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Regelwerk; BGI / DGUV-I

BGI/GUV-I 509 / DGUV Information 204-022 - Erste Hilfe im Betrieb
Berufsgenossenschaftliche Informationen für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (BGI/GUV-I)
(bisherige ZH 1/142)

(Ausgabe 10/2004; 10/2007; 12/2009; 07/2013aufgehoben)



Zur aktuellen Fassung

redak. Hinweis:
Archiv: 12/2009
vgl. ArbStättV 2004, Anhang Nr. 4.3/1 Erste-Hilfe-Räume, 4.3/2, 3 Erste-Hilfe-Ausstattung


Vorbemerkung

Der aus dem Siebten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VII), zuletzt geändert durch das Unfallversicherungsmodernisierungsgesetz (UVMG), an die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung gerichtete Auftrag, für eine wirksame Erste Hilfe zu sorgen, wird konsequent in der Basis-Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) in einem Abschnitt "Erste Hilfe" umgesetzt.

Die Organisation der Ersten Hilfe im Betrieb wird in der Regel zur Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGR/GUV-R A1) und in dieser Information näher bestimmt. Die vorliegende ausführliche Information "Erste Hilfe im Betrieb" (BGI/GUV-I 509) beantwortet durch die Unfallverhütungsvorschrift aufgeworfene Fragen, wobei sie andere einschlägige Vorschriften - insbesondere das staatliche Recht - mit berücksichtigt. Auch die Erste Hilfe im öffentlichen Dienst ist dabei berücksichtigt. Die Bestimmungen für die Erste Hilfe in Schulen, Hochschulen und Kindertageseinrichtungen sowie Hochschulen unterliegen den Bestimmungen der einzelnen Bundesländer und sind teilweise unterschiedlich ausgestaltet und im Rahmen dieser Information nicht besonders wiedergegeben.

In den Informationen "Plakat Erste Hilfe" (BGI/GUV-I 510), "Anleitung zur Ersten Hilfe" (BGI/GUV-I 503) und "Handbuch zur Ersten Hilfe" (BGI/GUV-I 829) sowie "Handbuch zur Ersten Hilfe in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für Kinder" (BGI/GUV-I 5146) werden lebensrettende Sofortmaßnahmen und weitere Erste-Hilfe-Maßnahmen in unterschiedlicher Ausprägung vermittelt.

Schließlich werden in den Grundsätzen "Ermächtigung von Stellen für die Aus- und Fortbildung in der Ersten Hilfe" (BGG/GUV-G 948) sowie "Aus- und Fortbildung für den betrieblichen Sanitätsdienst" (BGG/GUV-G 949) die Regelungen näher erläutert, die in den Anforderungskriterien der Unfallverhütungsvorschrift genannt sind und von den ausbildenden Stellen für Ersthelfer und Betriebssanitäter zu erfüllen sind.

Die nachfolgende Darstellung gibt einen schematischen Überblick über die Struktur des Vorschriften- und Regelwerkes der Unfallversicherungsträger zur Ersten Hilfe im Betrieb.

1 Einleitung

Diese Information wendet sich an alle Personen, die darum bemüht sind, dass bei Unfällen im Betrieb Verletzte die notwendige Erste Hilfe erhalten. Die Erste Hilfe bei akuten Erkrankungen ergibt sich aus der Fürsorgepflicht des Unternehmers. Trotz intensiver Bemühungen und erheblicher Fortschritte in der Unfallverhütung wird die Erste Hilfe nicht entbehrlich. Mehr oder weniger geringe Unfallhäufigkeiten in einzelnen Gewerbezweigen oder dem öffentlichen Dienst sowie die jährliche durchschnittliche Unfallquote aller Mitgliedsunternehmen, z.B. der gewerblichen Berufsgenossenschaften (etwa 26 betrieblich meldepflichtige Arbeitsunfälle auf 1.000 Beschäftigte, darunter schätzungsweise ein Notfall, d. h. ein Unfall mit lebensbedrohlichen Funktionsstörungen), sollten nicht dazu führen, dass der Ersten Hilfe bei beruflich er Tätigkeit weniger Beachtung geschenkt wird. Auch könnte es verhängnisvoll werden, wenn im Betrieb das Gefühl aufkäme, vor Unfällen sicher zu sein. Die Vorkehrungen für den Ernstfall lassen sich nicht erst dann treffen, wenn der Unfall bereits eingetreten ist. Die Statistik spricht schließlich dafür, dass jeder Versicherte in die Lage geraten kann, Erste Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Durchschnittlich erleidet jeder Erwerbstätige in seinem Berufsleben einen Arbeitsunfall mit einer Ausfallzeit von mehr als drei Tagen.

Der sachliche Geltungsbereich der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) ist durch die Rechtsbegriffe abgesteckt, die den Aufgabenbereich der gesetzlichen Unfallversicherung bestimmen. Das sind nach § 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Sozialgesetzbuch VII) der Arbeitsunfall, die Berufskrankheit und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren. Erste Hilfe ist im Rahmen der §§ 14 und 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch VII deshalb bei jeder akuten Gesundheitsschädigung oder lebensbedrohlichen Störung einer Körperfunktion, die auf einer versicherten Tätigkeit im Sinne der §§ 8 und 9 Sozialgesetzbuch VII zurückzuführen ist, zu leisten. Verantwortlich für Einrichtungen, Organisation und Durchführung der Ersten Hilfe ist der Unternehmer. Die Verantwortung trägt er, soweit sein Einflussbereich aufgrund der Arbeitsverhältnisse mit den Versicherten reicht. Im Ergebnis betrifft der Abschnitt "Erste Hilfe" der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) die Erste Hilfe bei Arbeitsunfällen im engeren Sinne gemäß § 8 Abs. 1 und bei solchen Berufskrankheiten gemäß § 9 Sozialgesetzbuch VII, die zum Beispiel durch eine zeitlich begrenzte Gefahrstoffeinwirkung (Vergiftung, Verätzung), ausgelöst werden. Außerhalb der eigentlichen beruflichen Tätigkeit des Versicherten liegende Schadensereignisse, z.B. Wegeunfälle, sind in der Regel der Einflusssphäre des Unternehmers und damit dem Regelungsbereich der Unfallverhütungsvorschrift entzogen. Unter dem Begriff der Ersten Hilfe fasst der Abschnitt "Erste Hilfe" der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) alle Personen, Einrichtungen und organisatorischen Maßnahmen zusammen, die die Aufgabe haben bzw. dem Ziel dienen, bei einem Unfall dem Verletzten zu helfen, ihn aus einer Gefahrenlage für Leib- und Leben zu retten, ihn transportfähig zu machen und der Heilbehandlung zuzuführen. Ihr Geltungsbereich erstreckt sich darüber hinaus auf eng mit der Ersten Hilfe verbundene Pflichten, insbesondere die Verpflichtung des Unternehmers, über die im Einzelfall geleistete Erste Hilfe eine Dokumentation zu führen, und die Verpflichtung des Versicherten, den Unfall dem Unternehmer zu melden. Diese sind gemeint, wenn im Abschnitt "Erste Hilfe" der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) das Verhalten bei Unfällen angesprochen wird.

Diese Informationsschrift beantwortet zwar vor allem durch den Abschnitt "Erste Hilfe" der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) aufgeworfene Fragen, lässt aber andere wichtige Vorschriften über die Erste Hilfe nicht außer Acht. Sie setzt die Lektüre der rechtlichen Bestimmungen voraus, sie will den im Betrieb für die Organisation der Ersten Hilfe, ihre Einrichtungen und ihr Personal Verantwortlichen praktischer Ratgeber sowie Entscheidungshilfe sein. Durch Beispiele, Erläuterungen der Vorschriften sowie Hinweise auf Erkenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet des Rettungswesens soll bei Unternehmern, ihren Beauftragten, Betriebsärzten und Fachleuten für Prävention größeres Verständnis für die Fragen der Ersten Hilfe geweckt und ihnen Anregungen für ihre Arbeit gegeben werden.

2 Begriffsbestimmungen

2.1 Erste Hilfe

Bei Arbeitsunfällen zu helfen, ist Bürgerpflicht; doch Erste Hilfe will gelernt und organisiert sein.

Rechtsgrundlagen:

§ 323c Strafgesetzbuch,

§§ 24 bis 28 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1).

Zum Helfen sind wir alle, also jeder, sogar gesetzlich verpflichtet. § 323c Strafgesetzbuch droht demjenigen Strafe an, der bei einem Unglücksfall vorsätzlich nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm zuzumuten ist. Hilfe ist erforderlich, wenn der Verletzte ohne sie weiter gesundheitlich geschädigt würde und der Pflichtige die Chance hat, die Gefahr abzuwenden, d. h., es ihm möglich ist, in den Geschehensablauf helfend einzugreifen. Von ihm wird die Hilfe verlangt, die zu leisten er in der Lage ist. Sie muss zweckmäßig und rechtzeitig erfolgen.

Zielgerichtet helfen kann nur, wer erkennen kann, welche Maßnahmen notwendig sind und diese auch beherrscht, also ausgebildet ist. Rechtzeitig kann die Hilfe nur erfolgen, wenn sichergestellt ist, dass zu jeder Zeit und an jedem Ort bei einem Unglücksfall umgehend geschultes Personal plangemäß eingesetzt werden kann und die notwendigen Hilfsmittel zur Verfügung stehen. Eine Hilfe, die sich in der Möglichkeit erschöpft, einen Arzt herbeizurufen oder den Verletzten schnell ins Krankenhaus zu bringen, wäre für einen Notfallpatienten tödlich (siehe Abschnitte 2.3 und 6.4). Um irreparable Schäden und den Tod zu verhindern, ist Hilfe so lange erforderlich, bis die Heilbehandlung einsetzt. Lückenlose Hilfe vom Ort des Geschehens an bis ins Krankenhaus kann nur durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt werden.

Die Hilfe dient der Heilbehandlung, ohne selbst eine solche zu sein. Die Heilbehandlung hat zum Ziel, den durch den Unfall verursachten Gesundheitsschaden zu beseitigen oder zu bessern, seine Verschlimmerung zu verhüten und seine Folgen zu mildern (§ 26 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VII).

Die Hilfe erfolgt, um die Chancen für die medizinische Rehabilitation zu schaffen oder zu bewahren. Sie hat vorläufigen Charakter und währt, bis die Heilbehandlung einsetzt. Das Tätigwerden in diesem Rahmen wird als Erste Hilfe bezeichnet.

Unter der Ersten Hilfe sind dementsprechend Leistungen zu verstehen, durch die Verletzte, Vergiftete und Erkrankte zur Abwendung akuter Gesundheits- und Lebensgefahren durch eigens dazu ausgebildete Helfer vorläufig medizinisch versorgt und der Heilbehandlung zugeleitet werden. Für den Begriff der Ersten Hilfe ist es gleichgültig, welchen Grad der Qualifikation der Helfer hat, sofern er nur ausgebildet ist. Grundsätzlich wird unterschieden zwischen der Ersten Hilfe des ausgebildeten "medizinischen Laien", z.B. des Ersthelfers, des Sanitäters, sowie der ärztlichen Ersten Hilfe insbesondere des notfallmedizinisch weitergebildeten Arztes, des Notarztes.

Als besonderer Teil der Ersten Hilfe stellen sich die Sofortmaßnahmen dar, die bei lebensbedrohlichen Zuständen zu ergreifen sind (siehe Abschnitt 2.3). Je nachdem, ob sie vom Laien oder vom Notarzt durchgeführt werden, wird von lebensrettenden Sofortmaßnahmen (entsprechend § 19 der Fahrerlaubnisverordnung) bzw. von notfallmedizinischen Maßnahmen gesprochen.

Zum Gebiet der Ersten Hilfe zählen nicht nur die im konkreten Fall durchzuführenden Maßnahmen, sondern auch alle organisatorischen Maßnahmen, Vorkehrungen, Einrichtungen, Hilfsmittel, die sie vorbereiten, ermöglichen, verbessern und der Aufzeichnung dienen. Die Erste Hilfe lässt sich als vorbereitende Hand der medizinischen Rehabilitation verstehen. Stellt man die Gefahr, in der sich der Verletzte befindet, in den Vordergrund der Betrachtung, so wird anstelle von Erster Hilfe von Rettung gesprochen. Die organisatorische Gesamtheit der Ersten Hilfe findet unter diesem Gesichtspunkt ihren Ausdruck in den Begriffen Rettungsdienst und Rettungswesen.

2.2 Rettungskette

Die Rettungskette versinnbildlicht die Forderung nach einer lückenlosen Versorgung des Notfallpatienten, die am Ort des Geschehens beginnt und in der Klinik endet.

Rechtsgrundlagen:

§§ 24 bis 28 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1).

Für die Rettung des Notfallpatienten können Sekunden entscheidend sein. Deswegen muss die Versorgung unmittelbar am Ort des Geschehens einsetzen und sich auf dem Transport ins Krankenhaus fortsetzen, bis nach Stabilisierung der lebenswichtigen Funktionen, Befunderhebung und Diagnose die Heilbehandlung beginnen kann. Ersthelfer, Rettungsdienstpersonal, Notärzte sowie die Fachärzte in der Aufnahmestation reichen einander gleichsam die helfenden Hände zu einer rettenden Kette. Diese ist allerdings nur so stark wie ihr schwächstes Glied.

2.3 Notfallpatient

Notfallpatient ist jeder Verletzte und Erkrankte, bei dem eine Störung einer Lebensfunktion vorliegt oder bei dem der Eintritt einer solchen zu befürchten oder nicht sicher auszuschließen ist.

Rechtsgrundlagen:

Rettungsdienstgesetze der Bundesländer

Ursachen für die Störung einer Lebensfunktion können sein: Unfälle, Vergiftungen, Erkrankungen.

Beim Unfall handelt es sich um ein plötzlich eintretendes, den Körper verletzendes Ereignis, das von außen kommend mechanisch, thermisch, biologisch oder chemisch einwirkt und zu einem Gesundheitsschaden führt.

Bei einer Vergiftung werden von außen Schadstoffe zugeführt, die infolge ihrer Giftwirkung zu Störungen an den einzelnen, für das Leben wichtigen Funktionssystemen führen.

Bei einer Erkrankung, z.B. dem Herzinfarkt, ergibt sich die Lebensbedrohung dadurch, dass vorausgegangene krankhafte Veränderungen plötzlich die Funktion einzelner oder mehrerer Organe einschränken.

Für die Rettung kommt es zunächst nicht darauf an, welche dieser Ursachen die Lebensbedrohung bewirkt. Entscheidend ist die bloße Tatsache, dass der Patient in jedem Falle jener Fähigkeiten beraubt ist, die ihm unter normalen Verhältnissen Gesundheit und Leben garantieren. Natur und Ausmaß der Schädigung sind oftmals nicht sofort in vollem Umfang erkennbar. Auch in zunächst anscheinend einfachen Fällen können jederzeit bei der Ersten Hilfe oder auf dem Transport Veränderungen eintreten, die die lebenswichtigen Funktionen beeinträchtigen.

Die lebenswichtigen Funktionssysteme sind Atmung und Kreislauf sowie untrennbar damit verbunden der Wasser-Elektrolyt- mit dem Säure-basen-Haushalt und die Nierenfunktion. Um lebensrettende Hilfe leisten zu können, kommt es darauf an, die Störung zu erkennen. Zur Ausbildung in Erster Hilfe gehört daher in erster Linie Kenntnisse der häufigsten Gefährdungen des Lebens zu erwerben. Jeder, der diese Kenntnis besitzt, kann die bedrohlichen Anzeichen der Lebensgefährdung feststellen, ohne besondere Hilfsmittel einsetzen zu müssen.

Zur Feststellung einer Störung oder des Ausfalls einer vitalen Funktion sowie der daraus resultierenden Erste-Hilfe-Maßnahmen wird nach folgendem Schema vorgegangen:

  1. Bewusstsein prüfen: Ansprechen, anfassen, rütteln
  2. Atmung prüfen: Sehen, hören, fühlen
  3. Bedrohliche Blutungen aus Wunden: Druckverband,
  4. Schock: Blasse und kalte Haut, frieren und zittern, Schweiß auf der Stirn

2.4 Notruf

Durch den Notruf wird der Notfall gemeldet und Hilfe angefordert.

Rechtsgrundlagen:

§ 25 Abs. 1 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1).

Der Notruf muss klar und knapp alle Angaben enthalten, die erforderlich sind, um gezielt und ohne Zeitverlust die notwendigen Rettungseinheiten zum Einsatz zu bringen und an den Notfallort leiten zu können.

Die fünf W's des Notrufs

Der Notruf soll dem Rettungsdienst folgendes mitteilen:

Wo ist es passiert?

  • Genaue Angaben über den Ort des Geschehens, z.B. Notfallort, Straße, Betriebsteil, Etage.

Was ist passiert?

  • Kurze Schilderung des Geschehens, z.B. Erkrankung, Unfall, Feuer, eingeklemmte Personen, besondere Gefahren.

Wie viele Verletzte/Erkrankte?

  • Angaben über die Anzahl der Verletzten.

Welche Art von Verletzungen/Erkrankungen?

  • Angaben über Art und Schwere der Verletzungen und lebensbedrohliche Zustände, z.B. ungefähre Verletzungsschwere, besondere Zustände, wie Bewusstlosigkeit, Schock, Atemstillstand.

Warten auf Rückfragen!

  • Abwarten, ob die Rettungsleitstelle weitere Angaben wünscht; legen Sie erst auf, wenn das Gespräch von der Leitstelle aus beendet wird.


3 Unternehmerpflichten aus staatlichem Recht

Der Unternehmer ist für die Organisation der Ersten Hilfe in seinem Betrieb verantwortlich. Ihm obliegt es, die organisatorischen, sachlichen und personellen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass seine Beschäftigten bei einem Arbeitsunfall Erste Hilfe erhalten und entsprechend dem Prinzip der Rettungskette versorgt werden können.

Rechtsgrundlagen:

§§ 3, 10 Arbeitsschutzgesetz,

§ 61 Bundesberggesetz,

§§ 21, 23 Abs. 1 Sozialgesetzbuch VII,

§§ 3, 4 und 6 der Arbeitsstättenverordnung,

Berg(polizei)verordnungen.

3.1 Gesetzliche Grundpflichten

Einrichtungen, Organisation und Durchführung der Ersten Hilfe in Betrieben sind Teil der Fürsorge und des Arbeitsschutzes. Diese sind als grundlegende Pflichten des Unternehmers (Arbeitgebers, Dienstherrn) in verschiedenen Gesetzen normiert und haben zum Ziel, einen umfassenden Schutz der im Betrieb oder auf anderen Arbeitsstellen tätigen Versicherten (Beschäftigten, Dienstverpflichteten) vor einer Gesundheitsgefährdung durch die Arbeit und bei der Arbeit sicherzustellen. Der Unternehmer hat seinen Betrieb so einzurichten und alle Maßnahmen zu treffen, dass der Schutz der Versicherten vor Unfällen, Vergiftungen und Erkrankungen aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses gewährleistet ist, soweit die Eigenart des Betriebs (Arbeitseinrichtungen, -verfahren sowie -abläufe, Arbeitsplätze und das Verhalten der Versicherten) es gestattet. Die Schutzpflichten enden nicht mit dem bloßen Geschehen eines Unfalls oder einer Vergiftung oder dem Auftreten einer Erkrankung; der Verletzte muss auch vor einem Fortbestehen der Gefährdung, einer Vertiefung der Verletzung und dem Eintritt einer weiteren Schädigung geschützt werden, das heißt, er muss gerettet und der Heilbehandlung zugeführt werden, ihm muss Erste Hilfe gewährt werden.

Diese Grundpflicht ist nach Art der an ihre Verletzung geknüpften Rechtsfolgen in verschiedenen Gesetzen normiert, zum Beispiel:

Diese Grundpflichten des Unternehmers bedürfen aus Gründen der Rechtssicherheit und, um ihm Wege der Umsetzung derselben zu weisen, der Konkretisierung und Ausgestaltung zu Einzelpflichten. Der Gesetzgeber gibt in § 10 Arbeitsschutzgesetz hinsichtlich der Verpflichtung zur Bestellung von Erste-Hilfe-Personal und der Zusammenarbeit mit außerbetrieblichen Stellen für die Versorgung von Verletzten insbesondere dem öffentlichen Rettungsdienst allgemeine Anweisungen; er überlässt es aber den für den Arbeitsschutz und die Unfallverhütung zuständigen Stellen, das Nähere durch Rechtsverordnungen oder andere Vorschriften wie Unfallverhütungsvorschriften der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung zu regeln. Soweit solche nicht erlassen sind, hat der Unternehmer die der Sache nach gebotenen konkreten Arbeitsschutzmaßnahmen zu treffen, ohne dass ihm ein Ermessen zustünde. Die staatlichen Aufsichtsbehörden und die Unfallversicherungsträger haben den Unternehmer dabei gemäß § 21 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz und § 17 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch VII zu beraten.

Die Grundforderungen an den Unternehmer, die allgemein seine arbeitsrechtliche Treuepflicht bestimmen, werden durch gesetzliche Mitwirkungspflichten der Versicherten ergänzt. Zu erwähnen sind die §§ 15 und 16 Arbeitsschutzgesetz, wonach auch die Beschäftigten im Rahmen ihrer eigenen Möglichkeiten für Sicherheit und Gesundheitsschutz zu sorgen haben. § 66 Satz 1 Nr. 6 Bundesberggesetz enthält die Ermächtigung, gewisse Pflichten der Beschäftigten in Berg(polizei)verordnungen zu regeln. Nach § 21 Abs. 3 Sozialgesetzbuch VII haben die Versicherten entsprechend ihren Möglichkeiten alle Maßnahmen des Unternehmers "für eine wirksame Erste Hilfe zu unterstützen und die entsprechenden Anweisungen des Unternehmers zu befolgen".

3.2 Arbeitnehmerschutzvorschriften

Unter anderem aufgrund der §§ 18 ff. Arbeitsschutzgesetz sowie der §§ 66 und 68 Bundesberggesetz und des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch VII sind insbesondere folgende Arbeitnehmerschutzvorschriften, die Regelungen über die Erste Hilfe in Betrieben enthalten, erlassen worden:

mit grundlegenden Bestimmungen über die notwendigen Einrichtungen, die Organisation sowie das Zusammenwirken von Unternehmer- und Versichertenseite in der betrieblichen Ersten Hilfe.

Diese öffentlich- bzw. sozialrechtlichen Normen verpflichten den Unternehmer gegenüber den zuständigen Stellen, die sie zum Schutz der Beschäftigten bzw. Versicherten erlassen haben, also gegenüber dem Staat bzw. den Unfallversicherungsträgern. Jeweils für ihren Zuständigkeitsbereich können staatliche Arbeitsschutzaufsicht, Bergaufsicht und die Unfallversicherungsträger von den Unternehmern die Erfüllung der ihnen im Einzelnen nach diesen Vorschriften auferlegten Pflichten verlangen.

In arbeitsrechtlicher Hinsicht stecken diese Arbeitnehmerschutzvorschriften Inhalt und Umfang der dem Arbeitgeber obliegenden Fürsorgepflicht ab. Die Einzelpflichten sind automatisch Inhalt der Einzelarbeitsverträge. Kommt der Unternehmer bestimmten Fürsorgepflichten nicht nach, verletzt er den Arbeitsvertrag.

Adressat der Arbeitnehmerschutzvorschriften muss nicht allein der Unternehmer sein. Da sich ohne eine Mitwirkung der Versicherten Erste-Hilfe-Maßnahmen nicht verwirklichen lassen, haben die Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) und auch die " Allgemeine Bundesbergverordnung" Pflichten der Versicherten zum Inhalt.

3.3 Verantwortliche Personen - Übertragung von Pflichten

Verantwortlich für die Erste Hilfe oder anders ausgedrückt das betriebliche Rettungswesen ist nach § 21 Abs. 1 Sozialgesetzbuch VII der Unternehmer bzw. nach § 3 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz der Arbeitgeber (Alleininhaber, die Gesellschafter einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts oder die Vorstandsmitglieder eines nicht rechtsfähigen Vereins). Nach § 13 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz sind neben diesen auch andere Personen für die Erfüllung der dem Unternehmer obliegenden Arbeitsschutzpflichten verantwortlich. Zu nennen sind der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen Unternehmensinhabers, das vertretungsberechtigte Organ einer juristischen Person wie der Vorstand einer Aktiengesellschaft oder Genossenschaft, das Mitglied eines solchen Organs oder der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die vertretungsberechtigten Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft, z.B. einer offenen Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft.

Eine weitere Gruppe verantwortlicher Personen bilden Führungskräfte, die mit der Leitung eines Unternehmens oder eines Betriebs ganz oder zum Teil in eigener Verantwortung beauftragt sind und die in ihrem Aufgabenbereich selbstständig wie ein Unternehmer Entscheidungen zu treffen haben. Ein Betrieb wird zum Teil geleitet, wenn es sich um einen organisatorisch und räumlich getrennten Unternehmensbereich wie eine Zweigstelle oder eine besondere Produktionsanlage handelt, aber auch, wenn innerhalb eines Großbetriebs ein Werks- oder Abteilungsleiter die Aufgaben für seinen Bereich eigenverantwortlich wahrzunehmen hat. Es ist nicht notwendig, dass diese Leitungsorgane der oberen Ebene mit den Pflichten des Arbeitsschutzes bzw. der Unfallverhütung und der Ersten Hilfe ausdrücklich betraut werden. Die Wahrnehmung dieser Aufgaben ist Bestandteil der übertragenden Arbeitgeberfunktionen. Es ist jedoch zu Beweiszwecken angebracht, die Aufgaben und Befugnisse schriftlich zu fixieren, zum Beispiel im Geschäftsverteilungsplan eingehend zu beschreiben. Von dieser Gruppe müssen Personen der mittleren und unteren Führungsebene, wie Bereichsleiter, Meister oder dergleichen, unterschieden werden, die ebenfalls unternehmerische Aufgaben des Arbeitsschutzes in eigener Verantwortung wahrnehmen. Sie bedürfen hierfür eines ausdrücklichen, d. h. schriftlichen Auftrags nach § 13 Abs. 2 Arbeitsschutzgesetz. Die Schriftform bedeutet nach § 126 Bürgerliches Gesetzbuch die eigenhändige Unterschrift des Auftraggebers. Bei ihnen knüpft die Verantwortlichkeit für den Arbeitsschutz nicht an die Übertragung von betrieblichen Führungsaufgaben an. Fachkunde und Zuverlässigkeit dieser Personen müssen gewährleistet sein. Zur Wirksamkeit der Pflichtenübertragung bedarf es einer Übernahmeerklärung desjenigen, der zu beauftragen ist. Diese muss nicht schriftlich erfolgen, sollte aber zum Zwecke der Rechtssicherheit als Verpflichtung im Arbeits- bzw. Dienstvertrag, als Hinweis auf den Organisationsplan oder in einer Zusatzvereinbarung in der durch § 13 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) vorgesehenen Form festgehalten werden. Entsprechende Regelungen für Betriebe, die unter bergbehördlicher Aufsicht stehen, enthalten die §§ 58 bis 62 Bundesberggesetz sowie § 23 Allgemeine Bundesbergverordung.

Betriebsärzte fallen nicht unter den in § 13 Arbeitsschutzgesetz aufgeführten Personenkreis. Sie haben im Betrieb - ausgenommen in ihrem eigenen Fachbereich gegenüber ihrem Hilfspersonal - nach dem Arbeitssicherheitsgesetz keine Anordnungsbefugnisse. Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe e) und Nr. 4 Arbeitssicherheitsgesetz haben sie den Unternehmer lediglich zu unterstützen, ihn insbesondere bei der Organisation der Ersten Hilfe zu beraten und bei der Einsatzplanung und Schulung der Helfer mitzuwirken. Mit Rücksicht auf diese ihnen zugewiesenen Stabsfunktionen dürften den Betriebsärzten im Allgemeinen keine Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse zustehen, so dass sie für eine Pflichtenübertragung nicht ohne weiteres in Betracht kommen.

Bei den Unternehmerpflichten nach der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) ist zwischen solchen, die die Organisation des betrieblichen Rettungswesens betreffen und nicht ohne Einsatz finanzieller Mittel erfüllt werden können, und solchen zu unterscheiden, die mehr mit der Durchführung der Ersten Hilfe zusammenhängen und nicht entscheidend von bereitgestellten Mitteln abhängen, z.B. die Verpflichtung nach § 24 Abs. 4, den Verletzten dem von dem Unfallversicherungsträger bestimmten Arzt zuzuleiten, oder die nach § 24 Abs. 6, die Erste Hilfe im Einzelfall zu dokumentieren, oder die nach § 4, die Versicherten über das Verhalten bei Arbeitsunfällen zu unterweisen.

Der fachliche Bezug dieser Pflichten lässt es direkt sinnvoll erscheinen, sie dem Betriebsarzt, der als Werksarzt im Unternehmen angestellt ist, zu übertragen. Aber auch die anderen Pflichten aus der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) können diesem im Einzelfall übertragen werden, wenn die notwendigen Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse mit eingeräumt werden.

Ob z.B. die Entscheidungsbefugnisse über die Errichtung eines Erste-Hilfe-Raumes oder die Installation besonderer Alarm- und Meldeeinrichtungen nach § 24 Abs. 1 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 und 4 dem oder über Einrichtungen der Ersten Hilfe, die nicht ausdrücklich in der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) aufgeführt sind, wie etwa die Anlage eines Start- und Landeplatzes für Rettungshubschrauber oder die Anschaffung eines Rettungswagens oder auch die Befugnisse zur Einstellung von Betriebssanitätern und zur Bestellung von Ersthelfern gemäß §§ 26 und 27 zweckmäßigerweise auf den Betriebsarzt delegiert werden, hängt wesentlich von der Größe des Unternehmens, seiner Führungsstruktur, vom sonstigen Aufgabenbereich des Betriebsarztes und letzten Endes auch davon ab, welche Stellung ihm der Unternehmer einräumen will.

3.4 Verletzung von Unternehmerpflichten

Im Fall, dass einzelne dem Unternehmer obliegenden oder auferlegten Pflichten nicht oder schlecht erfüllt werden, hat der Unternehmer bzw. die verantwortliche Person mit abgestuften Rechtsfolgen zu rechnen. Diese können unter anderem in der Anwendung von Verwaltungszwang nach den Vollstreckungsgesetzen von Bund und Ländern, in der Verhängung einer Geldbuße bei Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit, in einer strafrechtlichen Verfolgung, wenn zum Beispiel ein Versicherter wegen fehlender Erste-Hilfe-Einrichtungen nicht oder unzureichend versorgt werden kann und dadurch zusätzlich gesundheitlich geschädigt oder getötet wird, sowie in einer Regressmaßnahme wegen erbrachter Sozialleistungen bestehen. Die vom Unfallversicherungsträger bevorzugte Maßnahme bei Verletzung der Unternehmerpflichten ist die Ahndung des Verstoßes durch Auferlegung eines Bußgeldes. Nach § 209 Abs. 3 Sozialgesetzbuch VII kann eine Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zur Höhe von EURO 10.000,- geahndet werden. Nach § 209 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 Sozialgesetzbuch VII handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer Unfallverhütungsvorschrift, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand bußgeldbewehrt ist, oder einer vollstreckbaren Anordnung nach § 19 Abs. 1 Satz 2 oder § 19 Abs. 2 Sozialgesetzbuch VII zuwiderhandelt. Der Tatbestand einer Zuwiderhandlung gegen die Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) ist insbesondere gegeben, wenn ein Unternehmer oder eine verantwortliche Person fahrlässig oder vorsätzlich eine sich aus § 2 Abs. 5, § 12 Abs. 2, § 24 Abs. 6, § 25 Abs. 1, 4 Nr.1 oder 3, § 26 Abs. 1 Satz 1 oder Absatz 2 Satz 1, § 27 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder 3, Absatz 3 ergebende Pflicht verletzt. Diese Bestimmungen sind durch § 32 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) bußgeldbewehrt.

Lehnt es z.B. ein Unternehmer beharrlich ab, einen Erste-Hilfe-Raum für seinen 1500 Versicherte beschäftigenden Betrieb einzurichten, unter Hinweis darauf, dass in Schichten gearbeitet werde und in keiner Schicht mehr als 600 Beschäftigte anwesend seien und damit der Schwellenwert von 1000 Beschäftigten nicht überschritten werde, oder ließe ein Unternehmer keine Mitarbeiter in der Ersten Hilfe ausbilden unter Berufung darauf, dass dies nicht notwendig sei, weil eine Rettungswache des öffentlichen Rettungsdienstes in der Nähe liege, so würde er § 25 Abs. 4 bzw. § 26 Abs. 1 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) zuwiderhandeln und den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 32 dieser Unfallverhütungsvorschrift und somit die Voraussetzungen für die Verhängung eines Bußgeldes erfüllen.

Der Unfallversicherungsträger, vertreten durch seine Aufsichtsperson im Sinne von § 18 Sozialgesetzbuch VII, wird jedoch trotz Verletzung einer konkret formulierten Pflicht nicht sogleich ein Bußgeld verhängen, sondern zunächst eine Anordnung nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VII treffen und dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Erfüllung seiner Verpflichtung setzen, zum Beispiel wenn der Unternehmer Ersthelfer in der nach § 26 Abs. 1 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) vorgesehenen Anzahl nicht bestellt, weil er meint, das sei ihm wegen der von ihm beschäftigten Halbtagskräfte und Aushilfen sowie wegen des mangelnden Interesses seiner Mitarbeiter nicht zumutbar. Kommt er der Anordnung nicht fristgemäß nach, so kann der Unfallversicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen wegen der dann vorliegenden Ordnungswidrigkeit ein Bußgeld nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Sozialgesetzbuch VII verhängen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Anordnung vollziehbar, d. h. unanfechtbar geworden ist.

Eine vollziehbare Anordnung kommt nicht nur zur Durchsetzung der in der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) konkret enthaltenen Forderungen an den Unternehmer in Betracht, sondern auch dann, wenn es um die Umsetzung einer allgemein formulierten Verpflichtung geht, die erst im Zusammenhang mit den betrieblichen Verhältnissen ihre Bestimmtheit erlangen kann. Durch eine Anordnung nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VII können nicht bußgeldbewehrte allgemein formulierte Tatbestände zu bestimmten Forderungen ausgestaltet werden. Nach § 25 Abs. 2 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) ist der Unternehmer verpflichtet, Erste-Hilfe-Material vorzuhalten. Dazu gehören nicht nur das in Verbandkästen enthaltene übliche Erste-Hilfe-Material, sondern auch bestimmte lebensrettende Medikamente. Müssen solche wegen einer bestehenden Vergiftungsgefahr bereitgehalten und muss für eine entsprechende Weiterbildung von geeigneten Ersthelfern oder Betriebssanitätern gesorgt werden, so kann der Unfallversicherungsträger den Unternehmer durch eine vollziehbare Anordnung verpflichten, für entsprechende Abhilfe zu sorgen. Kommt der Unternehmer der Anordnung nicht nach, so ist Raum für ein Bußgeld nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Sozialgesetzbuch VII.

§ 19 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch VII gibt dem Unfallversicherungsträger auch die Möglichkeit, eine vollziehbare Anordnung zur Abwendung besonderer Unfall- und Gesundheitsgefahren, d. h. solcher Gefahren, die nicht oder nicht hinreichend durch die Unfallverhütungsvorschrift geregelt sind, zu erlassen. Besteht zum Beispiel die Gefahr, dass Notfallpatienten vom bodengebundenen Rettungsdienst nicht rechtzeitig erreicht werden können und der Rettungshubschrauber nicht gefahrlos landen kann, um diese zu erreichen, kann die Notwendigkeit bestehen, eine Landestelle für Rettungshubschrauber anzulegen. In diesem Fall ist Raum für eine entsprechende Anordnung durch die zuständige Aufsichtsperson des Unfallversicherungsträgers, auch wenn die Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) keine derartige Verpflichtung für den Unternehmer enthält.

Eine Ordnungswidrigkeit liegt weiterhin vor, wenn der Unternehmer gegen eine sofort vollziehbare Anordnung verstößt, die von der Aufsichtsperson gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch VII bei Gefahr im Verzug zur Abwendung einer Unfallgefahr getroffen worden ist.

Gefahr ist im Verzug, wenn der Eintritt einer Körperverletzung oder des Todes von Versicherten zwar nicht gewiss, aber wahrscheinlich ist, d. h., eine Sachlage vorliegt, die bei ungehindertem Ablauf des zu erwartenden Geschehens wahrscheinlich zu einer nicht unerheblichen körperlichen Beeinträchtigung führt. Die Anordnung muss auf die Beseitigung der Unfallgefahr zielen und darf nur die zur akuten Gefahrenabwehr notwendigen Mittel verlangen. Eine derartige Anordnung im Bereich der Ersten Hilfe dürfte eine Ausnahme sein, da die Gefahrenabwehr in erster Linie auf die Beseitigung der Ursachen für den Eintritt bestimmter Unfälle gerichtet ist. Erste Hilfe bezieht sich zwar auf die Zeit nach Eintritt des Unfalls; da sie aber auch den Zweck hat, weitere Schäden zu verhindern, dient sie ebenfalls der Gefahrenabwehr. Die Gefahr kann zum Beispiel im Verzug sein, wenn ein Unternehmer unter Hinweis auf die Verpflichtung seiner Mitarbeiter, in ihren Kraftfahrzeugen, die auf dem betrieblichen Parkplatz abgestellt sind, gefüllte Verbandkästen mitzuführen, es unterlässt, im Betrieb Erste-Hilfe-Material bereit zu halten. Ob hier eine Anordnung nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch VII genügt oder der sofortige Vollzug nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch VII angeordnet werden muss, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Es ist davon auszugehen, dass offene Wunden infolge von Unfällen immer wieder auftreten, auch wenn die Verletzungen als geringfügig erscheinen, müssen sie durch Verbandmittel zur Vermeidung von zusätzlichen Infektionen geschützt werden. Eine sofort vollziehbare Anordnung könnte auch angezeigt sein, wenn eine bestimmte Unfallgefahr nicht allein durch technische Schutzmaßnahmen beseitigt werden kann und es bei Eintritt eines Unfalles darauf ankommt, dass der Verletzte nur durch Einsatz einer bestimmten Erste-Hilfe-Maßnahme vor weiterem schweren Schaden bewahrt werden kann. Zu denken ist zum Beispiel an Flusssäureverätzungen oder Cyanwasserstoffvergiftungen, die nur erfolgreich behandelt werden können, wenn ein entsprechendes Gegenmittel vor Ort verfügbar ist und sofort angewendet werden kann. In diesen Fällen muss unbedingt Vorsorge getroffen werden, auch wenn die Schädigung nicht unbedingt bevorsteht - was im Übrigen nicht Voraussetzung für die sofort vollziehbare Anordnung ist. Im Falle der Nichterfüllung ist wiederum der Weg nach § 209 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Sozialgesetzbuch VII frei.

Die entsprechenden Befugnisse der staatlichen Arbeitsschutzbehörden sind in den §§ 22 Abs. 3 und § 25 Arbeitsschutzgesetz geregelt.

3.5 Allgemeine Bürgerpflicht

Die Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) und das Arbeitsschutzrecht lassen Schadensereignisse unberührt, die nicht auf der versicherten Tätigkeit im Sinne der §§ 8 und 9 Sozialgesetzbuch VII bzw. dem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 1 Arbeitsschutzgesetz beruhen. Daraus folgt nicht, dass der Unternehmer/Arbeitgeber sich nicht um die Erste Hilfe bei Unfällen zu sorgen hat, die zum Beispiel auf eine "innere Ursache" oder auf "eigenwirtschaftliche Tätigkeit" des Verunglückten zurückzuführen sind. Bekanntlich ist jedermann gehalten, bei Unglücksfällen zu helfen, soweit es erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung wichtiger Pflichten möglich ist. Im Fall einer unterlassenen Hilfeleistung kann er sich nach § 323c Strafgesetzbuch strafbar machen. Dem Unternehmer ist es ohne weiteres zuzumuten und möglich, die für Arbeitsunfälle getroffene Sorgfalt auch bei anderen im Betriebsbereich, auf Baustellen und an anderen seinem Einfluss unterliegenden Orten auftretenden Unglücksfällen, vor allem bei sonstigen Notfällen anzuwenden. Es ist davon auszugehen, dass er diese Rechtsverhältnisse kennt und daher Arbeitsunfälle und sonstige Unglücksfälle gleich behandeln will. Die Beschäftigten sind entsprechend ihren Fähigkeiten dem Unternehmer bei jedem Unfall zur Mitwirkung in der Ersten Hilfe verpflichtet. Auch für sie gilt § 323c Strafgesetzbuch.

4 Unternehmerpflichten aus dem Recht der Unfallversicherungsträger

4.1 Ärztliche Versorgung

Es muss sichergestellt sein, dass jeder Versicherte die Heilbehandlung erfährt, die der Art und dem Umfang seiner Verletzung entspricht.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 Abs. 2 und 4 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1).

4.1.1 Arzt

Eine gute Erste Hilfe ist die Grundlage für eine erfolgreiche Heilbehandlung. Grundsätzlich ist der Verletzte dem Arzt vorzustellen, denn es ist eine ärztliche Aufgabe zu beurteilen, inwieweit nach einem Unfall Heilmaßnahmen angezeigt sind.

Es ist jedoch allgemein weder notwendig noch üblich, in jedem Fall einer Verletzung einen Arzt zu konsultieren. Damit keine übertriebenen Anforderungen an die Betriebe gestellt werden, verlangt § 24 Abs. 2 Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) vom Unternehmer lediglich, dass der Verletzte dann dem Arzt vorzustellen ist, wenn Art und Umfang der Verletzung eine ärztliche Versorgung angezeigt erscheinen lassen, d. h. wenn ein verantwortungsbewusster Laie sich sagen muss, dass die Verletzung besser von einem Arzt überprüft werden sollte. Eine solche Entscheidung ist dem Ersthelfer und dem Betriebssanitäter zuzumuten. Bei geringfügig erscheinenden Verletzungen genügt oftmals die Vorstellung beim Hausarzt oder beim Betriebsarzt, sofern sich dieser im Betrieb aufhält.

4.1.2 Durchgangsarztverfahren

Ist damit zu rechnen, dass die Verletzung zur Arbeitsunfähigkeit des Versicherten über den Unfalltag hinaus führt oder eine Behandlungsbedürftigkeit vorliegt, die voraussichtlich mehr als eine Woche beträgt, so hat der Unternehmer nach § 24 Abs. 4, erster Spiegelstrich der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) dafür zu sorgen, dass der Verletzte einem Durchgangsarzt vorgestellt wird. Mit Arbeitsunfähigkeit ist zu rechnen, wenn bei Kenntnis des Arbeitsplatzes und nach Abschätzung der Verletzung ein verantwortungsbewusster Laie zu dem Ergebnis kommt, dass der Versicherte nach kurzer Arbeitsunterbrechung oder nach ärztlicher Versorgung erfahrungsgemäß kaum seine bisherige Tätigkeit fortsetzen oder eine vergleichbare aufnehmen kann, ohne den Heilverlauf zu beeinträchtigen, ohne die Verletzung zu verschlimmern und ohne eine weitere Unfallfolge zu riskieren. Diese Einschätzung können der Betriebsarzt, der Vorgesetzte des Verletzten, aber auch der Betriebssanitäter und der Ersthelfer treffen.

Der Durchgangsarzt, ein unfallmedizinisch besonders erfahrener niedergelassener oder an einem Krankenhaus tätiger Arzt für Chirurgie oder für Orthopädie, hat alle ihm unmittelbar zugeführten oder ihm überwiesenen Verletzten zu untersuchen. Er beurteilt und entscheidet für die Unfallversicherungsträger, ob eine "besondere Heilbehandlung" angezeigt ist. Diese hat er einzuleiten, wenn wegen der Art oder der Schwere der Verletzung eine eingehende unfallmedizinische Versorgung durch Ärzte erforderlich ist, die von den Unfallversicherungsträgern zugelassen sind. Zu diesen zählt der Durchgangsarzt. In den Fällen, in denen der Verletzte zwar einer weiteren ärztlichen Behandlung bedarf, aber eine "besondere Heilbehandlung" nicht oder nicht mehr erforderlich ist, führt der Durchgangsarzt den Verletzten nach dessen Wahl der "allgemeinen Behandlung" durch den Kassenarzt/Hausarzt oder ihn selbst zu. In der Praxis verbleiben etwa 80 % der Verletzten in der "allgemeinen Heilbehandlung".

Die Anschriften der Durchgangsärzte teilen die Landesverbände der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung bzw. die Berufsgenossenschaften oder Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand z.B. unter der Internetadresse der Landesverbände: www.dguv.de Webcode: d25693 (Datenbank Durchgangsärzte) mit.

4.1.3 Zum Verletzungsartenverfahren zugelassene Krankenhäuser

Liegt eine schwere Verletzung vor, so soll der Verletzte nach § 24 Abs. 4 zweiter Spiegelstrich der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) einem von den Unfallversicherungsträgern für das Verletzungsartenverfahren zugelassenen Krankenhaus zugeführt werden. Es handelt sich um Krankenhäuser, die aufgrund ihrer baulichen, apparativen und personellen Ausstattung geeignet sind, bei folgenden Verletzungen einen optimalen Heilverlauf zu gewährleisten:

  1. Ausgedehnte oder tiefgehende Verletzungen der Haut und des Weichteilmantels, Amputationsverletzungen, Muskelkompressionssyndrome, thermische und chemische Schädigungen,
  2. Verletzungen der großen Gefäße,
  3. Verletzungen der großen Nervenbahnen einschl. Wirbelsäulenverletzungen mit neurologischer Symptomatik,
  4. offene oder gedeckte Schädel- Hirnverletzungen (ab SHT Grad II),
  5. Brustkorbverletzungen mit Organbeteiligung,
  6. Bauchverletzungen mit operationsbedürftiger Organbeteiligung einschl. Nieren und Harnwege,
  7. operativ rekonstruktionsbedürftige Verletzungen großer Gelenke (mit Ausnahme isolierter Bandverletzung des oberen Sprunggelenks sowie isoliertem Riss des vorderen Kreuzbandes und unkomplizierter vorderer Schulterinstabilität),
  8. schwere Verletzungen der Hand,
  9. komplexe Knochenbrüche, insbesondere mehrfache, offene und verschobene Frakturen,
  10. alle Verletzungen und Verletzungsfolgen mit Komplikationen, fehlendem Heilungsfortschritt oder Korrekturbedürftigkeit.

Bei derartig schweren Verletzungen kommt in der Regel der Notarzt am Unfallort zum Einsatz, der auch die Einweisung in ein zum Verletzungsartenverfahren zugelassenen Krankenhaus veranlasst.

Die zum Verletzungsartenverfahren zugelassenen Krankenhäuser sind im Internet unter www.dguv.de Webcode: d25693 (Datenbank Durchgangsärzte) auf der Liste der Durchgangsärzte zu finden und sind dort durch Fettdruck hervorgehoben.

Auch dem öffentlichen Rettungsdienst, insbesondere den Leitstellen, werden diese Verzeichnisse zur Verfügung gestellt. Soweit ein Verletzter vom öffentlichen Rettungsdienst übernommen wird, ist es gewährleistet, dass er dem von den Unfallversicherungsträgern zugelassenen Arzt bzw. Krankenhaus zugeleitet wird.

4.1.4 Berufsgenossenschaftliche Unfallkliniken und Sonderstationen

Für besonders schwere Verletzungen haben die Berufsgenossenschaften Spezialkliniken und Sonderstationen geschaffen. Sie sind für die ambulante und stationäre Behandlung frischer Verletzungen, insbesondere für Verletzungen des Stütz- und Bewegungsapparates, der großen Körperhöhlen, des Schädels und für Mehrfachverletzungen eingerichtet. Spezialabteilungen bestehen insbesondere für Handverletzungen, plastische Chirurgie, Querschnittlähmungen und schwere Brandverletzungen.

4.1.5 Augenarzt sowie HNO-Arztverfahren

Liegen ausschließlich Verletzungen der Augen, der Ohren, der Nase oder des Halses vor, so findet das Durchgangsarztverfahren keine Anwendung. Der Verletzte ist nach § 24 Abs. 4 dritter Spiegelstrich der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) unverzüglich möglichst dem nächstansässigen oder am leichtesten erreichbaren Facharzt zur Untersuchung vorzustellen, es sei denn, dass sich eine weitere fachärztliche Behandlung nach einer ersten ärztlichen Behandlung, z.B. durch den Betriebsarzt, erübrigt hat.

4.2 Sachkundiger Transport

Der Verletzte soll möglichst schonend und ggf. betreut befördert werden.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 Abs. 3 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1).

4.2.1 Begriff

Der sachkundige Transport des Verletzten zu den nach § 24 Abs. 2 und 4 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) in Betracht kommenden Stellen der weiteren medizinischen Versorgung ist das notwendige Bindeglied zwischen der Ersten Hilfe am Ort des Geschehens und der Heilbehandlung. Es ist in der Regel nicht entscheidend, dass der Verletzte so schnell wie möglich ins Krankenhaus kommt, sondern dass er nach fachgerechter Versorgung am Ort des Geschehens auf dem Transport nicht erneut oder zusätzlich gefährdet wird. Er muss auf schonende Weise unter Überwachung der lebenswichtigen Funktionen befördert werden.

4.2.2 Transport durch den öffentlichen Rettungsdienst

4.2.2.1 Durchführung der Transporte

Der Unternehmer ist verpflichtet, dafür zu sorgen, dass jeder Verletzte, der eines Transportes zum Arzt oder ins Krankenhaus bedarf, gleichgültig ob es sich um einen Einzelfall oder um eine Vielzahl Verletzter handelt, fachgerecht befördert wird. Dafür zu sorgen heißt, dass der Unternehmer die Transportmöglichkeit für den Verletzten zu beschaffen hat. Ihm stehen zwei Wege offen - öffentlicher oder betrieblicher Rettungsdienst -, wobei der Zweite in der Regel nur in Großunternehmen oder bei Vorliegen besonderer Verhältnisse beschritten wird.

Grundsätzlich genügt der Unternehmer seiner Verpflichtung, wenn er den Verletzten dem öffentlichen Rettungsdienst zum Transport übergibt. Dieser trifft alle notwendigen Entscheidungen und erledigt alles Erforderliche. Seine Rettungsleitstelle steuert über Funk die Einsätze und den Transport zum geeigneten Arzt und ins geeignete Krankenhaus (siehe Abschnitt 4.1). Ihr sind die von den Unfallversicherungsträgern bestimmten Ärzte und Krankenhäuser bekannt. Sie kennt die Zahl der freien Betten in den einzelnen Kliniken oder kann diese umgehend feststellen. Bei besonderen Verletzungen, wie schweren Verbrennungen, Querschnittlähmungen, schweren Schädel-Hirn-Verletzungen oder traumatischen Amputationen, ermittelt die Leitstelle die Aufnahmebereitschaft der Spezialabteilungen für die Behandlung derartiger Patienten. Die Entscheidung darüber, welche und wie viele Rettungseinheiten - Rettungswagen, Notarztwagen, Rettungshubschrauber - zum Einsatz kommen, trifft der verantwortliche Disponent der Leitstelle. Über Art und Ziel des Transportes entscheidet bei Notfällen in der Regel der Notarzt unter Mitwirkung der Leitstelle.

4.2.2.2 Ausstattung der Transporteinheiten im öffentlichen Rettungsdienst

In der Bundesrepublik Deutschland sind Notfallrettung und Krankentransport von den einzelnen Bundesländern durch Rettungsdienstgesetze geregelt und als funktional zusammengehörige Aufgaben des öffentlichen Rettungsdienstes organisiert. Die Notfallrettung hat die Aufgabe, bei Notfallpatienten Maßnahmen zur Erhaltung des Lebens oder zur Vermeidung gesundheitlicher Schäden einzuleiten, sie transportfähig zu machen und unter fachgerechter Betreuung in eine für die weitere Versorgung geeignete Einrichtung zu befördern. Gegenstand des Krankentransportes ist es, anderen Kranken, Verletzten oder sonst Hilfsbedürftigen Erste Hilfe zu leisten und sie unter fachgerechter Betreuung zu befördern. Nicht zum Krankentransport gehört die Beförderung kranker Personen, die - in der Regel nach ärztlicher Beurteilung - während der Beförderung keiner medizinisch-fachlichen Betreuung bedürfen. Derartige Transporte werden als Krankenfahrten bezeichnet.

Der sachkundige Transport wird durch den Einsatz eigens für die Notfallrettung und den Krankentransport vorgesehener geeigneter Fahrzeuge sichergestellt. Die einzelnen mobilen Einheiten, die über eine Leitstelle eingesetzt und gesteuert werden, bestehen aus Krankenkraftwagen, d. h. bodengebundenen Fahrzeugen, die für die Notfallrettung (Notarztwagen - NAW, Rettungswagen - RTW) oder den Krankentransport (Krankentransportwagen - KTW) und Luftfahrzeugen (Rettungshubschrauber - RTH) besonders eingerichtet sind und in Ausstattung, Ausrüstung und Wartung den allgemein anerkannten Regeln der Technik und dem Stand der Notfallmedizin entsprechen sowie mit geeignetem Personal besetzt sind. Dieses setzt sich aus einem Fahrer, einem Transportbegleiter und im Falle des NAW und des RTH zusätzlich einem Notarzt zusammen. Beim sogenannten Rendezvous-System gelangt der Notarzt mit dem Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) zum Notfallort und trifft erst dort mit dem Rettungswagen (RTW) zusammen. Das Notarzt-Einsatzfahrzeug - NEF - ist ein Personenkraftwagen mit spezieller Ausstattung zum Transport des Notarztes und seiner medizinisch-technischen Ausstattung.

4.2.2.3 Qualifikation des Transportpersonals

Die Anforderungen an das Personal für RTW und KTW sind in den Grundsätzen bundeseinheitlich von den Ländern geregelt. Es gibt jedoch gewisse Abweichungen, wie den einzelnen Rettungsdienstgesetzen der Bundesländer zu entnehmen ist. Bei den Anforderungen an die Besatzungsmitglieder der Fahrzeuge ist zwischen der persönlichen und der fachlichen Eignung zu unterscheiden. Die persönliche Eignung ist in den Rettungsdienstgesetzen nicht generell konkretisiert. Ziel ist es, durch ein organisiertes System zu Gesundheitsvorsorge und Gefahrenabwehr eine bedarfsgerechte der medizinischen Rehabilitation vorgelagerte Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Folglich sind Personen ungeeignet, deren gesundheitliche Verfassung, körperliche Konstitution, Alter, psychische Eigenheiten oder fehlende Zuverlässigkeit darauf schließen lassen, dass sie den Anforderungen im Rettungsdienst nicht gewachsen sind.

Bei der erforderlichen fachlichen Qualifikation gehen alle Rettungsdienstgesetze davon aus, dass sowohl der RTW als auch der KTW mit mindestens zwei Personen zu besetzen sind, wobei die eine das Fahrzeug führt und die andere den Patienten betreut. Für das Begleitpersonal gelten überwiegend folgende Regelungen:

Die Begleitperson des RTW muss mindestens die Qualifikation eines Rettungsassistenten und die des KTW mindestens die eines Rettungssanitäters aufweisen. Ausnahmen lassen die Gesetze von Hessen, Schleswig-Holstein und Thüringen zu; der KTW muss hier mit einem Rettungsassistenten als Begleiter besetzt sein. Bei den Anforderungen an den Fahrzeugführer von RTW und KTW ist keine bundeseinheitliche Linie in den Rettungsdienstgesetzen erkennbar. Darüber hinaus reicht die geforderte Qualifikation bis zum Rettungssanitäter. Ein Fahrer, der nicht mindestens den Status eines Ersthelfers aufweist, sollte allerdings nicht geeignet sein, einen Krankenkraftwagen zu führen.

4.2.3 Transport durch den betrieblichen Rettungsdienst

4.2.3.1 Erfordernis

Es kann davon ausgegangen werden, dass der öffentliche Rettungsdienst grundsätzlich alle Transportprobleme löst. Dennoch kann ein betriebseigenes Notfallrettungs- und Krankentransportsystem zweckmäßig sein; auch kann sich die Pflicht des Unternehmers aus § 24 Abs. 3 i.V.m. § 24 Abs. 1 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) zu der entsprechenden Forderung verdichten. Unter welchen Voraussetzungen dieser Fall eintritt, hängt vom Einzelfall ab. Es gilt allgemein: Kann der öffentliche Rettungsdienst aller Erfahrung nach die Notfallrettung oder den Transport nicht so rechtzeitig wie angezeigt bewerkstelligen, hat der Unternehmer eigene Vorsorge zu treffen. Die durchschnittliche Anfahrtszeit des öffentlichen Rettungsdienstes, d. h. die Zeit von der Alarmierung bis zum Eintreffen an der "Haustür", liegt zwischen 10 und 15 Minuten. Eine Verschlechterung der Überlebenschancen durch längere Wartezeiten darf nicht hingenommen werden.

4.2.3.2 Anforderungen an betriebliche Transporteinheiten

An die betrieblichen Transporteinheiten, mit denen Notfallpatienten, Verletzte und Kranke unter medizinisch-fachlicher Betreuung im Betrieb oder auch vom Betrieb zum Arzt oder ins Krankenhaus befördert werden, sind dieselben Anforderungen in sächlicher und personeller Hinsicht zu stellen wie an die Einheiten des öffentlichen Rettungsdienstes. Dabei ist es gleichgültig, ob der Unternehmer der Verpflichtung aus § 24 Abs. 3 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) nachkommt oder ob er im Rahmen freiwilliger Fürsorge einen betriebseigenen Transportdienst vorhält. Entweder unterliegt er den Regelungen des für ihn einschlägigen Landesrettungsdienstgesetzes unmittelbar - so in den meisten Bundesländern - oder er hat die in diesen Gesetzen enthaltenen Grundsätze im Sinne von Mindestanforderungen gemäß § 24 Abs. 1 und 3 der vorstehend genannten Unfallverhütungsvorschrift zu beachten. Dieses ist der Fall, wenn das Rettungsdienstgesetz das betriebliche Rettungswesen von seinem Geltungsbereich generell oder teilweise für den innerbetrieblichen Bereich ausnimmt. Im Übrigen, d. h. soweit das betreffende Rettungsdienstgesetz seine Anwendung auf den betriebseigenen Notfall- und Krankentransport vorsieht, bedarf der Unternehmer für den Betrieb desselben in der Regel der vorherigen Genehmigung des Landes.

4.2.3.3 Qualifikation des Personals für den betrieblichen Rettungsdienst

Auch wenn betriebliche Selbstversorgungssysteme der Notfallrettung und des Krankentransportes von den Rettungsdienstgesetzen einzelner Bundesländer nicht berührt werden, können an die betrieblichen Rettungs- und Transporteinheiten grundsätzlich keine minderen Anforderungen als die gesetzlichen gestellt werden. Die Rettungsdienstgesetze sind als Regeln der Technik anzusehen. Die eingesetzten Fahrzeuge müssen der einschlägigen Norm für Krankenkraftwagen entsprechen (siehe Abschnitt 5.5). Ein "sachkundiger Transport" im Sinne von § 24 Abs. 3 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) findet nur statt, wenn die betriebseigenen Systeme die gleichen Besatzungen auf dem KTW für den Krankentransport und dem RTW für die Notfallrettung aufweisen, wie sie für den öffentlichen Rettungsdienst gesetzlich vorgesehen sind. Will ein Unternehmer Notfallrettung und Krankentransport rund um die Uhr in seinem Unternehmen durchführen, so hat er unter Berücksichtigung von Abwesenheitszeiten (z.B. Urlaub oder Krankheit) die Anwesenheit einer ausreichenden Anzahl an Rettungsassistenten zu gewährleisten.

Sofern nur Krankentransporte durchgeführt werden, weil zum Beispiel Notfälle im Betrieb äußerst selten eintreten und deshalb dem öffentlichen Rettungsdienst überlassen bleiben, müssen Rettungssanitäter in entsprechender Zahl zur Verfügung stehen. Entsprechendes gilt für die notwendigen Fahrzeugführer.

Der Unternehmer ist verpflichtet, für eine regelmäßige Fortbildung und eine notwendige Weiterbildung zu sorgen. Soweit Unfälle durch Einwirkung von Gefahrstoffen eintreten können, muss das Personal ohnehin einschlägig zusätzlich geschult werden, denn spezielle Kenntnisse auf diesem Gebiet werden dem Personal bei der allgemeinen Ausbildung zum Rettungssanitäter oder -assistenten nicht vermittelt.

4.2.3.4 Absprache

Für die Durchführung des Rettungstransportes in eigener Regie ist es unerlässliche Voraussetzung, dass der Unternehmer Absprachen mit geeigneten Krankenhäusern trifft und, sofern das nicht möglich ist, Verbindungen mit der Rettungsleitstelle des öffentlichen Rettungsdienstes unterhält. Diese kann bei Brandverletzungen z.B. durch Rücksprache mit der zentralen Anlaufstelle für die Vermittlung von Betten für Schwerbrandverletzte (Z.A.-Schwerverbrannte) in Hamburg erfolgen, die auch angeben kann, wo Betten für Schwerverbrannte frei sind.

4.2.4 Transport im Taxi/Pkw

Bei geringfügig erscheinenden Verletzungen kann es ausreichen, den Transport im Pkw oder Taxi durchzuführen. Ob der Verletzte neben dem Fahrzeugführer durch eine weitere Person begleitet werden muss, ist von der Art der Verletzung bzw. der gesundheitlichen Beeinträchtigung abhängig.

4.2.5 Transportkosten

Gemäß § 43 Sozialgesetzbuch VII übernehmen die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung die Kosten für den Transport zum Arzt und ins Krankenhaus in Höhe der nach Landesrecht festgesetzten oder vereinbarten Gebührensätze. Soweit es sich um einen betriebseigenen Transport handelt, sind die Erstattungssätze mit dem zuständigen Unfallversicherungsträger zu vereinbaren.

4.2.6 Transport unter besonderen Bedingungen

Besondere Maßnahmen erfordert der sachkundige Transport unter schwierigen Randbedingungen, z.B. im Tiefbau oder bei der Höhenrettung. Soweit Ersthelfer, Betriebssanitäter oder andere Versicherte in der Lage sein müssen, Verletzte, z.B. mit Krankentragen, Grubenschleifkörben, zu befördern, müssen sie in der Handhabung entsprechend unterwiesen und geübt sein.

4.3 Information der Versicherten

Die Versicherten müssen rechtzeitig darüber in Kenntnis gesetzt werden, welche Personen und Einrichtungen für die Erste Hilfe bei Arbeitsunfällen zur Verfügung stehen und was sie zu tun haben, damit den Verletzten optimal geholfen wird.

Rechtsgrundlagen:

§ 12 Arbeitsschutzgesetz,

§§ 4 und 24 Abs. 5 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1).

4.3.1 Unterweisung

Die Unterweisung nach § 4 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) bezieht sich auch auf das Verhalten der Versicherten hinsichtlich der Durchführung der Ersten Hilfe bei Unfällen im Betrieb. Vorschriften, wie § 81 Betriebsverfassungsgesetz, § 14 Abs. 2 der Gefahrstoffverordnung und § 4 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1), bleiben unberührt.

Durch die Unterweisung müssen insbesondere folgende Fragen beantwortet werden:

Die Unterrichtung ist in angemessenen Zeiträumen, mindestens einmal im Jahr, zu wiederholen.

4.3.2 Aushänge über Erste Hilfe

Nach § 24 Abs. 5 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) ist der Unternehmer ferner verpflichtet, durch Aushänge, z.B. das von den Unfallversicherungsträgern herausgegebene Plakat "Erste Hilfe" (BGI/GUV-I 510) oder in anderer geeigneter Form Hinweise über die Erste Hilfe an geeigneten Stellen im Betrieb anzubringen. Das Plakat "Erste Hilfe" enthält Hinweise zur Ersten Hilfe beim Auffinden einer Person. Das Plakat soll die Aus-, Fort- und Weiterbildung in Erster Hilfe keinesfalls ersetzen. Vielmehr kann es für die Ersthelfer einen "Knoten im Taschentuch" darstellen und an Gelerntes erinnern. Darüber hinaus soll es die Versicherten anregen, sich zum Ersthelfer ausbilden zu lassen.

Auf den Aushängen sind folgende Eintragungen vorzunehmen:

Diese notwendigen Angaben sind stets aktuell zu halten, z.B. beim Ortswechsel von Baustellen oder dem Arbeitsplatzwechsel eines Ersthelfers.

Jedem Verbandkasten oder Verbandschrank sollte eine von den Unfallversicherungsträgern herausgegebene Information "Anleitung zur Ersten Hilfe" (BGI/GUV-I 503) beiliegen.

Das Plakat "Erste Hilfe" (BGI/GUV-I 510) der Unfallversicherungsträger stellt gleichsam die textlich minimierte Spitze einer Pyramide dar. Die weiterführende Information "Anleitung zur Ersten Hilfe" (BGI/GUV-I 503) in Heftform greift die Inhalte des Aushanges auf und führt sie textlich in Heftform ausführlicher aus. Die Basis der Pyramide bilden die Handbücher zur Ersten Hilfe (BGI/GUV-I 829 und BGI/GUV-I 5146). In diesen Handbüchern sind alle relevanten Inhalte der Erste-Hilfe-Ausbildung zusammengefasst, so dass den ausgebildeten Ersthelfern ein handliches Nachschlagewerk für den täglichen Gebrauch zur Verfügung steht.

4.4 Dokumentation

Die lückenlose Aufzeichnung der Erste-Hilfe-Leistungen liefert eine wichtige Grundlage für die Erste Hilfe und die Planung und Organisation des betrieblichen Rettungswesens.

Rechtsgrundlagen:

§ 24 Abs. 6 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1).

Ohne umfassende Kenntnis der Maßnahmen der Ersthelfer, Betriebssanitäter, des Betriebsarztes oder hinzugezogener Rettungseinheiten bei Unfällen im Betrieb sind Entscheidungen über Art und Umfang der Vorsorge für die Erste Hilfe kaum möglich. Zu diesem Zweck müssen das Unfallgeschehen nach Zeit, Ort und Hergang, Art und Umfang der Verletzung sowie die Maßnahmen der Helfer im Rahmen der Ersten Hilfe und der ärztlichen Erstversorgung und schließlich die Namen des Verletzten sowie der Unfallzeugen und Helfer festgehalten werden. Die Aufzeichnungen dienen der Dokumentation eines betrieblichen Geschehens, dem Nachweis eines ordnungsgemäßen Ablaufs der im Betrieb organisierten Ersten Hilfe und als Grundlage für Verbesserungen der Vorsorge. Die Dokumentation ist fünf Jahre aufzubewahren. Eine lückenlose Dokumentation dient auch als Nachweis für einen Unfall im Betrieb eines Versicherten bei der Durchsetzung seiner Leistungsansprüche gegenüber dem Träger der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) lässt offen, in welcher Form die Erfassung der zu dokumentierenden Daten zu erfolgen hat. Es steht dem Unternehmer frei, ob er die Dokumentation in einem Verbandbuch, dem Verbandblock vornimmt oder sie im Zuge der elektronischen Datenverarbeitung speichert. Für die Dokumentation der Erste-Hilfe-Leistung kann insbesondere das "Verbandbuch" (BGI/GUV-I 511-1) oder der "Meldeblock" (BGI/GUV-I 511-3) verwendet werden.

Es ist dem Unternehmer auch nicht vorgeschrieben, wer oder welche Stelle im Betrieb mit der Dokumentation zu betrauen ist. Sinnvoll erscheint es, diejenigen damit zu betrauen, denen es obliegt, im Einzelfall die Erste Hilfe zu leisten, also Ersthelfer, Betriebssanitäter oder der Betriebsarzt.

Gleichgültig, wer die Aufzeichnungen vornimmt, in jedem Fall handelt es sich um Daten, die gegen den Zugriff Unbefugter zu sichern sind. Werden die Aufzeichnungen z.B. vom Betriebsarzt vorgenommen oder hat dieser den Verletzten erstversorgt, so können die in der Dokumentation aufgezeichneten Verletzungen dem Unternehmer nicht unter Berufung auf § 203 Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch vorenthalten werden.

Die Tatsache, dass ein bestimmter Mitarbeiter im Betrieb einen Unfall und dadurch eine bestimmte Verletzung erlitten hat, stellt kein Geheimnis im Sinne dieser Strafbestimmung dar. Ein solcher Unfall ist ein betriebliches Ereignis, das nicht nur einem beschränkten Personenkreis zur Kenntnis gelangt, an dessen Weitergabe allein der Verletzte ein Interesse hat und das objektiv nicht geheimhaltungswürdig ist, weil der Betrieb und die Versicherten im Hinblick auf die Arbeitssicherheit ein schutzwürdiges Interesse am Bekannt werden haben. Soweit der Arzt die Eintragungen im Verbandbuch, dem Meldeblock oder die Eingabe in die elektronische Datenverarbeitung selbst vornimmt, handelt er nicht als Arzt, sondern als Beauftragter des Unternehmers. Die Angaben über "Art und Umfang der Verletzung bzw. Erkrankung" bei einem Unfall im Betrieb stellen keine Erkenntnisse dar, die der Arzt aufgrund des Vertrauensverhältnisses zwischen Patient und Arzt gewinnt. Sie sind wesentliche Merkmale, die dem Unfallversicherungsträger mit der Unfallanzeige zu melden sind, damit dieser die notwendigen Feststellungen für das Entschädigungsverfahren treffen kann. Etwas anderes gilt für Tatsachen, die der Arzt anlässlich der Untersuchung des Verletzten feststellt und die nicht zu dokumentieren sind.

Bei der Dokumentation handelt es sich um personenbezogene Daten. Das Bundesdatenschutzgesetz ist zu beachten. Es gilt für nichtöffentliche Stellen, soweit sie Daten unter Einsatz von Datenverarbeitungsanlagen oder in oder aus nicht automatisierten Dateien erheben, verarbeiten oder nutzen. Beispiele für nicht automatisierte Dateien sind Verbandbuch oder Meldeblock; die elektronische Datei benötigt eine Datenverarbeitungsanlage. Jede Datenverarbeitung, unabhängig vom Zweck, fällt unter das Bundesdatenschutzgesetz; ausgenommen sind lediglich persönliche und familiäre Tätigkeiten.

Die Erhebung der Daten in § 24 Abs. 6 Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) genannten Angaben ist auch nach § 28 Abs. 1 i.V.m. Absatz 6 Nr. 3 Bundesdatenschutzgesetz zulässig.

Wird die Dokumentation innerhalb des Betriebes an beauftragte Stellen weitergegeben, liegt eine Nutzung der Daten vor. Übermittelt werden die Daten, wenn sie an einen Dritten, also an eine Person oder Stelle, weitergegeben werden. Beispiele sind die Weitergabe an die Betriebskrankenkasse oder an eine rechtlich selbstständige Tochter des Mutterunternehmens.

Selbstverständlich ist die Weitergabe der Dokumentation an den Unfallversicherungsträger nach § 28 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs.6 Nr. 3 Bundesdatenschutzgesetz zulässig. Die Unfallversicherungsträger prüfen im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags zur Verhütung und Entschädigung von Arbeitsunfällen auch die Einhaltung der Unfallverhütungsvorschriften und nehmen nach § 199 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII damit zulässig Kenntnis von den personenbezogenen dokumentierten Daten.

Die Dokumente sind vertraulich zu behandeln, d. h. Verbandbuch oder Meldeblock sind vor einer Kenntnisnahme durch Unbefugte zu schützen. Dazu sind nach § 9 Bundesdatenschutzgesetz geeignete Maßnahmen zu treffen, z.B. Aufbewahrung unter Verschluss beim Ersthelfer, Betriebssanitäter oder Betriebsarzt. Wird die Dokumentation in elektronischer Form, z.B. durch den Ersthelfer geführt, ist durch technische Maßnahmen zu gewährleisten, dass nach Anlage Nr. 3 zu § 9 Satz 1 Bundesdatenschutzgesetz nur Berechtigte darauf Zugriff haben.

Nach fünf Jahren müssen die Dokumente datenschutzgerecht entsorgt werden (z.B. durch professionelle Datenträgervernichtung oder Schredder). Das Verbandbuch wird fünf Jahre nach seiner letzten Eintragung, die Einzeldokumente des Meldeblockes jeweils nach fünf Jahren vernichtet; die Einzelfälle in der automatisierten Datei werden jeweils nach fünf Jahren nach § 35 Abs. 2 Nr. 3 Bundesdatenschutzgesetz gelöscht.

4.5 Arbeitsunterbrechung

Der Unternehmer hat dem Verletzten Gelegenheit zu geben, nach einem Unfall Erste Hilfe in Anspruch nehmen zu können.

Rechtsgrundlagen:

§ 2 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1)

Im Rahmen seiner Fürsorgepflicht hat der Unternehmer auch in Anlehnung an § 2 Abs.1 Satz 1 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) dafür zu sorgen, dass der Versicherte die Arbeit mindestens so lange unterbrechen kann bis Erste Hilfe geleistet ist - auch wenn der Betroffene es nicht für notwendig hält. Er soll die Verletzung dem mit den Aufgaben der Ersten Hilfe betrauten Personal vorweisen, damit die erforderlichen Maßnahmen und Anweisungen getroffen werden können und somit einer etwaigen Verschlechterung vorgebeugt werden kann. Die eingeleiteten Erste-Hilfe-Maßnahmen werden dokumentiert. Dadurch können unter anderem die Ansprüche des Verletzten gesichert werden (siehe Abschnitt 4.4).

5 Erforderliche Einrichtungen und Sachmittel

5.1 Alarm- und Meldeeinrichtungen

Alarm- und Meldeeinrichtungen dienen im Rahmen der Ersten Hilfe der raschen und zuverlässigen Benachrichtigung und Einsatzsteuerung der benötigten Rettungseinheiten.

Rechtsgrundlagen:

§ 8 Abs. 2, § 25 Abs. 1 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1),

§ 10 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsschutzgesetz.

Die gebräuchlichste Meldeeinrichtung ist das Telefon. Es kann diese Funktion jedoch nur erfüllen, wenn die Notrufnummer sichtbar angegeben ist. Sofern die öffentliche Notrufzentrale nicht direkt angewählt werden kann, ist z.B. eine während der Arbeitszeit ständig besetzte Meldestelle erforderlich, die den innerbetrieblichen Notruf aufnimmt und eine erforderliche Alarmierung des öffentlichen Rettungsdienstes vornimmt. Außerdem sollte der Unternehmer prüfen, ob er das innerbetriebliche Meldesystem so einrichten kann, dass in der Zentrale erkennbar ist, wo der Notruf abgegeben wird.

In gefährdeten Bereichen empfiehlt es sich, besondere Notrufmelder entsprechend dem Feuermelder zu installieren, durch deren Betätigung unmittelbar, z.B. über die Werkssirene, Alarm ausgelöst und in der Leitzentrale, der betrieblichen Ambulanz, bei der Werksfeuerwehr und dem Pförtner auf Monitor oder Leuchttafeln automatisch der Einsatzort angezeigt und die Art des Geschehens erkennbar wird.

Beispiel:
Der innerbetriebliche Notruf erfolgt

Die Feuermelder sind außen an den Gebäuden angebracht; die Alarmknöpfe befinden sich an den Arbeitsplätzen.

Falls die vorgesehene Meldeeinrichtung versagt, ist ein anderer Meldeweg zu wählen.

Der Einsatz der Hilfseinheiten und die weitere Nachrichtenübermittlung erfolgen, soweit die Alarmierung nicht bereits über Sirene erfolgt ist, nach dem Alarm- und Meldeplan über die dort vorgesehenen Alarm- und Meldeeinrichtungen, insbesondere Telefon, Rufanlage, Funk. Soweit außerbetriebliche Stellen, zum Beispiel der öffentliche Rettungsdienst, alarmiert werden sollen, erfolgt der Notruf über die Telefonnummer der Feuerwehr/Rettungsleitstelle: 112 oder die Telefonnummer der Polizei: 110. Der direkte Weg zum öffentlichen Rettungsdienst führt über die Rufnummer der Rettungsleitstelle. Wenn die Rettungsleitstellen und das Unternehmen, von dem der Notruf abgehen soll, nicht demselben Ortstelefonnetz angeschlossen sind, muss die entsprechende Ortskennzahl (Vorwahlnummer) vorgeschaltet werden. Die günstigste Notrufnummer ist im Betrieb an den in Betracht kommenden Telefonapparaten zu installieren.

Soweit stationäre Meldeeinrichtungen nicht vorhanden sind, muss die Notrufmöglichkeit auf andere Weise sichergestellt werden. Zu denken ist an mobile Betriebsfunkanlagen oder an Personen-Notsignal-Anlagen bei Alleinarbeit, siehe Regel "Einsatz von Personen-Notsignal-Anlagen" (BGR/GUV-R 139). Insbesondere wenn Arbeiten von einer Person alleine durchgeführt werden, hat der Unternehmer die Erste Hilfe durch wirksame Maßnahmen sicherzustellen.

Bei Tätigkeiten außerhalb geschlossener Betriebe oder auf Baustellen ist in erster Linie auf die öffentlichen Meldeeinrichtungen oder z.B. Mobiltelefone zurückzugreifen. Aus den öffentlichen Fernsprechzellen kann jederzeit der Notruf durch Anwahl der Nummer 112 oder der Nummer 110 abgegeben werden. Die öffentlichen Fernsprecher ermöglichen stets einen gebührenfreien Notruf.

Notrufsäule an Autobahnen

Notrufsäulen an Bundesstraßen

Hinweisschild an Bundesstraßen für eine Notrufmöglichkeit

Besonders für Verkehrsunfälle sind an Autobahnen und an vielen Bundesstraßen Notrufmelder aufgestellt.

Können öffentliche Fernsprecher oder Melder nicht erreicht werden, muss versucht werden, über private Fernsprecher den Notruf abzugeben. Der Inhaber eines privaten Fernsprechanschlusses ist zur Hilfeleistung verpflichtet.

5.2 Alarm- und Meldeplan

Der Alarm- und Meldeplan für die Erste Hilfe ist der für den Betrieb vorgesehene Plan für den Einsatz der notwendigen Rettungseinheiten binnen kürzester Zeit am rechten Ort sowie für die Benachrichtigung der für begleitende und nachfolgende Maßnahmen zuständigen Personen oder Stellen.

Rechtsgrundlagen:

§ 25 Abs. 1 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1),

§ 10 Abs. 1 Satz 3 Arbeitsschutzgesetz,

§ 34 Nr. 5 der Strahlenschutzverordnung,

Durch den Alarmplan muss jeder Hilfesuchende in die Lage versetzt werden, ohne Zeitverlust über die im Betrieb installierten Alarm- und Meldeeinrichtungen einen Notruf an die zuständige Stelle abzugeben und dadurch den Einsatz der benötigten Rettungseinheiten zu erwirken. Die Zuständigkeiten und Aufgaben müssen im Plan so festgelegt sein, dass jeder Verantwortliche aufgrund der empfangenen Meldung seine Pflicht ohne Verzögerung zielsicher erfüllen kann. Der Plan muss jede Art des für den Betrieb möglichen Unfallgeschehens (z.B. Verletzte infolge Brand, Gasausbruch oder Einsturz, ein einzelner Verletzter, mehrere oder viele Verletzte) berücksichtigen und die danach benötigten inner- und außerbetrieblichen Hilfsdienste ansprechen. Sämtlichen im Plan aufgeführten Stellen muss der Plan zur Verfügung gestellt werden. Die Beschäftigten sind über den Alarmplan zu unterrichten. Ein bloßer Aushang genügt nicht. Der Plan muss zur vollständigen Information erläutert werden. Er muss fortgeschrieben, d. h. ggf. an veränderte betriebliche Verhältnisse angepasst werden.

Das Alarm- und Meldeschema stellt beispielhaft dar, welche Einrichtungen und Stellen in einem Alarm- und Meldeplan für die Erste Hilfe in Betracht kommen und wie die Alarmierungs- und Meldewege verlaufen können. Die Ausgestaltung des Planes hängt von den betrieblichen Verhältnissen wie Größe, Struktur, Organisation und den vorhandenen Ressourcen ab.

Für größere Betriebe, die über eine Ambulanz, eine Werksfeuerwehr, einen hauptberuflichen Betriebsarzt sowie über Fachkräfte für Arbeitssicherheit verfügen, gibt es verschiedene Lösungsmöglichkeiten. Es kann vorgesehen werden, dass der innerbetriebliche Notruf unmittelbar in der betrieblichen Ambulanz ankommt. Diese hätte sofort den betrieblichen Rettungsdienst einzusetzen und bei Bedarf weitere betriebliche Hilfe unmittelbar oder z.B. über den Pförtner oder die werksärztliche Abteilung anzufordern. Der Notruf kann aber auch so gesteuert werden, dass neben der Ambulanz zugleich eine zentrale betriebliche Meldestelle, z.B. der Pförtner, die Meldung empfängt. Diese hätte dann die weiter in Betracht kommende innerbetriebliche und außerbetriebliche Hilfe anzufordern. Der Plan kann auch so gestaltet werden, dass die werksärztliche Abteilung, die Zentrale der Werksfeuerwehr oder eine andere Stelle als Leitstelle bestimmt wird.

Es kann erforderlich sein, dass bei besonderen Schadensfällen der Alarm an verschiedenen Stellen, z.B. bei der Ambulanz und der Werksfeuerwehr, vom Hilfesuchenden gleichzeitig ausgelöst wird. Die gleichzeitige Anforderung verschiedener Hilfseinheiten, z.B. technischer Hilfe neben medizinischer, kommt insbesondere in Betracht, wenn Verletzte eingeklemmt sind oder an schwer zugänglichen Orten versorgt und befreit werden müssen. Zu denken ist an Einsätze mit besonderem Gerät (schwerem Atemschutz, Vollschutz, Rettungsgeräten, Feuerlöschgeräten) z.B. bei Gasausbrüchen, Explosionen und größeren Bränden. Es kann sinnvoll sein, im Alarmplan derartige Schadensfälle besonders zu berücksichtigen, indem besondere Notrufmöglichkeiten festgelegt werden (besondere Notruftelefon-Nummer, Notrufmelder).

Führt der Betrieb Verletztentransporte zum Krankenhaus selbst durch, muss festgelegt werden, wer - Betriebsarzt oder betriebliche Meldestelle - die Verbindung zum Krankenhaus aufnimmt, in das der Verletzte eingeliefert werden soll. In kleineren Betrieben und Baustellen wird im Plan lediglich festzulegen sein, wie der Notruf an die Rettungsleitstelle des öffentlichen Rettungsdienstes zu erfolgen hat, wie die Rettungseinheiten einzuweisen sind und wem der Unfall zu melden ist. Steuerung und Durchführung der Rettung bis zur Einlieferung in das geeignete Krankenhaus liegen in der Hand des öffentlichen Rettungsdienstes.

Das dargestellte Schema erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. So sind in Betrieben, in denen Unfälle durch erhöhte Einwirkung ionisierender Strahlen eintreten können, z.B. der betriebliche Strahlenschutz, der nach der "Strahlenschutzverordnung" ermächtigte Arzt und das Regionale Strahlenschutzzentrum zu berücksichtigen (siehe Information "Erste Hilfe bei erhöhter Einwirkung ionisierender Strahlen" [BGI/GUV-I 668], herausgegeben vom Institut für Strahlenschutz der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse und der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie).

Beispiel: Alarm- und Meldeschema

5.3 Mittel zur Ersten Hilfe

Erfolg und Güte der Ersten Hilfe hängen vielfach davon ab, dass die richtigen Hilfsmittel eingesetzt werden.

Rechtsgrundlagen:

§ 25 Abs. 2 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1),

§ 3 der Arbeitsstättenverordnung mit Abschnitt 4.3 des Anhangs zu § 3 Abs.1,

Technische Regel für Arbeitsstätten-Regel ASR A4.3 "Erste-Hilfe-Räume, Mittel und Einrichtungen zur Ersten Hilfe",

§§ 35h, 61 Abs. 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung ( StVZO),

Berg(polizei)verordnungen.

Zu den Mitteln zur Ersten Hilfe zählen Erste-Hilfe-Material (z.B. Verbandmaterial, Hilfsmittel, Rettungsdecke) sowie gemäß Gefährdungsbeurteilung erforderliche medizinische Geräte (z.B. Automatisierter externer Defibrillator, Beatmungsgerät) und Arzneimittel (z.B. Antidot), die zur Ersten Hilfe benötigt werden.

Weder die Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) noch die Arbeitsstättenverordnung bestimmen, welches und wie viele Mittel zur Ersten Hilfe im Einzelnen in den Betrieben oder bei der Arbeit bereitzustellen sind. Die Aussagen der Regel zu § 25 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGR/GUV-R A1) und die Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A4.3 enthalten Vorgaben, die sich jedoch nur auf die Mittel zur Ersten Hilfe erstrecken. In der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung ist festgelegt, welches Erste-Hilfe-Material in Kraftfahrzeugen mitzuführen ist.

Darüber hinaus ist es Pflicht des Unternehmers, auf der Grundlage einer Gefährdungsbeurteilung über Art, Menge und Aufbewahrungsorte der vorzuhaltenden Mittel zur Ersten Hilfe zu befinden. Er hat sich dabei von dem Gedanken leiten zu lassen, dass die notwendigen Mittel zur Ersten Hilfe bei einem Unfall unmittelbar griffbereit sein müssen. Art und Menge sowie Aufbewahrungsorte der Mittel zur Ersten Hilfe richten sich nach der Betriebsgröße, den vorhandenen betrieblichen Gefahren, der Ausdehnung und Struktur des Betriebes, der Tätigkeit, der Qualifikation des Erste-Hilfe-Personals, dem Organisationsgrad des betrieblichen Rettungswesens, der Aufgabenteilung unter den Ersthelfern, den Betriebssanitätern und dem zum Einsatz kommenden ärztlichen Personal, der Zusammenarbeit mit außerbetrieblichen Rettungseinheiten, insbesondere z.B. dem öffentlichen Rettungsdienst. Es ist zu überlegen, ob an einzelnen Gefahrenpunkten Erste-Hilfe-Material deponiert werden muss oder ob es unter Umständen der Sache nach zulässig ist, das Erste-Hilfe-Material zentral zu deponieren. Der Unternehmer hat auch zu bedenken, dass er für die betriebsfremden Rettungseinheiten solche Hilfsmittel vorzuhalten hat, über die diese nicht verfügen, weil es sich um betriebsspezifische Gefährdungen handelt.

Das Erste-Hilfe-Material muss für die Helfer, für deren Gebrauch es gedacht ist, leicht zugänglich aufbewahrt werden. Zu diesem Zweck müssen die Aufbewahrungsorte entsprechend der Technischen Regel für Arbeitsstätten ASR A1.3 "Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung" gekennzeichnet sein. Das Material muss nicht nur nach Verbrauch ergänzt und bei Unbrauchbarkeit (z.B. Heftpflaster) sowie nach Ablauf des Verfalldatums (z.B. steriles Verbandmaterial, Augenspülflüssigkeit) erneuert werden, sondern auch den anerkannten technischen, medizinischen und hygienischen Regeln entsprechen, d. h. dass altes Material, an dessen Stelle nach heutigen Erkenntnissen neue Mittel getreten sind, ersetzt werden muss. Die Verpflichtung, Mittel zur Ersten Hilfe für die Helfer bereitzuhalten, schließt die Sorgfaltspflicht ein, insbesondere medizinische Geräte und Instrumente sowie Antidote nicht in unbefugte Hände geraten zu lassen.

5.3.1 Erste-Hilfe-Material

Zum Erste-Hilfe-Material gehören das Verbandmaterial, entsprechende Hilfsmittel sowie die Rettungsdecke.

Verbandmaterial dient zum Stillen von Blutungen, dem Verbinden von Wunden oder zum Fixieren verletzter Körperteile.

Zum Verbandmaterial gehören insbesondere Heftpflaster, Mullbinden, Wundschnellverbände, Fingerverbände, Verbandpäckchen, Fixierbinden, Dreiecktücher.

Nach dem geltenden Medizinproduktegesetz muss Verbandmaterial eine CE-Kennzeichnung tragen. Ist ein Verfalldatum angegeben, verbietet das Medizinproduktegesetz unter Androhung eines Bußgeldes die weitere Anwendung nach Ablauf des Verfalldatums. Das Verfalldatum reicht bei handelsüblichen Verbandmaterialien bis 20 Jahre.

Erste-Hilfe-Material muss bei Verschmutzung oder Beschädigung ausgetauscht werden.

Das Erste-Hilfe-Material ist in Behältnissen (Verbandkästen, Verbandschränken) aufzubewahren, so dass es gegen schädigende Einflüsse geschützt ist. Das Erste-Hilfe-Material wird im Handel sowohl in Verbandkästen als auch lose angeboten. Menge und Art der Aufbewahrung richten sich nach den betrieblichen Verhältnissen (siehe Abschnitt 5.3). Die Regel "Grundsätze der Prävention" (BGR/GUV-R A1) empfiehlt in Abschnitt 4.7.2 als geeignet:

  1. Den Kleinen Verbandkasten nach DIN 13157
    und
  2. den Großen Verbandkasten nach DIN 13169.

Zum Inhalt der Verbandkästen siehe Anhang 1 "Erste-Hilfe-Material". In Abhängigkeit von der Betriebsart und Zahl der Versicherten gelten für die Ausstattung mit Verbandkästen folgende Richtwerte:

Betriebsart Zahl der
Versicherten
Kleiner
Verbandkasten
Großer *)
Verbandkasten
Verwaltungs- und Handelsbetriebe 1-50 1 **)  
51-300   1
ab 301
für je 300 weitere Versicherte zusätzlich ein großer Verbandkasten
2
Herstellungs-, Verarbeitungs- und vergleichbare Betriebe 1-20 1 **)  
21-100    
ab 101    
für je 100 weitere Versicherte zusätzlich ein großer Verbandskasten  
Baustellen und bau stellenähnliche Einrichtungen 1-10 1 **)  
11-50   1
ab 51
für je 50 weitere Versicherte großer Verbandkasten
zusätzlich ein 2
*) Zwei kleine Verbandkästen ersetzen einen großen Verbandkasten.
**) Für Tätigkeiten im Außendienst, insbesondere für die Mitführung von Erste-Hilfe-Material in Werkstattwagen und Einsatzfahrzeugen, kann auch der Kraftwagen-Verbandkasten z.B. nach DIN 13164 als kleiner Verbandkasten verwendet werden.


Beide Verbandkästen unterscheiden sich nicht in der Art des Erste-Hilfe-Materials, sondern nur in der Menge. Zwei kleine ersetzen einen großen. Sie sind nach aktuellen Erkenntnissen in der Notfallmedizin für den betrieblichen Bereich konzipiert worden. Sie entsprechen nicht dem im öffentlichen Verkehr in den Kraftfahrzeugen mitzuführenden Kraftwagen-Verbandkasten nach DIN 13.164 und können den Kraftwagen-Verbandkasten deshalb nicht ersetzen. Für den rein innerbetrieblichen Verkehr ist allerdings der Kleine Verbandkasten nach DIN 13157 zu empfehlen.

Für Tätigkeiten im Außendienst, insbesondere für die Mitführung von Erste-Hilfe- Material in Werkstattwagen und Einsatzfahrzeugen, kann auch der Kraftwagen-Verbandkasten nach DIN 13.164 verwendet werden.

5.3.2 Medizinische Geräte und Instrumente

Zu den medizinischen Geräten und Instrumenten zählen insbesondere:

5.3.3 Antidote

Antidote (Gegengifte) dienen der Rettung aus einer Lebensgefahr, die infolge Einwirkens gesundheitsschädlicher Stoffe eintritt.

Antidote sind Substanzen, die ein Gift direkt inaktivieren bzw. die Wirkungen des Gifts an Rezeptoren und Organen herabsetzen oder aufheben.

Hierzu gehören z.B. spezifische Antidote, die in den Wirkmechanismus des Giftes eingreifen, Antidote, die das Gift vom Erfolgsorgan verdrängen, oder Antidote, die zu einer beschleunigten Giftentfernung beitragen.

Die nachfolgende Tabelle enthält eine Auswahl chemischer Stoffe und ihrer Antidote. Der Anwender hat in jedem Einzelfall die Aktualität dieser Empfehlungen zu prüfen.

Acrylnitril N-Acetylcystein
Akylantien, Zytostatika Natriumthiosulfat
aromatische Amino- und Nitroverbindungen Toloniumchlorid
Arsen, -verbindungen Dimercaptopropansulfonat (DMPS)
Blausäure, Cyanide 4-Dimethylaminophenol (4-DMAP)
+ Natriumthiosulfat
Hydroxocobolamin
anorganische Bleiverbindungen Dimercaptobutandisäure (DMSA)
Dimercaptopropansulfonat (DMPS)
Calcium-trinatrium-pentetat (DTPA)
Chromate Ascorbinsäure N-Acetylcystein
Ethylenglycol, Methanol Ethanol 4-Methylpyrazol
Fluorwasserstoffe Calciumgluconat
Kohlenmonoxid Sauerstoff
Nitrate, Nitrite Toloniumchlorid
Organo- oder Alkylphosphate Atropinsulfat
Pflanzenschutzmittel Obidoximchlorid
Phenol Reinigung der Haut mit Polyethylenglycol
Quecksilber, -salze Dimercaptopropansulfonat (DMPS)
Reizgase inhalative Steroide ß2-Sympathomimetika
Schwermetalle, Radionuklide Calcium-trinatrium-pentetat (DTPA)


Über Art und Anzahl bereitzuhaltender Antidote entscheidet der Betriebsarzt unter Berücksichtigung der betrieblichen Gefährdungen. Eine Abstimmung mit dem örtlich zuständigen Rettungsdienst und gegebenenfalls Krankenhaus ist sinnvoll.

Die Antidote sind so aufzubewahren, dass sie im Notfall sofort zur Verfügung stehen. Sie sind gegen Missbrauch zu sichern.

5.4 Rettungsgeräte

Rettungsgeräte kommen zum Einsatz, wenn zur Beseitigung einer Lebensgefahr technische Maßnahmen erforderlich sind.

Rechtsgrundlagen:

§ 25 Abs. 3 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1).

Es gibt Rettungsgeräte im technischen Sinne und Geräte, die erst durch ihre Verwendung zu solchen werden.

Zu ersteren gehören z.B.

Geräte, die durch ihre Verwendung zu Rettungsgeräten werden, sind z.B.

Rettungsgeräte sind entsprechend den im Betrieb vorkommenden Gefährdungen zur Verfügung zu stellen. Der Unternehmer hat darauf zu achten, dass sie ausschließlich von sachkundigem Personal eingesetzt werden.

(Siehe auch:

5.5 Rettungstransportmittel

Rettungstransportmittel dienen dem fachgerechten, schonenden Transport Verletzter vom Ort des Geschehens zur weiteren Versorgung im Erste-Hilfe-Raum, zum Arzt oder ins Krankenhaus.

Rechtsgrundlagen:

§ 25 Abs. 3 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1),

§ 3 der Arbeitsstättenverordnung mit Abschnitt 4.3 des Anhangs zu § 3 Abs.1,

Abschnitt 5.3 der Technischen Regel für Arbeitsstätten ASR A4.3 "Erste-Hilfe-Räume, Mittel und Einrichtungen zur Ersten Hilfe",

Berg(polizei)verordnungen.

Es sind zu unterscheiden

Lediglich für Baustellen mit mehr als 20 Beschäftigten und für den Bergbau sind Krankentragen bindend vorgeschrieben. Im Übrigen hat der Unternehmer geeignete Rettungstransportmittel dort zur Verfügung zu stellen, wo es der Betrieb erfordert.

Wie das Bild der Rettungskette zeigt (siehe Abschnitt 2.2 Rettungskette), wird der Notfallpatient an Ort und Stelle versorgt, transportfähig gemacht und im Rettungswagen abtransportiert. In Betrieben, in denen der öffentliche Rettungsdienst, der im Rettungswagen eine Krankentrage mitführt, in jedem Fall ungehindert seine Aufgaben unmittelbar am Notfallort durchführen kann, erübrigt es sich für den Betrieb, eigene Transportmittel vorzuhalten. Dies gilt in erster Linie für kleinere Betriebe. Der Verletzte soll so wenig wie möglich umgelagert werden.

Dort, wo der Verletzte nicht direkt am Ort des Geschehens vom öffentlichen Rettungsdienst übernommen werden kann, wo er aus dem Gefahrbereich herausgebracht werden muss, um Schlimmeres zu verhüten oder um eine fachgerechte Hilfe erst zu ermöglichen, oder wo es nach der Art der Verletzung angezeigt ist, den Verletzten in den Erste-Hilfe-Raum zu tragen, müssen Krankentragen zur Verfügung stehen.

Sofern Unfallorte für Krankentragen nicht zugänglich sind, müssen andere Transportmittel - wie Rettungstücher, Krankentransport-Hängematten, die im Bergbau unter Tage üblichen Schleifkörbe oder auf Baustellen Förderkörbe mittels Kran (siehe Regel "Hochziehbare Personenaufnahmemittel" [BGR/GUV-R 159]) - eingesetzt werden.

In Großunternehmen hat der Unternehmer zu prüfen, ob der Rettungstransport wegen der innerbetrieblichen Entfernungen und der damit verbundenen Wartezeiten dem öffentlichen Rettungsdienst überlassen werden kann oder ob es nicht erforderlich ist eigene Krankenkraftwagen vorzuhalten. Für den Transport von Notfallpatienten (siehe Abschnitt 2.3) kommt in der Regel der Rettungswagen (RTW) in Betracht.

5.6 Erste-Hilfe-Räume und ihnen vergleichbare Einrichtungen

Der Erste-Hilfe-Raum soll Verletzte, Helfer, Erste-Hilfe-Material oder dergleichen vor schädigenden und störenden Einflüssen abschirmen und die Wirksamkeit der Ersten Hilfe fördern.

Rechtsgrundlagen:

§ 25 Abs. 4 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1),

§ 6 der Arbeitsstättenverordnung und Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A4.3 "Erste-Hilfe-Räume, Mittel und Einrichtungen zur Ersten Hilfe",

Berg(polizei)verordnungen.

5.6.1 Grundanforderungen

Der Erste-Hilfe-Raum (ehemaliger Sanitätsraum) als feste Einrichtung, die ausschließlich der Ersten Hilfe und der ärztlichen Erstversorgung zu dienen hat, ist für ortsansässige Betriebe gedacht. Für vorübergehend eingerichtete Betriebe, z.B. Baustellen, kommen dem Erste-Hilfe-Raum der räumlichen Ausgestaltung und Ausstattung nach vergleichbare Einrichtungen in Betracht. Als solche Einrichtungen haben sich Erste-Hilfe-Container bewährt. Einzelheiten über die Anforderungen an Lage, bauliche Gestaltung und Ausstattung dieser Erste-Hilfe-Einrichtungen enthält der Anhang 2 "Technische Regel für Arbeitsstätten A4.3" bzw. die "Grundanforderungen an Verbandstuben und Sanitätscontainer in den Mitgliedsunternehmen der Bergbau-Berufsgenossenschaft" (jetzt Branche Bergbau der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie).

5.6.2 Notwendigkeit

Die Voraussetzungen, unter denen der Unternehmer verpflichtet ist, einen Erste-Hilfe-Raum vorzuhalten, stellen einen Kompromiss zwischen dem Anspruch eines jeden Verletzten auf optimale Versorgung im Rahmen der Erste Hilfe und des Anspruchs des Unternehmers auf Beachtung der wirtschaftlichen Vertretbarkeit einer solchen Einrichtung dar.

Unabhängig von dem Gewerbezweig, der Art der Tätigkeit und dem betrieblichen Unfallgeschehen muss derjenige Betrieb einen Erste-Hilfe-Raum aufweisen, in dem mehr als 1000 Versicherte beschäftigt werden. Maßgebend für die Notwendigkeit eines Erste-Hilfe-Raumes ist nicht die Gesamtzahl der Versicherten eines Unternehmens, sondern die Anzahl der gewöhnlich gleichzeitig an einer Betriebsstätte anwesenden Versicherten. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn während der am stärksten belegten Schicht der Grenzwert überschritten wird. Dem Unternehmen zwar zuzurechnende, aber gewöhnlich außerhalb des Betriebes, zum Beispiel als Reisende, als Monteure oder in kleineren Zweigstellen tätige Mitarbeiter, sind nicht mitzuzählen. Die Anzahl der zu versorgenden Verletzten rechtfertigt den finanziellen Aufwand für diese Einrichtung auch, wenn diese nicht immer voll genutzt werden kann.

Erfordern die Art des Betriebes und sein Unfallgeschehen nach Art, Schwere und Zahl der Unfälle einen gesonderten Raum für die Erste Hilfe, muss der Unternehmer schon bei mehr als 100 im Betrieb beschäftigten Versicherten einen Erste-Hilfe-Raum vorhalten. Der Unternehmer hat anhand der in der Vergangenheit erforderlichen Ersten Hilfe und der aufgrund der Art des Betriebes möglichen Gefährdungen das künftige Unfallgeschehen zu beurteilen und dementsprechend über die Notwendigkeit eines Erste-Hilfe-Raumes zu entscheiden.

Besondere Unfallgefahren bestehen auf Baustellen. Dabei ist nicht allein das Unfallrisiko entscheidend; hinzu kommt der Umstand, dass die Verletzten nicht den ggf. ungünstigen Witterungseinflüssen während der Ersten Hilfe bis zum Abtransport ausgesetzt sein sollen. Aus diesen Gründen muss der Unternehmer, der auf einer Baustelle mehr als 50 Versicherte beschäftigt, einen Erste-Hilfe-Container oder eine andere dem Erste-Hilfe-Raum vergleichbare Einrichtung bereitstellen. Das gilt auch, wenn sich gewöhnlich mehr als 50 gleichzeitig beschäftigte Versicherte dadurch auf der Baustelle zusammen ergeben, dass der Unternehmer zur Erbringung einer Bauleistung aus einem von ihm übernommenen Auftrag Arbeiten an andere Unternehmer vergibt.

5.7 Kennzeichnung

Einrichtungen der Ersten Hilfe sind zu kennzeichnen, damit sie leicht und schnell auffindbar sind und ihr Zweck eindeutig bestimmt ist.

Rechtsgrundlagen:

§ 3 der Arbeitsstättenverordnung mit Abschnitt 4.3 (1) des Anhangs zu § 3 Abs.1,

Anlage 1 Punkt 4 der ASR A1.3 Sicherheits- und Gesundheitsschutzkennzeichnung

Neben der Kennzeichnung der einzelnen Erste-Hilfe-Einrichtungen und der Aufbewahrungsorte z.B. des Erste-Hilfe-Materials durch das weiße Kreuz auf quadratischem grünen Feld mit weißer Umrandung sind Hinweiszeichen mit weißem Richtungspfeil auf rechteckigem grünen Grund mit weißer Umrandung insbesondere in weniger übersichtlichen Betrieben anzubringen. Die Versicherten sind über die Bedeutung der Kennzeichen zu unterweisen.

Die Kennzeichnungspflicht betrifft die sächlichen Mittel der Ersten Hilfe. Ersthelfer und ihre gewöhnlichen Arbeitsplätze können mit entsprechenden Plaketten oder Aufklebern kenntlich gemacht werden.

5.8 Landestelle für Rettungshubschrauber

Die Landestelle für Rettungshubschrauber im Betrieb ermöglicht einen sicheren An- und Abflug des Rettungshubschraubers (RTH) und damit den Einsatz des Notarztes binnen kürzester Zeit.

Rechtsgrundlagen:

§ 6 Luftverkehrsgesetz vom 1. August 1922 (RGBl. I S. 681) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. März 1999/21. August 2002 (BGBl. I S. 3355),

Richtlinien des Bundesministers für Verkehr für die Genehmigung der Anlage und des Betriebs von Landeplätzen für Hubschrauber (NfL 37/69 S. 17) 1),

Richtlinien des Bundesministers für Verkehr über die Tageskennzeichnung von Landeplätzen und Segelfluggeländen (NfL l-98-105/82 S. 90) 1),

Für den Fall, dass wegen der Schwere oder Art der Verletzungen Sekunden für den Erfolg der notärztlichen Versorgung entscheidend sind, der Notarztwagen aber wegen der Entfernung oder der Straßenverkehrslage den Notfallort nicht rechtzeitig erreichen kann oder ein Notfallpatient in ein bestimmtes Krankenhaus gebracht werden muss, der Transport mit dem bodengebundenen Fahrzeug wegen der Dauer der Fahrt oder des Zustandes des Verletzten nicht durchgeführt werden kann, ohne ihn zu gefährden, sollte in Großbetrieben ein Landeplatz für den Rettungshubschrauber hergerichtet sein.

Der Rettungshubschrauber wird in der Regel nur von 7.00 Uhr bis Sonnenuntergang eingesetzt. Es genügt daher, dass der betriebliche Landeplatz den Voraussetzungen für den Flugbetrieb unter Sichtflugbedingungen entspricht. Die Einrichtung einer Landestelle für Rettungshubschrauber bedarf keiner Genehmigung nach § 6 Luftverkehrsgesetz durch die zuständigen Luftfahrtbehörden der betreffenden Bundesländer. Sie ist nur einzuholen, wenn der Landeplatz auch für andere Einsätze von Hubschraubern genutzt werden soll.

In diesem Falle müssen nachstehende Voraussetzungen erfüllt werden:

  1. Die Start- und Landefläche sollte quadratisch mit einer Mindestseitenlänge von 30 m sein, eine staubfreie Oberfläche haben und eine Neigung von 3 % nicht überschreiten. Die Start- und Landefläche muss ausreichend tragfähig und frei von Bewuchs und Aufbauten sein.
  2. Die Start- und Landefläche sollte von einem mindestens 20 m breiten, hindernisfreien Streifen umgeben sein. Seine Neigung sollte nicht mehr als 5 % betragen, er sollte eine staubfreie Oberfläche haben und für Notfälle tragfähig sein.
  3. Der Rand der Start- und Landefläche sollte gekennzeichnet sein. Ist sie befestigt, so ist der Rand mit einer mindestens 30 cm breiten weißen Linie zu kennzeichnen.
    Eine unbefestigte Start- und Landefläche (z.B. feste Grasnarbe) sollte z.B. durch verankerte weiß-, orangeweiße Kegel oder Pyramiden (siehe Abbildung) so gekennzeichnet sein, dass der Rand der Start- und Landefläche aus der Luft deutlich erkennbar ist. Die einzelnen Zeichen dürfen nicht mehr als 50 m voneinander entfernt aufgestellt werden.
    Der Aufsetzpunkt sollte durch ein weißes Lande-H (siehe Abbildung) dargestellt werden. Die Außenstriche des H sollten parallel zur Hauptlanderichtung ausgerichtet sein.
  4. Zur Anzeige der Windrichtung ist ein aus der Luft gut erkennbarer Windsack von mindestens 2 m Länge in der Nähe des Landeplatzes möglichst auf einem Gebäude, jedoch nicht im Windschatten von Dachaufbauten aufzustellen.
  5. Der Platz sollte so angelegt sein, dass er hindernisfrei gegen die Hauptwindrichtung angeflogen werden kann. Dabei sollten die An- und Abflugflächen in der Breite der Start- und Landefläche plus Seitenstreifen, also 70 m, bis zu einer Entfernung von 600 m und bis zu einer Breite von 190 m (70 m + 2 x 10 % von 600 m) von der Landungsstelle mit der Neigung 1:6 ansteigend von Hindernissen frei sein (1 m zugelassene Hindernishöhe bei 6 m Entfernung). Ebenfalls sollten die sich zwischen den Seitenstreifen und den Außenkanten der An- und Abflugfläche ergebenden seitlichen Übergangsflächen hindernisfrei bleiben. Die Seitenfläche steigt vom Seitenstreifen an bis zu einer Entfernung von 200 m mit der Neigung 1:2 (1 m zugelassene Hindernishöhe bei 2 m Entfernung) (siehe Abbildung).
  6. Es sind die für die Hilfe bei einem Hubschrauberunfall notwendigen Feuerlösch- und Rettungseinrichtungen vorzuhalten.

Aus Gründen der Sicherheit und zur besseren Orientierung sollten diese Anforderungen auch dann erfüllt werden, wenn ein Landeplatz ausschließlich für den Einsatz des Rettungshubschraubers geschaffen wird.

Kennzeichen für unbefestigte Flächen

a) Kegel  b) Pyramide 
   


Aufsetzpunkt auf Hubschrauber-Start- und Landeflächen

Start- und Landeplatz mit An- und Abflugschneisen für Hubschrauber

6 Ersthelfer

6.1 Unternehmerpflicht

Der Arbeitgeber hat diejenigen Personen zu benennen, die Aufgaben der Ersten Hilfe übernehmen.

Rechtsgrundlagen:

§ 21 Abs. 1 Sozialgesetzbuch VII,

§ 26 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1),

§ 10 Abs. 2 Arbeitsschutzgesetz.

Bezüglich der Ersten Hilfe und des betrieblichen Rettungswesens ist es die Pflicht des Unternehmers, die personellen Voraussetzungen für die Erste Hilfe im Betrieb zu schaffen. Dazu muss der Unternehmer über eine ausreichende Anzahl aus- bzw. fortgebildeter Ersthelfer im Betrieb verfügen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, begeht er eine grobe Pflichtwidrigkeit. Steht einem Verletzten bei einem Notfall im Betrieb kein Ersthelfer zur Verfügung, so kann sich der Unternehmer damit dem Tatbestand einer Körperverletzung oder gar eines Tötungsdeliktes schuldig machen sowie regresspflichtig werden.

§ 10 Abs. 2 Satz 4 Arbeitsschutzgesetz stellt es dem Unternehmer frei, selbst die Aufgaben eines Ersthelfers oder Betriebssanitäters zu übernehmen, aber nur, wenn er über die notwendige Aus- und Fortbildung verfügt.

Grundsätzlich darf der Unternehmer nur solche Personen als Ersthelfer für den Betrieb benennen und einsetzen, die durch eine vom Unfallversicherungsträger für die Aus- und Fortbildung in Erster Hilfe ermächtigten Stelle aus- und fortgebildet worden sind.

Nach den Bergverordnungen ausgebildete so genannte Nothelfer sind den Ersthelfern gleichwertig.

Darüber hinaus können approbierte Ärzte bzw. Zahnärzte als aus- und fortgebildete Ersthelfer nach § 26 Abs. 2 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) angesehen werden.

Einer Ausbildung in Erster Hilfe bei einer von den Unfallversicherungsträgern ermächtigten Stelle steht die Tätigkeit mit sanitätsdienstlicher/ rettungsdienstlicher Ausbildung bzw. die abgeschlossene Ausbildung in einem Beruf des Gesundheitswesens gleich. Dieser Personenkreis kann ohne zusätzliche Ausbildung als Ersthelfer im Betrieb eingesetzt werden.

Personen mit sanitätsdienstlicher/ rettungsdienstlicher Ausbildung oder einer Berufsausbildung mit integrierter gleichstellbarer Erste-Hilfe-Ausbildung sind insbesondere

Berufe des Gesundheitswesens sind insbesondere

Eine entsprechende regelmäßige Fortbildung ist bei Personen mit einer sanitätsdienstlichen oder rettungsdienstlichen Ausbildung oder einer entsprechenden Qualifikation in einem Beruf des Gesundheitswesens nur dann gegeben, wenn sie an vergleichbaren Fortbildungsveranstaltungen regelmäßig teilnehmen oder bei ihrer beruflichen Tätigkeit regelmäßig Erste-Hilfe-Maßnahmen durchführen. Ansonsten wird auch bei ihnen die Teilnahme an Erste-Hilfe-Fortbildungen in Abständen von längstens zwei Jahren erforderlich.

6.2 Aufgaben

Der Ersthelfer ist ein ausgebildeter Laie, der als Erster am Ort des Geschehens Maßnahmen ergreifen kann, um akute Gefahren für Leben und Gesundheit abzuwenden.

Rechtsgrundlagen:

§ 26 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) in Verbindung mit den Anhängen 1 und 2 des Grundsatzes "Ermächtigung von Stellen für die Aus- und Fortbildung in der Erste Hilfe" (BGG/GUV-G 948)

Die Aufgaben des Ersthelfers ergeben sich aus Art und Umfang seiner Ausbildung zum Ersthelfer und seiner Weiterbildung (siehe Abschnitte 6.5 und 6.7). Der Ersthelfer bleibt trotz seiner Ausbildung Laie. Er darf auf dem Gebiet der Ersten Hilfe nur das tun, was seinem Ausbildungsstand entspricht. Er hat stets zu beachten, dass Erste Hilfe durch Laien nur Notbehelf, aber kein Ersatz für ärztliche Maßnahmen ist. In dem durch Aus- und Weiterbildung gestellten Rahmen obliegt es ihm, bei Notfällen die notwendigen lebensrettenden Sofortmaßnahmen zu ergreifen und den Verletzten so lange zu betreuen, bis Fachpersonal - der Sanitäter oder der Arzt - ihn übernimmt.

Es ist zwar seine wichtigste Aufgabe, bei einem Notfall einsatzbereit zur Stelle zu sein und zu helfen, es ist aber nicht seine einzige. Der Ersthelfer hat auch in Fällen, die nicht den Grad einer lebensbedrohlichen Störung erreichen, Hilfe zu leisten. In Betrieben, in denen es weder einen Betriebsarzt noch einen Betriebssanitäter gibt, ist es Aufgabe des Ersthelfers, Verletzte mit leichteren Verletzungen im Rahmen der Ersten Hilfe zu versorgen und gegebenenfalls für den Transport zum Arzt zu sorgen.

Außerdem kann der Unternehmer ihn mit der Aufgabe betrauen, die gemäß § 24 Abs. 6 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) notwendigen Dokumentation z.B. im Verbandbuch zu führen (siehe Abschnitt 4.4).

Ihm kann der Unternehmer auch die Kontrolle über das nach § 25 Abs. 2 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) vorzuhaltende Erste-Hilfe-Material übertragen.

Auf keinen Fall ist es Sache des Ersthelfers, Medikamente, z.B. Kopfschmerztabletten, an Betriebsangehörige auszugeben.

6.3 Anzahl

Bei jedem Unfall im Betrieb muss die erforderliche Erste Hilfe gewährleistet werden können.

Rechtsgrundlagen:

§ 26 Abs. 1 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) in Verbindung mit den Anhängen 1 und 2 des Grundsatzes "Ermächtigung von Stellen für die Aus- und Fortbildung in der Erste Hilfe" (BGG/GUV-G 948),

§ 10 Arbeitsschutzgesetz,

§§ 2 und 11 der "Bergverordnung für alle bergbaulichen Bereiche (Allgemeine Bundesbergverordnung - ABBergV)".

Damit jederzeit an jedem Unfallort und bei Notfällen sofort geholfen werden kann, muss in jedem Unternehmen von 2 bis 20 anwesenden Versicherten, d. h. in allen betrieblichen Bereichen, auf allen Bau- und Montagestellen und bei allen außerbetrieblichen Arbeiten, stets mindestens ein Ersthelfer anwesend sein.

Sind mehr als 20 Beschäftigte in einem Unternehmen anwesend, so ist nach § 26 Abs. 1 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) zu unterscheiden zwischen verwaltenden, d. h. kaufmännisch-büromäßigen Tätigkeiten einerseits und sonstigen Tätigkeiten andererseits, insbesondere Produktion und Handwerk. Tätigkeiten im Handelsbereich, die ähnliche Gefahren wie der eigentliche Produktionsbereich aufweisen, insbesondere Lagerei- und Transportarbeiten, zählen zu den sonstigen Unternehmensbereichen. In verwaltenden und Handelsunternehmen oder Unternehmensbereichen muss mindestens jeder 20. und bei den übrigen Tätigkeiten jeder 10. anwesende Beschäftigte Ersthelfer sein.

Führer von Kraftfahrzeugen, die eine Fahrerlaubnis der Klassen C, C1, CE, C1E, DE oder D1E benötigen, müssen gemäß § 19 Abs. 2 der Fahrerlaubnisverordnung nachweislich in der Ersten Hilfe ausgebildet sein. Zu empfehlen ist eine Ersthelfer-Aus- und Fortbildung entsprechend der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1).

Die Ersthelfer sind unter Berücksichtigung der Art der Gefahren, der Struktur und der Ausdehnung des Betriebes so zu platzieren, dass bei jedem Unfall ein Ersthelfer in der Nähe ist. Ist nicht auszuschließen, dass besondere Maßnahmen der Ersten Hilfe im Sinne des § 26 Abs. 4 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) erforderlich werden, so sind Ersthelfer einzusetzen, die entsprechend weitergebildet sind (siehe Abschnitt 6.7). Der Unternehmer hat aufgrund seiner Gefährdungsbeurteilung zu prüfen, ob er mit der vorgeschriebenen Anzahl auskommt oder ob weitere Ersthelfer benötigt werden. Sind in einem Betrieb oder auf einer Baustelle Beschäftigte verschiedener Unternehmen gleichzeitig tätig, so können diese wegen des Einsatzes der Ersthelfer Absprachen treffen. Dies wäre z.B. auch der Fall, wenn ein beauftragtes Bewachungsunternehmen neben der eigentlichen Wachtätigkeit auch die Ersthelferaufgaben mit übernimmt.

Gewöhnlich gewinnt aber der Unternehmer die erforderliche Zahl an Ersthelfern unter seinen Beschäftigten. In kleineren Betrieben kann es für ihn schwer möglich sein, stets einen Mitarbeiter als Ersthelfer zur Verfügung zu haben, weil er z.B. Aushilfen nur stundenweise beschäftigt oder unter den Versicherten niemand im Sinne von § 28 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) geeignet ist, um als Ersthelfer eingesetzt werden zu können. In diesem Fall muss der Unternehmer auf andere Personen zurückgreifen.

Der Ersthelfer ist keine Person, die im Betrieb ausschließlich für die Anwendung der Ersten Hilfe zur Verfügung steht. Der Versicherte, der als Arbeitnehmer beschäftigt ist, übt die Funktion des Ersthelfers vielmehr in Erfüllung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht aus. Seine Hauptpflicht aus dem Arbeitsvertrag hat die Arbeitsleistung zum Gegenstand. Die Erste-Hilfe-Leistung erfolgt in Erfüllung der ihm obliegenden

Treuepflicht, die in § 28 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) ihre diesbezügliche Konkretisierung erfahren hat.

Die Treuepflicht ist auf Arbeitnehmerseite zwar das Gegenstück zur Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Die Unmöglichkeit, die Treuepflicht zu erfüllen, entlässt den Unternehmer aber nicht aus der Verpflichtung zur Fürsorge. Diese ist in § 24 Abs. 1 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) dahingehend bestimmt, dass er für die Anwesenheit von Ersthelfern zu sorgen hat. Da in der Unfallverhütungsvorschrift nicht festgelegt ist, dass die im Betrieb beschäftigten Versicherten die Ersthelfer stellen müssen, kann diese Aufgabe auch anderen Personen übertragen werden, z.B. dem aufgrund eines Dienstverhältnisses selbstständig tätigen Geschäftsführer einer GmbH.

Soweit auf solche Personen nicht zurückgegriffen werden kann, muss gleichsam als "Notnagel" der Unternehmer selbst einspringen. Seine Verpflichtung, sich als Ersthelfer zur Verfügung zu stellen, basiert unmittelbar auf seiner Fürsorgepflicht.

Die Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) und auch § 10 Abs. 2 Satz 5 Arbeitsschutzgesetz, die es dem Arbeitgeber freistellen, die Aufgaben eines Ersthelfers nach entsprechender Ausbildung selbst wahrzunehmen, enthalten zwar keine diesbezügliche Verpflichtung des Unternehmers/Arbeitgebers. Die Konkretisierung der Fürsorgepflicht auf die Erste-Hilfe-Leistung durch den Unternehmer selbst ergibt sich aber zwingend aus seiner allgemeinen Verpflichtung zur Sicherstellung der Ersten Hilfe im Betrieb. Falls der Unternehmer sich als Ersthelfer einsetzen will, gelten für ihn die Bestimmungen der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) über die Erste-Hilfe-Aus- und Fortbildung sowie über die notwendige Anwesenheit von Ersthelfern.

6.4 Abweichen von der festgelegten Zahl

Die Sicherstellung einer Versorgung der Notfallpatienten durch frühzeitiges Eintreffen des betriebseigenen Rettungsdienstes am Ort des Geschehens und einer Versorgung Leichtverletzter in der betrieblichen Ambulanz durch Festlegung einer Mindestzahl an Ersthelfern soll hiermit sichergestellt werden.

Rechtsgrundlagen:

§ 26 Abs. 1 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1).

Von den Mindestanforderungen kann nur abgewichen werden, wenn

  1. die Organisation des betrieblichen Rettungswesens
    und
  2. die vorhandene Gefährdung

es zulassen.

Es kann nur im Einvernehmen mit dem Unfallversicherungsträger von der Anzahl der vorgeschriebenen Ersthelfer abgewichen werden. Die Herabsetzung darf nicht zum Nachteil der Verletzten oder Erkrankten werden.

6.4.1 Organisation des betrieblichen Rettungswesens

Folgende Umstände sind zu bedenken, wenn von der Mindestzahl abgewichen werden soll. Etwa drei Minuten nach Eintritt eines Atemstillstandes besteht die Möglichkeit einer folgenlosen Wiederbelebung in 75 % der Fälle, nach etwa vier Minuten sinkt die Chance auf 50 % und nach etwa fünf Minuten auf 25 % ab. Bei einem Atem- und Kreislaufstillstand geht der zunächst noch reversible Tod nach vier bis sechs Minuten in den irreversiblen biologischen Tod über; bereits etwa drei Minuten nach Eintritt des Kreislaufstillstandes sterben 50 % der Notfallpatienten. Bei einer primären Störung der Atemfunktion bahnt sich nach durchschnittlich 11/2 Minuten der Kreislaufstillstand an. Bei rechtzeitigem Erkennen dieses Zustandes besteht eine günstige Prognose. Liegt dagegen eine primäre Störung des Herzens vor (z.B. Herzinfarkt), so sind die Überlebenszeit und damit die Wiederbelebungschance drastisch verkürzt.

Je eher eingegriffen wird, desto größer ist die Chance

Je eher Erste Hilfe geleistet wird, desto kürzer können auch die Dauer des Krankenhausaufenthaltes und die Kosten der Heilbehandlung sowie ggf. der Rentenleistungen sein. Rettungschancen nach Eintritt einer hochgradigen Störung oder nach Aussetzen einer Lebensfunktion in Abhängigkeit vom Zeitpunkt der Erste-Hilfe-Leistung

Bei Minute 0:  hochgradige Störung oder Aussetzen der Lebensfunktion; 
nach 1/2 Minute:  Erste Hilfe durch Ersthelfer, Überlebenschance fast 100 %; 
nach 1 1/2 Minuten:  Alarmierung der Rettungseinheiten; 
nach 3 bis 4 Minuten:  Eintreffen der Rettungseinheiten am Ort des Geschehens; 
nach 10 Minuten:  Aufnahme des Notfallpatienten im Krankenhaus. 

Ohne eine sofortige Erste-Hilfe- Leistung durch den Ersthelfer werden die Überlebenschancen stark gemindert; bereits 3 bis 4 Minuten nach Eintritt des Notfalls (frühester Zeitpunkt für das Eintreffen des Rettungsdienstes) sinken sie unter 50 %, nach 6 bis 7 Minuten besteht kaum noch eine Rettungschance.

Da bei einem Notfall Sekunden entscheidend sein können, darf auf Ersthelfer nur insoweit verzichtet werden, als ihre Aufgaben durch mobile betriebseigene Rettungseinheiten übernommen werden können. Bei der Versorgung eines Notfallpatienten darf kein zeitliches Vakuum entstehen. Folgende Fragen müssen beantwortet sein:

Wie viel Zeit vergeht, bis

Setzt man für jeden dieser Vorgänge eine Minute an, so hätte ein Verletzter mit einem Kreislaufstillstand kaum eine Überlebenschance, wenn nicht bereits vor Eintreffen der Rettungseinheit ein Ersthelfer Entscheidendes geleistet hätte.

Eine wirksamere Organisation des betrieblichen Rettungswesens lässt sich insbesondere erreichen, wenn

Die Verdünnung der vorgeschriebenen Dichte an Ersthelfern darf nie zum Nachteil der Verletzten gereichen.

Eine Herabsetzung der Zahl kann zusätzlich damit begründet sein, dass eine Versorgung der Verletzten in der werkseigenen Ambulanz erfolgt. Bei leichten Verletzungen, die unterhalb der Schwelle lebensbedrohlicher Störungen liegen, braucht der Versicherte nicht durch den Ersthelfer an Ort und Stelle versorgt zu werden, vielmehr kann er ohne Gefahr die werkseigene Ambulanz aufsuchen. Es muss lediglich sichergestellt sein, dass sich jeder in Betracht kommende Verletzte in der Ambulanz versorgen lässt.

6.4.2 Gefährdung

Neben einem gut durchorganisierten betrieblichen Rettungswesen ist für die Herabsetzung der Zahl der Ersthelfer ein geringes Gefährdungspotential Voraussetzung.

Dabei sind zwei Gesichtspunkte zu berücksichtigen:

Die Belastung des Betriebes spiegelt sich in den feststellbaren Unfallquoten wider. Möglichen Unfallschwerpunkten, besonderen Gefährdungen im Sinne des § 26 Abs. 4 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) oder auch Tätigkeiten, die von einzelnen oder kleinen Gruppen Versicherter an abgelegenen Stellen oder außerhalb des Betriebes durchgeführt werden, muss besondere Beachtung geschenkt werden.

Generell sollte die Herabsetzung nicht zu einer geringeren Anzahl an Ersthelfern als 5 % der anwesenden Beschäftigten führen. Werden z.B. in einem Raum 100 Versicherte beschäftigt, so sollten mindestens fünf Ersthelfer anwesend sein. Ist dagegen ein Betrieb unübersichtlich in mehrere Stockwerke und Räume gegliedert, so dürften 5 % nicht ausreichen. Damit es keine Betriebe erster und zweiter Klasse gibt, muss überall dafür gesorgt sein, dass bei einem Unfall ein Ersthelfer sofort zur Verfügung steht. Es darf keine Qualitätsabstufungen in der Ersten Hilfe geben.

In Bürobereichen, bei denen die Mindestquote für die Zahl anwesender Ersthelfer bereits nach § 26 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe a) der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) nur 5 % beträgt, ist das geringe Gefährdungspotential, d. h. die geringe Unfallhäufigkeit bereits berücksichtigt, so dass eine Herabsetzung der vorgeschriebenen Zahl nur in Ausnahmefällen in Betracht kommt. So ist es denkbar, dass die Zahl der Ersthelfer in einem Großraumbüro mit 100 Personen von 5 % auf 3 % im Einvernehmen mit dem Unfallversicherungsträger herabgesetzt werden kann, wenn der Raum äußerst übersichtlich und die Anwesenheit von drei Ersthelfern gesichert ist.

6.4.3 Verfahren

Die Verantwortung für die Festlegung einer von der Forderung der Unfallverhütungsvorschrift abweichenden Zahl der Ersthelfer trägt der Unternehmer.

Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe e) und Nr. 4 Arbeitssicherheitsgesetz hat der Betriebsarzt den Unternehmer bei der Organisation der Ersten Hilfe im Betrieb zu beraten und bei der Einsatzplanung und Schulung der Helfer in Erster Hilfe mitzuwirken. Der Betriebsarzt trägt insoweit eine Mitverantwortung.

Kommt der Unternehmer zu dem Ergebnis, dass eine Herabsetzung der Zahl der Ersthelfer zu verantworten ist, so genügt es, dass er sich mit der für den Betrieb zuständigen Aufsichtsperson ins Benehmen setzt und diese das Einverständnis erklärt, so dass das Einvernehmen mit dem zuständigen Unfallversicherungsträger nach § 26 Abs. 1 (BGV/GUV-V A1) gegeben ist. Eine förmliche Ausnahmegenehmigung im Sinne von § 14 Abs. 1 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) sieht die Vorschrift nicht vor.

6.5 Ausbildung

Jeder Verletzte hat Anspruch auf Erste Hilfe. Helfen will gelernt sein. Deswegen braucht jeder Ersthelfer eine fundierte Ausbildung.

Rechtsgrundlagen:

§ 23 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 2 und 3 Sozialgesetzbuch VII,

§ 26 Abs. 2 und Anlage 3 zu § 26 Abs. 2 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) in Verbindung mit den Anhängen 1 und 2 des Grundsatzes "Ermächtigung von Stellen für die Aus- und Fortbildung in der Erste Hilfe" (BGG/GUV-G 948)

6.5.1 Lehrinhalte

Die Ersthelferausbildung ist eine Grundausbildung, die den Ersthelfer in die Lage versetzt, in der Regel bei allen im Betrieb vorkommenden arbeitsbedingten Verletzungen, vom kleinen Unfall bis zum Notfall, aber auch bei lebensbedrohlichen Situationen aufgrund solcher Erkrankungen, die nicht in einem inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit stehen, die notwendigen vorläufigen Maßnahmen zu ergreifen. Soweit die Ersthelfer in einzelnen Betrieben die an sie zu stellenden Anforderungen allein aufgrund der durch die Grundausbildung ihnen vermittelten Fertigkeiten nicht erfüllen können, müssen sie zusätzlich ausgebildet werden (siehe Abschnitt 6.7).

Der Ersthelfer ist im Ernstfall häufig auf sich allein gestellt; er kann oftmals keinen anderen um Rat bitten. Verschiedene Situationen, die Anlässe für Erste-Hilfe-Leistungen sind, bilden deswegen die Ausgangspunkte für die einzelnen Lehrinhalte. Die zu vermittelnden Anwendungen der Ersten Hilfe werden nicht nur dargestellt und besprochen, sondern intensiv geübt. Ziel ist es, dem Laien Kenntnisse und Fertigkeiten so zu vermitteln, dass er die nötige Sicherheit für den Ernstfall, insbesondere für die Durchführung der lebensrettenden Maßnahmen, erhält. Anhand bestimmter äußerer Erscheinungsbilder oder leicht feststellbarer Symptome, wie Blutungen, Atemstillstand, Blutkreislaufstillstand, Bewusstlosigkeit, soll er die Gefahr für Gesundheit und Leben der Verletzten oder Patienten erkennen und ihr zielsicher begegnen können.

Der Ersthelfer-Lehrgang hat in Übereinstimmung mit Anhang 1 des Grundsatzes "Ermächtigung von Stellen für die Aus- und Fortbildung in Erster Hilfe" (BGG/GUV-G 948) folgende Themen zum Gegenstand:

  1. Allgemeine Verhaltensweisen bei Unfällen/Notfällen/Rettung,
  2. Kontaktaufnahme/Prüfen der Vitalfunktion,
  3. Störungen des Bewusstseins,
  4. Störungen von Atmung und Kreislauf, einschl. der Einbindung des AED in den Ablauf der Wiederbelebung,
  5. Knochenbrüche, Gelenkverletzungen,
  6. Bauchverletzungen,
  7. Wunden, bedrohliche Blutungen,
  8. Schock,
  9. Verbrennungen/thermische Schäden,
  10. Vergiftungen, Verätzungen.

Die Ausbildung erstreckt sich mit Ausnahme des Gerätes zur automatisierten Defibrillation (AED) nicht auf die Verwendung von Hilfsmitteln, wie Erste-Hilfe-Geräte, medizinische Geräte, Krankentragen, sowie die Verabreichung von Gegenmitteln (Antidote). Lediglich die Verwendung des in den Verbandkästen nach DIN 13.157 und DIN 13.169 enthaltenen Erste-Hilfe-Materials ist Gegenstand der Ausbildung.

Die Ausbildung zum Ersthelfer erfolgt mittels des Lehrganges "Ausbildung in Erster Hilfe" (Erste-Hilfe-Lehrgang), der acht Doppelstunden umfasst, wobei eine Doppelstunde aus zwei Unterrichtsstunden von je 45 Minuten besteht.

An dem Erste-Hilfe-Lehrgang sollen in der Regel mindestens 10 und nicht mehr als 15 Versicherte teilnehmen.

6.5.2 Ausbildende Stellen

Die Ausbildung in Erster Hilfe liegt gemäß § 26 Abs. 2 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) in den Händen von dazu speziell ermächtigten Stellen. Neben den bekannten Hilfsorganisationen (ASB, DLRG, DRK, JUH und MHD) können auch zusätzlich die von den Unfallversicherungsträgern dazu ermächtigten Stellen Erste-Hilfe-Ausbildungen im Sinne dieser Unfallverhütungsvorschrift für Betriebe durchführen. Der Unternehmer ist gehalten, als Ersthelfer Personen einzusetzen, die von einer dieser ermächtigten Stellen aus- und fortgebildet sind.

Die Voraussetzungen für die Ermächtigung sind in der Anlage 3 zu § 26 Abs. 2 der Unfallverhütungsvorschrift "Grundsätze der Prävention" (BGV/GUV-V A1) geregelt (siehe Anhang 3).

Im Wesentlichen müssen folgende Forderungen erfüllt sein:

Die Ermächtigung muss schriftlich beantragt werden. Den Antrag hat der Unternehmer beim Unfallversicherungsträger zu stellen. Dieser leitet den Antrag weiter an die VBG (Verwaltungs-Berufsgenossenschaft), Bezirksverwaltung Würzburg, die von allen gewerblichen Berufsgenossenschaften sowie einem Großteil der Unfallkassen mit der Durchführung des Ermächtigungsverfahrens gemäß § 88 Sozialgesetzbuch X beauftragt ist. Die Ermächtigung wird nach Prüfung durch die so genannte "Qualitätssicherungsstelle Erste Hilfe" unter dem Vorbehalt des Widerrufs und befristet erteilt. Der Unternehmer hat jede Veränderung der betrieblichen Verhältnisse, welche die Voraussetzungen für die Ermächtigung gebildet haben, unverzüglich der Qualitätssicherungsstelle anzuzeigen. Nähere Angaben zum Ermächtigungsverfahren enthält auch der Grundsatz "Ermächtigung von Stellen für die Aus- und Fortbildung in der Ersten Hilfe" (BGG/GUV-G 948).

Aktuelle Listen der ermächtigten Stellen können bei den Unfallversicherungsträgern bzw. im Internet abgerufen werden (www.dguv.de/fb-erstehilfe).

Die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung können die Aus- und Fortbildung in Erster Hilfe auch selbst vornehmen, wie aus § 23 Abs. 2 Sozialgesetzbuch VII zu entnehmen ist.

Formular für die Anmeldung und Bestätigung der Teilnehmer an der Aus- und Fortbildung für betriebliche Ersthelfer:

Anschrift der ausbildenden Stelle
Anschrift des Unternehmens
Anmeldung und Teilnahmebestätigung für Erste Hilfe o Ausbildung o Fortbildung 
Teilnehmer: Name, Vorname Geburtsdatum Unterschrift
1      
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3      
4      
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8      
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10      
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14      
Zuständiger Unfallversicherungsträger Mitglieds-Nr. des Unternehmens
Datum Stempel, Unterschrift des Unternehmens
Bestätigung durch die Ausbildungsstelle
Kennziffer der Ausbildungsstelle (www. dguv.de/fb-erstehilfe
Registriernummer der Veranstaltung (sofern vergeben)
Zeitraum der Ausbildung (vom-bis)
Ort der Ausbildung
Name des verantwortlichen Arztes
Name der Lehrkraft
Die ordnungsgemäße Teilnahme an der Aus- bzw. Fortbildung für betriebliche Ersthelfer wird bestätigt
 

Ort, Datum

 

(Stempel, Unterschrift der ausbildenden Stelle)


Die personenbezogenen Daten werden aufgrund des § 199 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. § 23 SGB VII erhoben und gespeichert.


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