Bundesministerium Berlin, den 17. Mai 2006
für Wirtschaft und Technologie
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Peter Harry Carstensen
Sehr geehrter Herr Präsident,
gemäß § 121 Absatz 3 des Telekommunikationsgesetzes vom Juli 2004 sowie § 44 Postgesetz i. V. m. § 81 Telekommunikationsgesetz a. F. sowie gemäß § 47 Absatz 1 des Postgesetzes hat die Bundesregierung zu den Berichten gegenüber den gesetzgebenden Körperschaften Stellung zu nehmen.
Anliegend übersende ich Ihnen hiermit die am 17. Mai 2006 im Bundeskabinett beschlossene
- Stellungnahme der Bundesregierung zum Tätigkeitsbericht der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen in den Jahren 2004/2005 und zu den Sondergutachten der Monopolkommission von 2005 ("Wettbewerbsentwicklung bei der Telekommunikation 2005: Dynamik unter neuen Rahmenbedingungen" sowie "Wettbewerbsentwicklung bei der Post 2005: Beharren auf alten Privilegien")
mit der Bitte um Kenntnisnahme.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Glos
Anlage
Stellungnahme der Bundesregierung
zum Tätigkeitsbericht 2004/2005 der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen und zu den
Sondergutachten der Monopolkommission
"Wettbewerbsentwicklung bei der Telekommunikation 2005:
Dynamik unter neuen Rahmenbedingungen" sowie "Wettbewerbsentwicklung bei der Post 2005: Beharren auf alten Privilegien"
A. Allgemeines
- 1. Die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (BNetzA) hat im Dezember 2005 ihren vierten Tätigkeitsbericht gemäß § 121 Abs. 1 des Telekommunikationsgesetzes von 2004 (TKG) und § 47 Abs. 1 des Postgesetzes (PostG) veröffentlicht. Gleichzeitig sind gemäß § 121 Abs. 2 TKG und § 44 PostG in Verbindung mit § 81 TKG a.F. die Sondergutachten der Monopolkommission zur Wettbewerbsentwicklung im Telekommunikations- und im Postbereich vorgelegt worden. Die Bundesregierung hat zu den Berichten der Monopolkommission gemäß § 121 Abs. 3 TKG und § 44 PostG in Verbindung mit § 81 TKG a.F. sowie gemäß § 47 Abs. 1 PostG zu dem Tätigkeitsbericht der BNetzA gegenüber den gesetzgebenden Körperschaften des Bundes in angemessener Frist Stellung zu nehmen. In dieser Stellungnahme kann nicht auf alle Punkte im Einzelnen eingegangen werden, vielmehr nimmt die Bundesregierung nur zu den wichtigsten grundsätzlichen Themen Stellung.
B. Stellungnahme zum Kapitel Telekommunikation
Vorbemerkungen
- 2. Mit der letzten Novelle des Telekommunikationsgesetzes hat sich auch der Auftrag der Monopolkommission geändert. Die Monopolkommission erstellt danach alle zwei Jahre ein Gutachten, "in dem sie den Stand und die absehbare Entwicklung des Wettbewerbs und die Frage, ob nachhaltig wettbewerbsorientierte Telekommunikationsmärkte in der Bundesrepublik Deutschland bestehen, beurteilt, die Anwendung der Vorschriften dieses Gesetzes über die Regulierung und Wettbewerbsaufsicht würdigt und zu sonstigen aktuellen wettbewerbspolitischen Fragen Stellung nimmt, insbesondere zu der Frage, ob die Regelung in § 21 Abs. 2 Nr. 3 im Hinblick auf die Wettbewerbsentwicklung anzupassen ist." (§ 121 Abs. 2 Satz 1 TKG). In diesem Rahmen äußert sich die Monopolkommission auch zu Einzelfragen der Amtspraxis der BNetzA (Marktuntersuchungen, Regulierungsverfügungen, Entgeltregulierung, Missbrauchsaufsicht). Hierzu wird seitens der Bundesregierung mit Blick auf die Unabhängigkeit der BNetzA nicht Stellung genommen. Gleiches gilt für die Vorschläge der Monopolkommission zur Rückführung der Regulierung in einzelnen Regulierungsbereichen. Für die mögliche Umsetzung dieser konkreten Vorschläge ist aufgrund EU-rechtlicher Vorgaben im Rahmen der jeweiligen Regulierungsverfahren ausschließlich die BNetzA zuständig.
- 3. Die Bundesregierung misst den Sondergutachten der Monopolkommission eine hohe Bedeutung bei, da sie einen ganz wesentlichen Beitrag zu einer objektiven Darstellung und Bewertung der Entwicklung der Telekommunikationsmärkte, der Regulierungs- und auch der Telekommunikationspolitik in Deutschland liefern.
Während im Titel des letzten Sondergutachtens noch von einer "Wettbewerbsintensivierung in der Telekommunikation" gesprochen wurde, lautet der Titel des aktuellen Gutachtens "Dynamik unter neuen Rahmenbedingungen". Dies gibt die derzeitige Entwicklung in der deutschen Telekommunikation aus Sicht der Bundesregierung in prägnanter Weise wieder.
Bewertung im Einzelnen Wettbewerbsbeurteilung
- 4. Die Bundesregierung teilt weitgehend die Auffassung der Monopolkommission zur Wettbewerbsentwicklung in der Telekommunikation. Insgesamt hat der Wettbewerb weiter zugenommen. Bei den Festnetzverbindungen haben Wettbewerber durch alternative Geschäftsmodelle (Preselection- und Callbycall-Dienste, Aufbau alternativer Netze) Marktanteile in signifikanten Größenordnungen gewinnen können. Dies gilt für den Ortsnetzbereich ebenso wie für Fern- und Auslandsgespräche. Für Letztere liegt nach den Feststellungen der BNetzA keine beträchtliche Marktmacht der Deutschen Telekom AG mehr vor. Auch im Bereich der Vorleistungen ist die Abhängigkeit der Wettbewerber von den Netzen der Deutschen Telekom AG gesunken, weil alternative Anbieter verstärkt in eigene Infrastrukturen investiert haben.
- 5. Sehr positiv hat sich auch der Wettbewerb beim breitbandigen Internetzugang (in 2005 hat sich die Zahl der DSL-Anschlüsse um ca. 3,6 Mio. auf rd. 10,4 Mio erhöht; der Wettbewerberanteil hat sich im gleichen Zeitraum verdoppelt) entwickelt. Die Bundesregierung sieht auch im Bereich der Breitbandkabelnetze deutliche Fortschritte und erwartet demzufolge in absehbarer Zeit neben einer weiteren Intensivierung des intramodalen auch eine spürbare Zunahme des intermodalen Wettbewerbs beim Internetzugang.
- 6. Deutlich langsamer als bei den Märkten für Telefongespräche entwickelt sich der Wettbewerb bei den Teilnehmeranschlüssen, auch wenn die Zahl der von Wettbewerbern angemieteten Teilnehmeranschlussleitungen wieder deutlich gestiegen ist (in 2005 Zunahme von knapp 2 Mio. Anschlüssen auf mehr als 3 Mio.) und nach den letzten Entscheidungen der BNetzA (Preissenkungen bei der Teilnehmeranschlussleitung, beim sog. Line-Sharing) mit einer weiteren Zunahme der Wettbewerberanteile zu rechnen ist.
- 7. Die Bundesregierung teilt die Auffassung der Monopolkommission, dass die Terminierungsentgelte im Mobilfunk weiter abgesenkt werden müssen, weist aber darauf hin, dass zuletzt im Dezember 2005 eine spürbare Absenkung erfolgt ist und die BNetzA derzeit auf weitere Absenkungsschritte im Rahmen eines angemessenen Gleitpfades drängt. Für den Fall, dass sich die Marktbeteiligten nicht auf adäquate Reduzierungen der Entgelte verständigen, hat die BNetzA angekündigt, notfalls auf Basis des § 30 TKG mit Maßnahmen der Exante-Regulierung vorzugehen.
Amtspraxis der BNetzA/ Akteneinsicht
- 8. Die Anmerkungen der Monopolkommission zur Amtspraxis der BNetzA bezüglich der einzelnen Regulierungsverfahren werden seitens der Bundesregierung mit Blick auf die Unabhängigkeit der Behörde nicht kommentiert. Die Umsetzung der Forderung der Monopolkommission nach Einsicht in die Akten der BNetzA wird im Rahmen der Änderung des TKG geprüft (Ergänzung zu § 121 TKG).
Verfahren der Marktdefinition und Marktanalyse
- 9. Die Monopolkommission bemängelt in ihrem Gutachten die nach ihrer Auffassung außerordentlich langwierigen Verfahren der Marktdefinition und Marktanalyse und verweist in diesem Zusammenhang auf Inkonsistenzen in der Regelungssystematik. Die Bundesregierung solle sich im Rahmen der anstehenden Überarbeitung des europäischen Rechtsrahmens für eine Straffung der Verfahren einsetzen.
- 10. Die Bundesregierung hat mit Blick auf die anstehende Überarbeitung des europäischen Rechtsrahmens (Review 2006) U. a. bereits eine vollumfängliche Überprüfung des sog. Art-7-Verfahrens vorgeschlagen. Das Verfahren ist zeitaufwändig und bürokratisch und sollte deutlich verschlankt werden. Aus Sicht der Bundesregierung erscheint es grundsätzlich nicht sinnvoll, dass Marktabgrenzungen und Marktanalysen, die bereits national von der BNetzA durchgeführt wurden und denen das Bundeskartellamt zugestimmt hat, regelmäßig von der Europäischen Kommission nochmals überprüft werden.
- 11. Zu der Feststellung der Monopolkommission, aus der verfahrensmäßigen Trennung von Marktanalyse und Regulierungsverfügung resultierten Zeitverzögerungen, die wiederum Änderungen des Telekommunikationsgesetzes zwingend erforderlich machten, ist seitens der Bundesregierung festzuhalten, dass in der entsprechenden Norm bereits heute keine Trennung der Verfahren vorgegeben ist. Vielmehr kann die BNetzA die Verfahren getrennt oder auch parallel durchführen. Insoweit hat die BNetzA zu prüfen, ob Zeitverzögerungen vermieden werden können; eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes ist nicht erforderlich. Konzeptionelle Probleme bei Marktabgrenzung, "beträchtlicher Marktmacht" und ,;Marktbeherrschung"
- 12. Zu der von der Monopolkommission angesprochenen Problematik eines unklaren Zusammenhangs zwischen den Termini "beträchtliche Marktmacht" und "Marktbeherrschung" ist seitens der Bundesregierung festzuhalten, dass der Begriff der "beträchtlichen Marktmacht" aufgrund europarechtlicher Vorgaben in deutsches Recht übernommen werden musste, auch wenn hieraus gewisse Inkonsistenzen hinsichtlich der Abgrenzung von sektorspezifischer Regulierung und allgemeinem Wettbewerbsrecht resultieren können.
- 13. Auch wenn sich dies in der Praxis häufig nicht spürbar auswirken mag, erscheint es nach Auffassung der Bundesregierung allerdings sinnvoll, auf längere Sicht - insbesondere auch mit Blick auf den angestrebten partiellen Übergang in das Wettbewerbsrecht - sowohl im sektorspezifischen als auch im allgemeinen Wettbewerbsrecht ein einheitliches Konzept der Marktabgrenzung und der Feststellung beträchtlicher Marktmacht bzw. Marktbeherrschung zugrunde zu legen und einheitliche Begriffe zu verwenden. Abweichungen sind nur zu rechtfertigen, sofern sie sachlich begründet sind.
Konsistente Entgeltregulierung
- 14. Seitens der Monopolkommission wird die bislang unklare Behandlung des im TKG verankerten Konsistenzgebots bemängelt Auch die Bundesregierung misst dem Konsistenzgebot eine hohe Bedeutung bei, da anderenfalls mit regulierungsbedingten Wettbewerbsverzerrungen auf dem Markt zu rechnen ist. Allerdings verkennt die Bundesregierung nicht, dass die praktische Umsetzung des Konsistenzgebots durch die BNetzA eine Reihe nicht leicht zu lösender Fragen aufwirft. Die BNetzA bleibt aufgefordert, über die von ihr bisher unternommenen Schritte (u. a. Vergabe von Gutachten, Durchführung von Workshops) hinaus, die Umsetzung des Konsistenzgebots weiter voranzutreiben. Die Bundesregierung stimmt der Monopolkommission zu, dass die Erarbeitung von Auslegungsgrundsätzen durch die BNetzA die Transparenz und Kalkulierbarkeit des Behördenhandelns an dieser Stelle deutlich verbessern könnte. Die BNetzA hat in ihrem Vorhabenplan 2006 bereits weitere Arbeiten zum Konsistenzgebot angekündigt.
- 15. Die Monopolkommission schlägt im Hinblick auf die Umsetzung des Konsistenzgebots eine sog. Methodenkonsistenz vor. Dies würde bedeuten, dass Vor- und Endkundenentgelte nach dem gleichen Verfahren (Einzelpreis- oder Price-Cap-Regulierung) und nach einheitlichen Maßstäben (Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung) zu regulieren wären.
Die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung sollten demzufolge nicht einmal auf Basis analytischer Kostenmodelle, ein anderes Mal auf Basis von Vergleichsmarktuntersuchungen ermittelt werden. Schließlich sollten die Entgelte für Vorleistungen der unterschiedlichen Geschäftsmodelle (entbündelte Leistungen, Resale) nicht nach unterschiedlichen Methoden ermittelt werden.
- 16. Die Bundesregierung stimmt den Ausführungen der Monopolkommission überwiegend zu, vertritt allerdings die Auffassung, dass eine konsequente Umsetzung der Vorstellungen der Monopolkommission in der Praxis ganz erhebliche Probleme aufwerfen kann, so dass immer auch nach der Praktikabilität der Vorschläge gefragt werden muss. Die gesetzlichen Regulierungsziele sind im Rahmen dieser Abwägung ebenso zu berücksichtigen wie die Anforderungen nach Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der zu treffenden Entscheidungen.
Neue Märkte
- 17. Zur derzeit auf nationaler wie europäischer Ebene intensiv diskutierten Frage der regulatorischen Behandlung neuer Märkte stellt die Monopolkommission Folgendes fest:
"Auf neuen Märkten besteht ein grundsätzlicher Konflikt zwischen den Zielen der Wettbewerbsintensivierung und der Innovationsförderung, der im Hinblick auf das Ob, Wann und Wie der Regulierung eine Abwägung erfordert. In welcher Art und Weise diese Abwägung durch die BNetzA erfolgt, ist offen. Die Monopolkommission spricht sich auch hier für die Veröffentlichung von Auslegungsgrundsätzen in Form eines Konzeptes zur regulatorischen Behandlung neuer Märkte aus.
Die wichtigste Aufgabe eines solchen Konzeptes ist die Entwicklung von Kriterien zur Identifizierung von neuen Märkten. Vergleichsweise wenig streitig ist, dass neue Märkte zunächst von der Regulierung befreit sein sollten, damit die Anreize für die Entwicklung neuer Produkte und Dienste erhalten bleiben. Dies lässt sich bereits aus dem europäischen Telekommunikationsrecht herleiten. Die Monopolkommission unterstützt diese Position. Fraglich ist allerdings der Zeitraum einer solchen Freistellung. Die Monopolkommission lehnt die Festlegung einer einheitlichen Mindestzeit ab, in der ein neuer Markt nicht reguliert werden darf. Da die technologische und ökonomische Entwicklung neuer Märkte sehr unterschiedlich verlaufen kann, muss die Regulierungsbehörde die Möglichkeit haben, auch vorzeitig in einen Markt einzugreifen, wenn sich abzeichnet, dass zukünftiger Wettbewerb auf einem neuen Markt ausgeschlossen ist, etwa weil notwendige Vorleistungen weder repliziert noch substituiert werden können."
- 18. Die Bundesregierung stimmt diesen Aussagen der Monopolkommission weitgehend zu. Die Bundesregierung sieht allerdings grundsätzlich keinen Konflikt zwischen Wettbewerb (Wettbewerbsintensivierung) und Innovation, da Letztere eine wesentliche Voraussetzung für die Entstehung tatsächlich neuer Märkte und somit auch für Wettbewerb in neuen Feldern darstellt. Ein solcher Konflikt lässt sich nur auf Basis eines vergleichsweise engen Wettbewerbskonzepts, das Fragen der Kosten- und Preiseffizienz sowie "Verteilungsfragen" in den Mittelpunkt rückt, ableiten.
- 19. Die Bundesregierung hat demgegenüber immer wieder für eine weite Wettbewerbskonzeption ("Konzept des funktionsfähigen Wettbewerbs") plädiert, die gleichermaßen statischen wie dynamischen Wettbewerbsaspekten Rechnung trägt, d.h. einerseits Preis- und Kosteneffizienz sichert und andererseits genügend Anreize für Innovationen und Investitionen bietet.
Nur auf der Grundlage einer solchen weiten Wettbewerbskonzeption ist die Entwicklung hoch leistungsfähiger Telekommunikationsmärkte, die ein optimales Angebot von Telekommunikationsdiensten für Unternehmen und Verbraucher gewährleisten und damit einen bestmöglichen Beitrag zu Wachstum, Innovation und Beschäftigung der Gesamtwirtschaft erbringen, zu erreichen:
- 20. Die Bundesregierung wird diese Grundsatzposition auch in die europäische Review-Debatte einbringen, da die Wettbewerbskonzeption des europäischen Rechtsrahmens klarer gefasst werden sollte.
- 21. Anders als die Monopolkommission hält es die Bundesregierung jedoch für zweckmäßig, die mit der Regulierung neuer Märkte zusammenhängenden Fragen im TKG klarzustellen. Der Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums zum Gesetz zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Vorschriften sieht eine Regelung vor, die den o. g. materiellen Vorschlägen der Monopolkommission allerdings weitgehend Rechnung trägt.
- 22. Nach Auffassung der Bundesregierung sind Forderungen, neue Märkte zunächst nicht bzw. nur zurückhaltend zu regulieren, grundsätzlich berechtigt und entsprechen dem europäischen Rechtsrahmen wie auch Vorstellungen der BNetzA und der EU-KOM. Ziel muss es sein, innovative Prozesse zu fördern, ohne dabei allerdings wettbewerbliche Verzerrungen in Kauf zu nehmen.
- 23. Der Regulierungsrahmen muss demzufolge ein Vorpreschen findiger und innovativer Unternehmen ermöglichen, gleichzeitig allerdings gewährleisten, dass eine Imitation durch Nachahmer nicht unterbunden wird. Es ist also sicherzustellen, dass die Herausnahme von Märkten aus der sektorspezifischen Regulierung längerfristig nicht zur Behinderung der Entwicklung eines nachhaltig wettbewerbsorientierten Marktes führt. Das Entstehen dauerhafter monopolistischer Strukturen bzw. ein Wettbewerbsausschluss durch ein oder mehrere "führende" Unternehmen muss verhindert werden. Der Marktzutritt von Wettbewerbern, insbesondere von solchen Unternehmen, die ebenfalls in neue Märkte investieren, muss grundsätzlich möglich sein bzw. regulatorisch geöffnet werden ("levelplayingfield").
- 24. Im TKG-ÄndG wurde eine technologieneutrale Vorschrift vorgeschlagen, mit der klargestellt wird, dass neue Märkte nicht vorschnell in die Regulierung einbezogen werden sollen, sofern nicht die Entwicklung eines nachhaltig wettbewerbsorientierten Marktes langfristig bzw. erheblich beeinträchtigt wird.
Da aufgrund europarechtlicher Vorgaben letztlich der nationale und der europäische Regulierer im Einzelfall über das "Ob" und das "Wie" der Regulierung zu entscheiden haben, kann die gesetzliche Regelung nur eine abstrakt formulierte Klarstellung bzgl. der Regulierung bzw. Nichtregulierung neuer Märkte beinhalten. Es ist deshalb sinnvoll und zu begrüßen, wenn seitens der zuständigen BNetzA und der EU-KOM Auslegungsgrundsätze zur regulatorischen Behandlung neuer Märkte erarbeitet werden.
Resalevorschriften
- 25. Die im Telekommunikationsgesetz enthaltenen Vorschriften zum sog. Resale waren Gegenstand intensiver Erörterungen. Hinsichtlich dieser Vorschriften wird von der Monopolkommission zum einen die Formulierung in § 21 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 kritisiert ("Hierbei sind die getätigten und zukünftigen Investitionen für innovative Dienste zu berücksichtigen"). Nach Auffassung der Monopolkommission ist dieser Satz "nicht nur unnötig, sondern auch materiell so wenig konkret, dass damit bestenfalls keine Einschränkungen verbunden sind, im schlimmsten Fall jedoch jegliches Resale verhindert werden kann. Die Monopolkommission empfiehlt, ihn ersatzlos zu streichen."
- 26. Ebenso kritisch sieht die Monopolkommission die in § 150 Abs. 5 TKG vorgesehene Regelung, dass Anschluss-Resale bis zum 30. Juni 2008 nur in Kombination mit Verbindungsleistungen (gebündeltes Anschluss-Resale) auferlegt werden kann; dies gehe zu Lasten der Verbindungsnetzbetreiber. Für Letztere entfalle die Möglichkeit, ihr Diensteangebot um den Teilnehmeranschluss zu erweitern, da sie bei der gebündelten Variante des Resale neben den Anschlüssen auch Verbindungsleistungen der Deutschen Telekom AG wiederverkaufen müssten. Dies entspreche aber nicht ihrem Geschäftsmodell, weil das Resale von Verbindungsleistungen zu Lasten der selbst produzierten Verbindungsleistungen gehen würde. Unter diesen Bedingungen sei zu erwarten, dass der Markt für Teilnehmeranschlüsse mindestens noch bis in die zweite Hälfte des Jahres 2008 durch fehlenden wirksamen und fehlenden nachhaltigen Wettbewerb gekennzeichnet sein würde. Nach Auffassung der Monopolkommission soll sich die Regulierungsbehörde auf diesen Fall vorbereiten und bereits im Rahmen der voraussichtlich im Jahr 2007 anstehenden zweiten Analyse des Marktes für Teilnehmeranschlüsse entscheiden, ob und gegebenenfalls in welcher Form der Deutschen Telekom AG entbündeltes Anschluss-Resale ab Mitte des Jahres 2008 aufzuerlegen ist.
- 27. Die Bundesregierung teilt die Auffassung der Monopolkommission, dass gerade Resale eine Zugangsvariante darstellt, die, anders als dies der Gesetzestext suggeriert, Innovationsanreize - entsprechende Resaleentgelte unterstellt - noch am ehesten berücksichtigen kann. Belege hierfür finden sich im Bereich des Mobilfunks, wo Infrastrukturbetreiber aufgrund der frequenztechnisch bedingten Oligopolisierung des Marktes von Anfang an verpflichtet waren, Diensteanbieter zuzulassen und dies der Innovationsfähigkeit dieses Bereichs nicht geschadet hat.
- 28. Die befristete Aussetzung des sog. Anschlussresale wurde im Zuge der großen TKG-Novelle von den gesetzgebenden Körperschaften umfassend und intensiv erörtert und seitens der Bundesregierung kommentiert. Die Bundesregierung unterstützt den Vorschlag der Monopolkommission, wonach sich die BNetzA frühzeitig mit der Frage beschäftigen soll, ob und gegebenenfalls in welcher Form der Deutschen Telekom AG entbündeltes Anschluss-Resale ab Mitte des Jahres 2008 aufzuerlegen ist.
- 29. Die Monopolkommission bemängelt auch die Bestimmungen bzgl. der Ermittlung von Resaleentgelten. Gemäß § 30 Abs. 5 TKG sind für die Bestimmung der Resale-Entgelte zwei Kriterien maßgeblich. Erstens wird das Entgelt nach der Methode des Retailminus gebildet, indem von dem Endnutzerpreis ein Abschlag vorzunehmen ist, der einem effizienten Anbieter von Telekommunikationsdiensten die Erzielung einer angemessenen Verzinsung des eingesetzten Kapitals auf dem Endnutzermarkt ermöglicht. Zweitens entspricht das Entgelt dabei mindestens den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung. Diese beiden Kriterien sind nach Auffassung der Monopolkommission nicht eindeutig formuliert und ließen verschiedene Interpretationen zu. Hinzu komme, dass die Kriterien im Widerspruch zueinander stehen könnten.
- 30. Die Bundesregierung teilt die Auffassung der Monopolkommission in diesem Punkt nicht. Ausgangspunkt für den Resaleabschlag ist der tatsächliche Endkundenpreis des marktmächtigen Unternehmens. Die Vorschrift muss in Zusammenhang mit der generellen Norm des § 28 TKG gesehen werden, die "Dumping" oder "Preis-Kosten-Scheren" generell untersagt. Ist der Ausgangspreis im Endkundensegment nicht zu beanstanden, kann auch ein entsprechender Resaleabschlag nicht zu Verwerfungen oder Inkonsistenzen führen. Verstößt der Endkundenpreis bereits in der Ausgangssituation gegen die Vorgaben des § 28 TKG, so ist der Verstoß zu beseitigen, der Preis also zu ändern und anschließend vom geänderten Preis ein entsprechender Abschlag vorzunehmen.
C. Stellungnahme zum Kapitel Post
Vorbemerkungen
- 31. Im Postbereich zeigt schon der Titel "Beharren auf alten Privilegien" im Bericht der Monopolkommission, dass diese die Wettbewerbsentwicklung auf dem Postmarkt weiterhin negativ einschätzt. Die Monopolkommission identifiziert die Exklusivlizenz der Deutschen Post AG weiterhin als das zentrale Wettbewerbshemmnis auf den deutschen Postmärkten.
Exklusivlizenz
- 32. Die Monopolkommission vertritt die Auffassung, dass funktionsfähiger Wettbewerb auf den Märkten des Postwesens erst dann entstehen kann, wenn die Briefmärkte vollständig liberalisiert sind. Die Monopolkommission empfiehlt daher der Bundesregierung, bereits jetzt einer abermaligen Verlängerung der Exklusivlizenz entschieden entgegen zu treten, auch um die Rechtssicherheit der Investoren zu erhöhen. Auch unabhängig davon, ob andere Länder ihre Märkte ebenfalls öffneten, liege die Aufhebung der Exklusivlizenz im deutschen Interesse. Die Exklusivlizenz belaste vor allem die deutschen Briefkunden und sowohl die privaten als auch die gewerblichen Postkunden würden von dem mit der Liberalisierung verbundenen Wettbewerbsdruck profitieren.
- 33. Die BNetzA sieht ebenfalls keinen Grund, die Exklusivlizenz über das Jahr 2007 hinaus fortzuführen. Sie ist der Ansicht, dass selbst eine vorzeitige Aufgabe des Monopols an der überragenden Marktstellung der Deutschen Post AG wenig ändern würde, da die Wettbewerber zunächst erhebliche Investitionen tätigen müssten, um bundesweite Beförderungsnetze aufzubauen.
- 34. Die Bundesregierung teilt die Auffassung von Monopolkommission und BNetzA und erachtet ein Festhalten am gesetzlich festgelegten Enddatum im Interesse der Rechtssicherheit für außerordentlich wichtig. Nicht nur die Deutsche Post AG, sondern auch deren Wettbewerber haben sich auf diese Rechtslage eingestellt. Mit der nationalen Festlegung eines Enddatums für die Gewährung ausschließlicher Rechte sieht sich die Bundesregierung auch im Einklang mit anderen wichtigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, wie Großbritannien oder den Niederlanden. Allein gemeinsam mit Großbritannien, den Niederlanden und Schweden wird Deutschland ab 2008 bereits 60 % des europäischen Marktvolumens dem Wettbewerb geöffnet haben.
- 35. Ferner hat sich die Deutsche Post AG bei allen bisherigen Liberalisierungsschritten hervorragend im Markt behaupten können. Es ist daher auch zu erwarten, dass die Absenkung der Monopol-Gewichts- (50 Gramm) und Preisgrenze (1,375 €) ab dem 01.01.2006 daran nichts ändern wird. Auch im Hinblick auf die aktuelle Unternehmensentwicklung der Deutschen Post AG sowie ihre äußerst erfolgreiche globale Diversifizierungsstrategie ist davon auszugehen, dass die Deutsche Post AG die Jahre der schrittweisen Öffnung der Postmärkte genutzt hat, um sich am Markt und gegenüber den Wettbewerbern erfolgreich zu positionieren. Die Bundesregierung sieht daher keine Veranlassung für eine Änderung des gesetzlich festgelegten Enddatums für das Restmonopol der Deutschen Post AG.
Universaldienst
- 36. Die Monopolkommission sieht bei den Regelungen des Universaldienstangebots keine Mängel bezüglich des Inhalts und Umfangs der Postuniversaldienstleistungen.
- 37. Die BNetzA hat - entsprechend ihres gesetzlichen Auftrags - dazu Stellung genommen, ob der Universaldienst gewährleistet ist, und zu der Frage, ob sie Änderungen des Universaldienstumfanges für die Zukunft empfiehlt. Sie legt auch in diesem Berichtszeitraum dar, dass die Frage eines funktionierenden und verbraucherorientierten Universaldienstes eng mit der Gestaltung des Poststellen- und Briefkastennetzes verbunden ist. Insgesamt ist die BNetzA der Auffassung, dass die derzeitige PUDLV - zusammen mit der im April 2004 abgegebenen Selbstverpflichtungserklärung der Deutschen Post AG - grundsätzlich geeignet ist, bis zum Auslaufen der Exklusivlizenz am 31. Dezember 2007 flächendeckend eine angemessene und ausreichende Grundversorgung mit Postdienstleistungen zu gewährleisten.
- 38. Die Empfehlungen der BNetzA zielen insbesondere auf die zukünftige Gestaltung der postalischen Infrastruktur unter Berücksichtigung der Erfahrungen und Erkenntnisse aus der Vergangenheit sowie des Erfordernisses einer Fortentwicklung der Universaldienstbereitstellung in einem Wettbewerbsumfeld.
- 39. Die BNetzA empfiehlt, bei der Bestimmung der Universaldienstleistungen eine Absenkung der bisherigen Gewichtsgrenzen für Brief- und Paketsendungen unter Berücksichtigung der Verträge des Weltpostvereins vorzunehmen. Auch hält sie die Überlegung für angemessen, dass Universaldienstleistungen für Großkunden nicht mehr allgemein als unabdingbar angesehen werden könnten und somit eine Beschränkung auf Privat- bzw. Kleinkunden ausreichend wäre. Bei den verpflichtend bereitzustellenden Sendungsformen hält die BNetzA die "Nachnahmesendung" und die "Eilzustellung" für entbehrlich. Rechtliche Präzisierungen befürwortet sie
- - bei der "Wertsendung" mittels Festlegung einer Wert-Obergrenze,
- - durch eine Klarstellung, dass die in den stationären Einrichtungen zu erbringenden Dienstleistungen sich sowohl auf Brief- als auch auf Paketsendungen beziehen, sowie
- - in dem Sinne, dass im Rahmen der Zustellung der mögliche Kreis der Ersatzempfänger und die damit zusammenhängenden Benachrichtigungsmodalitäten im Sinne der Verbraucher definiert werden.
- 43. Kritisch wird von der BNetzA aufgrund von vielen Bürgereingaben der Umstand bewertet, dass die PUDLV bisher zwar die Verbraucherrechte der Absender berücksichtigt, nicht jedoch ausreichend die Empfängerinteressen.
- 44. Rechtsystematisch zu § 1 Postdienstleistungsverordnung (PDLV) wird eine Aufnahme der Dienstleistungen "Abholung", "Nachsendung" und "Lagerung" in die PUDLV als erforderlich erachtet, da bei etwaigen Defiziten nur so eine rechtliche Einwirkungsmöglichkeit durch die BNetzA gegeben wäre. Ein wichtiger Überarbeitungsbedarf der PUDLV wird bei der Zugangsmöglichkeit von Postdienstleistungen gesehen. Die flächendeckende Versorgungspflicht mit stationären Einrichtungen sollte sich nach Auffassung der BNetzA z.B. weniger nach einer bestimmten Mindestanzahl richten, sondern vielmehr auf "ein bestimmtes bewohntes Gebiet mit geschlossener Bebauung" unabhängig von kommunalen Gliederungsstrukturen. Die jetzigen Einzelkriterien (Einwohner-, Entfernungs- und Flächenkriterium) sollten überprüft werden, jedoch wird hier für die erste Zeit nach Ende der Exklusivlizenz kein akuter Änderungsbedarf gesehen, da die Wettbewerber der Deutschen Post AG einige Zeit benötigen würden, sich entsprechend der neuen rechtlichen Situation am Markt zu positionieren.
- 42. Eine Präzisierung des Dienstleistungsangebotes und der Modalitäten der Inanspruchnahme durch den Verbraucher hält die BNetzA beim mobilen Postservice für angezeigt, da hier in der Vergangenheit rechtliche Unklarheiten zu Problemen führten. Die nur in der Selbstverpflichtungserklärung der Deutschen Post AG festgelegte Mindestanzahl des derzeitigen Briefkastennetzes habe sich in der Praxis bewährt und sollte als Größenordnung in die PUDLV übernommen werden. Weitere Empfehlungen gibt die BNetzA zum Zeitpunkt der Zustellung, den Brieflaufzeiten, den Briefkastenleerungszeiten und der Betriebsbereitschaft von stationären Einrichtungen.
- 43. Die Bundesregierung stellt fest, dass die als Reaktion auf Empfehlungen der BNetzA und damit einhergehender Forderungen aus dem politischen Raum von der Deutschen Post AG abgegebene Selbstverpflichtungserklärung vom April 2004 inhaltlich eine sinnvolle Ergänzung zu den bestehenden Vorgaben der PUDLV darstellt. Insbesondere die Bereitstellungspflicht für eine stationäre Einrichtung in zusammenhängend bebauten Wohngebieten mit mehr als 2.000 Einwohnern unabhängig vom kommunalen Gemeindebegriff, die Festschreibung des bestehenden Briefkastennetzes und eine verbesserte Kommunikationsstruktur der Deutschen Post AG führten letztendlich zu einer Entspannung bei der Diskussion über die postalische Infrastruktur.
- 44. In der Gesamtbetrachtung wird auch aus Sicht der Bundesregierung der postalische Gewährleistungsauftrag für den Berichtszeitraum in vollem Umfang erfüllt.
- 45. Die Empfehlungen der BNetzA zum Universaldienst für den Zeitpunkt nach Ende der Exklusivlizenz und der gesetzlichen Universaldienstverpflichtung für die Deutsche Post AG werden durch die Bundesregierung ganz überwiegend als erkenntnisreich bewertet und stimmen im Wesentlichen mit ihren eigenen Einschätzungen überein.
- 46. Für die Bundesregierung hat auch bei einem vollständig liberalisierten Postmarkt die Sicherstellung einer flächendeckend angemessenen und ausreichenden Versorgung mit Postdienstleistungen weiterhin hohe Priorität. Der Universaldienst ist an den Bedürfnissen der Verbraucher auszurichten und nachfragegerecht in einer modernen und zukunftsorientierten Weise fortzuentwickeln. Dabei ist entsprechend dem Wortlaut des Postgesetzes die Universaldiensterbringung auf solche Dienstleistungen zu beschränken, die allgemein als unabdingbar angesehen werden, sowie der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung nachfragegerecht anzupassen.
- 47. Um insbesondere für die Marktteilnehmer rechtzeitig Klarheit und Rechtssicherheit über den nach Auslaufen der Exklusivlizenz zu erbringenden Universaldienst zu schaffen, beabsichtigt das innerhalb der Bundesregierung federführende Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, zu einem geeigneten Zeitpunkt einen ersten Entwurf für eine novellierte PUDLV vorzulegen. Sie wird die Empfehlungen der BNetzA aufgreifen und mit in den Novellierungsprozess der PUDLV einbeziehen.
Zulassung gewerblicher Postvorbereitung
- 48. Die Monopolkommission hat bereits in ihrem letzten Sondergutachten ebenso wie der Bundesrat in seiner Sitzung am 11. Juni 2004 die Zulassung sog. Konsolidierer zum Postmarkt gefordert. Derartige Unternehmen erbringen Leistungen (Einsammeln von Briefsendungen bei verschiedenen Absendern, Vorsortierung sowie Einlieferung bei den Briefzentren der Deutschen Post AG) und erwarten hierfür einen Rabatt vergleichbar mit demjenigen, den die Deutsche Post AG einzelnen Großauflieferern gewährt.
- 49. Ursprung dieses Konflikts ist die Entscheidung der BNetzA aus dem Jahr 2000, in der sie das Angebot von Teilleistungen lediglich für Briefsendungen oberhalb der Preis- und Gewichtsgrenzen der gesetzlichen Exklusivlizenz angeordnet hat. Hierbei hat sie den § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 des Postgesetzes dahingehend interpretiert, dass die Beförderung von Briefsendungen von den örtlichen Annahmestellen zu dem Briefzentrum der Deutschen Post AG in den Bereich der Exklusivlizenz fällt.
- 50. Gegen diese Auslegung des Postgesetzes durch die BNetzA hat der Bundesverband der Kurier-Express-Postdienste (BdKEP) im März 2003 Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingelegt. Der Verband vertritt die Auffassung, dass § 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 PostG gegen Art. 86 EGV verstößt und über das hinausgeht, was gemäß der Postdiensterichtlinie zulässigerweise reserviert werden kann.
- 51. Nach Ansicht der Europäische Kommission verstößt die streitbefangene Vorschrift (§ 51 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 PostG) gegen EU-Recht, da hierdurch zum einen die marktbeherrschende Stellung der Deutschen Post AG auf dem Markt für postalische Grundversorgung auf den vorgelagerten Markt für Postvorbereitung ausgedehnt wird und zum anderen durch diese Praxis gewerbliche Erbringer von Postdienstleistungen gegenüber Massenversendern diskriminiert werden; die europäische Postdienste-Richtlinie sehe solche Einschränkungen nicht vor. Rechtfertigungsgründe. seien ebenfalls nicht ersichtlich.
- 52. Da die Bundesregierung auf ein Mahnschreiben der Europäischen Kommission vom 01. April 2004 nicht in der gewünschten Weise, nämlich mit einer Änderung des Postgesetzes reagiert hat, hat die Kommission am 20. Oktober 2004 auf Basis des Art. 86 des EG-Vertrages entschieden, dass das deutsche Postgesetz eine Diskriminierung der Anbieter von Postvorbereitungsdiensten bewirke.
- 53. Die Bundesregierung hat gegen diese Entscheidung Klage erhoben und beantragt, die Entscheidung für nichtig zu erklären. Die Bundesregierung vertritt nach wie vor die Auffassung, dass das Postgesetz im Einklang mit der Postdiensterichtlinie und den Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages steht. Eine Öffnung der der Deutschen Post AG zugestandenen Exklusivlizenz und ein Teilleistungszugang für sog. KonsoIidierer ist europarechtlich nicht gefordert.
- 54. Das Bundeskartellamt (BKartA) hat im Einvernehmen mit der Europäischen Kommission ein Missbrauchsverfahren gegen die Deutsche Post AG durchgeführt. In diesem Rahmen wurde die Verweigerung des Teilleistungszugangs sowohl nach europäischem als auch nach nationalem Wettbewerbsrecht geprüft. Das BKartA hat einen Verstoß auf europäischer Ebene, wie auch einen Verstoß gegen das Behinderungs- und Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB a.F. festgestellt. Eine Rechtfertigung des missbräuchlichen Verhaltens der Deutschen Post AG auf europäischer Ebene gemäß Art. 86 Abs. 2 EGV liegt ebenso wie eine Rechtfertigung auf nationaler Ebene nach Ansicht des BKartA nicht vor. Aus diesem Grund hat das BKartA eine sofort vollziehbare Untersagungsverfügung gegen die Deutsche Post AG erlassen. Die Anordnung des Sofortvollzuges wurde vom OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 13. April 2005 bestätigt.
- 55. Die Monopolkommission begrüßt die Liberalisierung des Marktes für postvorbereitende Dienstleistungen als ökonomisch vorteilhaft und ist der Auffassung, dass sie zu einer Belebung des Wettbewerbs auf den Postmärkten führen kann. Internationale Erfahrungen belegten, dass mit der Arbeitsteilung erhebliche Effizienzsteigerungspotenziale verbunden seien. Wettbewerbspolitisch sei der Teilleistungszugang aufgrund der hohen Markteintrittsbarrieren, die mit dem Aufbau eines flächendeckenden Zustellnetzes verbunden sind, eine notwendige Voraussetzung dafür, dass neu in den Markt eintretende Anbieter auch auf der Ebene der Endto-End-Dienstleistungen mit der Deutschen Post AG in Konkurrenz treten könnten. Die Monopolkommission kritisiert in diesem Zusammenhang die Haltung der Bundesregierung, insbesondere die wettbewerbsfeindliche Klage.
- 56. Die Bundesregierung bestreitet eine wettbewerbsfeindliche Haltung entschieden und sie hält die diesbezügliche Argumentation der Monopolkommission für zu kurz gegriffen. Die Bundesregierung ist nach wie vor der Auffassung, dass ein (mittelbar) der Deutschen Post AG gemachter Diskriminierungsvorwurf nicht erhoben werden kann, weil das Unternehmen nur dann verpflichtet wäre, Großkunden und Wettbewerber gleich zu behandeln, wenn es für eine Ungleichbehandlung keine sachliche Rechtfertigung gäbe. Die sachliche Rechtfertigung ergibt sich nach Ansicht der Bundesregierung jedoch unmittelbar aus Art. 7 der Postdiensterichtlinie, die es den Mitgliedstaaten erlaubt, für das zum Universaldienst verpflichtete Unternehmen bestimmte ausschließliche Rechte zu reservieren. Zu diesen möglichen reservierbaren Leistungen zählt der gesamte Vorgang der Beförderung bestimmter Postsendungen. Ausnahmen sind nur hinsichtlich der Eigenbeförderung der Absender von Postsendungen verpflichtend vorzusehen, nicht jedoch hinsichtlich wie auch immer gearteter Beförderungsleistungen von Wettbewerbern des Universaldienstleistenden Unternehmens.
- 57. Im Übrigen ist die Bundesregierung der Meinung, dass die vorgesehenen Liberalisierungsschritte, wie im Postgesetz vorgesehen, durchgeführt werden sollen, da dies zu einer Rechtssicherheit im Markt führt. Wie auch die BNetzA und die Monopolkommission sieht die Bundesregierung keinen Grund für eine Verlängerung der Exklusivlizenz über den 31.12.2007 hinaus, so dass, wie im Postgesetz vorgesehen, die vollständige Liberalisierung in Deutschland dann vollzogen sein wird. Aus den gleichen Gründen ist die Bundesregierung jedoch auch gegen eine vorzeitige Aushöhlung der Exklusivlizenz und damit eine frühere Liberalisierung.
Price-Cap-Verfahren
- 58. Die Monopolkommission kritisiert, wie bereits im letzten Sondergutachten, dass die Monopolmacht im Bereich der Briefbeförderung nach ihrer Auffassung durch die Price-Cap-Entscheidung der BNetzA nicht hinreichend beschränkt wird. Sie bemängelt, dass diese Entscheidung im Rahmen des Price-Cap-Verfahrens erfolgt ist, ohne vorab die (nach ihrer Auffassung notwendige) Kenntnis vom Verhältnis der Preise zu den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung zu gewinnen.
- 59. Diese Auffassung teilt die Bundesregierung nicht. Im Postgesetz ist das Price-Cap-Verfahren als Regelverfahren der Entgeltgenehmigung gesetzlich vorgeschrieben. Im Übrigen ist festzustellen, dass durch die Entscheidung der BNetzA im Herbst 2005 das Entgeltniveau für lizenzpflichtige Briefdienstleistungen zum 01. Januar 2006 bereits zum vierten Mal in Folge abgesenkt wurde.
Quersubventionierung
- 60. Die Monopolkommission vertritt weiter die Ansicht, dass mit der Monopolstellung der Deutschen Post AG einhergehende Quersubventionierungs- und Diskriminierungspotenziale einer strengen Missbrauchsaufsicht durch die BNetzA bedürfen. Diese weist nach Meinung der Monopolkommission erhebliche Defizite auf. Insbesondere rügt sie die Transparenz der Rechnungslegung der bis zum Ablauf der Exklusivlizenz zum Universaldienst verpflichteten Deutschen Post AG.
- 61. Nach Art. 14 Abs. 2 der europäischen Postrichtlinie haben die Anbieter von Universaldienstleistungen getrennte Konten zumindest für jeden Dienst des reservierten Bereichs zu führen. Darüber hinaus sind Unternehmen, denen besondere oder ausschließliche-Rechte nach Art. 86 Abs. 1 EGV gewährt werden, gemäß Art. 1 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 lit. D) der europäischen Transparenzrichtlinie zu einer getrennten Buchführung verpflichtet. Des Weiteren haben nach § 10 PostG Unternehmen, die auf einem Markt für Postdienstleistungen marktbeherrschend sind, die Nachvollziehbarkeit der finanziellen Beziehungen zwischen Postdienstleistungen innerhalb des lizenzierten Bereichs und Postdienstleistungen im nicht lizenzierten Bereich durch die Schaffung eines eigenen Rechnungslegungskreises zu gewährleisten. Der Geschäftsbericht der Deutschen Post AG weise keine der geforderten separaten Aufstellungen aus. Die. Monopolkommission bemängelt in diesem Zusammenhang, dass die BNetzA den Verstoß nicht ahnde und von ihrer Kompetenz gemäß § 10 Abs. 2 PostG Gebrauch mache und der Deutschen Post AG die Ausgestaltung der internen Rechnungslegung für Postdienstleistungen vorgebe.
- 62. Die Bundesregierung stellt hierzu fest, dass die BNetzA im Rahmen des Price-Cap-Verfahrens, zuletzt für die vierte Periode (gültig vom 01. Januar 2006 bis 31. Dezember 2006, genehmigt mit Beschluss vom 18. Oktober 2005) ausdrücklich dargelegt hat, dass die interne Rechnungslegung der Deutschen Post AG den Anforderungen des § 10 Abs. 2 PostG entspricht. Die Deutsche Post AG hat der damaligen RegTP - jetzt BNetzA - bereits die für die Maßgrößenentscheidung vom 26. Juli 2002 erforderlichen Kostenunterlagen und -nachweise geliefert, aus denen nachvollziehbar die finanziellen Beziehungen zwischen den relevanten Postdienstleistungen hervorgingen. Eine Veröffentlichung dieser vertraulichen Daten ist jedoch weder nach der EU-Postdiensterichtlinie, noch nach dem Postgesetz gefordert. Im Übrigen ergeben sich aus den pauschal vorgebrachten Quersubventionierungsvorwürfen keine Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass eine missbräuchliche Quersubventionierung vorliegt.
Umsatzsteuerbefreiung
- 63. Die Monopolkommission sieht in der Umsatzsteuerbefreiung der Deutschen Post AG neben der Exklusivlizenz das wichtigste Wettbewerbshemmnis auf den Postmärkten, da diese sowohl auf den Brief- als auch auf den Paketmärkten zu Wettbewerbsverzerrungen führe. Die Monopolkommission spricht sich daher in diesem Sondergutachten erneut entschieden dafür aus, die geltende Umsatzsteuerbefreiung für Umsätze der Deutschen Post AG zu beseitigen. Die Monopolkommission schlägt vor, eine entsprechende Gesetzesänderung möglichst bald ins Auge zu fassen und auf europäischer Ebene auf eine baldige Verabschiedung der Mehrwertsteuerrichtlinie zu drängen.
- 64. Die Bundesregierung teilt die Auffassung der Monopolkommission, dass eine unterschiedliche steuerliche Behandlung von Marktteilnehmern zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann. Die derzeit gültige Rechtslage stellt sich wie folgt dar:
Nach Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe a der gültigen 6. Umsatzsteuer-Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuern - an die Deutschland gebunden ist sind die von "öffentlichen Posteinrichtungen" ausgeführten Dienstleistungen und die dazugehörenden Lieferungen von Gegenständen mit Ausnahme der Personenbeförderung und des Fernmeldewesens von der Umsatzsteuer zu befreien. Zur Umsetzung dieser zwingenden europarechtlichen Vorgabe in nationales Recht ist § 4 Nr. 1l b UStG in das Umsatzsteuergesetz eingefügt worden. Der Gesetzgeber ging hierbei davon aus, dass
- 1. der öffentliche Charakter der Deutschen Post AG trotz der Umstrukturierung der Deutschen Bundespost von einem Monopolunternehmen in drei private Unternehmen noch nicht vollständig aufgegeben ist und dass
- 2. die Steuerbefreiung für die unmittelbar dem Kernbereich der Postdienstleistungen zuzuordnenden Umsätze solange bestehen bleiben soll, "als wesentliche Marktsegmente den Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost ausschließlich vorbehalten bleiben. Dies unter der Voraussetzung, dass diese Unternehmen besondere Infrastrukturlasten zu tragen haben und durch hoheitliche Maßnahmen wie durch Allein- oder Mehrheitsbesitz des Bundes die Einhaltung staatlicher Vorgaben gesichert bleibt".
Nach Auffassung der Bundesregierung gilt die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1l b UStG daher aufgrund der zwingenden EU-Rechtslage für die Leistungen der Deutschen Post AG aus dem Bereich der gesetzlichen Exklusivlizenz und die sonstigen Universaldienstleistungen nach der PUDLV.
- 65. Die Bundesregierung begrüßt unter dem Gesichtspunkt der steuerinduzierten Wettbewerbsverzerrungen grundsätzlich die Absicht der Europäischen Kommission im Richtlinienvorschlag vom 05. Mai 2003, in Bezug auf die mehrwertsteuerliche Behandlung von Unternehmen im Postsektor eine steuerliche Gleichbehandlung von Postdienstunternehmen einzuführen. Auf europäischer Ebene wird dieser Vorschlag von den Mitgliedstaaten jedoch weiterhin sehr kontrovers diskutiert; mit einer Verabschiedung der Richtlinie ist - auch aufgrund der erforderlichen Einstimmigkeit der Mitgliedstaaten - in absehbarer Zeit daher nicht zu rechnen.
- 66. Die Bundesregierung wird jedoch die von der Monopolkommission in ihrem Sondergutachten angesprochenen umsatzsteuerrechtlichen Fragen vor dem Hintergrund des Auslaufens der gesetzlichen Exklusivlizenz und im Lichte des Aufforderungsschreibens der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 10. April 2006 zur Anwendung der deutschen Rechtsvorschriften über die Mehrwertsteuer auf Postdienstleistungen eingehend prüfen.