3

Die Ausschreibung zur Polizeilichen Beobachtung als solche stellt keine Ermächtigung für sonstige Maßnahmen gegen Personen dar. Hierzu bedarf es besonderer Ermächtigungsgrundlagen.

17.4 Zu Abs. 4

Die behördliche Anordnung der Polizeilichen Beobachtung darf zwölf Monate nicht überschreiten.

17.5 Zu Abs. 5

Für eine Polizeiliche Beobachtung über einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten bedarf es einer richterlichen Anordnung.

Zu § 18

18. Identitätsfeststellung und Prüfung von Berechtigungsscheinen

18.0 § 18 regelt nicht die Identitätsfeststellung in Straf- oder Bußgeldverfahren. Diese richtet sich nach § 163b ff. StPO beziehungsweise § 46 OWiG in Verbindung mit § 163b ff. StPO.

18.1 Zu Abs. 1

18.1.1 Die Identitätsfeststellung dient dazu, die Personalien einer unbekannten Person oder einer Person, deren Identität in Zweifel steht, festzustellen.

18.1.2 Die Identitätsfeststellung ist nur zulässig zur Abwehr einer (konkreten) Gefahr zur Erfüllung der den Gefahrenabwehr- oder den Polizeibehörden zugewiesenen weiteren Aufgaben (§ 1 Abs. 2) oder zum Schutz privater Rechte (§ 1 Abs. 3).

18.2 Zu Abs. 2

18.2.1 Die Vorschrift gilt nur für die Polizeibehörden. Sie gibt die Befugnis, nach Maßgabe der Nr. 1 bis 6 im Vorfeld konkreter Gefahren in bestimmten eng umgrenzten Fällen und in Vollzugshilfefällen Identitätsfeststellungen durchzuführen. Orte im Sinne der Nr. 1 können auch Wohnungen sein. Diese dürfen jedoch nur unter den Voraussetzungen des § 38 betreten werden. Straftäterinnen und Straftäter im Sinne der Nr. 1 Buchst. b sind Personen, die wegen einer Straftat verurteilt sind und zur Strafvollstreckung gesucht werden.

18.2.2 An der Kontrollstelle nach Nr. 5 - für den Bereich der Strafverfolgung gilt § 111 StPO - unterliegt jede Person der Kontrolle. Die Einrichtung ist nur mit Zustimmung der Leitung der die Kontrollstelle einrichtenden Polizeibehörde oder einer von dieser beauftragten Person, die dieser Behörde angehört, zulässig (siehe § 2 Abs. 3 HSOG-DVO), es sei denn, dass Gefahr im Verzug vorliegt.

18.2.3 Nr. 6 ermöglicht die Kontrolle jeder Person auch außerhalb von Kontrollstellen, wenn sie sich in einer Einrichtung des internationalen Verkehrs, wie zum Beispiel einem Bahnhof, auf einer Straße oder einer Bundeswasserstraße aufhält, soweit Lageerkenntnisse oder polizeiliche Erfahrung dafür sprechen, dass dieser Ort für die grenzüberschreitende Kriminalität von erheblicher Bedeutung ist. Die Ortlichkeiten, die die Voraussetzungen des Gesetzes erfüllen, hat jede Polizeibehörde für ihren Zuständigkeitsbereich unter Angabe der Gründe in einem ständig zu aktualisierenden Verzeichnis zu benennen.

18.3 Zu Abs. 3

Die Pflicht zur Aushändigung mitgeführter Ausweispapiere gilt nur für tatsächlich mitgeführte Papiere ohne Rücksicht darauf, ob in anderen Rechtsvorschriften eine Verpflichtung zum Mitführen begründet ist. Zu den zulässigen Mitteln gehört es auch, erforderliche Erkundigungen über eine Person einzuziehen. Die zur Feststellung der Identität zum Zweck der Aufklärung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten zulässigen Maßnahmen sind in den §§ 163b, 163c StPO geregelt.

18.4 Zu Abs. 4

Anders als das Anhalten nach Abs. 3 ist das Festhalten nach Abs. 4 eine Freiheitsentziehung im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG. Es gelten die §§ 33 bis 35. Die Vorschrift enthält keine abschließende Regelung der Durchsuchungsbefugnis (vergleiche §§ 36, 37).

18.5 Zu Abs. 5

Erkennungsdienstliche Maßnahmen kommen als letztes Mittel der Identitätsfeststellung nur in Betracht, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

18.7 Zu Abs. 7

Bei den auszuhändigenden Urkunden handelt es sich nicht um Personalausweispapiere, sondern um bestimmte Berechtigungsscheine, Bescheinigungen und sonstige Urkunden. Eine Mitführungspflicht wird nicht begründet.

Zu § 19

19. Erkennungsdienstliche Maßnahmen, DNA-Analyse

19.1 Zu Abs. 1

Die Aufzählung der erkennungsdienstlichen Maßnahmen ist abschließend.

19.2 Zu Abs. 2

Erkennungsdienstliche Maßnahmen dürfen nur von Polizeibehörden durchgeführt werden. Bei der Verfolgung von Straftaten ist § 81b 1. Altern. StPO anzuwenden. Zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten durchzuführende Maßnahmen dürfen nur auf Nr. 2 gestützt werden, soweit § 81b 2. Altern. StPO keine Anwendung findet. Nr. 2 ist deshalb vor allem von Bedeutung für Personen, die nicht Beschuldigte sind (zum Beispiel Kinder).

19.3 Zu Abs. 3

Die Vorschrift trifft Bestimmungen über die DNA-Analyse. Soweit die DNA-Analyse bundesgesetzlich geregelt (§ 81g StPO) ist, gehen diese Vorschriften vor. Praktische Relevanz hat die Gesetzesänderung daher nur bei Kindern unter 14 Jahren, weil diese noch nicht strafmündig sind. Näheres regeln die Richtlinien des HLKa zur DNA-Analyse.

19.4 Zu Abs. 4

19.4.1 Die erkennungsdienstlichen Unterlagen sind grundsätzlich zu vernichten, nachdem die Identität festgestellt worden ist. Die Vernichtung der nach Abs. 2 Nr. 2 angefertigten erkennungsdienstlichen Unterlagen und der DNA-Identifizierungsmuster nach Abs. 3 können unterbleiben, solange die weitere Aufbewahrung dieser Unterlagen zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist. Die gespeicherten Daten von Kindern sind nach § 15 Abs. 1 HSOG-DVO grundsätzlich nach zwei Jahren zu löschen. Wurden die Unterlagen an andere Stellen übermittelt, sind diese über die erforderliche Vernichtung zu unterrichten.

19.4.2 Die aufbewahrten Unterlagen sind Teil der Kriminalpolizeilichen Personenbezogenen Sammlungen.

19.5 Zu Abs. 5

Die Vorschrift enthält die Verpflichtung zur Belehrung über die Vernichtung erkennungsdienstlicher Unterlagen und von DNA-Identifizierungsmustern. Bei Anfertigung der Unterlagen ohne Wissen der Person entsteht eine Mitteilungspflicht darüber, welche Unterlagen aufbewahrt werden, jedoch erst dann, wenn der Zweck der Maßnahme nicht mehr gefährdet ist. Bei Kindern sind auch die Erziehungsberechtigten zu belehren.

Zu § 20

20. Datenspeicherung und sonstige Datenverarbeitung

20.1 Zu Abs. 1

20.1.1 Die Vorschrift enthält die generelle Befugnis für die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden über die Datenverarbeitung. Die Regelung gilt gleichermaßen für Akten und automatisierte Verfahren, soweit keine Spezialvorschriften bestehen (zum Beispiel Abs. 4). Die Vorschrift gibt die Befugnis für die Anlegung (Speicherung) und Fortführung (Veränderung in Form der Aktualisierung) von Kriminalakten sowie die Verarbeitung der in Sammlungen gespeicherten personenbezogenen Daten. Erfasst werden auch so genannte aufgedrängte Daten ohne Rücksicht darauf, ob diese Daten durch die betroffene Person selbst oder durch andere Personen zur Kenntnis gebracht wurden.

20.1.2 Hinsichtlich der Speicherung personenbezogener Daten vor Inkrafttreten dieses Gesetzes geht der Gesetzgeber von der Zulässigkeit ihrer Speicherung aus (vergleiche § 111 Abs. 2).

20.2 Zu Abs. 2

Protokolldaten dürfen grundsätzlich nur zur Datenschutzkontrolle, zur Datensicherung und zur Sicherstellung des ordnungsgemäßen Betriebs einer DV-Anlage verarbeitet werden. Eine Nutzung für Zwecke der Gefahrenabwehr ist zulässig, wenn dies entweder zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person erforderlich ist oder tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Verhütung einer schwerwiegenden Straftat gegen Leib, Leben oder Freiheit einer Person ohne ihre Verarbeitung aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre. Für Strafverfahrenszwecke dürfen die Daten genutzt werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ohne ihre Verarbeitung die Verfolgung einer schwerwiegenden Straftat gegen Leib, Leben oder Freiheit einer Person aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.

20.3 Zu Abs. 3

Die Vorschrift enthält eine strenge Zweckbindung, soweit es sich um die Verarbeitung von Daten anderer Personen als der in § 13 Abs. 2 Nr. 1 genannten handelt.

20.4 Zu Abs. 4

Erfasst werden die im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungsverfahren durch Polizeibehörden gewonnenen personenbezogenen Daten. Sie dürfen zur Abwehr einer (konkreten) Gefahr oder zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten gespeichert oder sonst verarbeitet werden. Die Speicherung oder sonstige Verarbeitung in automatisierten Verfahren ist nur bei Tatverdächtigen zulässig; bei Wegfall des Tatverdachts sind die Daten zu löschen. Näheres regeln die KPS-Richtlinien des HLKA.

20.5 Zu Abs. 5

Die Vorschrift schränkt die automatisierte Speicherung und sonstige Verarbeitung personenbezogener Daten über so genannte Kontaktpersonen (§ 13 Abs. 2 Nr. 2) sowie über Zeuginnen, Zeugen, Hinweisgeberinnen, Hinweisgeber und sonstige Auskunftspersonen zur Verhütung von Straftaten ein.

20.6 Zu Abs. 6

20.6.1 Bei den Bewertungen handelt es sich in der Regel um personengebundene Hinweise (zum Beispiel gewalttätig).

20.6.2 Personenbezogene Daten, die dem Brief-, Post- oder Fernmeldegeheimnis unterliegen oder die mittels Wohnraumüberwachung (§ 15 Abs. 4 und Abs. 6 Satz 2 oder nach einer anderen Rechtsvorschrift, zum Beispiel eines anderen Bundeslandes) erhoben worden sind, sind bei jeder Verarbeitung in den Akten und im automatisierten Verfahren als solche zu kennzeichnen. Die Kennzeichnung ist jeder Ubermittlung oder Weitergabe beizufügen. Wurden die Daten mehrfach erhoben, ist eine Kennzeichnung entbehrlich, wenn eine der Erhebungen nicht dem besonderen Geheimnisschutz unterliegt (zum Beispiel aus einer Fernmeldeüberwachung erlangte Anschrift wird durch spätere Vernehmungen bestätigt).

20.7 Zu Abs. 7 und 8

Die Abs. 1 bis 6 finden keine Anwendung bei der Vorgangsverwaltung, der Aus- oder Fortbildung, bei zu statistischen Zwecken verarbeiteten Daten oder bei der Erstellung eines Kriminalitätslagebildes.

20.9 Zu Abs. 9

Nach der Polizeidienstvorschrift (PDV) 100 ist die Lage die "Gesamtheit aller Umstände, Gegebenheiten und Entwicklungen, die das polizeiliche Handeln bestimmen und beeinflussen". Ein Lagebild stellt "zu einem bestimmten Zeitpunkt zusammengeführte, polizeilich bedeutsame Erkenntnisse" dar. Die polizeilichen Ereignisse, die in ein Kriminalitätslagebild eingestellt werden dürfen, sind beschränkt. Für das Lagebild dürfen keine personenbezogenen Daten erhoben werden, vielmehr dürfen nur bereits anderweitig gespeicherte oder von nachgeordneten Behörden angelieferte Daten genutzt werden. Die Daten von Geschädigten, Zeugen und anderen unbeteiligten Personen sind im Kriminalitätslagebild zu vermeiden, soweit dies die Zweckerreichung nicht gefährdet. Es wird eine eigene Frist festgelegt (spätestens am Ende des der Erstellung folgenden Jahres), innerhalb der die personenbezogenen Daten zu löschen sind.

Zu § 21

21. Allgemeine Regeln der Datenübermittlung

21.0 § 21 (sowie die §§ 22 und 23) sind nicht auf Fälle anzuwenden, in denen personenbezogene Daten aus Straf- oder Bußgeldakten übermittelt werden.

21.1 Zu Abs. 1

21.1.1 Die Vorschrift enthält die für die Übermittlung geltende allgemeine Zweckbindung. Hiervon darf nur aufgrund von speziellen Regelungen abgewichen werden.

21.1.2 Satz 2 macht eine Protokollierung zur Pflicht. Telefonische und mündliche Übermittlungen sind in Vermerkform festzuhalten. Hinsichtlich des Inhalts der Ubermittlung wird meist ein Hinweis auf bestimmte Blätter der Akte genügen. Vermerke oder eine Durchschrift des Antwortschreibens sind zu der Akte zu nehmen, aus der Auskunft erteilt wurde.

21.1.3 Bei Datenübermittlungen über Funk und bei telefonischen Übermittlungen in besonderen polizeilichen Einsatzlagen wird der Protokollierungspflicht durch Aufnahme auf Tonträger genügt.

21.2 Zu Abs. 2

Unter die Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnisse fallen nicht die allgemeinen beamten- und verfahrensrechtlichen Geheimhaltungspflichten (vergleiche § 37 BeamtStG und § 30 HVwVfG).

21.3 Zu Abs. 3

Unberührt bleibt § 22 Abs. 4, der unter engen Voraussetzungen die Ubermittlung von Bewertungen zulässt.

21.4 Zu Abs. 4

21.4.1 Verurteilungen, die nach § 41 BZRG einer beschränkten Auskunft unterliegen, dürfen nur solchen Stellen übermittelt werden, die nach § 41 BZRG unbeschränkt auskunftsberechtigt sind. Auskünfte über die Tatsache, dass Strafverfahren anhängig sind oder waren, werden davon nicht erfasst.

21.4.2 Ist die Verurteilung getilgt oder zu tilgen, unterliegen Tat und Verurteilung einem Verwertungsverbot nach Maßgabe der §§ 51, 52 BZRG. Dies schließt eine kriminalpolizeiliche interne Verwertung nicht aus.

21.5 Zu Abs. 5

Die Vorschrift stellt klar, welche Behörde die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit einer Datenübermittlung trifft. Ausnahmen von dieser allgemeinen Regelung befinden sich in § 22 Abs. 3 Satz 4 und § 23 Abs. 3 Satz 2.

21.6 Zu Abs. 6

Auch die Empfängerin oder der Empfänger unterliegt hinsichtlich der Verarbeitung der Daten dem Zweckbindungsgrundsatz. Eine Ausnahme hiervon ist in § 22 Abs. 1 für die Polizei- und die Gefahrenabwehrbehörden getroffen worden.

21.7 Zu Abs. 7

Anderweitige besondere Rechtsvorschriften sind solche Rechtsvorschriften, die dem HSOG vorgehen (zum Beispiel § 68 SGB X, § 31 HMG).

Zu § 22

22. Datenübermittlung innerhalb des öffentlichen Bereichs

22.1 Zu Abs. 1

Bei der Datenübermittlung an Polizeibehörden und -dienststellen des Bundes, der anderen Länder oder der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der am Schengen-Besitzstand teilhabenden assoziierten Staaten ist nach Satz 2 zu prüfen, ob die Daten zur Erfüllung solcher Aufgaben erforderlich sind, die sich inhaltlich mit den in § 1 bezeichneten Aufgaben decken. Satz 3 konkretisiert die in § 1 Abs. 6 Satz 2 geregelte Unterrichtungspflicht. Die Gefahrenabwehrbehörden informieren die für sie örtlich zuständigen Polizeibehörden, wenn ein Personaldokument oder eine sonstige fahndungsrelevante Legitimation (zum Beispiel Pass, Personalausweis, Führerschein, Visum, Aufenthaltstitel, Waffenschein) oder ein entsprechender Blanko-Vordruck abhandengekommen ist. Diese Vorschrift lässt die Übermittlung personenbezogener Daten auch an außerhessische Behörden und öffentliche Stellen unter den dort bezeichneten Voraussetzungen zu.

22.2 Zu Abs. 2

22.2.1 Die Vorschrift ist anzuwenden, falls die Voraussetzungen des Abs. 1 Satz 1 bis 4 nicht vorliegen.

22.2.2 Gefahr im Sinne der Nr. 2 ist eine konkrete Gefahr.

22.2.3 Die Datenübermittlung nach Nr. 3 setzt das Bestehen einer konkreten Gefahr nicht voraus. Die Vorschrift zielt vorrangig auf eine Datenübermittlung an Behörden, die nicht primär für die Abwehr von Gefahren zuständig sind, jedoch ausnahmsweise Gefahrenabwehraufgaben wahrzunehmen haben.

22.3 Zu Abs. 3

Bei der Übermittlung kommt es nicht darauf an, ob die ausländischen Stellen ihren Sitz im In- oder Ausland haben. Die Vorschrift gilt also auch für die Übermittlung an ausländische Vertretungen im Inland, jedoch nicht für Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland. Die im NATO-Truppenstatut und dem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut getroffenen Regelungen gehen Abs. 3 vor.

22.4 Zu Abs. 4

Die Vorschrift lockert die Zweckbindung für Fälle, in denen die Übermittlung zur Abwehr einer Gefahr für die Empfängerin oder den Empfänger, also nicht für die Gefahrenabwehr- oder die Polizeibehörden, unerlässlich ist.

22.5 Zu Abs. 5

Eines Ersuchens der Gefahrenabwehr- oder der Polizeibehörden bedarf es nicht. Spezialgesetzlich bindende Regelungen für die übermittelnde Behörde (zum Beispiel aufgrund melderechtlicher oder straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, Sozialgesetzbuch X) gehen vor.

Zu § 23

23. Datenübermittlung an Personen oder Stellen außerhalb des öffentlichen Bereichs

23.1 Zu Abs. 1

Eine Übermittlung an private Empfängerinnen oder Empfänger ist nur unter den engen Voraussetzungen der Nr. 1 bis 3 zulässig.

23.2 Zu Abs. 2

23.2.1 Die Person, deren Daten nach Abs. 1 Nr. 3 übermittelt worden sind, ist zu unterrichten, sobald der Zweck der Übermittlung dem nicht mehr entgegensteht. Dies folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 22 Abs. 2 Satz 2.

23.2.2 Bei Übermittlungen in den Fällen des Abs. 1 Nr. 1 bis 3 gilt § 22 Abs. 4 entsprechend.

23.4 Zu Abs. 4

Das Verzeichnis kann so geführt werden, dass die entsprechenden Vermerke in einem Ordner gesammelt werden.

Zu § 24

24. Automatisiertes Abrufverfahren

24.1 Die Vorschrift enthält in Abs. 1 nunmehr eine Positivliste derjenigen Stellen, denen der Abruf personenbezogener Daten aus einem automatisierten Verfahren der Polizeibehörden und der Gefahrenabwehrbehörden ermöglicht werden darf. Neben hessischen Polizeibehörden und außerhessischen Polizeidienststellen ist auch der Verwaltungsfachhochschule, den Gefahrenabwehrbehörden sowie weiteren Behörden der Abruf gestattet, insoweit allerdings eingeschränkt auf bestimmte im Gesetz genannte Zwecke.

24.2 Bezüglich der in Nr. 4 bis 6 genannten Behörden ist das Verfahren so auszugestalten, dass diese automatisiert nur so genannte Negativauskünfte erhalten, während sie im Trefferfall eine konventionelle Anfrage stellen müssen. Schließlich wird ein Abruf durch die Allgemeinheit zugelassen, soweit es sich um personenbezogene Daten handelt, die für die Offentlichkeit bestimmt sind (Nr. 7). Um klarzustellen, dass sich die Protokollierungspflicht in Abs. 3 nicht auf den Abruf von Offentlichkeitsfahndungen im Internet erstreckt, wird sie auf die Fälle des Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 beschränkt.

Zu § 25

25. Datenabgleich

25.0 Unter Datenabgleich im Sinne der Vorschrift ist die Feststellung zu verstehen, ob zu einer Person bereits automatisiert Daten gespeichert sind.

25.1 Zu Abs. 1

25.1.1 Die Vorschrift ist Rechtsgrundlage für eine besondere Form der Datenverarbeitung. Sie gibt weder die Befugnis zur Erhebung der abzugleichenden Daten noch zur Speicherung dieser Daten in der Anwendung, mit deren Daten sie abgeglichen werden.

25.1.2 Das Anhalte- und Festhalterecht nach Satz 4 ergänzt die entsprechenden Befugnisse nach § 18 Abs. 3 und 4. §§ 33 bis 35 sind zu beachten.

25.3 Zu Abs. 3

Eine besondere Rechtsvorschrift ist zum Beispiel § 90b AufenthG.

Zu § 26

26. Besondere Formen des Datenabgleichs

26.1 Zu Abs. 1

26.1.1 Die Vorschrift regelt die so genannte Rasterfahndung im Rahmen der Gefahrenabwehr. Es muss eine konkrete Gefahr für die genannten Rechtsgüter vorliegen. Die Vorschrift ist, anders als § 25, Rechtsgrundlage für die Erhebung von Daten. Der Befugnis der Polizeibehörden, die Herausgabe der Datenbestände zu verlangen, entspricht die Verpflichtung der Datenbesitzerin oder des Datenbesitzers zur Ubergabe der angeforderten Daten.

26.1.2 Gegenüber nichtöffentlichen Stellen kann die Verfügung der Polizeibehörde zur Datenübergabe notfalls im Wege des Verwaltungszwanges nach den §§ 47 ff. durchgesetzt werden.

26.2 Zu Abs. 2

Die angeforderten Daten müssen bei der ersuchten Stelle vorhanden sein. Die ersuchte Stelle kann nicht verpflichtet werden, nicht vorhandene Daten erst zu ermitteln. Die ersuchte Stelle hat lediglich die angeforderten Daten zu übermitteln. Eine Ausnahme hiervon lässt Satz 2 zu. Diese zusätzlich übermittelten Daten dürfen nicht verwertet werden.

26.4 Zu Abs. 4

Die Unterrichtung der oder des Datenschutzbeauftragten hat in der Regel schriftlich zu erfolgen.

Zu § 27

27. Berichtigung, Löschung und Sperrung von Daten, Verwertungsverbot

27.1 Zu Abs. 1

Daten sind unrichtig, wenn sie tatsächliche Angaben enthalten, die nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen. Die Berichtigung hat von Amts wegen zu erfolgen. Unrichtige personenbezogene Daten in Akten können nicht gelöscht und durch die zutreffenden Daten ersetzt werden. Satz 2 sieht deshalb Vorkehrungen vor, dass die Berichtigung in geeigneter Weise, zum Beispiel durch einen Vermerk, kenntlich zu machen ist. Unrichtige Daten, die mehrfach in der Akte erscheinen, können dadurch berichtigt werden, dass der Akte ein Vorblatt mit einem deutlichen Hinweis beigefügt wird.

27.2 Zu Abs. 2

Die Vorschrift gilt für Daten, die automatisiert gespeichert sind. Sie erfasst außerdem diejenigen Unterlagen, auf denen die automatisierte Verarbeitung beruht. Löschen ist das Unkenntlichmachen der Daten. Für alle Fälle, in denen Kernbereichsdaten angefallen sind, insbesondere also auch für die Fälle der Wohnraumüberwachung, der Telekommunikationsüberwachung und des verdeckten Eingriffs in informationstechnische Systeme, besteht ein Verwertungsverbot. Zudem gilt eine Dokumentationspflicht. Sie ist nicht auf Kernbereichsverletzungen beschränkt, sondern erstreckt sich auf alle Fälle, in denen personenbezogene Daten rechtswidrig gespeichert wurden. An die Stelle der Löschung kann ausnahmsweise die Sperrung treten, wenn die Voraussetzungen des Satzes 6 vorliegen, sofern es sich nicht um Kernbereichsdaten handelt.

27.3 Zu Abs. 3

Die Vorschrift gilt für Daten, die nicht gleichzeitig automatisiert gespeichert sind. Ist zum Beispiel im POLAS ein Fall unzulässigerweise gespeichert, ist er nach Abs. 2 Nr. 1 zu löschen; außerdem ist der dazugehörige Teil der Kriminalakte zu vernichten. Sind die zu löschenden Daten auch in anderen Teilen der Kriminalakte enthalten (zum Beispiel FS-Auskunft anlässlich eines späteren Falles) gilt Satz 1. Die nach Satz 1 vorzunehmende Sperrung der Daten erfolgt in der Weise, dass auf einem Aktenvorblatt ein entsprechender Vermerk angebracht wird. Für den Fall, dass Kernbereichsdaten unabhängig von automatisierten Daten noch auf analogen Datenträgermedien wie Magnettonbändern oder Film erfasst sind, gelten die Vorgaben des Abs. 2 entsprechend. Die Aufzeichnungen sind deswegen an den betreffenden Stellen physisch zu löschen und nicht nur zu sperren.

27.4 Zu Abs. 4

Auf die §§ 14 bis 18 HSOG-DVO wird verwiesen. Besondere Regelungen hinsichtlich der Speicherungsdauer (zum Beispiel § 20 Abs. 5 Satz 2) bleiben unberührt.

27.6 Zu Abs. 6

In den Fällen der Nr.1 und 3 sind die automatisiert gespeicherten Daten vollständig auszudrucken und anschließend zu löschen. Der Ausdruck und der dazugehörige Teil der Akte sind mit einem Sperrvermerk zu versehen. Gesperrte Unterlagen sind zu dem Vorgang zu nehmen, der Anlass für die Maßnahme war. Daten aus dem Kernbereich privater Lebensgestaltung (Nr. 2) sind ausnahmslos unverzüglich zu löschen.

Zu § 28

28. Verfahrensverzeichnis

28.1 Zu Abs. 1

Das zu verwendende Formular sowie weitere Einzelheiten werden in einer gesonderten Verwaltungsvorschrift bekannt gegeben.

28.2 Zu Abs. 2

Eine Einsichtnahme in das Verfahrensverzeichnis ist nur dann mit der Aufgabenerfüllung unvereinbar, wenn sich die Geheimhaltungsbedürftigkeit aus dem Verfahrensverzeichnis selbst und nicht erst aus den gespeicherten Daten ergibt. Wird die Einsichtnahme verweigert, ist die betroffene Person darauf hinzuweisen, dass sie sich an die Hessische Datenschutzbeauftragte oder an den Hessischen Datenschutzbeauftragten wenden kann.

28.3 Zu Abs. 3

Ein Verfahrensverzeichnis nach Abs. 1 ist nicht zu erstellen, wenn nach anderen Vorschriften ein Verfahrensverzeichnis oder eine Errichtungsanordnung anzufertigen ist. Im Strafverfahren hat die Polizei Errichtungsanordnungen (§ 490 StPO) nur für solche Dateien zu erlassen, in denen sie nicht zugleich personenbezogene Daten speichert, die dem HSOG unterliegen (vergleiche § 483 Abs. 3, § 485 Satz 4 StPO).

Zu § 29

29. Auskunft und Unterrichtung

29.0 Die Vorschrift geht als Sonderregelung § 18 HDSG vor.

29.1 Zu Abs. 1

29.1.1 Antrag und Auskunft sollen grundsätzlich schriftlich erfolgen.

29.1.2 Wird der Antrag mündlich gestellt, hat sich die Antragstellerin oder der Antragsteller auszuweisen. Geschäftsfähigkeit ist nicht erforderlich, wohl aber Einsichts- und Urteilsfähigkeit.

29.3 Zu Abs. 3

Die Auskunftsverweigerung setzt eine Prüfung im Einzelfall voraus. Sie ist ein Verwaltungsakt, der mit den Rechtsbehelfen der VwGO angefochten werden kann.

29.4 Zu Abs. 4

Die Ablehnung der Auskunftserteilung ist grundsätzlich zu begründen. Die Vorschrift stellt klar, unter welchen Voraussetzungen auf die Begründung verzichtet werden kann.

29.6 Zu Abs. 6

Die Vorschrift regelt die Unterrichtungspflichten bei verdeckten Datenerhebungen. Eine Unterrichtung ist grundsätzlich erforderlich. Unter engen Voraussetzungen kann sie unterbleiben oder zeitweilig zurückgestellt werden. Von einer zeitweiligen Zurückstellung ist die Hessische Datenschutzbeauftragte oder der Hessische Datenschutzbeauftragte in regelmäßigen Abständen in Kenntnis zu setzen.

Zu § 30

30. Vorladung

30.0 § 30 regelt die Vorladung zum Zwecke der Gefahrenabwehr. Die Vorladung in Strafverfahren richtet sich nach §§ 161a, 163a StPO. Für das Bußgeldverfahren gelten die §§ 46, 55 OWiG. Die Auskunftspflicht und deren Umfang ergeben sich aus § 12.

30.1 Zu Abs. 1

30.1.1 Von einer Vorladung ist abzusehen, wenn

30.1.2 Als betroffene Personen kommen auch nicht verantwortliche Personen (§ 9) in Betracht.

30.2 Zu Abs. 2

Die Bekanntgabe des Grundes der Vorladung kann unterbleiben, wenn dadurch der Vorladungszweck gefährdet wird.

30.3 Zu Abs. 3

30.3.1 "Hinreichenden Grund", der Vorladung keine Folge zu leisten, kann die vorgeladene Person insbesondere dann haben, wenn sie krank oder zu dem Zeitpunkt, für den sie vorgeladen ist, durch unaufschiebbare berufliche oder persönliche Angelegenheiten verhindert ist. Insoweit ist eine Güterabwägung vorzunehmen.

30.3.2 Mittel zur Durchsetzung der Vorladung sind das Zwangsgeld und der unmittelbare Zwang (Vorführung). Die Vorführung ist nur zulässig, wenn das Zwangsgeld nicht oder nicht rechtzeitig zum Ziel führt oder untunlich ist. Sie bedarf - außer bei Gefahr im Verzug - der richterlichen Anordnung.

Zu § 31

31. Platzverweisung

31.1 Zu Abs. 1

31.1.1 Die Platzverweisung kann sowohl unter freiem Himmel als auch in Räumen angeordnet werden. Für den Schutz der Bevölkerung vor häuslicher Gewalt ist die Spezialregelung in Abs. 2 zu beachten. Die Platzverweisung ist erforderlichenfalls mit der Anordnung zu verbinden, mitgeführte Sachen, insbesondere Fahrzeuge oder Tiere, zu entfernen. Die Inhaberin oder der Inhaber einer Wohnung im Sinne des § 38 darf nur dann an deren Betreten gehindert oder aus ihr verwiesen werden, wenn eine dringende erhebliche Gefahr dies erfordert.

31.1.2 Die Platzverweisung nach Satz 2 kann auch gegen Schaulustige gerichtet werden, wenn deren Anwesenheit den Einsatz der Feuerwehr oder andere Hilfs- oder Rettungsmaßnahmen, insbesondere die Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge, behindert.

31.2 Zu Abs. 2

Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit dem Bundesgesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz) vom 11. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3513) zu sehen. Das Nähere ist in einer speziellen Ausführungsvorschrift geregelt (zurzeit Erlass vom 3. Februar 2009, StAnz. S. 534).

31.3 Zu Abs. 3

Die Vorschrift ist die spezielle Rechtsgrundlage für die Anordnung eines längerfristigen Aufenthaltsverbotes. Ein Rückgriff auf die Generalklausel ist damit unzulässig. Aufenthaltsverbote zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten eignen sich insbesondere zur Bekämpfung offener Drogenszenen, zum Schutz von Veranstaltungen (zum Beispiel Volksfesten, Sportveranstaltungen oder Open-Air-Konzerten) vor gewaltbereiten Personen (zum Beispiel Skinheads, Punks, Hooligans), zur Verhinderung so genannter Chaos-Tage, zum Schutz von Castor-Transporten oder auch zur Verhinderung des so genannten Hütchenspiels. Es müssen nachprüfbare Tatsachen vorliegen, die zur Annahme berechtigen, dass eine Person an einer bestimmten Ortlichkeit eine Straftat begehen wird. Hinsichtlich der insoweit erforderlichen Prognoseentscheidung wird eine hinreichende Wahrscheinlichkeit gefordert, eine Gewissheit ist nicht erforderlich. Die Gefahrenabwehr- und Polizeibehörden haben in jedem Einzelfall das Aufenthaltsverbot auf den zur Verhütung von Straftaten erforderlichen Umfang in zeitlicher und örtlicher Hinsicht zu beschränken, wobei drei Monate nicht überschritten werden dürfen. Das Aufenthaltsverbot darf nicht den Zugang zur Wohnung einer betroffenen Person erfassen. Vergleichbar wichtige Gründe (zum Beispiel Zugang zur Praxis des Hausarztes) stehen der Verhängung eines Aufenthaltsverbots entgegen. Der Hinweis auf das Versammlungsrecht wirkt lediglich deklaratorisch und betont den Grundsatz der "Polizeifestigkeit" des Versammlungsrechts.

Zu § 32

32. Gewahrsam

32.0 Die Vorschrift regelt den Entzug der Freiheit, soweit diese nicht eine (Neben-)Folge einer sonstigen Maßnahme (§ 18 Abs. 4, § 25 Abs. 1 Satz 4, § 30 Abs. 3 und 4) darstellt. Die Vorschrift über die Freiheitsentziehung in Strafverfahren (Verhaftung und vorläufige Festnahme nach §§ 112 ff, 127, 164 StPO) bleiben unberührt.

32.1 Zu Abs. 1

32.1.1 Die Ingewahrsamnahme nach Nr. 1 dient ausschließlich dem Schutz der betroffenen Person. Es kommt nicht darauf an, ob sich diese selbst - schuldhaft oder schuldlos - in Gefahr begeben hat. Bevor eine hilflose Person in Gewahrsam genommen wird, ist zu prüfen, ob sie - gegebenenfalls unter Einschaltung des Rettungsdienstes - unmittelbar ihren Angehörigen oder anderen geeigneten Stellen (Krankenhaus, Heim o. A.) übergeben werden kann.

32.1.2 Es kann auch zulässig sein, während der Ingewahrsamnahme nach Nr. 3 die betroffene Person an einen anderen Ort zu verbringen (Verbringungsgewahrsam).

32.1.3 Die Ingewahrsamnahme nach Nr. 4 setzt voraus, dass die betroffene Person von einer anderen Privatperson nach den Selbsthilfevorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches wegen Fluchtverdachts festgenommen und dem Amtsgericht vorgeführt werden könnte. Mildere Mittel zum Schutz privater Rechte dürfen nicht zur Verfügung stehen.

32.2 Zu Abs. 2

Es ist nicht erforderlich, dass von der minderjährigen Person eine konkrete Gefahr ausgeht oder dass ihr eine solche droht.

32.3 Zu Abs. 3

Die Maßnahme ist auch zulässig, wenn noch kein Ersuchen der Justizvollzugsanstalt oder noch kein Vollstreckungsbefehl vorliegt. Nicht erforderlich ist ferner, dass eine weitere Gefahr von der entwichenen Person ausgeht. Entscheidend ist, dass sich die betreffende Person außerhalb der Anstalt aufhält.

Zu § 33

33. Richterliche Entscheidung

33.1 Zu Abs. 1

33.1.1 Die richterliche Entscheidung ist bereits vor der Freiheitsentziehung herbeizuführen, wenn dadurch der Erfolg der Maßnahme nicht gefährdet wird.

33.1.2 Wird die Freiheit einer Person ohne vorherige richterliche Entscheidung entzogen, so ist, falls nicht die Voraussetzungen des Satzes 2 vorliegen, die Entscheidung ohne schuldhafte Verzögerung herbeizuführen. Eine schuldhafte Verzögerung liegt insbesondere dann nicht vor, wenn das zuständige Gericht aus Gründen, die nicht von der Polizeibehörde zu vertreten sind, nicht tätig werden kann. Die Gründe sind schriftlich festzuhalten. Lediglich ein Hinweis auf den Dienstschluss des zuständigen Gerichts reicht nicht aus.

Zu § 34

34. Behandlung festgehaltener Personen

34.0 Auf die Polizeigewahrsamsordnung wird hingewiesen.

34.1 Zu Abs. 1

Der festgehaltenen Person ist unverzüglich der Grund für das Festhalten bekannt zu geben. Hierzu gehört die Mitteilung, aus welchem Sachverhalt und welcher Rechtsgrundlage die Befugnis zum Festhalten hergeleitet wird. Die Rechtsgrundlage braucht nicht in Einzelheiten dargestellt werden.

34.2 Zu Abs. 2

34.2.1 Die betroffene Person ist auf ihr Benachrichtigungsrecht hinzuweisen.

34.2.2 Wird die Benachrichtigung von der Polizeibehörde übernommen, so hat sie nach Möglichkeit fernmündlich zu erfolgen.

34.2.3 Das Benachrichtigungsrecht der betroffenen Person darf den Zweck der Freiheitsentziehung nicht gefährden. Dies trifft zum Beispiel zu, wenn die Benachrichtigung die Verhinderung einer Straftat (§ 32 Abs. 1 Nr. 2) gefährden würde. Liegen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass durch die Benachrichtigung der Zweck der Freiheitsentziehung gefährdet würde, so hat die Benachrichtigung zu unterbleiben.

34.3 Zu Abs. 3

Nach Satz 3 ist auch die Einbehaltung von Sachen zulässig. § 40 bleibt unberührt.

Zu § 35

35. Dauer der Freiheitsentziehung

35.1 Zu Abs. 1

Die Polizeibehörden haben von Amts wegen zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Freiheitsentziehung entfallen sind. Sie haben von sich aus darauf hinzuwirken, dass die betroffene Person so bald wie möglich entlassen werden kann.

35.2 Zu Abs. 2

Die Freiheitsentziehung zum Zwecke der Identitätsfeststellung ist für den Bereich der Gefahrenabwehr auf maximal 12 Stunden eingeschränkt. Für die Strafverfolgung ergibt sich dieselbe Frist aus § 163c Abs. 3 StPO.

Zu 36

36. Durchsuchung und Untersuchung von Personen

36.0.1 § 36 regelt die Durchsuchung und Untersuchung von Personen zur Gefahrenabwehr. Hinsichtlich der Entnahme von Körperzellen zum Zwecke der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren gilt § 81g StPO. Die Durchsuchung und die Untersuchung von Personen in Straf- oder Bußgeldverfahren regeln die §§ 81 bis 81f, 102 ff. StPO beziehungsweise § 46 Abs. 1, 3 und 4 OWiG in Verbindung mit §§ 81a bis 81d, 102 ff. StPO.

36.0.2 Die Durchsuchung von Personen beschränkt sich auf die Suche nach Sachen, die sich in den Kleidern oder an dem Körper der betroffenen Person befinden können. Auch in

der Mundhöhle, der Nase und in den Ohren kann erforderlichenfalls nachgesehen werden. Zur körperlichen Untersuchung siehe Nr. 36.5.

36.0.3 Bei einer Durchsuchung aufgefundene Sachen sind bei der betroffenen Person zu belassen, wenn sie weder sichergestellt (§ 40) noch beschlagnahmt (vergleiche zum Beispiel §§ 94 ff. StPO) oder nach § 34 Abs. 3 Satz 3 einbehalten werden dürfen.

36.1 Zu Abs. 1

36.1.1 Nr.1 dient dem Auffinden von Gegenständen, die nach § 40 sichergestellt werden dürfen. Voraussetzung ist, dass entsprechende Tatsachen vorliegen. Bloße Vermutungen reichen nicht aus.

36.1.2 Die Durchsuchung hilfloser Personen nach Nr. 2 erstreckt sich auf die Suche nach Unfallausweisen oder Medikamenten, um Beistand leisten zu können, Hinweisen auf Angehörige, Hausschlüssel o. A.

36.2 Zu Abs. 2

36.2.1 Die Durchsuchung nach Nr. 1 dient der Suche nach Sachen, die zum Angriff auf Personen oder Sachen oder zur Flucht geeignet sind. Es handelt sich um die wichtigste Form der Durchsuchung zum Zwecke der Eigensicherung. Eine personenbezogene Gefahrenprognose ist nicht erforderlich, es genügt, dass die Person nach diesem oder einem anderen Gesetz festgehalten werden darf.

36.2.2 Die Nr. 2, 3 und 4 erlauben die Durchsuchung von Personen an "verrufenen" und "gefährdeten" Orten im Sinne des § 18 Abs. 2 Nr. 1 und 3 sowie von Personen, die sich in der Nähe gefährdeter Personen im Sinne des § 18 Abs. 2 Nr. 4 aufhalten. Zweck der Maßnahme ist in erster Linie die Suche nach Sachen, die sichergestellt werden dürfen, an den in § 18 Abs. 2 Nr. 1 genannten Orten auch die Erlangung von Hinweisen auf die Verabredung, Vorbereitung oder Begehung von Straftaten.

36.3 Zu Abs. 3

Die Durchsuchung nach Abs. 3 dient der Eigensicherung und dem Schutz Dritter. Sie steht wie § 36 Abs. 2 Nr. 1 im engen Zusammenhang mit den anderen wichtigen Bestimmungen zur Eigensicherung (§ 40 Nr. 3, § 59).

36.5 Zu Abs. 5

Körperliche Untersuchung ist die Suche nach Sachen im Innern des Körpers einschließlich der nicht ohne weiteres zugänglichen Körperöffnungen (siehe auch Nr. 36.0.2). Diese Maßnahme sowie die Entnahme von Blutproben und andere körperliche Eingriffe dürfen nicht nur bei gefährdeten Personen, sondern auch bei Personen erfolgen, die eine Gefahr für andere verursacht haben (zum Beispiel Verletzung eines Polizeibeamten durch eine Person, bei der die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie HIV-positiv ist). Die dabei erhobenen personenbezogenen Daten dürfen nur unter Einschränkungen verwendet werden.

Zu § 37

37. Durchsuchung von Sachen

37.0.1 § 37 regelt die Durchsuchung von Sachen zur Gefahrenabwehr. Die Durchsuchung von Sachen in Straf- und Bußgeldverfahren richtet sich nach §§ 102 ff. StPO beziehungsweise § 46 OWiG in Verbindung mit §§ 102 ff. StPO.

37.0.2 Sache im Sinne dieser Vorschrift ist jeder Gegenstand, sofern es sich nicht um am Körper befindliche Kleidungsstücke und deren Inhalt handelt (vergleiche Nr. 36.0.2).

37.0.3 Für die Durchsuchung im befriedeten Besitztum gelten die §§ 38, 39.

37.0.4 Bei einer Durchsuchung aufgefundene Sachen sind bei der betroffenen Person zu belassen, wenn sie weder sichergestellt (§ 40) noch beschlagnahmt (vergleiche zum Beispiel §§ 94 ff. StPO) oder nach § 34 Abs. 3 Satz 3 einbehalten werden dürfen.

37.1 Zu Abs. 1

Nach Nr. 1 kann sich unter den Voraussetzungen des § 36 die Durchsuchung der Person auch auf die Sachen erstrecken, die die betroffene Person mitführt, das heißt die in ihrem unmittelbaren und sofortigen Zugriff stehen.

37.2 Zu Abs. 2

37.2.1 Die Nr. 2 und 3 erlauben unter den dort genannten Voraussetzungen die Durchsuchung nicht mitgeführter Sachen, die sich an "verrufenen" oder "gefährdeten" Orten im Sinne von § 18 Abs. 2 Nr. 1 und 3 befinden.

37.2.2 Ist das Fahrzeug, das nach Nr. 4 durchsucht werden kann, auch eine Wohnung, müssen zusätzlich die Voraussetzungen des § 38 vorliegen.

37.3 Zu Abs. 3

37.3.1 Die Inhaberin oder der Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist auf das Recht, bei der Durchsuchung anwesend sein zu können, hinzuweisen.

37.3.2 Zur Vertretung im Sinne von Satz 2 befugt ist diejenige Person, die von der Inhaberin oder dem Inhaber der tatsächlichen Gewalt zur Vertretung bestimmt wurde oder von der dies den Umständen nach anzunehmen ist. Die Hinzuziehung einer zur Vertretung befugten Person oder anderer Personen als Zeuginnen oder Zeugen ist auch dann geboten, wenn die Inhaberin oder der Inhaber der tatsächlichen Gewalt wegen Störung der Durchsuchung entfernt worden ist. Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte kommen als Zeuginnen oder Zeugen nur in Betracht, wenn andere Personen zu diesem Zweck nicht hinzugezogen werden können.

Zu § 38

38. Betreten und Durchsuchen von Wohnungen

38.0 § 38 regelt das Betreten und die Durchsuchung von Wohnungen zur Gefahrenabwehr. Zur Durchsetzung von ordnungsbehördlichen oder polizeilichen Verwaltungsakten siehe § 47 Abs. 5. Die Durchsuchung von Wohnungen in Straf- und Bußgeldverfahren richtet sich nach §§ 102 ff. StPO beziehungsweise § 46 OWiG in Verbindung mit §§ 102 ff. StPO.

38.1 Zu Abs. 1

Wohnungen sind auch die zu den genannten Zwecken genutzten beweglichen Sachen wie Schiffe, Wohnwagen und Zelte.

38.2 Zu Abs. 2

38.2.1 Inhaberin oder Inhaber ist, wer rechtmäßig die tatsächliche Gewalt über die Räumlichkeiten ausübt, so auch Mieterin, Mieter, Untermieterin, Untermieter, Hotelgast. Bei Gemeinschaftsunterkünften, Internaten, Obdachlosenunterkünften sind nur die Leiterinnen oder Leiter Inhaberinnen oder Inhaber.

38.2.2 Die Befugnis zum Betreten einer Wohnung schließt die Befugnis ein, von Personen, Sachen und Zuständen, die ohne weiteres wahrgenommen werden können, Kenntnis zu nehmen. Soweit erforderlich, umfasst das Betretungsrecht bei Grundstücken auch das Recht zum Befahren mit Fahrzeugen.

38.2.3 Durchsuchen ist das ziel- und zweckgerichtete Suchen nach Personen, Sachen oder Gefahrenquellen. Die Durchsuchung einer Wohnung hat sich auf Anlass und Zweck der Durchsuchung zu beschränken. Befinden sich in der Wohnung Personen oder Sachen, die durchsucht werden sollen, so sind hierfür die §§ 36, 37 maßgebend.

38.4 Zu Abs. 4

Gebäude im Sinne dieser Vorschrift sind Baulichkeiten, die mehr als eine Wohnung umfassen.

38.7 Zu Abs. 7

Die Vorschrift gestattet auch das Betreten solcher Räumlichkeiten, die nicht mehr öffentlich zugänglich sind, sofern sich darin noch Personen aufhalten, die diese Räumlichkeiten betreten haben, als sie öffentlich zugänglich waren.

Zu § 39

39. Verfahren bei der Durchsuchung von Wohnungen

39.0 § 39 regelt das Verfahren bei der Durchsuchung von Wohnungen zur Gefahrenabwehr. Das Verfahren bei der Durchsuchung von Wohnungen in Straf- und Bußgeldverfahren richtet sich nach §§ 105 ff. StPO beziehungsweise § 46 OWiG in Verbindung mit §§ 105 ff. StPO.

39.1 Zu Abs. 1

Erfolgt die Anordnung der Durchsuchung ausnahmsweise durch die Gefahrenabwehr- oder die Polizeibehörde, weil Gefahr im Verzug vorliegt, ist diese Annahme mit auf den Einzelfall bezogenen Tatsachen zu begründen und schriftlich festzuhalten. Lediglich auf behördliche Alltagserfahrungen gestützte Vermutungen reichen nicht aus.

39.2 Zu Abs. 2

39.2.1 Die Wohnungsinhaberin oder der Wohnungsinhaber ist auf das Recht, bei der Durchsuchung anwesend sein zu können, hinzuweisen.

39.2.2 Nr. 37.3.2 Satz 1 gilt entsprechend. Die Hinzuziehung einer zur Vertretung befugten Person oder einer anderen in Satz 2 genannten Person ist auch dann erforderlich, wenn die Inhaberin oder der Inhaber wegen Behinderung der Durchsuchung entfernt worden ist.

Zu § 40

40. Sicherstellung

40.0 § 40 regelt die Sicherstellung zur Gefahrenabwehr. Die Sicherstellung von Sachen, die als Beweismittel in Straf- oder Bußgeldverfahren von Bedeutung sein können, richtet sich nach den §§ 94 ff. StPO beziehungsweise § 46 OWiG in Verbindung mit §§ 94 ff. StPO. Für die Sicherstellung von Sachen, die der Einziehung unterliegen, gelten die §§ 111b ff. StPO beziehungsweise § 46 OWiG in Verbindung mit §§ 111b ff. StPO.

40.1 Die Gefahr kann ausgehen von der Sache selbst, von der Person, die die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt (körperlicher und geistiger Zustand) oder von dem Verhalten (der Absicht) der Inhaberin oder des Inhabers der tatsächlichen Gewalt.

40.2 Bei Nr. 3 wird vorausgesetzt, dass die betroffene Person tatsächlich festgehalten wird und die Sache geeignet ist, zu einer der unter Buchst. a bis d bezeichneten Tätigkeiten verwendet zu werden.

Zu § 41

41. Verwahrung

41.0.1 Verwahrung im Sinne von § 41 ist die Aufbewahrung einer Sache bei der Gefahrenabwehr- oder der Polizeibehörde oder einer dritten Person im Auftrag der Gefahrenabwehr- oder der Polizeibehörde. Als Verwahrung gilt auch die Sicherung einer Sache auf andere Art (zum Beispiel durch Versiegelung).

41.0.2 Ist die Sicherstellung in Straf- oder Bußgeldverfahren erfolgt, richtet sich die Verwahrung nach § 109 StPO beziehungsweise § 46 OWiG in Verbindung mit § 109 StPO.

41.1 Zu Abs. 1

41.1.1 Die Beschaffenheit einer Sache lässt deren Aufbewahrung bei der Gefahrenabwehr- oder der Polizeibehörde insbesondere dann nicht zu, wenn wegen der Größe oder des Gewichts des Gegenstandes ein Transport undurchführbar ist oder wenn die Sache nur bei besonderen Sicherungsmaßnahmen, die der Gefahrenabwehr- oder der Polizeibehörde nicht möglich sind, gelagert werden kann.

41.1.2 Die Aufbewahrung einer Sache bei der Gefahrenabwehr- oder der Polizeibehörde kann dann unzweckmäßig sein, wenn nach den Umständen zu erwarten ist, dass die erforderliche Art und Weise der Aufbewahrung und die notwendigen Maßnahmen zur Erhaltung der Sache einer dritten Person ohne Gefährdung des Sicherstellungszwecks eher möglich sind als der Gefahrenabwehr- oder der Polizeibehörde. Dies gilt insbesondere für die Verwahrung von Tieren und Kraftfahrzeugen.

41.2 Zu Abs. 2

41.2.1 Die Bescheinigung soll die Rechtsgrundlage der Sicherstellung und eine stichwortartige Kennzeichnung des Sachverhalts enthalten. Die sichergestellte Sache ist möglichst genau zu bezeichnen.

41.2.2 Die Bescheinigung kann insbesondere nicht ausgestellt werden, wenn die betroffene Person nicht rechtzeitig ermittelt werden kann. Die nach Satz 2 erforderliche Niederschrift hat die gleichen Angaben wie die Bescheinigung nach Satz 1 zu enthalten.

41.3 Zu Abs. 3

41.3.1 Die Sorgfaltspflicht nach Satz 1 gilt auch dann, wenn die Gefahrenabwehr- oder die Polizeibehörde eine dritte Person mit der Verwahrung beauftragt hat, es sei denn, dass diese von der berechtigten Person benannt wird (Satz 2).

41.3.2 Die Pflicht, Wertminderungen vorzubeugen, erstreckt sich insbesondere auf sachgerechte Lagerung, Wartung und erforderliche Pflege sowie auf den Schutz gegen Beeinträchtigungen durch dritte Personen. Außergewöhnliche Schutzmaßnahmen und Maßnahmen, deren Kosten den Wert der Sache übersteigen, sind nicht erforderlich. Die Pflege der Sache oder des Tieres kann der betroffenen Person oder einer von ihr beauftragten Person überlassen werden, wenn der Zweck der Sicherstellung dadurch nicht gefährdet wird.

Zu § 42

42. Verwertung, Unbrauchbarmachung, Vernichtung

42.0 Ist die Sicherstellung in Straf- oder Bußgeldverfahren erfolgt, richtet sich die Verwertung der Sache nach § 111l StPO oder nach Maßgabe eines Gerichtsbeschlusses.

42.1 Zu Abs. 1

42.1.1 Unverhältnismäßig hoch sind Kosten, die den Wert der Sache übersteigen. Ubernimmt die betroffene Person die Kosten, so kommt eine Verwertung nach Nr. 2 nicht in Betracht. Unverhältnismäßig hohe Schwierigkeiten können sich aus dem Umfang oder der Beschaffenheit der Sache ergeben.

42.1.2 Berechtigt im Sinne von Nr. 4 ist jede Person, die Eigentümerin oder Eigentümer der Sache ist oder ein Recht zum Besitz der Sache hat (zum Beispiel als Mieter, Pächterin, Entleiher, Pfandgläubigerin). Die Jahresfrist beginnt mit dem Zeitpunkt der Sicherstellung.

42.1.3 Nr. 5 setzt voraus, dass die Sicherstellungsgründe endgültig entfallen sind und dass die berechtigte Person (vergleiche hierzu Nr. 42.1.2) und deren Aufenthaltsort bekannt sind. Sind mehrere berechtigte Personen bekannt, so soll die Mitteilung jeder berechtigten Person zugestellt werden. Die Frist ist so zu bemessen, dass die berechtigte Person in der Lage ist, der Aufforderung nachzukommen. Kann die berechtigte Person nur mit unverhältnismäßig hohem Aufwand ermittelt werden, so ist eine Verwertung nach Nr. 2 zulässig.

42.2 Zu Abs. 2

Die Anhörung kann schriftlich oder fernmündlich durchgeführt werden. Sie kann unterbleiben, wenn sich die berechtigte Person nur mit unverhältnismäßigem Aufwand ermitteln lässt.

42.3 Zu Abs. 3

Die Anordnung des freihändigen Verkaufs sowie dessen Zeit und Ort sind der berechtigten Person mitzuteilen, soweit die Umstände und der Zweck der Maßnahme dies erlauben.

42.4 Zu Abs. 4

42.4.1 Eine Sache wird unbrauchbar gemacht, wenn sie so verändert wird, dass sie einer mit Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung verbundenen Zweckbestimmung nicht mehr dienen kann. Nach der Unbrauchbarmachung ist die Sache entweder an diejenige Person herauszugeben, bei der sie sichergestellt worden ist (vergleiche § 43 Abs. 1), oder nach Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 und 3 zu verwerten.

42.4.2 Abs. 4 kann auch Rechtsgrundlage für die Tötung sichergestellter Tiere (siehe Nr. 7.1.1) sein, soweit nicht andere Regelungen vorgehen (zum Beispiel § 16a Abs. 2 TierschutzG, § 24 TierseuchenG).

Zu § 43

43. Herausgabe sichergestellter Sachen oder des Erlöses, Kosten

43.0 Ist die Sicherstellung in Straf- oder Bußgeldverfahren erfolgt, richtet sich die Herausgabe der Sache nach § 111k StPO beziehungsweise § 46 OWiG in Verbindung mit § 111k StPO oder nach Maßgabe eines Gerichtsbeschlusses.

43.1 Zu Abs. 1

43.1.1 Die Herausgabe an diejenige Person, bei der die Sache sichergestellt worden ist, ist dann nicht möglich, wenn die betroffene Person oder deren Aufenthaltsort unbekannt und auch nicht mit angemessenem Aufwand zu ermitteln ist.

43.1.2 Machen mehrere Personen ihre Berechtigung im Sinne von Satz 2 glaubhaft, so ist die Sache an diejenige Person herauszugeben, deren Besitzrecht am stärksten erscheint.

43.3 Zu Abs. 3

43.3.1 Sind mehrere Personen nebeneinander nach den §§ 6 oder 7 verantwortlich, so kann nach pflichtgemäßem Ermessen nur eine der verantwortlichen Personen oder anteilig einige oder alle verantwortlichen Personen durch Bescheid als Kostenträgerin oder Kostenträger bestimmt werden. Als Kriterien sind insbesondere die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die sachliche Nähe zur Gefahrenquelle zu berücksichtigen. Die Erhebung der Kosten erfolgt nach dem HVwKostG in Verbindung mit der VwKostO-MdI und der Allgemeinen Verwaltungskostenordnung.

43.3.2 Die Gefahrenabwehr- oder die Polizeibehörde kann die dritte Person, der die Verwahrung der Sache übertragen worden ist, ermächtigen, das Zurückbehaltungsrecht nach Satz 4 auszuüben und vor Erlass des (in jedem Fall erforderlichen) Bescheids Zahlungen der voraussichtlichen Kosten für die Behörde in Empfang zu nehmen. Die Ermächtigung kann auch die Entgegennahme einer als Sicherheit zu leistenden Sache umfassen. Die Behörde hat sich vorzubehalten, die schriftlich zu erteilende Ermächtigung jederzeit zu widerrufen. Erfolgt eine Zahlung der voraussichtlichen Kosten, so führt dies zum Erlöschen des Zurückbehaltungsrechts nach Satz 4.

43.4 Zu Abs. 4

43.4.1 Ist die berechtigte Person im Sinne von Abs. 1 oder deren Aufenthaltsort nicht bekannt oder nicht mit angemessenem Aufwand zu ermitteln, so kommt eine Verwertung nur über § 983 BGB in Betracht.

43.4.2 Bei der entsprechenden Anwendung der §§ 979 bis 982 BGB ist wie folgt zu verfahren:

43.4.2.1 Es ist öffentlich bekannt zu machen, dass eine bestimmte Sache öffentlich versteigert wird und gegebenenfalls wer als berechtigte Person in Betracht kommt. In der Bekanntmachung ist der berechtigten Person eine Frist zu setzen, innerhalb der sie ihr Recht anmelden kann. Die Bekanntmachung kann unterbleiben, wenn der Verderb der Sache zu befürchten oder deren Aufbewahrung mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist.

43.4.2.2 Nach Ablauf der Frist kann die Sache öffentlich versteigert werden. Die Behörde kann die Versteigerung selbst vornehmen. Die Versteigerung ist unzulässig, wenn sich ein Empfangsberechtigter rechtzeitig meldet.

43.4.2.3 Ist die vorherige öffentliche Bekanntmachung unterblieben, so ist die Tatsache der Versteigerung nachträglich öffentlich bekannt zu machen. Vom Versteigerungserlös sind die Kosten abzuziehen. Der verbleibende Betrag ist für berechtigte Personen bereitzuhalten.

43.4.2.4 Die öffentliche Bekanntmachung durch Landesbehörden erfolgt im Staatsanzeiger für das Land Hessen.

43.4.2.5 Sind mit Ablauf der in der öffentlichen Bekanntmachung bestimmten Frist (Nr. 43.4.2.1) oder sind seit der nachträglichen öffentlichen Bekanntmachung der Versteigerung (Nr. 43.4.2.3) drei Jahre verstrichen und hat sich während dieser Frist keine berechtigte Person gemeldet, verfällt der verbleibende Rest dem Fiskus (Träger der Kosten nach §§ 105 ff.).

Zu § 43a

43a. Halten gefährlicher Tiere

43a.1 Zu Abs. 1

43a.1.1 Die Vorschrift sieht ein grundsätzliches Verbot der Haltung gefährlicher Wildtiere außerhalb des gewerblichen Bereichs vor. Vom Verbot erfasst wird allein die hobbymäßige Haltung dieser Tiere durch Privatpersonen.

43a.1.2 Für Ausnahmegenehmigungen nach Satz 2 sind die Regierungspräsidien zuständig. Diese führen eine vom HMdIS in Abstimmung mit dem HMUELV erstellte Liste von Tierarten, bei denen nach derzeitigem Stand davon auszugehen ist, dass sie in ausgewachsenem Zustand Menschen durch Körperkraft, Gifte oder Verhalten erheblich verletzen können und ihrer Art nach unabhängig von individuellen Eigenschaften allgemein gefährlich sind. Die aktuelle Liste hat den Stand: 20. Januar 2009.

43a.2 Zu Abs. 2

Im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt das Verbot nur für die Zukunft.

43a.3 Zu Abs. 3

Bei Vorliegen einer konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung (zum Beispiel Verstoß gegen § 121 Abs. 1 Nr. 2 OWiG) können die nach § 1 Satz 2 HSOG-DVO zuständigen Regierungspräsidien und die Polizeibehörden die erforderlichen Maßnahmen nach §§ 11 ff. treffen.

43a.4 Zu Abs. 4

Für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten sind die Regierungspräsidien zuständig.

Zu § 44

44. Vollzugshilfe

44.1 Zu Abs. 1

44.1.1 Die Vorschrift enthält Regelungen über die den allgemeinen Ordnungsbehörden (§ 85 Abs. 1) von den Polizeibehörden auf Ersuchen zu leistende Vollzugshilfe. Vollzugshilfe liegt nicht vor, wenn

44.1.2 Das Ersuchen kann sich auf einen bestimmten Einzelfall oder mehrere bestimmte Fälle beziehen. Das Ersuchen muss die Umstände aufzeigen, deren Kenntnis für die Prüfung des Ersuchens und dessen Durchführung erforderlich ist.

44.1.3 Vollzugsmaßnahmen können zur Durchführung ordnungsbehördlicher Maßnahmen erforderlich sein, die den allgemeinen Ordnungsbehörden insbesondere aufgrund des § 1 HSOG-DVO, aber auch aufgrund anderer Rechtsvorschriften (zum Beispiel § 10 des Gesetzes über die Entziehung der Freiheit geisteskranker, geistesschwacher, rauschgift- oder alkoholsüchtiger Personen vom 19. Mai 1952 - GVBl. S. 111, zuletzt geändert durch Gesetz vom 15. Juli 1997 - GVBl. I S. 217) obliegen.

44.1.4 Ob die allgemeinen Ordnungsbehörden mangels eigener befugter Bediensteter Vollzugshandlungen nicht selbst vornehmen können, ist nach den tatsächlichen Verhältnissen zum Zeitpunkt des Ersuchens zu beurteilen.

44.1.5 Bei Ersuchen der allgemeinen Ordnungsbehörden als zuständige Behörde für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten - etwa in Form von Ermittlungen - ist § 44 nicht anzuwenden. Vielmehr gilt § 46 OWiG in Verbindung mit § 161 StPO.

44.1.6 Vollzugshilfe für die allgemeinen Ordnungsbehörden kann ferner entfallen, falls eine Rechtsverordnung nach Satz 2 dies bestimmt.

44.1.7 Die Polizeibehörde darf auch (siehe Abs. 3 Satz 2) in den Fällen des § 5 Abs. 2 HVwVfG, weil sie hierzu aus rechtlichen Gründen nicht in der Lage ist oder durch die Hilfeleistung dem Wohl des Bundes oder eines Landes erhebliche Nachteile bereiten würde, keine Vollzugshilfe leisten. Sie braucht in den Fällen des § 5 Abs. 3 HVwVfG keine Vollzugshilfe zu leisten, wenn

44.1.8 Hält die Polizeibehörde ein an sie gerichtetes Ersuchen für unzulässig oder leistet sie aus den Gründen des § 5 Abs. 3 HVwVfG keine Hilfe, so teilt sie dies der ersuchenden Behörde mit. Besteht diese auf der Vollzugshilfe, so entscheidet über die Verpflichtung zur Vollzugshilfe die gemeinsame fachlich zuständige Aufsichtsbehörde. Dulden die Umstände nach Auffassung der ersuchenden Behörde keinen Aufschub bis zu einer Entscheidung durch die Aufsichtsbehörde, so hat die Polizeibehörde dem Ersuchen zu entsprechen und unverzüglich der Aufsichtsbehörde zu berichten.

44.1.9 Die Polizeibehörde darf die Vollzugshilfe nicht deshalb verweigern, weil sie die beabsichtigte Maßnahme für unzweckmäßig hält.

44.1.10 Wird die Polizeibehörde aufgrund eines Vollzugshilfeersuchens tätig, so soll sie dies nach außen zu erkennen geben, sofern es nicht offensichtlich ist.

44.2 Zu Abs. 2

44.2.1 "Andere Behörden" sind - von allgemeinen Ordnungsbehörden abgesehen - alle Stellen, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen (§ 1 Abs. 2 HVwVfG). Unberührt bleibt die nach besonderen Vorschriften zu leistende Justizhilfe (vergleiche zum Beispiel § 758 Abs. 3 ZPO).

44.2.2 Nr. 44.1.1 Satz 2, 44.1.2, 44.1.4, 44.1.7 bis 44.1.10 sind entsprechend anzuwenden.

44.3 Zu Abs. 3

44.3.1 Die Zulässigkeit der Maßnahme, die durch die Vollzugshilfe verwirklicht werden soll, richtet sich nach dem für die ersuchende Behörde geltenden Recht. Diese Behörde trägt daher die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit ihrer Maßnahme. Die Polizeibehörde ist deshalb grundsätzlich nicht verpflichtet, die Rechtmäßigkeit der zu verwirklichenden Maßnahme zu prüfen (vergleiche aber Nr. 46.3). Sie hat nur die Verantwortung für die Art und Weise der Durchführung der Vollzugshilfe. Im Übrigen sind Beanstandungen an die ersuchende Behörde weiterzuleiten. Die betroffene Person ist hiervon zu unterrichten.

44.3.2 Hinsichtlich der in § 5 Abs. 2 und 3 HVwVfG getroffenen Regelung (Satz 2) siehe Nr. 44.1.7 und 44.1.8.

Zu § 45

45. Verfahren

45.3 Zu Abs. 3

Die Unterrichtung der ersuchenden Behörde kann - je nach der Art der Vollzugshilfe und der Dringlichkeit - fernmündlich, mündlich oder schriftlich erfolgen.

Zu § 46

46. Vollzugshilfe bei Freiheitsentziehung

46.1 Zu Abs. 1

Die ersuchende Behörde trägt gegenüber der Polizeibehörde die Verantwortung für die Zulässigkeit der in Vollzugshilfe durchgeführten Freiheitsentziehung. Sie hat deshalb die richterliche Entscheidung herbeizuführen.

46.2 Zu Abs. 2

Übersendet die ersuchende Behörde die richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Freiheitsentziehung nicht oder bezeichnet sie diese Entscheidung nicht in dem Vollzugshilfeersuchen, so hat die Polizeibehörde die Vollzugshilfe zu verweigern. Dies gilt nicht, wenn die ersuchende Behörde darlegt, dass eine Freiheitsentziehung ohne vorherige richterliche Entscheidung zulässig ist und diese wegen der Dringlichkeit der Maßnahme sofort durchgeführt werden muss.

46.3 Zu Abs. 3

Die Prüfung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 obliegt der ersuchenden Behörde. Die Polizeibehörde hat der ersuchenden Behörde unverzüglich alle Anhaltspunkte mitzuteilen, die für einen Wegfall des Grundes der Freiheitsentziehung sprechen. Hat die Polizeibehörde sichere Kenntnis vom Wegfall des Grundes und ist die ersuchende Behörde nicht erreichbar, so hat die Polizeibehörde die festgehaltene Person zu entlassen.

Zu § 47

47. Zulässigkeit des Verwaltungszwanges

47.1 Zu Abs. 1

Rechtsmittel gegen Verwaltungsakte haben nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO keine aufschiebende Wirkung, wenn es sich um unaufschiebbare Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamtinnen oder Polizeivollzugsbeamten sowie von Hilfspolizeibeamtinnen oder Hilfspolizeibeamten im Rahmen ihrer Aufgaben handelt und das Gericht nicht durch Anordnung die aufschiebende Wirkung des Rechtsmittels ganz oder teilweise anordnet.

47.2 Zu Abs. 2

Die Vorschrift ergänzt § 8 Abs. 1 hinsichtlich der Selbstvornahme und der Anwendung unmittelbaren Zwanges. Sie setzt die Befugnis zu dem Rechtseingriff und die Erforderlichkeit der Zwangsanwendung voraus.

47.5 Zu Abs. 5

47.5.1 Pflichtige Person im Sinne des Satzes 1 ist diejenige Person, die Adressatin eines ordnungsbehördlichen oder polizeilichen, auf die Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gerichteten Verwaltungsaktes ist.

47.5.2 Die Betretungs- und Durchsuchungsbefugnisse nach Satz 1 richten sich ausschließlich gegen die pflichtigen Personen, nicht jedoch zum Beispiel gegen dritte Personen, die sich in der Wohnung der pflichtigen Person aufhalten.

Zu § 48

48. Zwangsmittel

48.1 Zu Abs. 1

48.1.1 Die für die Ordnungs- und die Polizeibehörden zulässigen Zwangsmittel sind in Abs. 1 abschließend aufgeführt. Mit anderen Zwangsmitteln dürfen Maßnahmen nicht durchgesetzt werden.

48.1.2 Die für Behörden der allgemeinen Verwaltung zulässigen Zwangsmittel ergeben sich aus dem Hessischen Verwaltungsvollstreckungsgesetz, soweit sondergesetzlich nichts anderes bestimmt ist.

Zu § 49

49. Ersatzvornahme

49.1 Zu Abs. 1

49.1.1 Eine Ersatzvornahme liegt auch vor, wenn die Ordnungs- oder die Polizeibehörde die vertretbare Handlung selbst ausführt. Vertretbar ist eine Handlung dann, wenn sie nicht nur von der betroffenen Person persönlich (zum Beispiel Abgabe einer Erklärung), sondern ohne Anderung ihres Inhalts auch von einer anderen Person vorgenommen werden kann.

49.1.2 Die Vorschrift ermächtigt nicht dazu, einer anderen Person die Ausführung der Ersatzvornahme zu gebieten. Eine solche Befugnis kann sich ausnahmsweise aus § 11 in Verbindung mit § 9 ergeben.

49.2 Zu Abs. 2

Die Erhebung der Kosten erfolgt nach dem HVwKostG. Die voraussichtlichen Kosten oder die Kosten der Ersatzvornahme sind durch Bescheid festzusetzen.

Zu § 50

50. Zwangsgeld

50.1 Zu Abs. 1

Das Zwangsgeld ist in bestimmter Höhe festzusetzen. Hierbei sind Dauer und Umfang des pflichtwidrigen Verhaltens (erster Verstoß oder Wiederholungsfall), die finanzielle Leistungsfähigkeit der betroffenen Person und die Bedeutung der Angelegenheit zu berücksichtigen.

Zu § 51

51. Ersatzzwangshaft

51.1 Zu Abs. 1

Das Zwangsgeld ist dann "uneinbringlich", wenn die Beitreibung ohne Erfolg versucht worden ist oder offensichtlich ist, dass sie keinen Erfolg haben wird.

Zu § 52

52. Unmittelbarer Zwang

52.1 Zu Abs. 1

52.1.1 Unmittelbarer Zwang (Definition in § 55 Abs. 1) kommt vor allem zur Durchsetzung unvertretbarer Handlungen, Duldungen und Unterlassungen in Betracht.

52.1.2 Andere Zwangsmittel sind auch dann unzweckmäßig, wenn sie der betroffenen Person einen größeren Nachteil verursachen würden als die Anwendung unmittelbaren Zwanges.

52.2 Zu Abs. 2

Für die Erzwingung von Erklärungen kommt nur Zwangsgeld in Betracht (§ 50). Die Erhebung der Kosten erfolgt nach dem HVwKostG.

Zu § 53

53. Androhung der Zwangsmittel

53.1 Zu Abs. 1

Zum Zeitpunkt der Androhung müssen alle Voraussetzungen für die Anwendung des Zwangsmittels vorliegen. Eine schriftliche Androhung ist zum Beispiel dann nicht möglich, wenn durch die hierdurch bewirkte Verzögerung der Anwendung des Zwangsmittels die Gefahr nicht rechtzeitig abgewehrt würde. Ist eine schriftliche Androhung möglich, so ist sie zuzustellen (Abs. 6).

53.5 Zu Abs. 5

Bei der Androhung des Zwangsgeldes ist darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht Ersatzzwangshaft anordnen kann, wenn das Zwangsgeld uneinbringlich ist.

Zu § 54

54. Rechtliche Grundlagen

54.0 Der 2. Titel gilt sowohl für die Gefahrenabwehr als auch die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, soweit die StPO keine Regelungen über unmittelbaren Zwang enthält.

54.1 Zu Abs. 1

Der Hinweis auf die übrigen Vorschriften dieses Gesetzes gilt insbesondere für die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und die Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens (§§ 4, 5).

54.2 Zu Abs. 2

Zivil- und strafrechtliche Vorschriften über Notwehr und Notstand begründen keine polizeilichen Befugnisse. Dennoch können Maßnahmen, die nach diesem Gesetz rechtsfehlerhaft sind und deshalb disziplinarrechtliche Folgen haben können, nach den zivil- und strafrechtlichen Vorschriften über Notwehr und Notstand gerechtfertigt oder entschuldigt sein.

Zu § 55

55. Begriffsbestimmung, zugelassene Waffen

55.1 Zu Abs. 1

Die drei Formen des unmittelbaren Zwanges sind in Abs. 1 abschließend aufgeführt.

55.2 Zu Abs. 2

55.2.1 Unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen ist zum Beispiel die Anwendung von Polizeigriffen.

55.2.2 Auf Sachen wird unmittelbar körperlich eingewirkt zum Beispiel durch das Einschlagen von Fensterscheiben.

55.3 Zu Abs. 3

55.3.1 Die Aufzählung ist nur beispielhaft. Außer den ausdrücklich genannten Gegenständen kommen Nachschlüssel, Brechstangen oder ähnliche Gegenstände in Betracht. Es sind nur solche Gegenstände als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt zu verwenden, deren Wirkung in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

55.3.2 Wegen der Anwendung von Fesseln vergleiche Nr. 59.

55.3.3 Der Einsatz von Wasserwerfern kommt insbesondere in Betracht, wenn eine unfriedliche Menschenmenge aufgelöst werden soll und mildere Mittel keinen Erfolg versprechen.

55.3.4 Als technische Sperren zum Absperren von Straßen, Plätzen und anderem Gelände kommen zum Beispiel Fahrzeuge, Container, Sperrgitter, Sperrzäune, Seile, Stacheldraht, Nagelböden oder Nagelbänder in Betracht.

55.3.5 Diensthunde und Dienstpferde müssen für ihre polizeilichen Aufgaben besonders abgerichtet sein. Sie dürfen nur von besonders ausgebildeten Polizeivollzugsbeamtinnen oder Polizeivollzugsbeamten eingesetzt werden.

55.3.6 Dienstfahrzeuge dürfen gegen Personen (Ansammlungen) eingesetzt werden, um Straßen, Plätze oder anderes Gelände zu räumen. Der Einsatz ist möglichst so durchzuführen, dass niemand verletzt wird.

55.3.7 Sprengmittel dürfen nur gegen Sachen angewendet werden (vergleiche § 61 Abs. 3).

55.4 Zu Abs. 4

55.4.1 Die zugelassenen Waffen sind nicht abschließend im Gesetz genannt. Welche Kaliber und Munitionsarten zugelassen sind, wird durch gesonderte Verwaltungsvorschrift bestimmt.

55.4.2 Zu dem Gebrauch von Reiz- und Betäubungsstoffen gehört auch die Verwendung von Tränengas- und Nebelkörpern sowie Reizstoffsprühgeräten mit Capsaicin (Pfefferspray). In geschlossenen Räumen dürfen - ausgenommen in Fällen der Notwehr und des Notstandes - Tränengas- und Nebelkörper nur gegen Personen eingesetzt werden, die sich gegen eine Festnahme/Ingewahrsamnahme gewaltsam, insbesondere mit Waffen, zur Wehr setzen. In besonderen Erlassen getroffene Regelungen bleiben unberührt.

55.4.3 Schläge mit Schlagstöcken sollen gegen Arme oder Beine gerichtet werden, um schwerwiegende Verletzungen zu vermeiden.

55.4.4 Wegen des Gebrauchs von Schusswaffen vergleiche §§ 58 und 60.

Zu § 56

56. Handeln auf Anordnung

56.0 Die Vorschrift ist eine Sonderregelung gegenüber § 36 BeamtStG. Die Verpflichtung, die Anordnung zu befolgen, wird nur eingeschränkt durch Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2. Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit der Anordnung berühren die Gehorsamspflicht nicht.

56.1 Zu Abs. 1

56.1.1 Bei einem Einsatz von mehreren Polizeivollzugsbeamtinnen oder Polizeivollzugsbeamten ist die den Einsatz leitende Beamtin oder der den Einsatz leitende Beamte befugt, unmittelbaren Zwang anzuordnen, einzuschränken oder zu untersagen. Ist eine Einsatzleiterin oder ein Einsatzleiter nicht bestimmt oder fällt sie oder er aus, ohne dass eine Vertretung bestellt ist, so tritt die dienstranghöchste oder der dienstranghöchste, bei gleichem Dienstrang die dienstälteste anwesende Polizeivollzugsbeamtin oder der dienstälteste anwesende Polizeivollzugsbeamte aus dem Einsatzbereich an ihre oder seine Stelle. Ist nicht sofort feststellbar, wer das ist, darf jede oder jeder der hiernach in Betracht kommenden Beamtinnen oder Beamten die Führung einstweilen übernehmen; sie oder er hat dies bekannt zu geben.

56.1.2 Vor Beginn eines Einsatzes sind die Polizeivollzugsbeamtinnen oder Polizeivollzugsbeamten über die jeweiligen Weisungsverhältnisse zu unterrichten. Insbesondere muss jeder eingesetzten Polizeivollzugsbeamtin oder jedem eingesetzten Polizeivollzugsbeamten bekannt sein, wer den Einsatz leitet, wer Stellvertreterin oder Stellvertreter und wer sonst zu Weisungen befugt ist.

56.1.3 Die Befugnis höherer Vorgesetzter oder eines Staatsanwalts (siehe hierzu in der Anlage 1 die Gemeinsamen Richtlinien der Justizminister/-senatoren und Innenminister/-senatoren des Bundes und der Länder über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Polizeibeamte auf Anordnung des Staatsanwalts), die Anwendung unmittelbaren Zwanges anzuordnen, einzuschränken oder zu untersagen, bleibt unberührt. Bei Einsätzen, die von einer zentralen Befehlsstelle geführt werden, darf der Gebrauch von Schusswaffen nur durch die den Gesamteinsatz leitende höhere Vorgesetzte oder den den Gesamteinsatz leitenden höheren Vorgesetzten angeordnet werden.

56.1.4 Befindet sich die oder der Anordnende nicht am Ort des Vollzugs, so darf sie oder er unmittelbaren Zwang nur anordnen, wenn sie oder er sich ein so genaues Bild von den am Ort des Vollzugs herrschenden Verhältnissen verschafft hat, dass ein Irrtum über die Voraussetzungen der Anwendung unmittelbaren Zwanges nicht zu befürchten ist. Der Gebrauch von Schusswaffen darf nur an Ort und Stelle angeordnet werden. Dies gilt nicht für die einen Gesamteinsatz leitende höhere Vorgesetzte oder den einen Gesamteinsatz leitenden höheren Vorgesetzten, wenn sich diese Person in einer zentralen Befehlsstelle aufhält (Nr. 56.1.3). Andern sich zwischen der Anordnung und ihrer Ausführung die tatsächlichen Verhältnisse und kann die oder der Anordnende vor der Ausführung nicht mehr verständigt werden, so entscheidet die am Ort leitende Polizeivollzugsbeamtin oder der am Ort leitende Polizeivollzugsbeamte über die Anwendung unmittelbaren Zwanges. Dies gilt auch in den Fällen der Nr. 56.1.3 Satz 2, in denen der Gebrauch von Schusswaffen angeordnet worden ist. Die oder der Anordnende ist unverzüglich zu verständigen. Für die Anordnung des Schusswaffengebrauchs bei Einsätzen, die von einer zentralen Befehlsstelle geführt werden, verbleibt es bei der in Nr. 56.1.3 getroffenen Regelung.

56.1.5 Eine Einsatzleiterin oder ein Einsatzleiter oder eine sonstige Polizeivollzugsbeamtin oder ein sonstiger Polizeivollzugsbeamter, die oder der einen Auftrag erhalten hat und sich nicht mehr in unmittelbarem Einwirkungsbereich ihres oder seines Vorgesetzten befindet, muss in eigener Verantwortung prüfen, ob sich die Lage geändert hat und dadurch andere Maßnahmen notwendig geworden sind. Insbesondere ist dann zu prüfen, ob die Anwendung unmittelbaren Zwanges noch notwendig ist oder ob mildere Maßnahmen als die befohlenen ausreichen.

Zu § 57

57. Hilfeleistung für Verletzte

Die Verpflichtung, Verletzten Beistand zu leisten und ärztliche Hilfe zu verschaffen, kann vordringlicher sein als die Beweissicherung und kann auch Berichtspflichten vorgehen.

Zu § 58

58. Androhung unmittelbaren Zwanges

58.1 Zu Abs. 1

58.1.1 Unmittelbarer Zwang kann grundsätzlich in jeder Form angedroht werden. Die Androhung muss unmissverständlich sein.

58.1.2 Der Schusswaffengebrauch wird in der Regel mündlich angedroht durch den vernehmlichen Ruf: "Polizei! Keine Bewegung - oder ich schieße" oder (vor allem gegenüber Fliehenden) "Polizei! Halt - oder ich schieße" oder eine ähnliche Aufforderung. Das Wort "Polizei" kann im Anruf unterbleiben, wenn ohne weiteres erkennbar ist, dass es sich um den Einsatz von Polizeivollzugsbeamtinnen oder Polizeivollzugsbeamten handelt. Wenn die Umstände es zulassen oder wenn Zweifel bestehen, ob die Person den Anruf verstanden hat, ist er zu wiederholen. Der Schusswaffengebrauch kann auch durch Lautsprecher angedroht werden.

58.1.3 Ist eine mündliche Androhung nicht möglich, weil zum Beispiel die Entfernung zu groß ist oder weil aus sonstigen Gründen anzunehmen ist, dass der Anruf nicht verstanden wird oder verstanden worden ist, so können ein oder mehrere Warnschüsse abgegeben werden.

58.1.4 Warnschüsse dürfen nur abgegeben werden, wenn die Voraussetzungen für den Schusswaffengebrauch selbst gegeben sind. Warnschüsse sind nach Möglichkeit steil in die Luft zu richten.

58.1.5 Der Alarmschuss (Signalschuss) ist nicht als Schusswaffengebrauch im Sinne des Gesetzes anzusehen. Wegen der Verwechslungsgefahr mit Warnschüssen oder mit Schüssen eines Rechtsbrechers kommt er nur in Betracht, wenn eine Verwechslungsgefahr nicht besteht, eine Alarmierung unbedingt erforderlich und auf andere Weise nicht möglich ist.

58.1.6 Zwischen der Androhung der Zwangsmaßnahme und ihrer Anwendung soll eine den Umständen nach angemessene Zeitspanne liegen.

58.1.7 Personen, gegen die nach Begründung des amtlichen Gewahrsams unter den in § 61 Abs. 1 Nr. 4 genannten Voraussetzungen von der Schusswaffe Gebrauch gemacht werden darf, sollen zu Beginn des Gewahrsams darauf hingewiesen werden. Um einen Schusswaffengebrauch zu vermeiden, ist auf eine sorgfältige Sicherung dieser Personen zu achten. Das gilt vor allem bei Transporten. Die Belehrung ersetzt nicht die Androhung des Schusswaffengebrauchs im Einzelfall. Bei Notwehr und Nothilfe ist eine Androhung nicht erforderlich, falls die Umstände sie nicht zulassen; soweit möglich, ist die Angreiferin oder der Angreifer jedoch zu warnen.

58.1.8 Mit Schusswaffen kann beispielsweise eine entschlossene Schießhaltung nach PDV 211 Nr. 5.4.4 (Pistole) beziehungsweise 5.5.4 (Maschinenpistole) eingenommen werden, wenn dies nach den Umständen zum Schutz von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten oder von Dritten gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist. Diese Maßnahme stellt für sich allein noch keine Androhung des Schusswaffengebrauchs dar.

58.3 Zu Abs. 3

58.3.1 Zwischen der wiederholten Androhung des Schusswaffengebrauchs gegen Personen in einer Menschenmenge und dem Gebrauch der Schusswaffe soll so viel Zeit liegen, dass sich insbesondere Unbeteiligte aus der Menge entfernen können.

58.3.2 Die Androhung hat grundsätzlich durch Lautsprecher zu erfolgen. Standort und Art des Lautsprechers sind zu dokumentieren. Der Androhung soll alsdann durch Warnschüsse oder auf andere unmissverständliche Weise Nachdruck mit dem Ziele verliehen werden, letztlich den Schusswaffengebrauch auf Personen in der Menschenmenge zu vermeiden.

58.3.3 Auf eine Androhung des Schusswaffengebrauchs gegen Personen in einer Menschenmenge kann nur verzichtet werden, wenn die sofortige Anwendung der Schusswaffe zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist (vergleiche § 58 Abs. 2).

Zu § 59

59. Fesselung von Personen

59.1 Im Sinne der Nr. 1 leistet Widerstand, wer sich einer polizeilichen Anordnung aktiv widersetzt; passives Verhalten (zum Beispiel Stehenbleiben, Fallenlassen) reicht hierfür nicht aus.

59.2 Grundsätzlich werden die Arme auf dem Rücken mit den Handflächen nach außen mit den hierfür vorgesehenen Hilfsmitteln der körperlichen Gewalt gefesselt (vergleiche Leitfaden 371 "Eigensicherung"). Sind die vorgesehenen Hilfsmittel nicht vorhanden oder reichen sie nicht aus, so sind andere Maßnahmen zu treffen, die eine ähnliche Behinderung wie Fesseln gewährleisten. Es ist darauf zu achten, dass gesundheitliche Schäden (zum Beispiel Blutstauungen, Erfrierungen oder Luftnot aufgrund einer bestimmten Körperhaltung - "Positional-Asphyxia-Phänomen" -) nicht eintreten.

59.3 Mehrere Personen sollen nicht zusammengeschlossen werden, wenn ein Nachteil für Ermittlungen in einer Strafsache zu befürchten ist, durch die Zusammenschließung die Gesundheit einer der betroffenen Personen gefährdet oder dies eine erniedrigende Behandlung bedeuten würde.

59.4 Personen verschiedenen Geschlechts sollen möglichst nicht zusammengeschlossen werden.

Zu § 60

60. Allgemeine Vorschriften für den Schusswaffengebrauch

60.1 Zu Abs. 1

60.1.1 Der Schusswaffengebrauch gegen Personen ist die schwerwiegendste Maßnahme des unmittelbaren Zwanges. Die Polizeivollzugsbeamtin oder der Polizeivollzugsbeamte hat vorher die Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit besonders sorgfältig zu prüfen. Bestehen rechtliche oder tatsächliche Zweifel, ob die Voraussetzungen für den Schusswaffengebrauch vorliegen, ist von der Schusswaffe kein Gebrauch zu machen. Auch der Schusswaffengebrauch gegen Sachen ist auf das erforderliche Mindestmaß zu beschränken. Ein Schusswaffengebrauch gegen Sachen ist nicht zulässig, wenn mit Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass hierdurch Personen verletzt werden. Der Schusswaffengebrauch gegen Kraftfahrzeuge ist daher nur zulässig, wenn die Verletzung von Personen unwahrscheinlich ist oder die Voraussetzungen des Schusswaffengebrauchs gegen Personen vorliegen. Beim Schusswaffengebrauch gegen ein Kraftfahrzeug ist anzustreben, das Fahrzeug fahruntüchtig zu machen, weil hierdurch in der Regel der Zweck der Maßnahme, nämlich die Festnahme der Rechtsbrecherin oder des Rechtsbrechers, erreicht werden kann. Daher ist grundsätzlich auf Bereifung, Motor oder Kühler zu zielen. Vom Schusswaffengebrauch ist abzusehen, wenn das Fahrzeug sich mit hoher Geschwindigkeit bewegt, erkennbar explosive oder ähnlich gefährliche Güter befördert oder nach seiner Kennzeichnung zur Beförderung solcher Güter bestimmt ist. Diese Einschränkungen gelten nicht, wenn durch die Weiterfahrt größere Gefahren zu entstehen drohen als durch den Schusswaffengebrauch.

60.1.2 Bei Wasserfahrzeugen ist die Schusswaffe nach Möglichkeit auf die Antriebsanlage, die Ruderanlage oder die Bordwand in Höhe der Wasserlinie, jedoch nicht auf Räume zu richten, in denen sich regelmäßig Personen aufhalten.

60.1.3 Der Schusswaffengebrauch gegen Tiere ist zulässig, wenn von ihnen eine Gefahr ausgeht, sie insbesondere Menschen bedrohen, und die Gefahr nicht auf andere Weise zu beseitigen ist. Verletzte oder kranke Tiere dürfen im Wege der unmittelbaren Ausführung nach § 8 auch dann getötet werden, wenn die Befürchtung besteht, dass sie sonst unter Qualen verenden würden und weder die Eigentümerin oder der Eigentümer beziehungsweise die Tierhalterin oder der Tierhalter noch eine Tierärztin oder ein Tierarzt oder eine jagdausübungsberechtigte Person kurzfristig zu erreichen ist. Die Tötung erfolgt im Wege der Ersatzvornahme (§ 49), wenn der nach § 7 Abs. 1 an sich verantwortlichen Person die Mittel zur sachgerechten Umsetzung der Verfügung fehlen oder ihr aus ethischen Gründen die Ausführung nicht zuzumuten ist. Falls diese Personen polizeilichen Schusswaffengebrauch erbitten, ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Das Töten eines herrenlosen verletzten oder kranken Tieres, insbesondere von Wild, stellt einen Realakt dar.

60.2 Zu Abs. 2

Um angriffs- oder fluchtunfähig zu machen, ist, wenn die Umstände es zulassen, auf die Beine zu zielen, vor allem bei Fliehenden. Zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr einer Person oder einer gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist als letztes Mittel auch ein gezielter tödlich wirkender Schuss auf die Angreiferin oder den Angreifer zulässig.

60.3 Zu Abs. 3

Bestehen Zweifel, ob jemand noch im Kindesalter ist, so ist davon auszugehen, dass es sich um ein Kind handelt.

60.4 Zu Abs. 4

Der Schusswaffengebrauch ist - vorbehaltlich des Satzes 2 - grundsätzlich auch verboten, wenn nur eine unbeteiligte Person mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet wird. Die Polizeivollzugsbeamtin oder der Polizeivollzugsbeamte hat nicht nur auf Fußgängerinnen oder Fußgänger, sondern auch auf fahrende und haltende Fahrzeuge mit Insassen sowie auf Wohnungen und Geschäfte zu achten. Kann das Schussfeld wegen der örtlichen Verhältnisse, bei Dunkelheit oder bei sonstiger Sichtbehinderung nicht überblickt werden, ist besondere Vorsicht und Zurückhaltung geboten.

Zu § 61

61. Schusswaffengebrauch gegen Personen, Sprengmittel

61.0 Soweit es für den Schusswaffengebrauch darauf ankommt, ob eine rechtswidrige Tat ein Verbrechen oder ein Vergehen darstellt, richtet sich dies nach § 12 StGB nach der für die Straftat angedrohten Mindeststrafe. Hierbei ist nur der Regelstrafrahmen maßgebend. Schärfungen und Milderungen nach dem Allgemeinen Teil des StGB (zum Beispiel bei Versuch, Beihilfe, verminderter Schuldfähigkeit) oder für besonders schwere (zum Beispiel § 243, § 263 Abs. 3, § 266 Abs. 2 StGB) oder minder schwere Fälle (zum Beispiel § 225 Abs. 4, § 226 Abs. 3 StGB) bleiben außer Betracht.

61.1 Zu Abs. 1

61.1.1 Die Berechtigung zum Schusswaffengebrauch nach Nr. 1 setzt mindestens die Gefahr einer schwerwiegenden Körperverletzung voraus.

61.1.2 Die zu verhindernde Straftat im Sinne der Nr. 2 muss unmittelbar bevorstehen. Die Verhinderung der Fortsetzung bedeutet insbesondere die Verhinderung weiterer Tathandlungen oder bei Dauerdelikten die Beendigung des strafbaren Zustandes. Die Handlung muss sich den Umständen nach als Verbrechen oder als ein Vergehen der genannten Art darstellen. Es kommt also darauf an, wie die Polizeivollzugsbeamtin oder der Polizeivollzugsbeamte die Situation unter Berücksichtigung aller im Augenblick gegebenen Erkenntnismöglichkeiten beurteilt. Sie oder er hat hierbei, trotz der Notwendigkeit, schnell zu handeln, besonders sorgfältig vorzugehen.

61.1.3 Explosivmittel im Sinne der Nr. 2, 3 und 4 Buchst. b sind Stoffe, die explosionsfähig sind.

61.1.4 § 100 des Strafvollzugsgesetzes wendet sich nur an Bedienstete der Justizvollzugsanstalten. Durch Nr. 5 werden diese Befugnisse zum Teil auch auf die Polizeibehörden übertragen. Danach dürfen Polizeivollzugsbeamtinnen oder Polizeivollzugsbeamte Schusswaffen gebrauchen

61.3 Zu Abs. 3

Sprengmittel sind zum Sprengen bestimmte explosionsfähige Stoffe (§ 55 Abs. 3).

Zu § 62

62. Schusswaffengebrauch gegen Personen in einer Menschenmenge

Die Vorschrift regelt die Voraussetzungen für den Schusswaffengebrauch gegen Personen in einer Menschenmenge. Sie ergänzt § 61.

Zu § 63

63. Ausübung unmittelbaren Zwanges durch Vollzugsbedienstete

63.1 Zu Abs. 1

63.1.1 Die Vorschrift erstreckt den Anwendungsbereich des Gesetzes (§§ 54 bis 62) auf Vollzugsbedienstete, die nicht Polizeivollzugsbeamtinnen oder Polizeivollzugsbeamte sind, und sonstige Personen, denen die Anwendung unmittelbaren Zwanges gestattet ist (Abs. 2).

63.1.2 "Andere Rechtsvorschriften" enthalten insbesondere das Strafvollzugsgesetz und das Gesetz über die Wahrnehmung von sicherheits- und ordnungsrechtlichen Befugnissen bei Gerichten und Staatsanwaltschaften vom 10. Mai 1982 (GVBl. I S. 97).

63.2 Zu Abs. 2

63.2.1 Personen, denen durch Gesetz die Rechte und Pflichten von Polizeivollzugsbeamtinnen oder Polizeivollzugsbeamten zuerkannt sind (Nr. 2), sind insbesondere die bestätigten Jagdaufseherinnen oder Jagdaufseher nach § 25 Abs. 2 BJagdG.

63.2.2 Im Rahmen der Anwendung der Nr. 3 ist § 99 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 4 Nr. 2 zu beachten. Eine besondere Ermächtigung von Hilfspolizeibeamtinnen oder Hilfspolizeibeamten ist nur bei der Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder durch Waffen vorgesehen.

Zu § 64

64. Zum Schadensausgleich verpflichtende Tatbestände

64.0 Erleidet jemand bei der Erforschung und Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten als unbeteiligte Person durch eine rechtmäßige polizeiliche Maßnahme einen Schaden, so ist ihr ein Ausgleich nach den Grundsätzen der Aufopferung und/oder des enteignenden Eingriffs zu gewähren.

64.1 Zu Abs. 1

Rechtswidrige Maßnahme im Sinne des Satzes 2 kann auch eine rechtswidrige Maßnahme bei der Erforschung und Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten sein.

Zu § 67

67. Verjährung des Ausgleichsanspruchs

Auf die Vorschriften des BGB über die Hemmung, Ablaufhemmung und den Neubeginn der Verjährung (§§ 203 ff. BGB) wird hingewiesen.

Zu § 71 und § 71a

71. Gefahrenabwehrverordnungen - Allgemeines, Gefahrenabwehrverordnung Hunde

71.1 Gefahrenabwehrverordnungen sind allgemein verbindliche Anordnungen, durch die Rechte und Pflichten begründet, geändert oder aufgehoben werden. Sie dürfen deshalb nicht erlassen werden, wenn die Gefahr auch durch Maßnahmen gegenüber bestimmten Personen oder einem bestimmten Personenkreis abgewehrt werden kann.

71.2 Als Voraussetzung für den Erlass einer Gefahrenabwehrverordnung genügt grundsätzlich eine abstrakte Gefahr. Eine Gefahrenabwehrverordnung kann aber auch der Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren für Menschen und Tiere dienen (siehe hierzu die HundeVO vom 22. Januar 2003 - GVBl. I S. 54, geändert durch Verordnung vom 16. Dezember 2008 - GVBl. I S. 1028, sowie die dazu ergangenen Durchführungshinweise vom 16. März 2009 - StAnz. S. 824).

Zu § 77

77. Ordnungswidrigkeiten

Abs. 2 eröffnet die Möglichkeit der Einziehung, sofern eine Gefahrenabwehrverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bestimmung verweist.

Zu § 78

78. Formerfordernisse

Die Außerachtlassung eines Formerfordernisses führt zur Ungültigkeit der gesamten Gefahrenabwehrverordnung.

Zu § 79

79. Geltungsdauer Verordnungen, die eine Gefahrenabwehrverordnung ändern oder ergänzen, haben keine eigene Geltungsdauer.

Zu § 82

82. Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung

82.1 Zu Abs. 1

Satz 2 ermöglicht eine Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden in den Gemeinden und Kreisen im Bereich der Gefahrenabwehr nach den gleichen Regelungen, die für die örtlichen Ordnungsbehörden und die Kreisordnungsbehörden (§ 85 Abs. 2 und 3) gelten.

Zu § 85

85. Allgemeine Ordnungsbehörden

85.2 Zu Abs. 2

Bei den zu einem gemeinsamen örtlichen Ordnungsbehördenbezirk zusammenzufassenden Gemeinden muss es sich nicht um benachbarte Gemeinden handeln, wenngleich dies aus Gründen der Zweckmäßigkeit angebracht ist.

Zu § 91

91. Polizeibehörden

Weitere grundsätzliche Bestimmungen zur Organisation und zu den Aufgaben der Polizeipräsidien, insbesondere zur Errichtung der sieben Polizeipräsidien und der Festlegung der Dienstbereiche für diese Präsidien, enthalten die §§ 2 bis 9 HSOG-DVO. Die Rahmenorganisation und die regionale und örtliche Zuständigkeit der Polizeibehörden sind in den Organisationserlassen und den Rahmen-Organisationsplänen geregelt.

Zu § 98

98. Ermächtigung

98.2 Zu Abs. 2

Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte haben während der Ausübung ihres Dienstes den Dienstausweis mitzuführen. Auf Verlangen der von einer Maßnahme betroffenen Person, bei Dienstausübung in ziviler Kleidung unaufgefordert, haben sie sich auszuweisen. Namenskarten sind auf Verlangen der von einer Maßnahme betroffenen Person auszuhändigen. Diese Pflichten gelten nur, soweit der Zweck der Maßnahme dadurch nicht beeinträchtigt wird.

Zu § 99

99. Hilfspolizeibeamtinnen und Hilfspolizeibeamte

99.0 Die Ausbildung ist in § 10 HSOG-DVO geregelt.

99.1 Zu Abs. 1

99.1.1 Zu Hilfspolizeibeamtinnen und Hilfspolizeibeamten (in den Landkreisen und Gemeinden können sie die Bezeichnung "Ordnungspolizeibeamtin" oder "Ordnungspolizeibeamter" führen) aufgrund des § 99 Abs. 3 sind nur Personen zu bestellen, die persönlich zuverlässig und geeignet sind, bestimmte Aufgaben der Gefahrenabwehr oder hilfsweise bestimmte polizeiliche Aufgaben wahrzunehmen. Sie sollen mindestens 21 Jahre alt sein und müssen nach ihrer Persönlichkeit und ihrem bisherigen Verhalten die Gewähr dafür bieten, dass sie von ihren Befugnissen keinen unzulässigen Gebrauch machen. Geeignet sind nur solche Personen, die körperlich und geistig in der Lage sind, die ihnen übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß wahrzunehmen. Dies ist durch ein amts- oder betriebsärztliches Gutachten feststellen zu lassen.

99.1.2 In einer Bestellungsverfügung sind die Aufgaben zu bezeichnen, die die Hilfspolizeibeamtinnen und Hilfspolizeibeamten wahrzunehmen haben, und festzuhalten, ob sie oder er durch die Verwaltungsbehörde ermächtigt worden ist, im Außendienst Verwarnungen zu erteilen und Verwarnungsgelder zu erheben (§ 56, § 57 Abs. 1 OWiG). Der Dienstherr oder Arbeitgeber ist ferner befugt, die Hilfspolizeibeamtin oder den Hilfspolizeibeamten zu ermächtigen, bei allen geringfügigen Ordnungswidrigkeiten, unabhängig davon, welche Verwaltungsbehörde für die Verfolgung und Almdung zuständig ist, Verwarnungen zu erteilen und Verwarnungsgelder zu erheben (§ 57 Abs. 2, § 58 Abs. 1 OWiG). Auch diese Ermächtigung ist in der Bestellungsverfügung festzuhalten. Die Bestellung ist mit Wirkung für die Zukunft zu widerrufen, wenn die persönlichen oder sachlichen Voraussetzungen nicht mehr vorliegen. Im Interesse einer einheitlichen Verwaltungsübung wird empfohlen, das als Anlage 2 abgedruckte Muster einer Bestellungsverfügung zu verwenden. Für die Hilfspolizeibeamtin oder den Hilfspolizeibeamten ist ein Dienstausweis auszustellen. Die Ausstellung obliegt der Behörde, die die Bestellung vornimmt; in Fällen, in denen die Bestellung durch Rechtsvorschrift erfolgt, dem Dienstherrn oder dem Arbeitgeber der oder des Bediensteten. Die Ausweise sind auf festem Papier oder anderem geeigneten Material nach dem als Anlage 3 abgedruckten Muster herzustellen.

99.1.3 Kraftfahrzeuge, die von Hilfspolizeibeamtinnen und Hilfspolizeibeamten ausschließlich zur Wahrnehmung der Aufgaben nach § 99 Abs. 1 Satz 1 benutzt werden, dürfen mit Kennleuchten für blaues Blinklicht und Einsatzhorn ausgerüstet werden; sie dürfen nicht als Werbeträger genutzt werden. Blaues Blinklicht und Einsatzhorn darf nur von solchen Hilfspolizeibeamtinnen und Hilfspolizeibeamten verwendet werden, die an der Polizeiakademie Hessen erfolgreich eine entsprechende Ausbildung absolviert haben. Das Regierungspräsidium kann Ausnahmen zulassen, wenn die erforderlichen Kenntnisse auf andere Weise erworben worden sind oder erworben werden können. Die Berechtigung ist in der Bestellungsverfügung festzuhalten.

99.1.4 Für die der Wachpolizei (§ 13 HSOG-DVO) angehörenden Hilfspolizeibeamtinnen und Hilfspolizeibeamten ergeht eine besondere Verwaltungsvorschrift (siehe derzeit VVWa-Pol vom 11. November 2009 - StAnz. S. 2848).

99.2 Zu Abs. 2

99.2.1 Soweit die Ermächtigung zur Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder durch Waffen (§ 55 Abs. 3 und 4) nicht generell durch Rechtsverordnung (Abs. 4 Nr. 2) erfolgt, kann sie mit der Bestellung (vergleiche Nr. 99.1.1 und 1.2) oder zu einem späteren Zeitpunkt nach Satz 2 und 3 durch Einzelakt vorgenommen werden. Bei Schusswaffen ist sie auf Pistolen zu beschränken; das Regierungspräsidium kann Ausnahmen zulassen. Hilfspolizeibeamtinnen und Hilfspolizeibeamte dürfen nur ermächtigt werden, wenn sie die erforderlichen theoretischen und praktischen Kenntnisse über die Anwendung unmittelbaren Zwanges erworben haben. Zum Erwerb der Kenntnisse über die Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Hilfsmittel der körperlichen Gewalt, durch Reizstoffsprühgeräte mit natürlichem Capsaicin (Pfefferspray) oder durch den Schlagstock ist ein Lehrgang bei dem Hessischen Verwaltungsschulverband erforderlich; das Regierungspräsidium kann Ausnahmen zulassen, wenn die erforderlichen Kenntnisse auf andere Weise erworben worden sind oder erworben werden können. Die Ermächtigung zur Anwendung unmittelbaren Zwanges durch Schusswaffen oder durch Reiz- oder Betäubungsstoffe mit Ausnahme von Pfefferspray setzt die erfolgreiche Teilnahme an einem von der Polizeiakademie Hessen durchgeführten Lehrgang voraus. Für Hilfspolizeibeamtinnen und Hilfspolizeibeamte bei den Polizeibehörden werden besondere Regelungen getroffen. Die Ermächtigung wird von der für die Bestellung zuständigen Behörde erteilt; im Falle des § 99 Abs. 4 Nr. 1 von der Anstellungsbehörde.

99.2.2 Die Ermächtigung zur Anwendung unmittelbaren Zwangs durch Schusswaffen ist nach einer Prüfung im Einzelfall mit sofortiger Wirkung für die Zukunft zu widerrufen, wenn die Hilfspolizeibeamtin oder der Hilfspolizeibeamte die sichere Handhabung der Schusswaffe nicht mehr gewährleisten kann. In Zweifelsfällen können Sachverständige der hessischen Polizei beratend hinzugezogen werden.

Die Gewährleistung der Handhabungssicherheit von Schusswaffen nach einer Grundeinweisung nach Nr. 99.2.1 an der Polizeiakademie Hessen obliegt der Verantwortung der jeweiligen Behörde,.die die Ermächtigung erteilt hat. Das hierzu notwendige Übungsschießen orientiert sich an den aktuellen für die Wachpolizei geltenden Regelungen zum einsatzmäßigen Ubungsschießen. Es findet im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten und vorbehaltlich der vorrangigen Erfüllung polizeiinterner Bedürfnisse grundsätzlich bei der Polizei durch entsprechend ausgebildete Kräfte nach den jeweilig geltenden Standards statt.

99.2.3 Das Regierungspräsidium kann Ausnahmen von Nr. 99.2.2 zulassen, wenn die erforderlichen Kenntnisse auf andere Weise erworben worden sind oder erworben werden können. Dies ist dann der Fall, wenn

Für das Schießtraining dürfen nur Anlagen verwendet werden, die die einschlägigen Sicherheitsbestimmungen erfüllen und darüber hinaus den Standards für die Anlagen der Polizei entsprechen. Die Anlagen müssen nach Art und Ausstattung für das notwendige Übungsschießen geeignet sein. Hierzu ist der Koordinierende Schießstandssachverständige der hessischen Polizei beim Präsidium für Technik, Logistik und Verwaltung vorher einzubeziehen.

99.2.4 Für den Umgang mit dienstlichen Schusswaffen im Dienst sind die Regelungen des Erlasses über den Umgang mit dienstlichen Schusswaffen bei der hessischen Polizei in der jeweils geltenden Fassung (derzeit Erlass vom 15. Juni 2006 - StAnz. S. 1516) entsprechend anzuwenden.

Zu § 102

102. Amtshandlungen von Dienstkräften der Polizei anderer Länder und von Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamten des Bundes

102.1 Zu Abs. 1

102.1.1 Unberührt bleiben die Befugnisse in den Fällen der Nacheile nach § 167 Abs. 1 GVG.

102.1.2 Die Unterrichtung nach Satz 2 hat in der Regel fernschriftlich oder fernmündlich zu erfolgen. Über die fernmündlich erfolgte Unterrichtung ist ein Aktenvermerk zu fertigen.

102.3 Zu Abs. 3

Ob Gegenseitigkeit gewährleistet ist, stellt das Landespolizeipräsidium fest.

Zu § 103

103. Amtshandlungen von Dienstkräften der Polizei außerhalb des Zuständigkeitsbereiches des landes Hessen

103.1 Zu Abs. 1

Ob die Voraussetzungen für ein Tätigwerden hessischer Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamter nach Satz 2 vorliegen, stellt das landespolizeipräsidium fest.

Schlussvorschrift

Die VVHSOG vom 03. Januar 2005 (St. Anz.S.218), zuletzt geändert durch Erlass vom 14. April 2007 (StAnz.S. 890), wird aufgehoben.
Diese Verwaltungsvorschrift tritt mit sofortiger Wirkung in Kraft.

ENDE

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