Regelwerk, Allgemeines, Rechtspflege

SächsPolG - Polizeigesetz des Freistaates Sachsen
- Sachsen -

Vom 13. August 1999
(GVBl. 1999 S. 466; ...; 05.05.2004 S. 148; 29.01.2008 S. 138 08; 05.05.2008 S. 302 08a; 08.12.2008 S. 940 08b; 15.12.2010 S. 387 10; 04.10.2011 S. 370 11; 25.01.2012 S. 54 12; 27.01.2012 S. 130 12a 12b; 17.12.2013 S. 890 13; 11.03.2019 S. 358aufgehoben)
Gl.-Nr.: 2012-1


Zu den Nachfolgeregelungen SächsPVDG, SächsPBG

Teil 1
Das Recht der Polizei

Abschnitt 1
Aufgaben der Polizei

§ 1 Allgemeines

(1) Die Polizei hat die Aufgabe, von dem Einzelnen und dem Gemeinwesen Gefahren abzuwehren, durch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedroht wird und Störungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen, soweit es im öffentlichen Interesse geboten ist. Sie hat insbesondere

  1. die freiheitliche demokratische Grundordnung zu schützen und die ungehinderte Ausübung der Grundrechte und der staatsbürgerlichen Rechte zu gewährleisten,
  2. Straftaten zu verhindern und vorbeugend zu bekämpfen und
  3. Vorbereitungen zu treffen, um künftige Gefahren abwehren zu können.

(2) Außerdem hat die Polizei die ihr durch andere Rechtsvorschriften übertragenen Aufgaben wahrzunehmen.

§ 2 Tätigwerden für andere Stellen

(1) Ist zur Wahrnehmung einer polizeilichen Aufgabe im Sinne des § 1 Abs. 1 nach gesetzlicher Vorschrift eine andere Stelle zuständig und erscheint deren rechtzeitiges Tätigwerden bei Gefahr im Verzug nicht erreichbar, so hat die Polizei die notwendigen vorläufigen Maßnahmen zu treffen. Die zuständige Stelle ist unverzüglich zu unterrichten.

(2) Der Schutz privater Rechte obliegt der Polizei nach diesem Gesetz nur auf Antrag des Berechtigten und nur dann, wenn gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und wenn ohne polizeiliche Hilfe die Gefahr besteht, dass die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert wird.

Abschnitt 2
Befugnisse der Polizei

Unterabschnitt 1
Allgemeines

§ 3 Polizeiliche Maßnahmen

(1) Die Polizei kann innerhalb der durch das Recht gesetzten Schranken die erforderlichen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Falle bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren, soweit die Befugnisse der Polizei nicht besonders geregelt sind.

(2) Von mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen hat die Polizei diejenige zu treffen, die ihr nach pflichtmäßigem Ermessen erforderlich erscheint und den einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigt.

(3) Durch eine polizeiliche Maßnahme darf kein Nachteil herbeigeführt werden, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht.

(4) Eine Maßnahme ist nur solange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann.

§ 4 Maßnahmen gegenüber dem Verursacher

(1) Wird die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch das Verhalten von Personen bedroht oder gestört, so hat die Polizei ihre Maßnahmen gegenüber demjenigen zu treffen, der die Bedrohung oder die Störung verursacht hat.

(2) Ist die Bedrohung oder die Störung durch eine Person verursacht worden, die das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, so kann die Polizei ihre Maßnahmen auch gegenüber demjenigen treffen, dem die Sorge für diese Person obliegt. Ist für eine Person ein Betreuer bestellt, so kann die Polizei ihre Maßnahmen auch gegenüber dem Betreuer im Rahmen seines Aufgabenbereichs treffen.

(3) Ist die Bedrohung oder die Störung durch eine Person verursacht worden, die von einem anderen zu einer Verrichtung bestellt worden ist, so kann die Polizei ihre Maßnahmen auch gegenüber dem anderen treffen.

§ 5 Maßnahmen gegenüber dem Eigentümer oder dem Inhaber der tatsächlichen Gewalt

Wird die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch den Zustand einer Sache bedroht oder gestört, so hat die Polizei ihre Maßnahmen gegenüber dem Eigentümer oder gegenüber demjenigen zu treffen, der die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt.

§ 6 Unmittelbare Ausführung einer Maßnahme

(1) Die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme durch die Polizei ist nur zulässig, wenn der polizeiliche Zweck durch Maßnahmen gegen die in den § § 4 und 5 bezeichneten Personen nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. Der von der Maßnahme Betroffene ist unverzüglich zu unterrichten.

(2) Entstehen der Polizei durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme Kosten, so sind die in den § § 4 und 5 bezeichneten Personen zu deren Ersatz verpflichtet.

§ 7 Maßnahmen gegenüber Unbeteiligten

(1) Gegenüber anderen als den in den § § 4 und 5 bezeichneten Personen kann die Polizei ihre Maßnahmen nur dann treffen, wenn

  1. auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht verhindert oder eine bereits eingetretene Störung nicht beseitigt werden kann, insbesondere wenn die eigenen Mittel der Polizei nicht ausreichen, oder
  2. durch Maßnahmen nach den § § 4 bis 6 ein Schaden herbeigeführt würde, der erkennbar außer Verhältnis zu dem beabsichtigten Erfolg steht.

(2) Die Maßnahmen dürfen nur aufrechterhalten werden, solange die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen.

§ 8 Ausweispflicht

Auf Verlangen des Betroffenen haben sich Bedienstete der Polizeibehörden und des Polizeivollzugsdienstes auszuweisen. Das gilt nicht, wenn die Umstände es nicht zulassen oder dadurch der Zweck der Maßnahme gefährdet wird.

Unterabschnitt 2
Polizeiverordnungen

§ 9 Ermächtigung zum Erlass von Polizeiverordnungen

(1) Die allgemeinen Polizeibehörden können zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Gesetz polizeiliche Gebote oder Verbote erlassen, die für eine unbestimmte Anzahl von Fällen an eine unbestimmte Anzahl von Personen gerichtet sind (Polizeiverordnungen).

(2) Die Vorschriften dieses Gesetzes über Polizeiverordnungen sind auch dann anzuwenden, wenn ein anderes Gesetz ausdrücklich zum Erlass von Polizeiverordnungen ermächtigt.

§ 9a Ermächtigung zum Erlass örtlich und zeitlich begrenzter Alkoholkonsumverbote 11

(1) Die Ortspolizeibehörden können durch Polizeiverordnung verbieten, auf öffentlichen Flächen außerhalb von genehmigten Außenbewirtschaftungsflächen alkoholische Getränke zu konsumieren oder zum Zwecke des Konsums innerhalb dieser Fläche mitzuführen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich dort Personen aufhalten, die alkoholbedingte Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder das Eigentum begangen haben und künftig begehen werden.

(2) Das Verbot ist auf bestimmte Tage innerhalb einer Woche und Stunden des Tages zu beschränken. Ein generelles Verbot an allen Tagen und über mehr als zwölf Stunden am Tag ist unzulässig. Das Verbot ist örtlich auf den zur Verhütung von Straftaten erforderlichen Umfang zu beschränken. Die örtliche Verbotsbeschränkung nach Satz 3 darf sich lediglich auf einen räumlichen Bereich beziehen, der höchstens durch zwei Plätze und drei Straßen im Sinne des Straßengesetzes für den Freistaat Sachsen (Sächsisches Straßengesetz - SächsStrG) vom 21. Januar 1993 (SächsGVBl. S. 93), zuletzt geändert durch Artikel 30 des Gesetzes vom 15. Dezember 2010 (SächsGVBl. S. 387, 403), begrenzt wird. Von einer nach Satz 1 und 3 festgesetzten Beschränkung kann die nach Absatz 1 zuständige Behörde in besonderen Fällen Ausnahmen zulassen.

(3) Polizeiverordnungen nach Absatz 1 müssen mindestens einen Monat und dürfen höchstens ein Jahr gelten. Der Erlass einer erneuten Polizeiverordnung ist zulässig, wenn dies zur Abwehr der in Absatz 1 genannten Gefahrzwingend geboten ist.

§ 10 Inhalt

Polizeiverordnungen dürfen nicht mit Rechtsvorschriften höheren Ranges in Widerspruch stehen.

§ 11 Formerfordernisse

(1) Polizeiverordnungen müssen

  1. die Rechtsgrundlage angeben, die zu ihrem Erlass ermächtigt,
  2. die erlassende Behörde bezeichnen,
  3. ihren örtlichen Geltungsbereich festlegen,
  4. den Tag bestimmen, an dem sie in Kraft treten.

(2) Polizeiverordnungen sollen

  1. eine ihren Inhalt kennzeichnende Überschrift tragen,
  2. in der Überschrift als Polizeiverordnung bezeichnet sein.

§ 12 Zuständigkeit

Polizeiverordnungen werden von den zuständigen Staatsministerien oder den übrigen allgemeinen Polizeibehörden für ihren Dienstbezirk oder Teile ihres Dienstbezirks erlassen.

§ 13 Eintritt der zur Fachaufsicht zuständigen Behörde

Weigert sich eine Polizeibehörde, eine nach Ansicht einer zur Fachaufsicht zuständigen Behörde erforderliche Polizeiverordnung zu erlassen, so kann die Polizeiverordnung von der nächsthöheren zur Fachaufsicht zuständigen Behörde ( § 66) erlassen werden.

§ 14 Polizeiverordnungen der Orts- und Kreispolizeibehörden

(1) Polizeiverordnungen der Ortspolizeibehörden werden, wenn sie nicht länger als einen Monat gelten sollen, vom Bürgermeister, im Übrigen vom Gemeinderat, erlassen. Sie werden in der für die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen der Gemeinde bestimmten Form verkündet.

(2) Für Polizeiverordnungen der Kreispolizeibehörden gilt Absatz 1 Satz 1 entsprechend. Sie werden in der für die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen des Landkreises, bei Kreisfreien Städten in der für die öffentliche Bekanntmachung von Satzungen der Gemeinde bestimmten Form, verkündet.

§ 15 Prüfung durch die Fachaufsichtsbehörde

(1) Polizeiverordnungen der Kreispolizeibehörden und der Ortspolizeibehörden sind der nächsthöheren zur Fachaufsicht zuständigen Behörde unverzüglich nach ihrem Erlass vorzulegen.

(2) Beeinträchtigt eine Polizeiverordnung das Wohl des Gemeinwesens, verletzt sie die Rechte Einzelner oder verstößt sie gegen Anordnungen übergeordneter Behörden, so ist sie aufzuheben; verstößt sie gegen § 10, so ist ihre Nichtigkeit festzustellen.

§ 16 Außer-Kraft-Treten

Polizeiverordnungen treten spätestens zehn Jahre nach ihrem In-Kraft-Treten außer Kraft.

§ 17 Ordnungswidrigkeiten

(1) Ordnungswidrig handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig einer aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Polizeiverordnung zuwiderhandelt, soweit die Polizeiverordnung für einen bestimmten Tatbestand auf diese Bußgeldvorschrift verweist.

(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße geahndet werden.

(3) Verwaltungsbehörden im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten sind die Ortspolizeibehörden.

(4) Das fachlich zuständige Staatsministerium kann die Zuständigkeiten nach Absatz 3 durch Rechtsverordnung auf andere Behörden übertragen.

Unterabschnitt 3
Einzelmaßnahmen

§ 18 Befragung, Vorladung, Vernehmung 08a 11

(1) Die Polizei kann eine Person befragen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass die Person sachdienliche Angaben machen kann, die zur Erfüllung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe erforderlich sind. Für die Dauer der Befragung kann die Person angehalten werden.

(2) Die Polizei kann eine Person vorladen, wenn

  1. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person sachdienliche Angaben machen kann, die zur Wahrnehmung einer bestimmten polizeilichen Aufgabe erforderlich sind, oder
  2. dies zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen erforderlich ist.

(3) Eine Person, deren Befragung oder Vorladung nach den Absätzen 1 oder 2 zulässig ist, hat auf Verlangen der Polizei anzugeben:

  1. Familiennamen,
  2. Vornamen, unter Kennzeichnung des gebräuchlichen Vornamens (Rufname),
  3. frühere Namen,
  4. Tag und Ort der Geburt,
  5. Anschrift, gegebenenfalls Haupt- und Nebenwohnung,
  6. Staatsangehörigkeiten.

(4) Bei der Vorladung ist deren Grund anzugeben. Bei der Festsetzung des Zeitpunktes soll auf die beruflichen Verpflichtungen und die sonstigen Lebensverhältnisse des Betroffenen Rücksicht genommen werden.

(5) Leistet ein Betroffener der Vorladung ohne hinreichenden Grund keine Folge, so kann sie zwangsweise durchgesetzt werden, wenn dies

  1. zur Abwehr einer Gefahr für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person oder für bedeutende fremde Sach- oder Vermögenswerte oder
  2. zur Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen erforderlich ist.

(6) Eine über Absatz 3 hinausgehende Auskunftspflicht besteht, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur in den Fällen des Absatzes 5 Nr. 1. In entsprechender Anwendung der §§ 52, 53, 53a und 55 Abs. 1 der Strafprozessordnung (StPO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2302) ist ein Betroffener zur Verweigerung der Auskunft berechtigt. Dies gilt nicht, sofern die Auskunft zur Abwehr einer Gefahr für Leben oder Freiheit einer Person oder einer erheblichen Gesundheitsgefahr zwingend erforderlich ist. Ein Geistlicher ist auch in diesem Fall nicht verpflichtet, Auskunft über Tatsachen zu geben, die ihm in seiner Eigenschaft als Seelsorger anvertraut worden oder bekannt geworden sind. Das Speichern, Verändern und Nutzen der nach Satz 3 erhobenen Daten ist nur zulässig, wenn es für den Zweck erfolgt, für den die Daten erhoben worden sind. Vor der Vernehmung ist der Betroffene über ein bestehendes Recht zur Verweigerung der Auskunft zu belehren.

(7) Für die Entschädigung oder Vergütung eines auf Vorladung erscheinenden Zeugen oder Sachverständigen gilt das Gesetz über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz - JVEG) vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718, 776), zuletzt geändert durch Artikel 18 Abs. 4 des Gesetzes vom 12. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2840, 2859), in der jeweils geltenden Fassung, entsprechend.

(8) Die Polizei darf keinen unmittelbaren Zwang zur Herbeiführung einer Aussage anwenden.

(9) Für Vernehmungen durch die Polizei, die nicht der Verfolgung einer mit Strafe oder Geldbuße bedrohten Handlung dienen, gelten die § § 68a, 136a und 69 Abs. 3 der StPO entsprechend.

§ 19 Identitätsfeststellung 11 12

(1) Die Polizei kann die Identität einer Person feststellen,

  1. um im einzelnen Falle eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren oder eine Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen,
  2. wenn sie sich an einem Ort aufhält, an dem erfahrungsgemäß Straftäter sich verbergen, Personen Straftaten verabreden, vorbereiten oder verüben, sich ohne erforderliche Aufenthaltserlaubnis treffen oder der Prostitution nachgehen,
  3. wenn sie sich in einer Verkehrs- oder Versorgungsanlage oder -einrichtung, einem öffentlichen Verkehrsmittel, Amtsgebäude oder einem anderen besonders gefährdeten Objekt oder in unmittelbarer Nähe hiervon aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass in oder an Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen,
  4. wenn sie an einer Kontrollstelle angetroffen wird, die von der Polizei eingerichtet worden ist, um Straftaten von erheblicher Bedeutung (§ 35 Abs. 2) oder im Sinne des des § 28 des Gesetzes über Versammlungen und Aufzüge im Freistaat Sachsen (Sächsisches Versammlungsgesetz - SächsVersG) vom 25. Januar 2012 (SächsGVBl. S. 54), in derjeweils geltenden Fassung, zu verhindern,
  5. zum Zwecke der vorbeugenden Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität im Grenzgebiet zur Republik Polen und zur Tschechischen Republik bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern, darüber hinaus in öffentlichen Anlagen, Einrichtungen oder Verkehrsmitteln des internationalen Verkehrs oder in unmittelbarer Nähe hiervon sowie auf Bundesfernstraßen und anderen Straßen von erheblicher Bedeutung für die grenzüberschreitende Kriminalität,
  6. wenn sie sich innerhalb eines Kontrollbereichs aufhält, der von der Polizei eingerichtet worden ist, um Straftaten im Sinne des § 100a StPO oder § 28 SächsVersG zu verhindern.

Die Einrichtung eines Kontrollbereichs darf nur vom Staatsministerium des Innern oder mit seiner Zustimmung angeordnet werden.

(1a) Das Staatsministerium des Innern erfasst den Umfang und die Ergebnisse der Anwendung von Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 und berichtet hierüber jährlich dem Sächsischen Landtag.

(2) Die Polizei kann zur Feststellung der Identität die erforderlichen Maßnahmen treffen. Sie kann den Betroffenen insbesondere anhalten und verlangen, dass er mitgeführte Ausweispapiere vorzeigt und zur Prüfung aushändigt. Der Betroffene kann festgehalten und zur Dienststelle gebracht werden, wenn die Identität auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

(3) Die Polizei kann verlangen, dass ein Berechtigungsschein vorgezeigt und zur Prüfung ausgehändigt wird, wenn der Betroffene aufgrund einer Rechtsvorschrift verpflichtet ist, diesen Berechtigungsschein mitzuführen.

§ 19a Anlassbezogene mobile automatisierte Kennzeichenerkennung 11 12a

(1) Der Polizeivollzugsdienst kann durch den Einsatz technischer Mittel zur mobilen automatisierten Kennzeichenerkennung Kraftfahrzeugkennzeichen sowie Informationen über Ort, Zeit und Fahrtrichtung erfassen und die Kraftfahrzeugkennzeichen sofort und unmittelbar mit polizeilichen Datenbeständen aus folgenden Anlässen automatisiert abgleichen:

  1. zur Abwehr einer im einzelnen Falle bestehenden Gefahr für Leben, Gesundheit oder Freiheit einer Person, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für bedeutende Sach- oder Vermögenswerte,
  2. zur Sicherstellung gestohlener oder sonst abhanden gekommener Kraftfahrzeuge oder Kraftfahrzeugkennzeichen,
  3. zur Verhinderung der Weiterfahrt von Kraftfahrzeugen ohne ausreichenden Pflichtversicherungsschutz,
  4. zur Verhinderung von Straftaten, die im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen stehen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass Personen solche Straftaten begehen werden,
  5. zur vorbeugenden Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität,
  6. zur Verhinderung von Straftaten an Kriminalitätsschwerpunkten bei Vorliegen entsprechender dokumentierter Lageerkenntnisse.

Der dauerhafte und flächendeckende Einsatz der technischen Mittel nach Satz 1 ist unzulässig. Der Einsatz technischer Mittel nach Satz 1 ist zeitlich und örtlich zu begrenzen, insbesondere im Falle von

  1. Satz 1 Nr. 2 auf Stichproben; Nummer 4 bleibt unberührt,
  2. Satz 1 Nr. 3 auf Stichproben,
  3. Satz 1 Nr. 4 auf die räumliche Nähe zur Veranstaltung,
  4. Satz 1 Nr. 5 auf Maßnahmen im Grenzgebiet zur Republik Polen und zur Tschechischen Republik bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern sowie auf Bundesfernstraßen; Maßnahmen auf anderen Straßen von erheblicher Bedeutung für die grenzüberschreitende Kriminalität sind nur bei Vorliegen entsprechender dokumentierter Lageerkenntnisse zulässig.

Die automatisierte Kennzeichenerkennung erfolgt offen, es sei denn, eine verdeckte Maßnahme ist zur Zweckerreichung zwingend erforderlich. In den Fällen des Satzes 1 Nr. 1 und 4 darf ein Abgleich nur mit den diesen Zweckbestimmungen dienenden Dateien, in den anderen Fällen auch mit der Sachfahndungsdatei im Informationssystem der Polizei (INPOL) sowie im Nationalen Schengener Informationssystem erfolgen. Liegt für das vollständig erfasste Kraftfahrzeugkennzeichen keine Datenübereinstimmung vor, sind die erfassten Daten sofort, technisch spurenlos, anonym und ohne die Möglichkeit, einen Personenbezug herzustellen, automatisiert zu löschen.

(2) Bei Datenübereinstimmung für das erfasste Kraftfahrzeugkennzeichen kann der Polizeivollzugsdienst das betreffende Kraftfahrzeug anhalten und die Identität der Insassen feststellen. § 19 Abs. 2 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Maßnahmen nach § 38 Abs. 1 Nr. 4 sind unzulässig. Die Zusammenführung von Daten zu Bewegungsbildern ist unzulässig.

(3) Sobald eine Maßnahme nach Absatz 2 erfolgt ist oder nicht mehr erfolgen kann, sind die nach Absatz 1 erfassten Daten sofort zu löschen.

(4) Maßnahmen nach Absatz 1 dürfen nur durch den Leiter einer Polizeidirektion oder des Landeskriminalamtes angeordnet werden. Dieser kann die Anordnungsbefugnis auf einen Bediensteten der zuständigen Polizeidienststelle übertragen.

(5) Der Staatsminister des Innern berichtet dem Landtag jährlich über die Anzahl der Einsätze technischer Mittel nach Absatz 1 und deren Ergebnisse.

§ 20 Erkennungsdienstliche Maßnahmen

(1) Die Polizei kann erkennungsdienstliche Maßnahmen ohne Einwilligung des Betroffenen nur vornehmen, wenn

  1. eine nach § 19 zulässige Identitätsfeststellung auf andere Weise nicht zuverlässig durchgeführt werden kann oder
  2. dies zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich ist, weil der Betroffene verdächtigt ist, eine mit Strafe bedrohte Tat begangen zu haben, und die Umstände des Einzelfalls die

Annahme rechtfertigen, dass er auch künftig Taten begehen wird, die mit Strafe bedroht sind.

(2) Erkennungsdienstliche Maßnahmen sind insbesondere

  1. die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken,
  2. die Aufnahme von Lichtbildern einschließlich Bildaufzeichnungen,
  3. die Feststellung äußerer körperlicher Merkmale,
  4. Messungen und ähnliche Maßnahmen.

(3) Die erkennungsdienstlichen Unterlagen sind zu vernichten, wenn die Identität festgestellt oder der Verdacht entfallen ist, es sei denn, ihre weitere Aufbewahrung ist nach anderen Rechtsvorschriften zulässig.

§ 21 Platzverweis, Aufenthaltsverbot, Wohnungsverweisung 11

(1) Die Polizei kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung oder zur Beseitigung einer Störung eine Person vorübergehend von einem Ort verweisen oder ihr vorübergehend das Betreten eines Ortes verbieten. Dies gilt insbesondere für Personen, die den Einsatz der Feuerwehr oder der Hilfs- und Rettungsdienste behindern.

(2) Die Polizei kann einer Person für höchstens drei Monate den Aufenthalt in einem Gemeindegebiet oder -gebietsteil untersagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Person dort eine Straftat begehen oder zu ihrer Begehung beitragen wird. Das Verbot ist zeitlich und örtlich auf den zur Verhütung der Straftat erforderlichen Umfang zu beschränken und darf räumlich nicht den Zugang zur Wohnung der betroffenen Person umfassen. Die Vorschriften des Versammlungsrechts sowie die Wahrnehmung berechtigter Interessen durch die betroffene Person bleiben unberührt.

(3) Die Polizei kann eine Person für bis zu zwei Wochen aus einer Wohnung und dem unmittelbar angrenzenden Bereich verweisen und ihr die Rückkehr in diesen Bereich untersagen, wenn dies zur Abwehr einer von dieser Person ausgehenden gegenwärtigen Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit von Bewohnern derselben Wohnung erforderlich ist.

§ 22 Gewahrsam 11

(1) Die Polizei kann eine Person in Gewahrsam nehmen, wenn

  1. auf andere Weise eine unmittelbar bevorstehende erhebliche Störung der öffentlichen Sicherheit nicht verhindert oder eine bereits eingetretene erhebliche Störung nicht beseitigt werden kann oder
  2. das zum Schutz der Person gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist und die Person
    1. sich erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in hilfloser Lage befindet oder
    2. Selbstmord begehen will oder
  3. die Identität einer Person auf andere Weise nicht festgestellt werden kann oder
  4. dies unerlässlich ist, um einen Platzverweis, ein Aufenthaltsverbot oder eine Wohnungsverweisung nach § 21 durchzusetzen.

(2) Die Polizei kann Minderjährige, die sich der Obhut der Sorgeberechtigten entzogen haben, in Gewahrsam nehmen, um sie den Sorgeberechtigten oder dem Jugendamt zuzuführen.

(3) Die Polizei kann eine Person, die aus dem Vollzug von Untersuchungshaft, Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung entwichen ist oder sich sonst ohne Erlaubnis außerhalb der Justizvollzugsanstalt aufhält, in Gewahrsam nehmen und in die Anstalt zurückbringen.

(4) Der in Gewahrsam genommenen Person ist unverzüglich der Grund dieser Maßnahme sowie der gegen sie zulässige Rechtsbehelf bekannt zu geben und Gelegenheit zur Beiziehung eines Bevollmächtigten zu geben.

(5) Der in Gewahrsam genommenen Person ist unverzüglich Gelegenheit zu geben, einen Angehörigen oder eine Person ihres Vertrauens zu benachrichtigen, soweit dadurch der Zweck des Gewahrsams nicht gefährdet wird. Die Polizei hat die Benachrichtigung zu übernehmen, wenn die in Gewahrsam genommene Person hierzu nicht in der Lage ist und die Benachrichtigung ihrem mutmaßlichen Willen nicht widerspricht. Ist die in Gewahrsam genommene Person minderjährig oder ist für sie ein Betreuer bestellt, so ist in jedem Falle unverzüglich derjenige zu benachrichtigen, dem die Sorge für die Person obliegt.

(6) Der in Gewahrsam genommenen Person dürfen nur solche Beschränkungen auferlegt werden, die der Zweck des Gewahrsams oder die Sicherheit oder Ordnung im Gewahrsam erfordern. Sie ist getrennt von anderen festgehaltenen Personen, insbesondere von Untersuchungs- und Strafgefangenen unterzubringen, sofern die Umstände dies zulassen. Gibt ihr Gesundheitszustand Anlass zur Besorgnis, so ist eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen.

(7) Nimmt die Polizei eine Person nach Absatz 1 oder 2 in Gewahrsam, so hat sie unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer des Gewahrsams herbeizuführen. Der Herbeiführung der Entscheidung bedarf es nicht, wenn anzunehmen ist, dass die Entscheidung erst nach Wegfall des Grundes des Gewahrsams ergehen würde. In der Entscheidung ist die höchstzulässige Dauer des Gewahrsams zu bestimmen; sie darf im Fall des Absatzes 1 Nr. 1 zwei Wochen und in den übrigen Fällen drei Tage nicht überschreiten, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Der Gewahrsam darf ohne richterliche Entscheidung nicht länger als bis zum Ende des folgenden Tages aufrechterhalten werden. Der Gewahrsam ist in jedem Falle aufzuheben, sobald sein Zweck erreicht ist.

(8) Für die Entscheidung nach Absatz 7 ist, solange die Maßnahme andauert, das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk eine Person in Gewahrsam genommen worden ist. Für das Verfahren gelten insoweit die Vorschriften des Buches 1 und 7 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586, 2587), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2255, 2257).

§ 23 Durchsuchung von Personen

(1) Die Polizei kann eine Person durchsuchen, wenn

  1. sie nach diesem Gesetz oder anderen Rechtsvorschriften festgehalten oder in Gewahrsam genommen werden darf,
  2. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Sachen mit sich führt, die sichergestellt oder beschlagnahmt werden dürfen,
  3. dies zur Feststellung ihrer Identität erforderlich ist und die Personen sich erkennbar in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand oder sonst in einer hilflosen Lage befindet,
  4. sie sich an einem der in § 19 Abs. 1 Nr. 2 genannten Orte aufhält oder
  5. sie sich in einem Objekt im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 3 oder in dessen unmittelbarer Nähe aufhält und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass in oder an Objekten dieser Art Straftaten begangen werden sollen.

(2) Die Polizei kann eine Person, deren Identität gemäß § 19 oder anderen Rechtsvorschriften festgestellt werden soll, nach Waffen, anderen gefährlichen Werkzeugen und Sprengmitteln durchsuchen, wenn dies nach den Umständen zum Schutz eines Polizeibediensteten oder eines Dritten gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich erscheint.

(3) Die Durchsuchung darf nur von Personen gleichen Geschlechts oder Ärzten durchgeführt werden; dies gilt nicht, wenn die sofortige Durchsuchung nach den Umständen zum Schutz gegen eine Gefahr für Leib oder Leben erforderlich erscheint.

§ 24 Durchsuchung von Sachen

Die Polizei kann eine Sache durchsuchen, wenn

  1. sie von einer Person mitgeführt wird, die nach § 23 Abs. 1 oder 2 durchsucht werden darf,
  2. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihr eine Person befindet, die
    1. in Gewahrsam genommen werden darf,
    2. widerrechtlich festgehalten wird oder
    3. infolge Hilflosigkeit an Leib oder Leben gefährdet ist,
  3. Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich in ihr eine andere Sache befindet, die sichergestellt oder beschlagnahmt werden darf,
  4. sie sich an einem der in § 19 Abs. 1 Nr. 2 genannten Orte befindet,
  5. sie sich in einem Objekt im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 3 oder in dessen unmittelbarer Nähe befindet und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Straftaten in oder an Objekten dieser Art begangen werden sollen,
  6. es sich um ein Land-, Wasser- oder Luftfahrzeug handelt, in dem sich eine Person befindet, deren Identität nach § 19 Abs. 1 Nr. 4, 5 oder 6 festgestellt werden darf; die Durchsuchung kann sich auch auf die in dem Fahrzeug enthaltenen oder mit dem Fahrzeug verbundenen Sachen erstrecken, oder
  7. sie von einer Person mitgeführt wird, deren Identität nach § 19 Abs. 1 Nr. 4, 5 oder 6 festgestellt werden darf.

§ 25 Betreten und Durchsuchung von Wohnungen 11

(1) Die Polizei kann eine Wohnung ohne Einwilligung des Inhabers betreten, wenn dies zum Schutz eines Einzelnen oder des Gemeinwesens gegen dringende Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erforderlich ist. Während der Nachtzeit ist das Betreten zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr oder schweren Gesundheitsgefahr für einzelne Personen zulässig. Betriebs- und Geschäftsräume dürfen zur Erfüllung einer polizeilichen Aufgabe während der Betriebs- und Geschäftszeit, im Übrigen nach Maßgabe der Sätze 1 und 2 betreten werden.

(2) Die Polizei kann eine Wohnung durchsuchen,

  1. wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass
    sich eine Person in der Wohnung befindet, die
    1. in Gewahrsam genommen werden darf,
    2. widerrechtlich festgehalten wird oder
    3. infolge Hilflosigkeit an Leib oder Leben gefährdet ist,
  2. um eine mutmaßlich widerrechtlich festgehaltene Person aufzufinden, wenn ein Wohnungsinhaber wegen einer Straftat gegen das Leben, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung verurteilt wurde, soweit wegen der Straftat noch eine Eintragung im Bundeszentralregister vorhanden ist, und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass ein über die räumliche Nähe zum Wohnort hinausgehender Bezug zwischen der Verurteilung des Wohnungsinhabers und dem Verschwinden der betreffenden Person besteht; das Gleiche gilt, wenn der Wohnungsinhaber wegen einer solchen Straftat nur deshalb nicht verurteilt worden ist, weil seine Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen war, oder
  3. wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich eine Sache in der Wohnung befindet, die sichergestellt oder beschlagnahmt werden darf.

(3) Ist eine Person entführt worden und rechtfertigen Tatsachen die Annahme, dass sie in einem Gebäude oder einer Gebäudegruppe festgehalten wird, so kann die Polizei Wohnungen in diesem Gebäude oder dieser Gebäudegruppe durchsuchen, wenn die Durchsuchungen das einzige Mittel sind, um eine Lebensgefahr oder Gesundheitsgefahr von der entführten Person oder von einem Dritten abzuwehren. Durchsuchungen während der Nachtzeit sind nur zulässig, wenn sie zur Abwehr der in Satz 1 genannten Gefahren unumgänglich notwendig sind.

(4) Die Nachtzeit umfasst in dem Zeitraum vom 1. April bis 30. September die Stunden von 21.00 Uhr bis 4.00 Uhr und in dem Zeitraum vom 1. Oktober bis 31. März die Stunden von 21.00 Uhr bis 6.00 Uhr.

(5) Außer bei Gefahr im Verzug darf die Durchsuchung einer Wohnung nur durch das Amtsgericht angeordnet werden, in dessen Bezirk die Durchsuchung vorgenommen werden soll. Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Buches 1 FamFG entsprechend. Die Entscheidung des Gerichts kann ohne vorherige Anhörung des Betroffenen ergehen und bedarf zu ihrer Wirksamkeit nicht der Bekanntmachung an ihn. Gegen die Entscheidung des Gerichts findet die Beschwerde statt. Die Beschwerde ist binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen; die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.

(6) Der Wohnungsinhaber hat das Recht, bei der Durchsuchung anwesend zu sein. Ist er abwesend, so ist, soweit möglich und soweit hierdurch keine schutzwürdigen Belange des Wohnungsinhabers verletzt werden, ein Vertreter oder ein Zeuge beizuziehen. Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter sind der Grund der Durchsuchung und die zulässigen Rechtsbehelfe unverzüglich bekannt zu geben.

(7) Über die Durchsuchung ist eine Niederschrift zu fertigen. Sie muss die verantwortliche Dienststelle, Grund, Zeit, Ort und Ergebnis der Durchsuchung enthalten. Die Niederschrift ist von dem die Durchsuchung leitenden Bediensteten und dem Wohnungsinhaber oder der zugezogenen Person zu unterzeichnen. Wird die Unterschrift verweigert, so ist hierüber ein Vermerk aufzunehmen. Dem Wohnungsinhaber oder seinem Vertreter ist auf Verlangen eine Abschrift der Niederschrift auszuhändigen. Ist die Anfertigung der Niederschrift oder die Aushändigung einer Abschrift nach den besonderen Umständen des Falles nicht möglich oder würde sie den Zweck der Durchsuchung gefährden, so sind dem Betroffenen lediglich die Durchsuchung unter Angabe der verantwortlichen Dienststelle sowie Zeit und Ort der Durchsuchung schriftlich zu bestätigen.

§ 26 Sicherstellung

(1) Die Polizei kann eine Sache sicherstellen, wenn dies erforderlich ist, um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung der Sache zu schützen.

(2) Der Eigentümer oder der rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt ist unverzüglich zu unterrichten.

(3) Bei der Verwahrung sichergestellter Sachen ist den berechtigten Belangen des Eigentümers oder des rechtmäßigen Inhabers der tatsächlichen Gewalt Rechnung zu tragen.

(4) Die Sicherstellung ist aufzuheben, wenn der Eigentümer oder der rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt dies verlangt oder wenn ein Schutz nicht mehr erforderlich ist, spätestens jedoch nach zwei Wochen.

(5) Diese Bestimmungen finden auch auf verlorene Sachen Anwendung, soweit in den gesetzlichen Vorschriften über den Fund nichts anderes bestimmt ist.

§ 27 Beschlagnahme

(1) Die Polizei kann eine Sache beschlagnahmen, wenn dies erforderlich ist

  1. zum Schutz eines Einzelnen oder des Gemeinwesens gegen eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung oder zur Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung,
  2. zur Verhinderung einer missbräuchlichen Verwendung durch eine Person, die nach diesem Gesetz

oder nach anderen Rechtsvorschriften festgehalten oder in Gewahrsam genommen worden ist.

(2) Dem Betroffenen sind der Grund der Beschlagnahme und die gegen sie zulässigen Rechtsbehelfe unverzüglich bekannt zu geben und eine Bescheinigung auszustellen, die den Grund der Beschlagnahme erkennen lässt und die beschlagnahmten Sachen bezeichnet. § 26 Abs. 3 gilt entsprechend.

(3) Die Beschlagnahme ist aufzuheben, sobald ihr Zweck erreicht ist. Die Beschlagnahme darf, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nicht länger als sechs Monate, die Beschlagnahme von leerstehendem Wohnraum zur Beseitigung oder Verhinderung von Obdachlosigkeit nicht länger als zwölf Monate aufrechterhalten werden.

§ 28 Einziehung

(1) Die zuständige allgemeine Polizeibehörde kann eine beschlagnahmte Sache einziehen, wenn diese nicht mehr herausgegeben werden kann, ohne dass die Voraussetzungen der Beschlagnahme erneut eintreten. Die Einziehung ist schriftlich anzuordnen.

(2) Die eingezogenen Sachen werden im Wege der öffentlichen Versteigerung ( § 383 Abs. 3 BGB) verwertet. Die Polizeibehörde kann die Versteigerung durch einen ihrer Bediensteten vornehmen lassen. Ein Zuschlag, durch den die Voraussetzungen der Einziehung erneut eintreten würden, ist zu versagen.

(2a) Bleibt die Versteigerung erfolglos, erscheint sie von vornherein aussichtslos oder werden die Kosten der Versteigerung voraussichtlich den Erlös übersteigen, kann die Sache freihändig veräußert werden.

(3) Kann eine eingezogene Sache nicht verwertet werden, so ist sie unbrauchbar zu machen oder zu vernichten; sie kann auch einem gemeinnützigen Zweck zugeführt werden.

(4) Die Kosten der Verwertung, Unbrauchbarmachung oder Vernichtung fallen dem Betroffenen zur Last. Der verbleibende Erlös ist dem Betroffenen herauszugeben.

§ 29 Verwahrung und Notveräußerung sichergestellter und beschlagnahmter Sachen

(1) Sichergestellte Sachen sind so zu verwahren, dass sie der Einwirkung Unbefugter entzogen sind; Wertminderungen ist nach Möglichkeit vorzubeugen. Ist eine amtliche Verwahrung nicht möglich oder nicht zweckmäßig, so ist die sichergestellte Sache einem Dritten zur Verwahrung zu übergeben. Entstehen der Polizei durch die Sicherstellung, Verwahrung oder Notveräußerung Kosten, so ist der Eigentümer oder der rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt zum Ersatz verpflichtet.

(2) Sichergestellte Sachen können verwertet werden, wenn

  1. ihr Verderb oder eine wesentliche Minderung ihres Wertes droht,
  2. ihre Aufbewahrung, Pflege oder Erhaltung mit unverhältnismäßigen Kosten oder Schwierigkeiten verbunden ist oder
  3. der Eigentümer oder der rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt der Aufforderung, die Sachen abzuholen, nicht innerhalb einer angemessenen Frist nachkommt.

Für die Verwertung gilt § 28 Abs. 2 bis 4 entsprechend. Ist der Eigentümer oder der rechtmäßige Inhaber der tatsächlichen Gewalt bekannt und erreichbar, so soll er vor der Veräußerung gehört werden.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten entsprechend für beschlagnahmte Sachen.

Unterabschnitt 4
Polizeizwang

§ 30 Allgemeines, Zuständigkeit 10

(1) Die Polizei wendet unmittelbaren Zwang nach den Vorschriften dieses Gesetzes, andere Zwangsmittel nach den Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für den Freistaat Sachsen ( SächsVwVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. September 2003 (SächsGVBl. S. 614, 913), geändert durch Artikel 25 des Gesetzes vom 25. Januar 2008 (SächsGVBl. S. 138, 160), in der jeweils geltenden Fassung, an.

(2) Die Anwendung unmittelbaren Zwangs obliegt dem Polizeivollzugsdienst.

§ 31 Begriff und Mittel des unmittelbaren Zwangs

(1) Unmittelbarer Zwang ist jede Einwirkung auf Personen oder Sachen durch einfache körperliche Gewalt, Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder Waffengebrauch.

(2) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln, Wasserwerfer, technische Sperren, Diensthunde, Dienstpferde, Dienstfahrzeuge, Reizstoffe sowie zum Sprengen von Sachen bestimmte explosive Stoffe (Sprengmittel). Das Staatsministerium des Innern kann weitere Hilfsmittel der körperlichen Gewalt zulassen.

(3) Als Waffen sind Schlagstock, Pistole, Revolver, Gewehr und automatische Handfeuerwaffen zugelassen.

§ 32 Voraussetzungen und Durchführung des unmittelbaren Zwangs 10

(1) Unmittelbarer Zwang darf nur angewandt werden, wenn der polizeiliche Zweck auf andere Weise nicht erreichbar erscheint. Unmittelbarer Zwang darf nicht mehr angewandt werden, wenn der Zweck erreicht ist. Gegen Personen darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn der polizeiliche Zweck durch unmittelbaren Zwang gegen Sachen nicht erreichbar erscheint. Das angewandte Mittel muss nach Art und Maß dem Verhalten, dem Alter und dem Zustand des Betroffenen angemessen sein. Gegenüber einer Menschenansammlung darf unmittelbarer Zwang nur angewandt werden, wenn seine Anwendung gegen einzelne Teilnehmer der Menschenansammlung offensichtlich keinen Erfolg verspricht.

(2) Unmittelbarer Zwang ist vor seiner Anwendung anzudrohen. Von der Androhung kann abgesehen werden, wenn die Umstände sie nicht zulassen, insbesondere wenn die sofortige Anwendung des Zwangsmittels zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr notwendig ist. Als Androhung des Schusswaffengebrauchs gilt auch die Abgabe eines Warnschusses.

(3) Schusswaffen dürfen nur dann ohne Androhung gebraucht werden, wenn das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

(4) Gegenüber einer Menschenmenge ist die Anwendung unmittelbaren Zwangs möglichst so rechtzeitig anzudrohen, dass sich Unbeteiligte noch entfernen können. Der Gebrauch der Schusswaffe gegen Personen in einer Menschenmenge ist stets anzudrohen; die Androhung ist vor dem Gebrauch zu wiederholen. Bei Gebrauch von technischen Sperren und Dienstpferden kann von der Androhung abgesehen werden.

(5) Für die Anwendung unmittelbaren Zwangs zur Vollstreckung von Verwaltungsakten der Polizei gelten im Übrigen die Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für den Freistaat Sachsen.

§ 33 Voraussetzungen des Schusswaffengebrauchs

(1) Der Schusswaffengebrauch ist nur zulässig, wenn die allgemeinen Voraussetzungen für die Anwendung unmittelbaren Zwangs vorliegen und wenn einfache körperliche Gewalt sowie verfügbare Hilfsmittel der körperlichen Gewalt oder mitgeführte Schlagstöcke erfolglos angewandt worden sind oder ihre Anwendung offensichtlich keinen Erfolg verspricht. Auf Personen darf erst geschossen werden, wenn der polizeiliche Zweck durch Waffenwirkung gegen Sachen nicht erreicht werden kann.

(2) Der Schusswaffengebrauch ist unzulässig, wenn erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet werden. Das gilt nicht, wenn der Schusswaffengebrauch das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr ist.

§ 34 Schusswaffengebrauch gegenüber Personen

(1) Schusswaffen dürfen gegen einzelne Personen nur gebraucht werden

  1. um die unmittelbar bevorstehende Ausführung oder die Fortsetzung einer rechtswidrigen Tat zu verhindern, die sich den Umständen nach
    1. als ein Verbrechen oder
    2. als ein Vergehen, das unter Anwendung oder Mitführung von Schusswaffen oder Sprengmitteln begangen werden soll oder ausgeführt wird, darstellt,
  2. um eine Person anzuhalten, die sich der Festnahme oder Identitätsfeststellung durch Flucht zu entziehen versucht, wenn sie
    1. eines Verbrechens dringend verdächtig ist oder
    2. eines Vergehens dringend verdächtig ist und Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Schusswaffen oder Sprengmittel mitführt,
  3. zur Vereitelung der Flucht oder zur Ergreifung einer Person, wenn diese in amtlichem Gewahrsam zu halten oder ihm zuzuführen ist
    1. wegen eines Verbrechens oder aufgrund des dringenden Verdachts eines Verbrechens oder
    2. wegen eines Vergehens oder aufgrund des dringenden Verdachts eines Vergehens, wobei zu befürchten ist, dass sie von einer Schusswaffe oder einem Sprengmittel Gebrauch machen werde,
  4. um die gewaltsame Befreiung einer Person aus amtlichem Gewahrsam zu verhindern, oder in sonstigen Fällen des § 100 des Strafvollzugsgesetzes.

(2) Ein Schuss, der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit tödlich wirken wird, ist nur zulässig, wenn er das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr oder der gegenwärtigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der körperlichen Unversehrtheit ist.

(3) Schusswaffen dürfen nach Absatz 1 Nr. 3 nicht gebraucht werden, wenn es sich um den Vollzug eines Jugendarrestes oder eines Strafarrestes handelt oder wenn die Flucht aus einer offenen Anstalt verhindert werden soll.

(4) Der Schusswaffengebrauch gegen Personen in einer Menschenmenge ist unzulässig, wenn für den Polizeibediensteten erkennbar ist, dass Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet werden. Dies gilt nicht, wenn der Schußwaffengebrauch das einzige Mittel zur Abwehr einer gegenwärtigen Lebensgefahr ist.

(5) Unbeteiligte sind nicht Personen in einer Menschenmenge, die Gewalttaten begeht oder durch Handlungen erkennbar billigt oder unterstützt, wenn diese Personen sich aus der Menschenmenge trotz wiederholter Androhung nach § 32 Abs. 4 nicht entfernen.

(6) Das Recht zum Gebrauch von Schusswaffen aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften bleibt unberührt.

§ 34a Zurückbehaltungsbefugnis 10

Die Polizei kann die Herausgabe von Sachen, deren Besitz sie aufgrund einer polizeilichen Maßnahme nach § 6 Abs. 1 Satz 1, § 26 Abs. 1, § 27 Abs. 1 oder § 30 Abs. 1 Halbsatz 2 in Verbindung mit § 24 Abs. 1 Satz 1 SächsVwVG erlangt hat, von der Zahlung der entstandenen Kosten abhängig machen. Eine dritte Person, der die Verwahrung übertragen worden ist, kann durch Verwaltungsakt ermächtigt werden, Zahlungen in Empfang zu nehmen.

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