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Durchführung der Umweltvertraglichkeitsprüfung (UVP)
- Hessen -
Vom 22. Dezember 1999
(StAnz. 2000 S. 372aufgehoben)
Gl.-Nr.: 80172
Im Einvernehmen mit dem Hessischen Sozialministerium und dem Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung gebe ich zur Anwendung der UVP-Änderungsrichtlinie 97/11/EG und der ihr zugrundeliegenden UVP-Richtlinie 85/337/EWG die folgenden Hinweise und Empfehlungen:
I. Allgemeines
Die Frist zur Umsetzung der Richtlinie 97/11/EG des Rates vom 3. März 1997 zur Änderung der Richtlinie 85/337/EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten ist am 14. März 1999 abgelaufen, ohne dass bislang eine Umsetzung in das innerstaatliche Recht erfolgt ist.
Des Weiteren hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 22. Oktober 1998 (C 301/95) festgestellt, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 2 Abs. 1, 4 Abs. 2 und 12 Abs. 1 und 2 der UVP-Richtlinie von 1985 verstoßen hat, indem sie ganze Klassen der in Anhang II dieser Richtlinie aufgezählten Projekte von vorneherein von der Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung ausgenommen hat.
Da angesichts der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes jetzt von einer unmittelbaren Geltung der UVP-Richtlinie von 1985 und der Änderungs-RL von 1997 auszugehen ist, soll mit diesem Erlass die richtlinienkonforme Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen Übergangsweise sichergestellt werden, bis eine rechtlich ordnungsgemäße, gesetzliche Umsetzung in das innerstaatliche Recht erfolgt ist.
Den nachgeordneten Behörden wird empfohlen, beim Vollzug auf die als Anlage beigefügten Ausführungen des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) für Vollzugshinweise der Länder zur Anwendung der UVP-Änderungsrichtlinie und der ihr zugrundeliegenden UVP-Richtlinie zurückzugreifen und dabei die in diesem Erlass spezifisch zu einzelnen Anwendungsbereichen ausgeführten Hinweise zum Umgang mit den Empfehlungen des BMU ergänzend zu berücksichtigen.
Sofern sich im Einzelfall Probleme bei der Anwendung ergeben, sollen sie hierzu schriftlich fallbezogen unter Mitteilung eines Lösungsvorschlages an das fachlich zuständige Ministerium berichten. Soweit erforderlich kann dann gegebenenfalls eine Anpassung des Erlasses erfolgen.
Es wird darauf hingewiesen, dass das Hessische Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung beabsichtigt, einen eigenständigen Erlass zur Anwendung der UVP-Richtlinien im Bereich von Straßenbauvorhaben herauszugeben.
II. Feststellung der UVP-Pflichtigkeit
Bezüglich der Feststellung der UVP-Pflichtigkeit von einzelnen, dem Anhang II der UVP-Richtlinien unterfallenden Vorhaben, ist vorab darauf hinzuweisen, dass die Angabe von Orientierungswerten für einzelne Bereiche nicht von der Pflicht zur Einzelfallprüfung anhand der Kriterien des Anhangs III der UVP-ÄndRL bzw. unter Berücksichtigung von Art, Größe oder Standort des Vorhabens (vgl. Art. 2 Abs. 1 UVP-RL von 1985) bei Vorhaben, für die der förmliche Genehmigungsantrag vor dem 14. März 1999 gestellt worden ist, entbindet. Da es sich bei den Orientierungswerten nicht um gesetzlich festgelegte Schwellenwerte unter Berücksichtigung der Vorgaben der UVP-Richtlinien handelt, kann auch bei Nichterreichen des Orientierungswertes die UVP-Pflichtigkeit eines Vorhabens aufgrund des Ergebnisses der Einzelfallprüfung bejaht werden. Das Nichterreichen eines Orientierungswertes kann nur als Indiz dafür gewertet werden, dass in der Regel die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung entbehrlich ist. In "atypischen" Fällen, insbesondere bei Vorhaben, die aufgrund ihres Standortes ein geschütztes Gebiet im Sinne der Nr. 2 des Anhangs III der UVP-ÄndRL beeinträchtigen können, kann die Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen. Im Übrigen wird ausdrücklich auf die Ausführungen S. 6 f. in den Empfehlungen des BMU zu dieser Problematik hingewiesen.
III. Einzelne Anwendungsbereiche
Bei den Empfehlungen des BMU sind folgende Hinweise zu einzelnen Anwendungsbereichen zu beachten:
1. Anhang Immissionsschutz
Im Anhang Immissionsschutz ist die Synopse: Neue UVP-pflichtige Vorhaben UVP-RL/Anlage 4. BImSchV auf der letzten Seite wie folgt zu ergänzen:
UVP-RL | Anlagenbezeichnung | 4. BImSchV Spalte 2 |
Nr. 11 f | Prüfstände für Motoren, Turbinen oder Reaktoren | Nr. 10.15 |
2. Anhang Wasserwirtschaft
Der Anhang Wasserwirtschaft ist fehlerhaft gegliedert.
Entsprechend des Entwurfs der Empfehlungen des BMU (Stand: 11. Mai 1999) hat die Gliederung mit Punkt "1. Häfen" zu beginnen. Sodann erfolgt eine fortlaufende Numerierung bis zum Punkt "19. Steinbrüche und Tagebaue... (Anhang I Nr. 19 UVP-Änderungsrichtlinie)". Dementsprechend ist unter Punkt 14 (Bau von Wasserstraßen, Flusskanalisierungs- und Stromkorrekturarbeiten) der letzte Satz als "im Übrigen gilt das zu Ziff. 13. gesagte" zu lesen. Der Verweis in Punkt 16 (Bau von ... Chemikalienpipelinies) hat "gilt Ziff. 15 entsprechend" zu lauten.
Die Genehmigung von Anlagen, in, an, auf, über oder unter Gewässern ist aufgeführt als wasserrechtliches Zulassungsverfahren, welches als Trägerverfahren für die UVP neben dem Gewässerausbau nach § 31 WHG in Betracht kommt. In Hessen kann es sich in diesen Fällen sowohl um ein baurechtliches als auch um ein wasserrechtliches Verfahren handeln. Der Anlagenbetrieb ist nach §§ 15 Abs. 1 Nr. 1 HWG in Verbindung mit §§ 3, 7 und 9 WHG zu prüfen.
Wasserrechtlich kommt für die in § 71 HWG genannten Tatbestände eine Befreiung in Betracht.
Verfahren zur Erteilung von Sondernutzungsgenehmigungen für die Einrichtung von Dauerliegeplätzen in Jachthäfen sind in Hessen nicht vorgesehen. Es besteht eine Duldungspflicht nach § 36 HWG für die Befestigung von Schiffen ohne Anlage eines Hafens. Für Bootsanlegestellen von Sportvereinen muss gemäß § 71 HWG eine Befreiung von dem Verbot der Errichtung einer Anlage im Uferbereich gemäß § 70 HWG erteilt werden.
Ein sonstiges wasserrechtliches Genehmigungsverfahren gibt es nicht.
Die Planfeststellung bzw. Genehmigung von Abwasserbehandlungsanlagen stützt sich landesrechtlich auf § 18c WHG in Verbindung mit § 50 HWG. Insoweit wird klargestellt, dass für den Neubau einer Abwasserbehandlungsanlage oberhalb des Schwellenwerts des Anhangs I eine UVP in jedem Fall zwingend vorgeschrieben ist; dies gilt auch im Hinblick auf die Tatsache, dass § 50 HWG eine UVP-Pflicht nicht ausdrücklich bestimmt.
In Hessen wird über das gemäß § 31 WHG zum Gewässerausbau gehörige Vorhaben hinaus nicht eigens geregelt, dass Speicher als einheitliches Projekt bestehend aus Stauanlagen und aufgestauten Gewässerteilen behandelt werden. Die Begrifflichkeit des § 31 WHG ist übereinstimmend mit der des § 42 HWG. Danach gehören zu Stauwerken alle Teile, die für den Wasserabfluss von Bedeutung sind (Becker, HWG, § 37 Nr. 1).
Als wasserrechtliche Trägerverfahren für die Errichtung von entsprechenden Anlagen kommen, sofern § 31 WHG nicht einschlägig ist, § 42 und § 71 HWG in Betracht.
Hinsichtlich der Einbringung von Nahrungsmitteln, Medikamenten oder Geräten, soweit sie in Zusammenhang mit der Fischzucht oder Salmenzucht erfolgen, gilt das Hessische Fischereigesetz (HFischG). § 34 HWG verweist unter Bezug auf § 25 WHG insoweit auf das Erlaubnis- und Bewilligungsverfahren, als durch das Einbringen von Stoffen das Gewässer in seinen Eigenschaften nachteilig verändert oder der Wasserabfluss nachteilig beeinflusst wird. Im Übrigen stellt § 34 HWG von einer zusätzlichen wasserrechtlichen Genehmigung frei.
Alle Bohrungen >100 m Tiefe sind nach § 127 BBergG unabhängig von ihrer Bestimmung der Bergbehörde anzuzeigen. Je nach Bedeutung des Betriebes (Bohrung) besteht Betriebsplanpflicht, wenn die zuständige Behörde dies feststellt. Eine solche besondere Bedeutung der Bohrung ist auf jeden Fall dann festzustellen, wenn Kriterien des Anhangs III der UVP-Änderungsrichtlinie erfüllt werden und eine UVP-Pflicht nach Anhang II vorliegt. Wasserrechtliche Erlaubnisse sind bei Vorhaben, die nach BBergG einen Betriebsplan erfordern von der Bergbehörde zu erteilen (§ 14 Abs. 2 WHG). Deshalb wird eine eventuelle UVP in diesen Fällen von der verfahrensführenden Bergbehörde durchgeführt.
Für in diesem Zusammenhang notwendige Genehmigung von Anlagen an und in Gewässern kommt neben § 31 WHG als wasserrechtliches Trägerverfahren § 71 HWG in Betracht.
Das landesrechtliche Trägerverfahren für Wasserfernleitungen ist in Hessen die in § 50 HWG geregelte Genehmigung von Wasserversorgungsanlagen. Das kommunale Versorgungsnetz ist ausgenommen.
zu 19. Steinbrüche und Tagebaue... (Anhang I Nr. 19 UVP-Änderungsrichtlinie)
Die Änderungsrichtlinie sieht in Anhang I Nr. 19 den Schwellenwert von 25 Hektar vor. Zur Gleichbehandlung mit § 1 Nr. 1 Buchstabe b aa) UVP-V Bergbau, der einen empfohlenen Schwellenwert von 10 ha vorsieht, wird für hessische wasserrechtliche Erlaubnis- und Bewilligungsverfahren ebenfalls ein Orientierungswert von 10 ha festgelegt. Eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der Kriterien des Anhangs III ist erforderlich, sofern der Wert von 25 Hektar, ab dem eine UVP-Pflicht zwingend nach Anhang I besteht, nicht erreicht wird.
3. Anhang KrW-/AbfG
Im Anhang KrW-/AbfG ist unter Buchstabe d) im zweiten Absatz der Halbsatz "oder einer Deponie mit einer Kapazität von mehr als 100 t pro Tag" sachlich falsch und daher nicht zu berücksichtigen.
In Nr. 10 des Anhangs 1 der UVP-ÄndRL bezieht sich die Kapazitätsgrenze von 100 t pro Tag nicht auf die Deponierung von Abfällen. Mithin sind Deponien für nicht besonders überwachungsbedürftige Abfälle vom Anhang I der UVP-ÄndRL nicht erfasst. Insoweit findet Buchstabe b), erster Absatz, Anwendung.
4. Anhang Landwirtschaft
Änderung der Orientierungswerte
Für Projekte des Anhangs II. 1. d): "Erstaufforstungen und Abholzungen zum Zweck der Umwandlung in eine andere Bodennutzungsart" gelten in Abweichung von den Empfehlungen des BMU folgende Orientierungswerte:
"Außerhalb von Naturschutzgebieten: Erstaufforstungen und Umwandlungen in eine andere Nutzungsart von mehr als 50 ha. Innerhalb von Naturschutzgebieten: Nach Einzelfallprüfung Erstaufforstungen und Umwandlungen in eine andere Nutzungsart"
5. Anhang Bauleitplanung
Zum Anhang Bauleitplanung werden folgende Hinweise gegeben:
Eine Projektgruppe des Ausschusses für Bauwesen und Städtebau der Bauministerkonferenz hat sich in zwei Punkten auf von den Vollzugsempfehlungen des Bundesumweltministeriums abweichende Orientierungswerte der UVP-Pflichtigkeit verständigt:
Diese Werte werden als angemessener und sachgerechter angesehen und sollen bei der gesetzlichen Umsetzung der Änderungsrichtlinie zu Grunde gelegt werden.
Im Hinblick auf die am 14. März 1999 abgelaufene Umsetzungsfrist ist für die Bebauungspläne für entsprechende Projekte eine UVP durchzuführen, deren Aufstellungsverfahren ab diesem Datum eingeleitet wurde. Im Übrigen wird auf die Erläuterungen zur Umweltverträglichkeitsprüfung und Baurecht unter Ziff. 4 des Erlasses "Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 (BauROG), Erläuterungen zu den Änderungen der Vorschriften im Baugesetzbuch mit Bezug zum allgemeinen Städtebaurecht" vom 24. Februar 1998 (StAnz. S. 888) verwiesen.
Hinweis für die Bauaufsichtsbehörden:
Das derzeitige Umsetzungskonzept sieht vor, dass eine UVP nur in Bauleitplanverfahren, nicht aber in Baugenehmigungsverfahren durchzuführen ist. Auch bei der unmittelbaren Anwendung der UVP-Änderungsrichtlinie ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine UVP im Baugenehmigungsverfahren nicht erforderlich ist.
6. Naturschutzrechtliche Genehmigungsverfahren
Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in Hessen in den auf Seite 6 Punkt f des Anhangs "Begründung der Annahme einer unmittelbaren Wirkung von Bestimmungen der UVP-Richtlinien" zu den Empfehlungen des BMU aufgeführten Fällen (Hochspannungsfreileitungen; Projekte zur Verwendung von Ödland; Bau von Wasserfernleitungen, sofern nicht das in § 50 HWG geregelte Verfahren der Genehmigung von Wasserversorgungsanlagen einschlägig ist; Skipisten) als Trägerverfahren für eine UVP das naturschutzrechtliche Genehmigungsverfahren eingreift.
Weiterhin werden die Naturschutzbehörden darauf hingewiesen; dass in allen Fällen, in denen die UVP-Pflicht eines Vorhabens im naturschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren geprüft und bejaht wird, im Rahmen der Durchführung der UVP eine den Anforderungen der UVP-Richtlinien genügende Öffentlichkeitsbeteiligung zu erfolgen hat.
IV. Geltungsdauer
Die Hinweise und Empfehlungen zur Anwendung der UVP-Änderungsrichtlinie 97/11/EG und der ihr zugrundeliegenden UVP-Richtlinie 85/337/EWG verlieren mit Ablauf des 31. Dezember 2001 ihre Gültigkeit.
ENDE
(Stand: 22.06.2022)
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