Gesetzesantrag des Landes Hessen
Entwurf eines Gesetzes zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte, getrennt für Bund, Länder und Kommunen

E. Sonstige Kosten

Gesetzesantrag des Landes Hessen
Entwurf eines Gesetzes zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren

Der Hessische Ministerpräsident Wiesbaden, den 18. September 2007

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Harald Ringstorff

Sehr geehrter Herr Präsident,

die Hessische Landesregierung hat beschlossen, dem Bundesrat den anliegenden


mit dem Antrag zuzuleiten, seine Einbringung beim Deutschen Bundestag gemäß Art. 76 Abs. 1 des Grundgesetzes zu beschließen.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 12. Oktober 2007 aufzunehmen und sie anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.


Mit freundlichen Grüßen
Roland Koch

Entwurf eines Gesetzes zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes

§ 185 des Gerichtsverfassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 13. April 2007 (BGBl. I S. 509) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Änderung der Zivilprozessordnung

Die Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202, 2006 I S. 431), zuletzt geändert durch Artikel 3 Abs. 6 des Gesetzes vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 370), wird wie folgt geändert:

Artikel 3
Änderung der Finanzgerichtsordnung

§ 91a der Finanzgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. März 2001 (BGBl. I S. 442, 2262, 2002 I S. 679), die zuletzt durch Artikel 10 des Gesetzes vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:

§ 91a Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung

Artikel 4
Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung

Nach § 102 der Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), die zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 21. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3316) geändert worden ist, wird folgender § 102a eingefügt:

§ 102a Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung

Artikel 5
Änderung des Sozialgerichtsgesetzes

Nach § 110 des Sozialgerichtsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. September 1975 (BGBl. I S. 2535), das zuletzt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 20. April 2007 (BGBl. I S. 554) geändert worden ist, wird folgender § 110a eingefügt:

§ 110a Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung

Artikel 6
Änderung der Strafprozessordnung

Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 16. Juli 2007 (BGBl. I S. 1327), wird wie folgt geändert:

Artikel 7
Änderung des Strafvollzugsgesetzes

§ 115 des Strafvollzugsgesetzes vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 581, 2088, 1977 I S. 436), das zuletzt durch Artikel 2 Abs. 11 des Gesetzes vom 19. Februar 2007 (BGBl. I. S. 122) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

Artikel 8
Änderung kostenrechtlicher Vorschriften

Artikel 9
Schlussvorschriften

Begründung

A. Allgemeines

Der Einsatz von Videokonferenztechnik in gerichtlichen Verfahren findet seinen Ausgangspunkt im strafprozessualen Zeugenschutz: § 247a StPO wurde 1998 eingeführt (Gesetz vom 30.4.1998, BGBl. I S. 820 - Zeugenschutzgesetz). Im Jahr 2004 wurde die Zulässigkeit des Videoeinsatzes im Strafprozess auf den wichtigen Gedanken der Vermeidung des Beweismittelverlustes ausgedehnt: Die zeitgleiche Bild- und Tonübertragung vom Vernehmungsort in das Sitzungszimmer wird auch für den Fall zugelassen,

Der Grundgedanke einverständlicher Vereinbarung der Videotechnik für zeitgleiche Bild- und Tonübertragungen in gerichtlichen Verhandlungen findet sich schließlich in der durch das Zivilprozessreformgesetz vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887, geändert durch Gesetz vom 22. März 2005, BGBl. I S. 837) geschaffenen Vorschrift des § 128a ZPO wieder:

Diese Vorschrift gilt über Verweisungsnormen in den anderen Verfahrensordnungen entsprechend ( § 173 VwGO, § 202 SGG, § 46 Abs. 2 ArbGG, § 4 InsO, § 15 FGG). Einzig die Finanzgerichtsordnung, die mit den Vorschriften der §§ 91a und 93a FGO über eigene Ausprägungen der Zulassung zeitgleicher Bild- und Tonübertragungen verfügt, verzichtet für Verfahrensbeteiligte und deren Prozessvertreter auf das Einverständnis aller Verfahrensbeteiligten und begnügt sich mit einem Antragserfordernis. Die Zulassung der Videovernehmung von Zeugen und Sachverständigen wird hingegen wieder an das Einverständnis der Verfahrensbeteiligten geknüpft.

In der gerichtlichen Praxis hat sich der Einsatz von Videokonferenztechnik abgesehen von eher seltenen Fällen des strafprozessualen Zeugenschutzes noch nicht durchgesetzt, was unter anderem an der fehlenden technischen Ausstattung der Gerichte und Justizbehörden einerseits und der Anwaltskanzleien andererseits, aber auch an der überwiegenden Anknüpfung des Gesetzes an das Einverständnis der Verfahrensbeteiligten liegen dürfte.

Dies wird der fortschreitenden Entwicklung der Videoübertragungstechnik und den Möglichkeiten webbasierender Bild- und Tonübertragung mit kostengünstigen Kameras und der IT-technischen Bürostandardausstattung nicht mehr gerecht: Was dem versierten Internetnutzer schon seit langem mit hinreichender technischer Qualität an Möglichkeiten der Bild- und Tonübertragung zugänglich ist, sollte den Beteiligten an gerichtlichen Verfahren in Zukunft ebenso eröffnet sein - in geeigneten Fällen, die das Gericht in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens ohne Abhängigkeit von den Verfahrensbeteiligten und ohne Verlust an rechtsstaatlicher Qualität unter Berücksichtigung der nutzbaren technischen Möglichkeiten bestimmt.

Die Ausstattung des Hessischen Finanzgerichts im Jahr 2001 und des Oberlandesgerichts Frankfurt, der Landgerichte und der größeren Vollzugsanstalten in Hessen mit Videokonferenztechnik in den Jahren 2005/2006 hat bisher erwiesen, dass die Nutzung einerseits für Rechtsgespräche unter Juristen Zukunftsperspektiven bietet, und andererseits die Videotechnik weniger in den Fällen der unter den Verfahrensbeteiligten einverständlichen Anwendung, sondern für gesetzlich nicht vorgeschriebene Anhörungen zu Anträgen Strafgefangener auf gerichtliche Entscheidung nach § 109 StVollzG zunehmend Praxisakzeptanz findet. Dabei ordnet das Gericht die zeitgleiche Bild- und Tonübertragung einseitig an und erspart die Gefangenenvorführung mit ihrem erheblichen Sicherheitsaufwand und vermeidet zugleich auch die zumindest abstrakt gegebene Gefährdungslage des Transports und des Aufenthaltes im Gericht.

Das vorliegende Gesetz erweitert daher den Anwendungsbereich einseitig im Ermessen des Gerichts anordenbarer videogestützter Prozesshandlungen konsequent auf zahlreiche Bereiche unterschiedlicher gerichtlicher, aber auch staatsanwaltschaftlicher Verfahren. Das Gesetz erreicht dies vor allem durch die Änderung des § 128a ZPO und Ergänzungen der Fachgerichtsordnungen sowie der StPO.

Über diesen Paradigmenwechsel hinaus soll die bisher - von der Vorschrift des § 58a StPO abgesehen - weitgehend nicht statthafte Aufzeichnung der Vernehmung von Zeugen und anderen Auskunftspersonen per Bild- und Tonübertragung durch gerichtliche Anordnung dann zulässig sein, wenn ein Verlust des Beweismittels zu befürchten ist. Auch hier ist es Aufgabe des Gerichts zu entscheiden, ob die Vernehmung zu einem späteren Zeitpunkt nochmals Relevanz erhalten kann und eine erneute Aussage voraussichtlich nicht mehr zu erlangen sein wird. Es steht mithin im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, Anordnungen zur Sicherung solcher Aussagen zu treffen.

In der Frage der Überprüfbarkeit solcher Entscheidungen des Gerichts differenziert das Gesetz:

Während grundsätzlich von der Unanfechtbarkeit der Entscheidung zur Bild- und Tonübertragung ausgegangen wird, bleibt die Anfechtbarkeit bei Verfahren über die Fortdauer freiheitsentziehender Maßnahmen unangetastet.

Das Gesetz erweitert die Möglichkeiten der Einvernahme von Sachverständigen, sachverständigen Zeugen und auch von Dolmetschern im Wege der Bild- und Tonübertragung. Bei der Einvernahme von hoch spezialisierten Sachverständigen, z.B. in Verfahren mit medizinischen Fragen, oder von Dolmetschern für seltene Sprachen spielt der Aspekt der zeitlichen Verfügbarkeit dieses Personenkreises für die zügige Abwicklung des Verfahrens eine erhebliche Rolle. Als Beispiel für den Einsatz bei Sachverständigen seien wesentliche Sachbereiche des Sozialrechts (Renten- und Unfallversicherung, teilweise auch das Versorgungs-, Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsrecht) genannt die dadurch gekennzeichnet sind, dass medizinische Sachverhalte anhand von Sachverständigengutachten zu klären, zu überprüfen und zu bewerten sind.

Die Zuschaltung per Videokonferenztechnik erspart ggf. erhebliche Reisetätigkeit und gibt dem Aspekt wirtschaftlicheren Einsatzes prozessualer Beteiligter Raum, auf deren persönliche Anwesenheit es für die gerichtliche Würdigung der Angaben in aller Regel nicht ankommt: Durch eingesparte Reisekosten und reduzierten Zeitaufwand wird der Prozess insgesamt kostengünstiger. Ähnlich positive Aspekte für die Förderung eines Verfahrens wird die Zuschaltung öffentlichrechtlicher Körperschaften und Behörden, welche in gerichtlichen Verfahren, zum Beispiel in Familien- und Kindschaftssachen oder als Beigeladene in Fachgerichtsverfahren, anzuhören sind, erbringen. Das Gesetz enthält für Anhörungen in Familiensachen ausdrücklich eine neue, auf die Anwendbarkeit des § 128a ZPO verweisende Vorschrift in § 608 und in § 640.

Die Fachgerichtsordnungen werden um eigenständige Regelungen ergänzt, die inhaltlich 128a ZPO entsprechen und darüber hinaus ausdrücklich die Anwendbarkeit auf Sitzungsvertreter beteiligter Behörden ermöglichen. Auch hier liegen Einspareffekte auf der Hand.

Konsequent eröffnet das Gesetz den weitergehenden Einsatz der Videotechnik in Verfahren nach der Strafprozessordnung

Damit wird die rechtliche Zulässigkeit des Einsatzes von Videokonferenztechnik in Verfahren nach der Strafprozessordnung erheblich ausgeweitet und zeitgleiche Bild- und Tonübertragungen in strafprozessualen Verfahren immer dann möglich, wenn eine Anhörung oder Vernehmung ohnehin nur fakultativ oder ohne Mitwirkungspflicht für Verfahrensbeteiligte ist bzw. Entscheidungen eher untergeordneter Bedeutung im Bereich der Strafvollstreckung zu treffen sind. Dabei ist unzweifelhaft, dass es im Bereich der Vollstreckung langer oder lebenslanger Freiheitsstrafen sowie der Unterbringung und Sicherheitsverwahrung Fälle gibt, in denen der Verurteilte einen Anspruch auf mündliche Anhörung besitzen wird. Das Gesetz verzichtet bewusst auf den Versuch einer Abgrenzung und stellt auch diesen Bereich der Entscheidung in das pflichtgemäße Ermessen des Gerichts.

Zugleich bleiben die Vorschriften über die Hauptverhandlung weitgehend unberührt, so dass der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung gewahrt bleibt.

Die Änderung des § 115 StVollzG stellt klar, dass in Verfahren nach § 109 StVollzG, die für die Vollzugspraxis von ganz erheblicher Bedeutung sind, fakultative videogestützte Anhörungen ohne Rücksicht auf das Einverständnis des Gefangenen angeordnet werden können. Damit wird eine Rechtsgrundlage für den bislang wichtigsten praktischen Einsatzbereich der Bild- und Tonübertragung geschaffen.

Die Kosten der Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik werden im Bereich der Beschaffung derzeit je nach technischer Leistungsfähigkeit und Spezifikation auf 5.000 bis 12.000 € pro Videokonferenzanlage geschätzt. Der Einsatz von Webtechnik, der keine gleichbleibend höchstwertige Übertragungsqualität garantieren dürfte, ist erheblich kostengünstiger. Hinzu kommen Kosten für die Bereitstellung von Leitungen/Anschlüssen sowie für die in den Sitzungssälen ggf. erforderlichen Anschluss- und Verkabelungsarbeiten, sofern die erforderlichen ISDN-Telefonleitungen bzw. EDV-Netzanschlüsse in den jeweiligen Sitzungssälen bzw. Vorführräumen der Vollzugsanstalten nicht vorhanden sind. Die Kosten der Einführung sind durch die in Artikel 9 enthaltene Öffnungsklausel kalkulier- und begrenzbar.

Die Schaffung eines Kostentatbestandes im Gerichtskostengesetz eröffnet die Abrechenbarkeit von Videokonferenzen im Rahmen der Verfahrenskosten. Die festgesetzte Pauschale eines Grundentgelts von 10 € und eines Verbindungsentgelts von 2 € je angefangener halber Stunde trägt dem zu erwartenden Aufwand der Gerichte und Justizbehörden einerseits und den stark in Bewegung befindlichen Verbindungsentgelten des Telekommunikationsmarktes andererseits Rechnung.

Einer Änderung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes bedarf es nicht:

Telekommunikationskosten sind bereits nach geltender Rechtslage abrechenbar. Eine Kostenregelung für den Einsatz von Videokonferenztechnik, soweit der Anwalt sich aktiv durch die Nutzung von Videokonferenztechnik an dem Verfahren beteiligt (z.B. die Verbindung zu dem Gericht durch ihn hergestellt wird) besteht bereits in Nr. 7001 der Anlage 1 zum RVG, nachdem er Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen in voller Höhe als Auslage geltend machen kann.

Analog zu den Fahrtkosten für eine Geschäftsreise bei Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeugs, für die der Rechtsanwalt für jeden gefahrenen Kilometer eine Auslage erhält hierdurch aber auch die Anschaffungs-, Unterhaltungs- und Betriebskosten sowie die Abnutzung des Kraftfahrzeugs abgegolten sind, soll ein Auslagentatbestand für die anteilige Erstattung der Anschaffungskosten einer Videokonferenzanlage nicht eingeführt werden: Der wirtschaftlich denkende Rechtsanwalt wird den Zeitvorteil und die ersparten Reisekosten den Anschaffungskosten einer Videokonferenzanlage oder webbasierender Übertragungstechnik gegenüberstellen.

Änderungen der Vorschriften über die Internationale Rechtshilfe in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren werden nicht für erforderlich gehalten: Der Einsatz von Bild- und Tonübertragungen ist im Rechtshilfeverkehr bereits nach geltender Rechtslage zulässig dürfte in der Praxis aber regelmäßig an fehlenden technischen Nutzungsmöglichkeiten scheitern. Ersuchen über Vernehmungen im Wege der zeitgleichen Ton-Bild-Übertragung sind nach den einschlägigen Vorschriften der EuBVO (VO EG Nr. 1206/2001 über die Zusammenarbeit der Gerichte auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen vom 28.5.2001, dem Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 18.3.1970 (HBÜ), dem Haager Übereinkommen über dem Zivilprozess vom 1.3.1954 sowie dem Haager Zivilprozessübereinkommen von 1905 und einer Anzahl weiterer multi- und bilateraler Übereinkommen sowie in Strafsachen nach § 59 Absatz 2 des Gesetzes über die Internationale Rechtshilfe sowie nach Maßgabe der bestehenden völkerrechtlichen Verträge sowie im Bereich vertragsloser Rechtshilfe grundsätzlich auch ohne Rechtsänderung bewilligungsfähig. Ersuchen deutscher Gerichte und Staatsanwaltschaften sind immer dann zulässig, wenn die Vernehmung im Wege der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung prozessual verwertbar ist.

Auch dieses Rechtsgebiet wird von der Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik durch dieses Gesetz zumindest mittelbar in einer Weise profitieren, die einer zeitgemäßen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit rechtsstaatlicher Gerichte und Justizbehörden gerecht wird.

Auch eine Änderung des Gesetzes über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit wird nicht für erforderlich gehalten. Die Vorschrift des § 15 FGG verweist zwar nur auf die Vorschriften der ZPO zur Beweisaufnahme, damit aber auch auf § 128a Absatz 2. Darüber hinausgehender Einsatz der Möglichkeiten zeitgleicher Bild- und Tonübertragung, etwa im Bereich der Anhörung Verfahrensbeteiligter steht im Ermessen des Gerichts.

Das Gesetz richtet die Verfahrensordnungen umfassend auf die qualitativ hochwertigen technischen Möglichkeiten der Gegenwart aus und stellt zugleich normativ die Weichen für die Zukunft. Da der Technikeinsatz in gerichtlichen Verfahren nicht unerhebliche finanzielle Vorleistungen der Justizverwaltungen voraussetzt, bevor sich spürbare Entlastungen innerhalb der Verfahren und der Kostenentwicklung zeigen werden, knüpft das Gesetz die Erweiterung des Einsatzes von Bild- und Tonübertragungen an eine Verordnungsermächtigung und eine Zulassung durch Bund und Länder für die jeweiligen Zuständigkeitsbereiche. Ein Anspruch des Gerichts oder Verfahrensbeteiligter auf technische Ausstattung der Gerichte und Justizbehörden ist damit ausgeschlossen.

Die vorgesehene Zeitdifferenz von sechs Monaten zwischen dem Inkrafttreten der Verordnungsermächtigung und den Änderungen der Verfahrensordnungen gibt nicht nur Zeit zu Einführungsüberlegungen und Beschaffungsaktivitäten, sondern eröffnet auch die Möglichkeit, bisherige Einsatzfelder von Videokonferenztechnik durch Schaffung der entsprechenden Verordnungen rechtlich zu sichern - das Gesetz will die Aktivitäten in diesem Bereich fördern und nicht Bewährtes in die Unzulässigkeit verweisen.

Die Verstärkung des Einsatzes von Videokonferenztechnik stellt ein Serviceangebot im Sinne einer kundenorientierten Justiz dar: Durch die Bereitstellung dieser Technik durch die Justizverwaltung wird vor allem der Anwaltschaft in geeigneten Fällen die Gelegenheit geboten an gerichtlichen Verfahren ohne Reisetätigkeit aus der eigenen Kanzlei heraus oder von seitens der Justizverwaltungen bereitgestellten Videokonferenzanlagen aus teilzunehmen. Der geringere zeitliche Aufwand für alle Beteiligten und das Gericht erleichtert die Terminierung von mündlichen Verhandlungen und Erörterungsterminen und trägt damit zu einer Verfahrensbeschleunigung und einer Erhöhung der Wirtschaftlichkeit nicht zuletzt bei den professionellen Rechtsvertretern der Anwaltschaft, aber auch bei Sachverständigen oder Vertretern öffentlichrechtlicher Körperschaften und Behörden bei.

Der Wirkungsgrad des Gesetzes, das auf die Gestaltung der Zukunft gerichtet ist, hängt dabei direktproportional vom Steigen des Ausstattungsgrades und der Akzeptanz der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung in der forensischen Praxis ab.

B. Zu den einzelnen Vorschriften

Zu Artikel 1

Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes

§ 185

Die Einfügung des neuen Absatzes 2 in § 185 ermöglicht es, den Einsatz von Dolmetschern in gerichtlichen und staatsanwaltschaftlichen Verfahren im Wege der Bild- und Tonübertragung im Wege einer generellen Regelung für sämtliche Verfahrensordnungen übergreifend zuzulassen.

Zu Artikel 2

Änderung der Zivilprozessordnung

§ 128a

Die Neufassung des § 128a entbindet das Gericht von dem Erfordernis des Einverständnisses aller Parteien mit dem Einsatz von Videokonferenztechnik und reduziert auf ein Antragserfordernis. Die Norm erhält damit eine wichtige Neuausrichtung.

Absatz 2 wird nur geringfügig redaktionell verändert.

Die neue Fassung des Absatzes 3 belässt es grundsätzlich dabei, dass Bild- und Tonübertragungen nicht aufgezeichnet werden, lässt jedoch in Anlehnung an die Regelungen der Strafprozessordnung zu, dass die Aufzeichnung und in der Folge die spätere Verwertung im Wege der Beweiswürdigung jedenfalls dann nach Ermessen des Gerichtes angeordnet werden können, wenn zu befürchten ist, dass eine weitere Vernehmung eines Zeugen, eines Sachverständigen oder einer Partei nicht möglich sein wird mithin ein Beweismittelverlust zu befürchten wäre.

§ 608

Der neue Satz 2 des § 608 ordnet die entsprechende Geltung der Grundsätze des § 128a vorsorglich für Ehesachen gesondert an, weil in diesem Verfahrensbereich gesetzesterminologisch überwiegend nicht von Verhandlungen, sondern von Anhörungen die Rede ist. Gerade in diesem Bereich kann die Einführung von Bild- und Tonübertragungen praktische Bedeutung erlangen, weil die Anhörung von Parteien,

Behördenvertretern oder anderen Beteiligten der Gewährung rechtlichen Gehörs oder der Abgabe von Willenserklärungen dient, deren Würdigung durch das Gericht nicht vom persönlichen Eindruck des Anzuhörenden abhängt.

§ 640

Die Aufzählung der für Kindschaftssachen entsprechend anzuwendenden Vorschriften in Satz 1 wird um den Verweis auf § 128a ergänzt, um auch hier insbesondere Anhörungen im Wege der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung zu ermöglichen.

Zu Artikel 3

Änderung der Finanzgerichtsordnung

§ 91a

Die Ergänzung des § 91a erweitert den Anwendungsbereich der Möglichkeiten der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung unter Einsatz von Videokonferenztechnik auf Vertreter beteiligter öffentlichrechtlicher Körperschaften oder Behörden. Das Gesetz eröffnet hier jenseits des Gerichtes liegende Einsparpotenziale.

Zu Artikel 4

Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung

§ 95

Die Einfügung eines neuen § 102a ist nach Zielsetzung und Regelungsgehalt deckungsgleich mit der Ergänzung des § 91a FGO.

Zu Artikel 5

Änderung des Sozialgerichtsgesetzes

§ 111

Die Einfügung eines neuen § 110a ist nach Zielsetzung und Regelungsgehalt deckungsgleich mit der Ergänzung des § 91a FGO

Zu Artikel 6

Änderung der Strafprozessordnung

§ 58b

Der neue § 58b ermöglicht es, im Ermittlungsverfahren Zeugenvernehmungen auch unter Verwendung von Bild-Tonübertragungen unter Versicht auf die Anwesenheit des Zeugen im Vernehmungszimmer durchzuführen. Dies wird in erster Linie zu praktizieren sein, wenn dies dem Opferschutz oder der Abwehr der Gefahr des Beweismittelverlustes dient.

Überdies wird diese Möglichkeit in der Praxis dann in Betracht gezogen werden können, wenn der zeitraubende Versand von Verfahrensakten mit Vernehmungsersuchen an ferne Gerichte oder Polizeidienststellen vermieden werden kann. Dies kann zu einer Verfahrensverkürzung führen und zugleich qualitative Effekte haben, weil die Vernehmung per Videotechnik durch den in den konkreten Fall eingearbeiteten ermittelnden Staatsanwalt oder Polizeibeamten erfolgen kann.

§ 118a

Im Haftprüfungsverfahren verzichtet das Gesetz nach bisheriger Fassung dann auf die Vorführung des Beschuldigten, wenn weite Entfernung, Krankheit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen. Die Neufassung des Absatzes 2 ermöglicht es dem Gericht in diesen Fällen, alternativ zum Verzicht eine Teilnahme an der Verhandlung im Wege der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung anzuordnen. Über die Verweisungsnorm des § 122 Absatz 2 gilt dies auch für das Haftprüfungsverfahren bei dem Oberlandesgericht.

§ 163a

Die Ergänzung des § 163a Absatz 1 erweitert die gesetzlichen Varianten der Beschuldigtenvernehmung im Ermittlungsverfahren um die Möglichkeit der Durchführung der Vernehmung im Wege der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung. Auch dies kann den zeitraubenden Versand von Verfahrensakten mit Vernehmungsersuchen an ferne Gerichte oder Polizeidienststellen vermeiden helfen und damit die Dauer von Ermittlungsverfahren verkürzen.

§ 233

Die Ergänzung des Absatzes 2 um die Möglichkeit der Vernehmung unter Einsatz von Videotechnik verkürzt Strafverfahren in den Fällen, in denen der Angeklagte vom Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden ist - das Gesetz schreibt in seiner bisherigen Fassung für diese Fälle zwingend vor, dass der Angeklagte durch einen beauftragten oder ersuchten Richter vernommen werden muss. Die Neufassung hilft, zeitraubenden Aktenversand zu vermeiden und zugleich eine Vernehmung durch den in die Sache eingearbeiteten erkennenden Richter zu ermöglichen.

§ 247a

Der neue § 247a Absatz 2 lässt die Einbeziehung von Sachverständigen in die Hauptverhandlung per Videozuschaltung zu, sofern nicht Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung im Raum steht und das Gutachten des Sachverständigen letztlich auch auf dem Eindruck von Person und Verhalten des Angeklagten in der Hauptverhandlung beruhen kann. Die Fälle des § 246a sind daher von der Neuregelung ausgenommen.

§ 453

Für nachträgliche Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen, sieht das Gesetz lediglich rechtliches Gehör, nicht aber die Form vor, in der es gewährt werden kann. Der neue Satz 3 des § 453 Absatz 1 erweitert die Handlungsmöglichkeiten des Gerichts auf die der Anordnung einer Anhörung im Wege der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung. Dies gilt auch für die im bisherigen Satz 2 vorgesehene Soll-Anhörung für den Fall drohenden Widerrufs der Strafaussetzung.

§ 454

Der neue Satz 4 des Absatzes 1 eröffnet die Möglichkeit der Anordnung der Anhörung im Wege der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung unter Verzicht auf eine Vorführung auch in den höchst praxisrelevanten Fällen der Reststrafenaussetzung zur Bewährung. Dies ist vor allem in den Fällen der beabsichtigten Ablehnung einer Reststrafenaussetzung eine erhebliche Verfahrenserleichterung für die Strafvollstreckungskammer und eine wichtige, sicherheits- und aufwandsrelevante Vereinfachung für die Vollzugsanstalten. Die Anordnung steht im Ermessen des Gerichts und ist unabhängig von der Zustimmung des Verurteilten. Letzteres schafft nicht nur die volle Anordnungsfähigkeit des Gerichtes, sondern eröffnet zugleich den Landesjustizverwaltungen nicht zu unterschätzende Einsparpotenziale.

Die Ergänzung des Absatzes 2 ermöglicht es in diesen Verfahren, auch die Einbeziehung eines Sachverständigen im Wege der Bild- und Tonübertragung vorzunehmen.

§ 462

Die Vorschrift regelt das Verfahren der gerichtlichen Entscheidungen bei der Strafvollstreckung. Das Gesetz sieht in der bisherigen Fassung vor, dass ohne mündliche Verhandlung, aber nach Gewährung rechtlichen Gehörs zu entscheiden ist. Eine damit auch mögliche fakultative mündliche Anhörung kann nach der Ergänzung des Absatzes 2 um den neuen Satz 2 im Wege der Bild- und Tonübertragung erfolgen. § 462 Abs. 2 Satz 2 eröffnet auch hier normativ die Chance zum Einsatz von Videotechnik, um die Anreise oder die Vorführung Verurteilter vermeiden zu können.

Zu Artikel 7

Änderung des Strafvollzugsgesetzes

§ 115

Gegen Maßnahmen der Anstaltsleitung steht Gefangenen das Recht des Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach § 109 StVollzG zu, das in der Praxis des Strafvollzugs große Bedeutung hat. Die Verfahrensvorschrift des § 115 sieht vor, dass die zuständige Strafvollstreckungskammer durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheidet.

Dies schließt es allerdings nicht aus, fakultativ Anhörungen durchzuführen, die bereits nach geltender Rechtslage ohne Zustimmung des Gefangenen im Wege der Videokonferenz zulässig sind. Die Ergänzung des § 115 um den neuen Absatz 2 stellt diese Möglichkeit nun auf eine gesetzliche Grundlage. Diese Ergänzung ist von erheblicher Bedeutung für die Praxis der Strafvollstreckungskammern und stellt eine wichtige Verfahrenserleichterung dar.

Die Änderung des Strafvollzugsgesetzes erfolgt aufgrund der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das gerichtliche Verfahren nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG.

Zu Artikel 8

Änderung kostenrechtlicher Vorschriften

GKG und KostO

Der Einsatz von Videokonferenztechnik soll sowohl im zivil- und strafgerichtlichen Verfahren als auch im Bereich des FGG gefördert werden. Zur Abgeltung der Auslagen sind danach entsprechende Regelungen im GKG und in der KostO erforderlich; die durch die Einfügung einer neuen Nr. 9001a im KV-GKG und einer Nr. 1a in § 137 Abs. 1 KostO geschaffen werden.

Die Höhe der Auslage orientiert sich - pauschaliert - an den Kosten, die der Justizverwaltung durch das Zurverfügungstellen der Videokonferenzanlage sowie die Bereitstellung des für den Betrieb notwendigen Personals entstehen (Grundentgelt) sowie den entstehenden Verbindungskosten (Verbindungsentgelt) für die jeweilige Nutzung.

Zur Vermeidung komplizierter Abrechnungsverfahren wird eine Pauschale, welche sich aus den Grundkosten und reinen Verbindungskosten im Halbstundentakt zusammensetzt, eingeführt. Die Höhe der Pauschale ist angemessen, sie soll aber gleichzeitig keine prohibitive Wirkung haben. Die pauschalierten Kosten liegen somit regelmäßig unter den Aufwendungen, die für die Reisetätigkeit der zu vernehmenden Person aufgewandt hätten werden müssen.

Die Kosteneinsparungen, die sich aus der Differenz zwischen den bisherigen Reisekosten und den hierzu vergleichsweise geringen Kosten für die Videoverbindung ergeben, wird den Prozess insgesamt für die Beteiligten "kostengünstiger" machen. Dass dieser Aspekt auch Auswirkungen auf den Justizhaushalt haben wird, ergibt sich aus dem Umstand, dass nicht selten, gerade bei "armen" Parteien, die Prozesskosten durch den Landesfiskus gezahlt werden.

Zu Artikel 9

Artikel 9 enthält eine Verordnungsermächtigung für Bundesregierung und Landesregierungen, um die Möglichkeiten, die das Gesetz zur Intensivierung des Einsatzes von Videokonferenztechnik eröffnet, dem Gestaltungsspielraum der zuständigen Fachminister und ihrer jeweiligen Justizverwaltungen zu unterwerfen. Haushaltsrechtliche und finanzielle Handlungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand setzen normativ eröffneten Einsatzmöglichkeiten moderner Technik stets Grenzen. Es soll daher untergesetzlich jeweils normativ bestimmt werden können, ab welchem Zeitpunkt der Einsatz von Videokonferenztechnik zugelassen wird. Dabei obliegt es ebenso dem Ermessen der Bundesregierung und der Landesregierungen, die Zulassung auf bestimmte Gerichte und Staatsanwaltschaften sowie einzelne Verfahrensarten zu beschränken, um das Sammeln von Erfahrungen zu ermöglichen und zugleich die erforderlichen Investitionen planvoll vornehmen zu können. Nr. 2 enthält eine differenzierte Inkrafttretensregelung: Die Verordnungsermächtigung tritt unmittelbar nach Verkündung in Kraft, um den zeitlichen Vorlauf dafür zu schaffen, die erforderlichen Rechtsverordnungen vor Wirksamkeit der Änderung der Verfahrensordnungen sechs Monate nach der Verkündung zu erlassen. Dies ermöglicht nicht nur ein geordnetes, der Öffentlichkeit nachvollziehbares Vorgehen bei der Zulassung von Videokonferenztechnik in gerichtlichen Verfahren. Es ermöglicht zugleich, bereits im Praxisbetrieb befindliche Videoanlagen in die Rechtsverordnungen einzubeziehen und nicht dem Risiko rechtlicher Unzulässigkeit auszusetzen.