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umwelt-online: Richtlinie für naturnahe Unterhaltung und naturnahen Ausbau der Fließgewässer (3)

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Wasserführung, Fließgeschwindigkeit und Strömungsmuster

Die Strömung ist in der Regel der bedeutsamste Faktor für die Ausprägung der Lebensgemeinschaften im Fließgewässer. Da kein Organismus auf Dauer gegen die Strömung anschwimmen kann, sind die Fließwasserorganismen in vielfältiger Weise an das Leben unter diesen Bedingungen durch Körperbau oder Lebensweise angepaßt. Solche Anpassungen sind Abplattung oder Spindelform des Körpers, Hafteinrichtungen oder Aufenthalt in strömungsarmen bzw. strömungsfreien Räumen. Auf diese Weise werden die Organismen nicht abgetrieben, genießen aber die Vorteile des fließenden Wassers mit dem ständigen Wasseraustausch, der z.B. Sauerstoff und Nährstoffe rasch heranführt.

Für die Ausbildung von Kleinbiotopen sind sowohl die Sohlenrauhigkeit als auch das davon abhängige Strömungsmuster des Wassers wichtig. Zum natürlichen Gewässer gehört das Vorhandensein eines kleinräumigen Netzes unterschiedlicher Strömungsrichtungen und -geschwindigkeiten.

Beim Aufstau eines frei fließenden Gewässers tritt die Strömung als ökologischer Faktor weitgehend zurück. Infolge verringerter Schleppkraft des Wassers kommt es zur Sedimentation auch relativ leichter Partikel, die meist einen hohen Anteil organischer, biologisch leicht abbaubarer Stoffe enthalten. Damit wird ein unter Umständen erheblicher Teil der sauerstoffzehrenden Fracht im Staubereich zurückgehalten. Die Abbauvorgänge werden aus der fließenden Welle ins Sediment verlagert. Bei großen Abflüssen, insbesondere nach Starkniederschlägen, ist es möglich, daß der Schlamm zumindest teilweise wieder ausgeräumt und stromabwärts verfrachtet wird. Das kann starke Sauerstoffzehrung und als Folge davon Fischsterben auslösen.

Meist sind die Fließgewässer so nährstoffreich, daß Stauhaltungen erhebliche Eutrophierungserscheinungen mit nachteiligen Folgen auch für unterhalb liegende Fließabschnitte aufweisen. Dies gilt auch für Dauerstaue in Hochwasserrückhaltebecken. Dort kann es zu starken Verkrautungen und Massenentwicklung von Algen kommen, die den Stoffhaushalt belasten und die Wasserbeschaffenheit erheblich beeinträchtigen.

In Stauhaltungen entwickelt sich eine vom frei fließenden Wasser erheblich abweichende Biozönose. Die an strömendes Wasser gebundenen Arten treten zurück, während sich andererseits die komplette Stillwasserbiozönose in der Regel nicht einstellt.

Wasserentnahme, wie für Energiegewinnung, hat grundlegende Auswirkungen auf die Strömungsverhältnisse und das Substratgefüge in den betroffenen Fließgewässerstrecken. Bei Unterschreiten eines bestimmten Abflusses verändern sich die sohlnahen Strömungsbedingungen so, daß sich die gewässertypische Lebensgemeinschaft nicht mehr einstellen kann. Zu deren Erhalt ist die Einhaltung eines Mindestwasserabflusses erforderlich.

Eine erhebliche Belastung für Fließgewässer können Niederschlags- und Mischwassereinleitungen darstellen. Die erhöhte hydraulische Belastung kann einerseits die Gewässermorphologie beeinträchtigen, andererseits zu einer unnatürlich hohen Abdrift der Organismen führen. Die gewässertypische Besiedlung kann durch ständig wiederkehrenden hydraulischen Streß veröden. Diese Gefahr ist in naturnahen Gewässern mit ausreichenden Retentions- und Refugialräumen wesentlich geringer. Neben den hydraulischen Belastungen können solche Einleitungen auch eine erhebliche stoffliche Belastung des Gewässerökosystems darstellen.

Spezifische hydrologische und geologische Verhältnisse haben zur Entstehung natürlicherweise periodisch sommertrockener Bäche geführt. In diesen findet sich eine speziell angepaßte, schützenswerte Lebensgemeinschaft, die die trockenen Sommermonate z.B. durch die Ausbildung von Dauerstadien überlebt. Dieser seltene Bachtypus kann durch die Einleitung von Wasser gefährdet werden.

Wasserchemismus und Bioproduktion

Neben der Strömung ist der Wasserchemismus ein bedeutender Faktor im Fließgewässer. Flüsse und Bäche mit kalkarmem Wasser unterscheiden sich erheblich von solchen mit kalkreichem Wasser, z.B. durch ihren Artenbestand, ihre Produktivität, ihre Störungsanfälligkeit und ihre Neigung zur Versauerung.

Nach wie vor spielt der Nährstoffeintrag durch Dränwasser, durch Abschwemmung aus landwirtschaftlichen Nutzflächen oder auch durch unzureichend gereinigtes Abwasser eine große Rolle. Dies führt dazu, daß die Fließgewässer in nahezu allen Gebieten Pflanzennährstoffe im Überfluß haben. Bei starker Belichtung kommt es dann zu verstärkter pflanzlicher Produktion (Eutrophierung). Unerwünschter Massenwuchs von Pflanzen (Verkrautung) entsteht bei hoher Fließgeschwindigkeit durch fädige Grünalgen (vor allem Cladophora), ansonsten durch Wasserhahnenfuß- und Laichkrautarten. Bei geringer Fließgeschwindigkeit gelangen insbesondere folgende Blütenpflanzen zu Massenwuchs: Igelkolben, Pfeilkraut, Gelbe Teichrose, Wasserschwaden, Wasserschwertlilie und Rohrkolben. Abgestorbene Pflanzen, Mähgut und abgerissene Fadenalgen können durch Fäulnis zu Sekundärverunreinigungen führen, die sich infolge Verdriftung erst weiter stromabwärts auswirken.

Eine wirkungsvolle Eindämmung der pflanzlichen Überproduktion im Gewässer ist durch Maßnahmen zur Minderung des Nährstoffeintrages aus dem Einzugsgebiet und durch die naturnahe Entwicklung der Fließgewässer und ihrer Auen zu erreichen.

Pflanzenwuchs am Ufer und in der Sohle gehört zur funktionsfähigen Gewässerbiozönose und ist auch im Interesse der Landschaftspflege und des Artenschutzes erforderlich. Viele Wasserpflanzen sind in ihrem Bestand bereits stark gefährdet bzw. vom Aussterben bedroht. Die Ursache hierfür liegt nicht allein in den bisher üblichen Ausbau- und Unterhaltungsmaßnahmen, sondern auch in dem erhöhten Nährstoffangebot, das nur wenige Arten begünstigt, zahlreiche andere aber verdrängt, die an einen geringen Nährstoffgehalt angepaßt sind.

In den Oberläufen der Fließgewässer spielt der Eintrag partikulärer organischer Substanz aus der Umgebung (Laub, Holz, Insekten) eine große Rolle für die tierische Produktion, die wesentlich auf diesen Eintrag von Nahrung angewiesen ist.

Lichtverhältnisse und Temperatur

Natürliche Fließgewässer werden weithin von geschlossenen Ufergehölzen begleitet. Die damit verbundene Beschattung läßt in kleinen Gewässern nur einen geringen Bewuchs an Makrophyten (Blütenpflanzen, Moose, fädige Rot- und Grünalgen) sowie Mikrophyten (vor allem Kiesel- und Blaualgen) aufkommen. Diese breiten sich erst dann stärker aus, wenn Ufergehölze fehlen.

Neben den Ufergehölzen schwächt starker Schwebstoffgehalt den Lichteintritt ins Gewässer ab, z.T. bis zum völligen Schwund von Pflanzen. Ausbuchtungen in schmalen Fließgewässern und größere Gewässer, die nicht vollständig von Ufergehölzen überschirmt werden, können von Natur aus bis in etwa 2 m Wassertiefe einen reichen Besatz an Wasser-, Sumpf- und Röhrichtpflanzen aufweisen.

In engem Zusammenhang mit dem Licht steht der Temperaturhaushalt der Gewässer. Beschattung behindert die Erwärmung. Durch Entfernen der beschattenden Ufergehölze, durch Verbreitern des Gewässerbetts und Verlängern der Fließzeit durch Stauhaltungen wird die Erwärmung des Wassers gefördert. Dadurch kann z.B. ein sommerkühles Forellengewässer in einen ökologisch weniger wertvollen Zustand versetzt werden. Höhere Wassertemperaturen verstärken die Stoffwechselgeschwindigkeit der Organismen und beeinflussen den Sauerstoffhaushalt erheblich.

Sauerstoffhaushalt

Der Sauerstoffhaushalt gehört entsprechend seiner hervorragenden Bedeutung für das Leben in den Gewässern und damit auch für die biologische Selbstreinigung zu den wichtigsten abiotischen Faktoren. Er wird von mehreren zum Teil gegenläufigen Vorgängen beeinflußt.

Physikalischer Sauerstoffeintrag erfolgt aus der Luft und ist von zahlreichen Faktoren abhängig (z.B. Größe der Luft-Wasser-Grenzfläche, Turbulenz, Einwirkzeit).

Biogener Sauerstoffeintrag erfolgt am Tage durch Photosynthese der festsitzenden Blütenpflanzen, Moose und Algen sowie in großen Flüssen und Stauhaltungen auch durch die im Wasser schwebenden Planktonalgen.

Sauerstoffverbrauch erfolgt durch Atmung von Tieren und Pflanzen und vor allem beim Abbau organischer Substanzen durch Bakterien und andere Mikroorganismen. Gelegentlich können rein chemische Vorgänge zu nennenswertem Sauerstoffverbrauch führen. Die Abnahme der Löslichkeit des Sauerstoffs im Wasser mit zunehmender Temperatur kann ebenfalls eine Rolle spielen. Da der Sauerstoffverbrauch der Organismen bei zunehmender Temperatur ansteigt, summieren sich die negativen Auswirkungen bei Temperaturerhöhung und gleichzeitiger organischer Belastung; denn die temperaturbedingte Intensivierung der Selbstreinigung hat einen erhöhten Sauerstoffverbrauch der Bakterien in abwasserbelasteten Strecken zur Folge. Dies kann in kritisch belasteten bis stark verschmutzten Gewässern (Güteklasse II - III und schlechter) zu Fischsterben durch Sauerstoffmangel führen. Ähnlich nachteilig wirkt sich plötzliches

Absterben von Algen nach Wetterstürzen aus. In stark überdüngten, verkrauteten Gewässern kann die Sauerstoffproduktion der Pflanzen am Tage zu erheblicher Übersättigung führen. In den Nachtstunden wird jedoch so viel Sauerstoff verbraucht, daß sogar völliger Sauerstoffschwund eintreten kann, wenn der Verbrauch an Sauerstoff durch alle Organismen im Wasser stärker steigt als der Sauerstoffeintrag durch die Photosynthese der Pflanzen. Daneben führt starke Assimilation der Pflanzen zur Erhöhung des pH-Wertes und somit zur Umwandlung von Ammonium zu fischgiftigem Ammoniak.

Bei guter Sauerstoffversorgung bilden sich in den Bächen und Flüssen artenreiche, vielgestaltige Biozönosen aus, die in ihrem Charakter von den übrigen Standortfaktoren geprägt werden. Mit zunehmendem Sauerstoffdefizit, auch wenn es nur gelegentlich und kurzzeitig auftritt, sinkt die Artenzahl der Wassertiere schnell ab. Insbesondere verschwinden die an hohen Sauerstoffgehalt gebundenen Reinwasserformen, wie z.B. unter den Fischen die Forellen und Äschen. Im Extremfall kann es zur völligen Verödung des Gewässers kommen.

Stillwasserbereiche

Im Fließgewässer sind neben kleinsten Bereichen mit geringer oder fehlender Strömung auch größere Stillwasserbereiche als Lebensraum für wirbellose Tiere und Pflanzen von Bedeutung. Sie finden sich besonders in Kolken, unter Baumwurzeln und hinter größeren Steinen. Für Fische sind größere Stillwasserzonen als Stand-, Ruhe-, Zufluchts-, Nahrungs-, Laich- und Aufwuchsplätze erforderlich. Das gilt besonders für Fischarten wie Forelle, Äsche und Koppe sowie für Neunauge und Edelkrebs. Wenn solche Ruhezonen fehlen, kann der gesamte Bach bzw. Flußabschnitt für Fische unbesiedelbar sein.

Durchgängigkeit

Eine wesentliche Voraussetzung für die Ausbildung vollständiger Lebensgemeinschaften in Fließgewässern ist die ökologische Durchgängigkeit, und zwar sowohl in Längs- und Querrichtung als auch in vertikaler Richtung. Die Durchgängigkeit in Längsrichtung aufwärts wie abwärts ist von besonderer Bedeutung für den Austausch von Organismen, insbesondere für Wanderfische wie Lachs und Meerforelle sowie Neunaugen, die zum Laichen in kleine Fließgewässer aufsteigen müssen.

Auch andere Fischarten führen Wanderungen oder Ortswechsel durch. Bachforellen und Barben steigen zur Vermehrung in flußaufwärts gelegene Gewässerabschnitte oder Seitenbäche auf. Nasen wechseln täglich zwischen Ruhe- und Freßplätzen. Brassen ziehen sich zum Überwintern in tiefe Kolke zurück. Junge Koppen benötigen ein feinkörnigeres Substrat als die ausgewachsenen, die grobschotterige Abschnitte bevorzugen. Verdriftete Fische und andere Tiere führen flußaufwärts gerichtete Kompensationswanderungen durch. Dafür sind sie auf Bereiche mit geringer oder fehlender Strömung angewiesen.

Die ökologische Durchgängigkeit wird durch Stauanlagen in Fließgewässern erheblich beeinträchtigt. Diese Anlagen sind Barrieren für Fische und andere Wasserorganismen. Weitere Wanderungshindernisse sind Sohlabstürze, steile Rampen, verrohrte oder im Sohlbereich künstlich befestigte Abschnitte.

Der durch Stauhaltungen unterbundene Feststofftransport und die veränderte Abflußdynamik führen zu einer Umwandlung der Gewässermorphologie und damit des Lebensraumes. Die Durchgängigkeit in Querrichtung ist Voraussetzung für die Ausbreitung der Organismen in die Nebengewässer und in den amphibischen sowie terrestrischen Bereich. Die Durchgängigkeit in vertikaler Richtung bietet den Organismen die Möglichkeit, das Lückensystem (Interstitial) der Gewässersohle zu besiedeln.

Gewässerabhängige Tierwelt

Neben den im Wasser lebenden Tieren sind auch die am Gewässer lebenden Tiere - vor allem Vögel, Amphibien und Insekten - zu beachten, da sie unmittelbar vom fließenden Wasser (z.B. als Nahrungsquelle) abhängig sind.

Nach ihren speziellen Ansprüchen an die Lebensstätte sind z.B. Wasservögel für bestimmte Gewässerabschnitte typisch. So ist die Wasseramsel ein Charaktervogel sauberer Bäche und Flüsse im Bergland mit rauher Gewässersohle und dem entsprechenden Muster der Fließgeschwindigkeiten. Charakteristisch für Mittelgebirgsbäche ist die Gebirgsstelze. Der Eisvogel besiedelt Bach- und Flußabschnitte mit Steilufern und einem dem Gewässer entsprechenden Jung- und Kleinfischbestand. Uferschwalben benötigen ebenfalls Steilufer als Nistplätze. Viele Watvögel, wie der Flußuferläufer, sind dagegen auf im Sommer trockenfallende Schlamm- oder Kiesflächen angewiesen. Für Durchzügler und Wintergäste - wie Enten und Gänse - sind große, naturnahe Gewässer samt ihrer Uferbereiche lebensnotwendig. Amphibien sind auf Bereiche mit geringer oder fehlender Strömung beschränkt. Die meisten Libellen benötigen als Lebensraum pflanzenreiche, besonnte Gewässerabschnitte. Daneben gibt es auch selten gewordene Libellenarten, deren Larven in kleinen Stillwasserbereichen sommerkühler Bäche leben.

3.2.4 Amphibischer Lebensraum

Der amphibische Bereich eines Fließgewässers entspricht in etwa dem unteren Mittelwasserbereich. Er ist häufig wiederkehrenden Wasserstandsschwankungen ausgesetzt.

An großen Flüssen kann sich bei flachem Ufer, im amphibischen Bereich, eine Röhrichtzone ausbilden. Diese ist an kleinen Flüssen und Bächen eher fragmentarisch ausgeprägt, weil hier die Ufer meist steil abfallen.

An breiten Fließgewässern kann im amphibischen Bereich eine Abfolge von Landpflanzen wachsen, die sich entweder jeweils von neuem auf trockenliegendem Boden ansiedeln und in einer Vegetationsperiode ihren Lebenszyklus beenden oder als Stauden ausmauern, weil sie oft wiederkehrende Überflutungen vertragen. So entstehen einjährige Knöterich-Gänsefuß-Krautfluren, Platthalmbinsen- und Wildkressen Gesellschaften, Rohrglanzgras-Flußuferröhrichte, die bei geringer Wasserbewegung auch Stillwasserröhrichtpflanzen enthalten, Flutrasen und - als Grenzfall im oberen Mittelwasserbereich - auch Schmalblattweidengebüsche. Wasserseitig treten z.T. Durchdringungen mit Wasserpflanzengesellschaften auf. An schmalen, gehölzgesäumten Wasserläufen beschränkt sich bei vom Menschen ungestörten Verhältnissen der Bewuchs im amphibischen Bereich auf kleinflächige Bestände von Bachkräutern und Flußuferröhrichten sowie auf vereinzelte Vorkommen kurzlebiger Krautfluren. Diese kommen hauptsächlich auf Gleitufern und inselartigen Anlandungen zur Entwicklung.

Fehlt im angrenzenden terrestrischen Bereich der Baumbewuchs, kann sich, durch den ungehinderten Lichteinfall gefördert, verstärkt ein Röhrichtstreifen ausbilden, der auch auf höhergelegene Bereiche übergreifen kann. Landseitig wird das Uferröhricht vielfach von Hochstaudenfluren abgelöst.

Die amphibische Zone ist Lebensraum von speziell an die hier herrschenden Verhältnisse angepaßten Pflanzen und Tieren. Die amphibisch lebenden Tiere halten sich nur zeitweise hier auf, sind aber in ihrem Lebenszyklus auf das Vorhandensein der amphibischen Zone dringend angewiesen. Deshalb soll die amphibische Zone, wo immer sie ausgebildet ist, bei der Gewässerunterhaltung besondere Berücksichtigung finden. Dies gilt vor allem für die wandernden Kiesbänke als selten gewordene, extreme Lebensstätten.

3.2.5 Terrestrischer Lebensraum

Der terrestrische Bereich schließt sich an den amphibischen im oberen Mittelwasserbereich an. Als im Gelände sichtbare untere Grenze gilt im allgemeinen der Beginn des Gehölzbewuchses.

Der terrestrische Bereich wird so weit zur Aue gerechnet, wie er noch überflutet wird (rezente Aue). Sind ursprüngliche Überflutungsräume etwa durch Geländeaufhöhungen oder Gewässerausbaumaßnahmen verlorengegangen oder durch Deiche abgetrennt worden, so kann eine Abgrenzung von früheren Überflutungsräumen nach älteren Karten oder Darstellungen sowie nach Bodentypen erfolgen, um je nach Aufgabenstellung sinnvolle Bereiche zu ermitteln.

Fließgewässer und ihre Auen stehen miteinander in enger Wechselbeziehung. Eine besonders enge Beziehung besteht zwischen dem Fließgewässer und seinen Altarmen, Altwassern, Dellen und Flutmulden. Bei Hochwasser werden sie überflutet. Dabei werden Substrate und Organismen aufgenommen und abgelagert. Darüber hinaus werden auf ganzer Fläche Bodenwasserhaushalt und Bodennährstoffhaushalt vom Gewässer geprägt. Hinzu kommen Veränderungen der Oberflächengestalt durch Abtrag und Auflandung. Andererseits beeinflußt die Aue maßgeblich den Stoffhaushalt des Gewässers.

Der terrestrische Bereich läßt sich anhand seines Bewuchses meist in eine Weichholz- und in eine Hartholzaue untergliedern. Am deutlichsten kommt dies an größeren Flüssen zur Geltung, wo von Natur aus auf tieferem Niveau Silberweidenwälder, auf höherem Stieleichen-Eschen-Auenwälder wachsen. An kleinen Flüssen und Bächen, bei denen das Hochwasser nur kürzere Zeit andauert, übernehmen schmale, oftmals unterbrochene Erlenmischwälder die Rolle des Silberweidenwaldes und Stieleichen-Hainbuchenwälder die des Stieleichen-Eschen-Auenwaldes.

Die natürlichen Wälder in der Aue gehören zu den seltenen und schützenswerten Lebensräumen, mosaikartig durchdrungen von Röhrichten, Seggenrieden, Hochstaudenfluren und Flutrasen. Durch die Nutzung des Menschen entstanden die vielfältigen Grünlandpflanzengesellschaften der Wiesen und Weiden. Das daraus entstandene Mosaik von Vegetationseinheiten kann Lebensraum vieler, teils selten gewordener Pflanzen und Tiere sein.

Die Erhaltung oder die Rückgewinnung auentypischer Lebensräume, vor allem von Auenwäldern, kann nur gelingen, wenn die charakteristischen Standortbedingungen,  - namentlich die Überflutungen - , gegeben sind.

3.2.6 Stillgewässer in der Aue

Stillgewässer in der Aue, die von einem Fließgewässer durch natürliche Vorgänge oder durch bauliche Maßnahmen abgeteilt sind, werden als Altgewässer bezeichnet. Sie werden untergliedert in:

Altarme und Altwasser gehören von Natur aus zum Fließgewässer. Sie entstehen durch Bettverlagerungen und das Abschnüren von Mäandern. Wie stehende Gewässer verlanden sie unter natürlichen Bedingungen allmählich, wobei sie vom offenen Gewässer bis zum Bruchwald die verschiedensten Entwicklungsstadien durchlaufen. Die natürliche Dynamik des Fließgewässers kann diese Entwicklung auch unterbrechen und von neuem Altgewässer entstehen lassen. Das Nebeneinander von Stillgewässern unterschiedlichen Alters führt zu einem Mosaik verschiedener Lebensräume in der Aue.

Der Alterungsprozeß von Altgewässern vollzieht sich unter natürlichen Bedingungen innerhalb von Jahrhunderten bis zu Jahrtausenden. Als Folge der seit einigen Jahrzehnten ablaufenden rasanten Eutrophierung verlanden viele Gewässer durch Verkrautung und Verschlammung derart rasch, daß sie innerhalb weniger Jahre ihren ursprünglichen Charakter verlieren.

Altgewässer enthalten eine an ruhendes oder schwach strömendes Wasser angepaßte Lebensgemeinschaft aus Pflanzen und Tieren, die sich ständig hier aufhalten. Insbesondere kann sich Plankton (im Wasser schwebende Pflanzen und Tiere) entwickeln. Zusätzlich sind diese Stillgewässer Zufluchtsort für Fische bei Hochwasser. Als zeitweiliger Aufenthaltsort sind sie z.B. für Libellen und Amphibien erforderlich, die solche Gewässer zur Fortpflanzung oder Überwinterung aufsuchen.

Eine weitere ökologische Funktion der Altgewässer besteht darin, daß hier häufig Röhrichte und Wasserpflanzen der Stillgewässer wachsen. So ausgestattete Altgewässer dienen bestimmten Fischarten als Laichplatz und sind zugleich Lebensgrundlage der Fischbrut und der wirbellosen Tiere. Die anschließenden wechselfeuchten, zeitweise überfluteten Flächen mit Hochstaudenfluren, Seggenrasen, Feuchtwiesen und feuchten Wäldern sind die Lebensstätte bzw. das Rückzugsgebiet zahlreicher Pflanzen- und Tierarten.

3.3 Uferstreifen

Zur naturnahen Entwicklung muß den Gewässern genügend Raum zur Verfügung stehen, in dem sie sich aufgrund ihrer Eigendynamik verlagern können. Dafür müssen ausreichend breite; mit einem dem Gewässerschutz Rechnung tragenden Bewuchs versehene Landstreifen (Uferstreifen) die Gewässer beidseitig begleiten. Die Uferstreifen sind integraler

Bestandteil der Gewässer. Profilveränderungen der Gewässer, die sich in diesen Streifen einstellen, sind ausdrücklich erwünscht. Das fördert die Strukturvielfalt des Gewässers, die neben einer guten Wasserbeschaffenheit Voraussetzung dafür ist, daß sich eine gewässertypische Lebensgemeinschaft ausbilden kann.

Von Natur aus wären alle Gewässer weithin von Wald gesäumt. Deshalb sollen sie auch in der Kulturlandschaft möglichst von einem Waldsaum begleitet werden (vgl. 3.7.4).

Uferstreifen bieten vielen Tieren und Pflanzen Lebens- und Regenerationsräume. Sie verbinden das Gewässer mit der genutzten Aue und verbessern die Austauschbeziehungen zwischen diesen Räumen. Im Längsverlauf stellen sie wichtige Wanderwege für Organismen dar und ermöglichen einen durchgängigen Biotopverbund. Sie bereichern außerdem das Landschaftsbild.

Naturnahe Gewässer mit ihren gehölzbestandenen Uferstreifen halten das Wasser länger in der Landschaft zurück, vergleichmäßigen damit das gesamte Abflußgeschehen und dämpfen auf diese Weise auch die Abflußspitzen bei Hochwasser.

Werden ufernahe Flächen intensiv landwirtschaftlich genutzt, besteht die Gefahr eines Stoffeintrages in die Gewässer. Die Uferstreifen wirken als Puffer und mindern die Stoffeinträge aus angrenzenden Flächen. Vor allem halten sie bei Abflüssen auf der Bodenoberfläche in gewissem Maße die Bodenpartikel und die an diese gebundenen Nähr- und Schadstoffe zurück. Darüber hinaus sollte jedoch darauf hingewirkt werden, daß die Nutzung der an die Uferstreifen angrenzenden Flächen geändert wird, um so die Stoffeinträge langfristig zu verringern.

Neben dem ökologischen Wert bieten Uferstreifen mit weithin geschlossenen Gehölzsäumen den zusätzlichen Gewinn, daß die Gewässerunterhaltung reduziert oder gar eingestellt werden kann.

Die Breite des Uferstreifens ist entscheidend abhängig vom Gewässertyp, der Verlagerungsintensität des Gewässers, der Stabilität der Ufer, der Oberflächengestaltung und ihrer Nutzung.

Die Planung des Uferstreifens wird vom Entwicklungsziel für das Gewässer bestimmt (vgl. 4., Entwicklungsziel). Demgemäß ist ein naturnaher Gewässerverlauf zugrunde zu legen, wie er von einem entfesselten Gewässer durch Eigendynamik im Laufe der Zeit zu erwarten ist. Außerdem muß sich ein Gehölzbestand aus Bäumen und Sträuchern ungestört entwickeln können. Als Anhalt für die erforderliche Breite des Uferstreitens an dem so zu erwartenden Wasserlauf kann die Gewässerbreite zwischen den Böschungsoberkanten dienen, aber nicht weniger als 5 m auf jeder Seite ab Böschungsoberkante.

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