Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Für einen umfassenden Rahmen der Europäischen Union für endokrine Disruptoren

COM (2018) 734 final; Ratsdok. 14204/18

Der Bundesrat wurde am 15. November 2018 über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.

Hinweis: vgl.
Drucksache 050/00 = AE-Nr. 000214,
Drucksache 745/12 (PDF) = AE-Nr. 120959 und AE-Nr. 160532

Europäische Kommission
Brüssel, den 7.11.2018 COM (2018) 734 final

Einleitung

Endokrine Disruptoren sind chemische Stoffe, die die Wirkungsweise des endokrinen Systems verändern und sich negativ auf die Gesundheit von Mensch und Tier auswirken. Sie können synthetischen oder natürlichen Ursprungs sein. Eine Exposition gegenüber endokrinen Disruptoren kann auf verschiedene Quellen zurückgehen wie Pestizidrückstände oder Verbraucherprodukte, die wir im Alltag verwenden bzw. mit denen wir in Berührung kommen.

Was ist das endokrine System?

Das endokrine System ist ein Signalsystem des Körpers. Als Kommunikationsinstrument dienen Hormone, Signalmoleküle, die sich über die Blutbahn fortbewegen und auf weiter entfernte Zellen, Gewebe und Organe einwirken. Hormone werden zur Steuerung zahlreicher Prozesse im Körper benötigt, von Prozessen in einem frühen Stadium wie der Embryonalentwicklung und der Ausbildung der Organe bis hin zur Steuerung der Gewebe-und Organfunktionen im Erwachsenenalter.

Seit den 1990er Jahren haben die Bedenken gegen endokrine Disruptoren stetig zugenommen1. Nach der Annahme einer Entschließung zu endokrinen Disruptoren durch das Europäische Parlament im Jahr 19982 verabschiedete die Kommission im Dezember 1999 die Gemeinschaftsstrategie für Umwelthormone3, auf der seither mit Maßnahmen in den Bereichen Forschung, Regulierung und internationale Zusammenarbeit aufgebaut worden ist.

Es konnten entscheidende Fortschritte bei Erforschung und Regulierung endokriner Disruptoren erzielt werden, und im Umgang mit diesen chemischen Stoffen gehört die EU zur weltweiten Spitze. Dennoch sind die Bedenken in der Bevölkerung nach wie vor groß.

Wie schon immer, wird sich die Kommission auch künftig dafür einsetzen, dass die EU-Bürgerinnen und -Bürger sowie die Umwelt vor allen schädlichen chemischen Stoffen geschützt werden. Fast 20 Jahre nach Verabschiedung der Gemeinschaftsstrategie von 1999 ist es erforderlich, das Konzept der EU für den Umgang mit endokrinen Disruptoren auf der Grundlage des Wissens-, Ergebnis- und Erfahrungszuwachses zu aktualisieren, damit es weiterhin den Stand der Technik widerspiegelt und einen kohärenten Umgang mit diesen Stoffen in den unterschiedlichen Bereichen ermöglicht. Daher stellt die Kommission heute ihren strategischen Ansatz für den künftigen Umgang mit endokrinen Disruptoren vor, mit dem sie ein hohes Schutzniveau für EU-Bürgerinnen und Bürger sowie die Umwelt gewährleisten und gleichzeitig weiterhin sicherstellen will, dass der Binnenmarkt den Verbrauchern zugute kommt und allen Unternehmen in der EU Entfaltungsspielraum bietet.

Mit dieser Mitteilung wird den Forderungen des Europäischen Parlaments und des Rates entsprochen4 und auf dem 7. Umweltaktionsprogramm5 aufgebaut, und sie fügt sich in den Kontext der internationalen Zusagen für Maßnahmen zum Management gefährlicher chemischer Stoffe6 ein.

In Abschnitt 1 werden die Fortschritte erläutert, die in den letzten zwanzig Jahren bei der Erforschung endokriner Disruptoren verzeichnet werden konnten. In Abschnitt 2 werden die Maßnahmen skizziert, die die EU bisher ergriffen hat, und in Abschnitt 3 wird dargelegt, wie die EU-Politikmaßnahmen im Bereich der endokrinen Disruptoren nach Vorstellung der Kommission künftig wirksam vorangetrieben werden sollen.

1. ERFORSCHUNG ENDOKRINER DISRUPTOREN

Bei der Erforschung endokriner Disruptoren konnten in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte erzielt werden. Seit der Verabschiedung der Gemeinschaftsstrategie von 1999 sind viele tausend durch Peer-Review geprüfte wissenschaftliche Arbeiten erschienen, in denen das Wesen einer endokrinen Störung, ihre Ursachen und ihre Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und Wildtierpopulationen untersucht wurden. Auch in Veröffentlichungen der Europäischen Kommission, von EU-Agenturen bzw. im Rahmen von durch die Kommission mitorganisierten Tätigkeiten wurde über Fortschritte berichtet.

Seit 1999 konnten die wissenschaftlichen Nachweise über den Zusammenhang zwischen einer Exposition gegenüber endokrinen Disruptoren und Erkrankungen beim Menschen bzw. negativen Auswirkungen auf Wildtiere solider untermauert werden. Der wissenschaftliche Fortschritt hat zu einem Konsens in Bezug auf mehrere Fragestellungen geführt, die für das Verständnis einer endokrinen Störung maßgeblich sind. So besteht inzwischen weitgehend Einigkeit über die Definition, die 2002 im Rahmen des Internationalen Programms für Chemikaliensicherheit - einem gemeinsamen Programm verschiedener UN-Agenturen, darunter die Weltgesundheitsorganisation, - festgelegt wurde und der zufolge endokrine Disruptoren definiert sind als von außen zugeführte Stoffe oder Gemische, die die Funktion(en) des Hormonsystems verändern und dadurch Gesundheitsschädigungen in einem intakten Organismus, bei seinen Nachkommen oder in (Teil-)Populationen verursachen7.

Es herrscht auch Einvernehmen darüber, dass das kritischste Zeitfenster bei der Exposition gegenüber endokrinen Disruptoren wichtige Entwicklungsphasen sind, wie die Entwicklung des Fötus und die Pubertät.8 Eine Exposition gegenüber endokrinen Disruptoren in diesen Phasen kann dauerhafte Folgen haben und im weiteren Lebensverlauf zu einer erhöhten Anfälligkeit für Krankheiten führen. Es ist außerdem allgemein anerkannt, dass endokrine Disruptoren das endokrine System auf unterschiedliche Art und Weise beeinflussen können. Bisher hat sich die Forschung im Wesentlichen auf eine begrenzte Anzahl endokriner Wirkungsweisen konzentriert.9 In den vergangenen Jahren konnte jedoch nachgewiesen werden, dass auch andere Bereiche des endokrinen Systems für endokrine Disruptoren anfällig sein können. Es gibt außerdem immer mehr Nachweise darüber, dass endokrine Disruptoren zusammen eine additive Wirkung haben können ("Mischungs-" oder "Cocktail-Effekt"), sodass die Exposition gegenüber einer Kombination aus endokrinen Disruptoren bei Konzentrationen eine schädliche Wirkung hervorrufen kann, für die einzeln keine Wirkung festgestellt wurde10 (auch wenn dieser Effekt nicht spezifisch für endokrine Disruptoren ist).11

Es bestehen jedoch nach wie vor Wissenslücken, insbesondere in Bezug auf folgende Aspekte:

Prüfmethoden und Einflussmöglichkeiten der Wissenschaft auf die Regulierungsbehörden

Ein weiterer Bereich, in dem bei der Forschung deutliche, aber noch ausbaubedürftige Fortschritte erzielt werden konnten, ist die Entwicklung und Validierung von Prüfmethoden. Verlässliche Prüfmethoden werden benötigt, um endokrine Disruptoren unter Berücksichtigung ihrer unterschiedlichen potenziellen Wirkungen auf das endokrine System identifizieren und auf geeignete Weise mit ihnen umgehen zu können. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ist die führende anerkannte Stelle für die Ausarbeitung international vereinbarter Prüfleitlinien13, die gegebenenfalls in einschlägige EU-Rechtsvorschriften umgesetzt werden. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit hat im Jahr 2013 die bestehenden Prüfleitlinien für endokrine Disruptoren überprüft. Dabei kam sie zu dem Schluss14, dass für bestimmte endokrine Wirkungsweisen bei Säugetieren und Fischen, die durch endokrine Disruptoren beeinflusst werden können15, eine Vielzahl von Prüfmethoden zur Verfügung steht (oder bald zur Verfügung stehen wird), weniger jedoch für Vögel und Amphibien. Die Behörde folgerte weiterhin, dass Prüfmethoden in Bezug auf andere Aspekte des endokrinen Systems oder andere Gruppen von Tieren noch entwickelt bzw. validiert werden müssen, dass keine geeigneten Vorhersagemodelle für manche endokrin bedingten Erkrankungen, wie bestimmte hormonell bedingte Krebserkrankungen oder Stoffwechselstörungen/Adipositas, und keine Einzelstudie zur Bewertung der Auswirkungen einer Exposition von Säugetieren über den gesamten Lebenszyklus vorliegen.16

Darüber hinaus muss in Bezug auf endokrine Disruptoren - wie in anderen Forschungsbereichen auch - die Entwicklung von Alternativen zu Tierversuchen vorangetrieben werden: Hierzu ist eine stärkere Nutzung der verfügbaren Daten (und ein verstärkter Einsatz von Extrapolierungstechniken17) erforderlich, und der mathematischen Modellierung und neuen Invitro-Methoden müsste mehr Gewicht gegeben werden.

2. BISHERIGE EU-POLITIKMASSNAHMEN und Regulierung ENDOKRINER DISRUPTOREN

Gestützt auf die Gemeinschaftsstrategie von 1999 hat die EU Politikmaßnahmen betreffend endokrine Disruptoren ausgearbeitet, deren Schwerpunkte auf der Förderung der wissenschaftlichen Erforschung, einer wirksamen Regulierung endokriner Disruptoren und dem Ausbau der internationalen Zusammenarbeit auf diesem Gebiet liegen.

Erforschung und Entwicklung von Prüfleitlinien für endokrine Disruptoren in der EU

Seit 1999 verfügt die Europäische Union mit ihren Rahmenprogrammen für Forschung und technologische Entwicklung über wichtige Instrumente zur Unterstützung des wissenschaftlichen Fortschritts in Bezug auf endokrine Disruptoren. Es wurden mehr als 50 multinationale Gemeinschaftsprojekte mit über 150 Mio. EUR EU-Mitteln gefördert. Diese Projekte dienen dem Ziel, die endokrine Wirkungsweise besser zu durchleuchten, die schädlichen Auswirkungen der Exposition gegenüber endokrinen Disruptoren auf die menschliche Gesundheit und auf Wildtiere zu eruieren und Instrumente zur Identifizierung endokriner Disruptoren und zur Bewertung der Exposition zu entwickeln. Im Rahmen des Programms Horizont 2020 werden weitere 52 Mio. EUR für Projekte zur Entwicklung neuer Prüfmethoden für endokrine Disruptoren bereitgestellt, die bis zum Jahresende zugewiesen werden sollen.

Zusätzlich zu den im Rahmen von Horizont 2020 geförderten Forschungsarbeiten wurde in den letzten Jahren unter der Federführung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gezielt auf eine bessere Verfügbarkeit von Prüfleitlinien zur Identifizierung endokriner Disruptoren und auf eine Beseitigung der auf EU- und auf internationaler Ebene festgestellten Prüfmängel hingearbeitet. Für eine verbesserte Kontrollwirksamkeit sind zuverlässigere Prüfmethoden wichtig. Die Europäische Kommission hat mehrere Maßnahmen gefördert, die darauf abzielen, Lücken in Prüfleitlinien festzustellen, mögliche Lösungen zu deren Schließung zu eruieren, Prioritäten für die Weiterentwicklung von Prüfleitlinien aufzustellen und die bestehenden Prüfleitlinien zu verbessern bzw. neue auszuarbeiten.18

EU-Rechtsvorschriften über endokrine Disruptoren

Einhergehend mit dem wissenschaftlichen Fortschritt hat die EU in den letzten Jahrzehnten nach und nach ihre Rechtsvorschriften zur Regulierung chemischer Stoffe mit dem Ziel aktualisiert, ein hohes Maß an Schutz für die Gesundheit von Mensch und Tier sowie für die Umwelt zu gewährleisten und gleichzeitig das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes sicherzustellen. Die EU-Rechtsvorschriften zählen heute anerkanntermaßen zu den am besten schützenden Vorschriften weltweit und gelten für alle chemischen Stoffe, auch für solche mit endokrinschädigenden Eigenschaften.

Die Herangehensweise der EU stützt sich auf hochrangige wissenschaftliche Stellungnahmen der einschlägigen EU-Risikobewertungsgremien wie der Europäischen Chemikalienagentur, der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und dem Wissenschaftlichen Ausschuss "Verbrauchersicherheit" wie auch auf Risikomanagemententscheidungen, die von der Kommission in Absprache mit den Mitgliedstaaten getroffen werden. Wenn die Ergebnisse der wissenschaftlichen Bewertung keine hinreichende Gewähr bieten können, befolgt die Kommission das sogenannte Vorsorgeprinzip und erlässt Schutzmaßnahmen zugunsten der Bürgerinnen und Bürger sowie der Umwelt. Die Durchsetzung der Rechtsvorschriften erfolgt durch die Mitgliedstaaten, und die Kommission unterstützt den Informationsaustausch unter den zuständigen Behörden der einzelnen Länder mit dem Ziel, ihre Durchsetzungsmaßnahmen zu verbessern19.

Die Kommission hat in den letzten Jahren im Einklang mit den Vorschriften der einschlägigen Rechtsakte Maßnahmen für das Management endokriner Disruptoren erlassen. So enthalten die Rechtsakte über Pflanzenschutzmittel20, Biozide21, chemische Stoffe allgemein (REACH-Verordnung)22, Medizinprodukte23 und Wasser24 nun spezifische Bestimmungen für den Umgang mit endokrinen Disruptoren. Diese Anforderungen fallen jeweils unterschiedlich aus. Andere Rechtsakte wie die über Lebensmittelkontaktmaterialien25, kosmetische Mittel26, Spielzeug27 oder über den Schutz der Arbeitnehmer bei der Arbeit28 weisen keine spezifischen Bestimmungen für endokrine Disruptoren auf. Allerdings unterliegen Stoffe mit endokrinschädigenden Eigenschaften einer Einzelfallregulierung auf der Grundlage der in den Rechtsakten festgelegten allgemeinen Anforderungen.

Regulierung endokriner Disruptoren: einige Beispiele

Im Wege mehrerer Kommissionsinitiativen, die derzeit vom Europäischen Parlament und vom Rat geprüft werden oder sich in der Umsetzung befinden, werden zusätzliche Instrumente zur Regulierung endokriner Disruptoren bereitgestellt, sobald diese Initiativen vollständig umgesetzt sind. Sie umfassen Folgendes:

Internationale Zusammenarbeit im Bereich endokrine Disruptoren

Die Kommission und die Mitgliedstaaten beteiligen sich aktiv an den Arbeiten in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und unterstützen damit die Bemühungen um international vereinbarte Prüfleitlinien für endokrine Disruptoren und um eine bessere internationale Koordinierung.

Kommission und Mitgliedstaaten unterstützen auch die Arbeit der Weltgesundheitsorganisation52, das strategische Konzept für ein internationales Chemikalienmanagement und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen. Im Hinblick auf regulatorische Entwicklungen in der EU, die sich möglicherweise auf den Handel auswirken, arbeiten Kommission und Mitgliedstaaten unter Federführung der Welthandelsorganisation mit internationalen Partnern zusammen und tauschen Informationen mit ihnen aus.53 Auf bilateraler Ebene findet ferner ein Informationsaustausch mit internationalen Partnern statt, insbesondere mit den USA, Kanada, Japan und kürzlich auch China. Zwar werden jeweils andere Herangehensweisen verfolgt, aber alle Partner sind sich darüber einig, dass in Bezug auf endokrine Disruptoren dringender Handlungsbedarf besteht.54 Im Rahmen bilateraler Kooperationsabkommen wurde mit den Handelspartnern auch das Thema endokrine Disruptoren erörtert.

3. EU-POLITIKMASSNAHMEN IM Bereich ENDOKRINE DISRUPTOREN VORANBRINGEN

Wie schon immer, wird sich die Kommission auch künftig für ein hohes Maß an Schutz der EU-Bürgerinnen und -Bürger sowie der Umwelt vor endokrinen Disruptoren einsetzen und wird gleichzeitig weiterhin sicherstellen, dass der Binnenmarkt den Verbrauchern zugute kommt und allen Unternehmen in der EU Entfaltungsspielraum bietet.

Mit der Umsetzung der Gemeinschaftsstrategie von 1999 hat die EU bei Erforschung und Regulierung dieser gefährlichen Chemikalien eine Vorreiterrolle eingenommen. Um weitere Fortschritte machen und das hohe Schutzniveau aufrechterhalten zu können, muss gewährleistet werden, dass der EU-Rahmen weiterhin einen kohärenten Umgang mit endokrinen Disruptoren in den unterschiedlichen Bereichen ermöglicht.

Der strategische Ansatz der EU für den künftigen Umgang mit endokrinen Disruptoren sollte auf das Vorsorgeprinzip gestützt werden und auf Folgendes abzielen:

Ein kohärentes Konzept zur Regulierung endokriner Disruptoren

Die Legislativmaßnahmen, die den EU-Rechtsrahmen für Chemikalien bilden, sind zu unterschiedlichen Zeitpunkten entstanden und dienen in bestimmten Fällen unterschiedlichen Zwecken. Dies hat dazu geführt, dass je nach reguliertem Bereich unterschiedliche Herangehensweisen an endokrine Disruptoren gewählt wurden, was die Frage aufwirft, ob der EU-Rechtsrahmen zur Regelung endokriner Disruptoren ausreichend kohärent ist. Hierbei sind insbesondere folgende beiden Punkte zu beachten:

Horizontales Konzept zur Identifizierung endokriner Disruptoren: Die Kommission vertritt die Auffassung, dass für die Identifizierung endokriner Disruptoren ein kohärentes Konzept benötigt wird, das alle einschlägigen EU-Rechtsvorschriften abdeckt und sich auf die allgemein anerkannte Definition der Weltgesundheitsorganisation stützt.

Die Kriterien, die kürzlich für Pflanzenschutzmittel und Biozide festgelegt wurden, sind ein erster Schritt in diese Richtung, die EU-Rechtsvorschriften zur Regulierung anderer Bereiche enthalten jedoch noch keine solchen Kriterien.

Es wurde vorgebracht, dass horizontale Kriterien zur Identifizierung endokriner Disruptoren in die Rechtsvorschriften aufgenommen werden sollten, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und dem potenziellen Risiko vorzubeugen, dass ein Stoff in einem Rechtsakt als endokriner Disruptor eingestuft ist, in einem anderen dagegen nicht. Dies ist näher zu untersuchen.

Regulatorische Folgen in Bezug auf endokrine Disruptoren: Die Konzepte zur Regulierung von als endokrin eingestuften Disruptoren unterscheiden sich in den einzelnen Rechtsakten.

Die spezifischen Bestimmungen, die die gesetzgebenden Organe in den Bereichen Pflanzenschutzmittel und Biozide erlassen haben, "beruhen auf dem Vorsorgeprinzip"55 und stützen sich auf mehrere Erwägungen. So haben sie beispielsweise die spezifische Art der betreffenden Produkte und die Tatsachen berücksichtigt, dass endokrine Disruptoren besonders besorgniserregende Stoffe sind und dass bei ihrer Bewertung eine wissenschaftliche Ungewissheit besteht (etwa, ob es einen sicheren Expositionsgrenzwert gibt), und beschlossen, dass ein Stoff, der sich als endokriner Disruptor herausgestellt hat, grundsätzlich nicht zur Verwendung zugelassen werden kann. Die Möglichkeiten einer Ausnahmeregelung sind sehr eingeschränkt.

In der REACH-Verordnung sind endokrine Disruptoren ausdrücklich als besonders besorgniserregende Stoffe bezeichnet, die im Falle einer prioritären Einstufung den Zulassungsvorschriften unterliegen. Endokrine Disruptoren können auch Einschränkungen unterliegen.

In anderen Rechtsakten wie der Verordnung über kosmetische Mittel werden endokrine Disruptoren zwar nicht ausdrücklich genannt, aber wie andere Stoffe eingestuft, die die menschliche Gesundheit schädigen können.

Einige Interessenträger haben vorgebracht, dass die EU-Rechtsvorschriften in einigen Bereichen keine adäquaten Konzepte zur Regulierung endokriner Disruptoren beinhalten. Dieser Punkt ist eingehender zu prüfen.

Im Einklang mit der Kommissionsagenda für bessere Rechtsetzung und der Verpflichtung dafür zu sorgen, dass die EU-Rechtsvorschriften auch weiterhin zweckmäßig sind, wurden bzw. werden verschiedene Bewertungen durchgeführt, die in unterschiedlichem Maße für endokrine Disruptoren von Belang sind.56 Bisher hat jedoch keine einzige dieser Bewertungen all die unterschiedlichen vertikalen und horizontalen Aspekte endokriner Disruptoren abgedeckt.

Bei der Eignungsprüfung werden endokrine Disruptoren erstmals im Querschnitt betrachtet; Grundlage sind die wissenschaftlichen Erkenntnisse und die große Menge an Daten, die bei abgeschlossenen oder laufenden Bewertungen bereits erhoben und ausgewertet wurden. Dies ermöglicht es zu analysieren, wie die verschiedenen Bestimmungen/Ansätze betreffend endokrine Disruptoren zusammenspielen, es werden mögliche Lücken, Inkohärenzen oder Synergien ermittelt, und es wird bewertet, wie sie sich insgesamt unter dem Aspekt des Kosten-Nutzen-Verhältnisses auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt, die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte und der Industrie in der EU sowie auf den internationalen Handel auswirken. Dabei werden besonders diejenigen Bereiche berücksichtigt, in denen die Rechtsvorschriften keine spezifischen Bestimmungen über endokrine Disruptoren enthalten, wie Spielzeug, kosmetische Mittel und Lebensmittelkontaktmaterialien.

Besonderes Augenmerk wird auf die Kohärenz und die Intensität der Maßnahmen zum Schutz gefährdeter Bevölkerungsgruppen gelegt, die besonders empfindlich auf endokrine Disruptoren reagieren, wie Föten und Heranwachsende. Die Eignungsprüfung ermöglicht eine umfassende Konsultation von EU-Bürgerinnen und -Bürgern sowie Interessenträgern, auch im Wege einer öffentlichen Konsultation. Sie wird insgesamt zur Bewertung der Frage beitragen, ob die Rechtsvorschriften ihren Zweck erfüllen und den Anforderungen an eine bessere Rechtsetzung genügen, und in die Überlegungen darüber einfließen, ob legislative Änderungen erforderlich sind.

Ein Konzept basierend auf den aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnissen

Bei ihrer Beschlussfassung stützt sich die EU auf Fakten. Die Forschung muss daher fortwährend gefördert werden, wenn die EU endokrine Disruptoren noch besser verstehen und eine solide Basis für eine wirksame Politikgestaltung schaffen möchte.

Besonderes Augenmerk sollte denjenigen Bereichen gelten, in denen noch Wissenslücken hinsichtlich endokriner Disruptoren bestehen, wie in Abschnitt 1 genannt, und in denen sich verbesserte Politikmaßnahmen am besten durch eine erweiterte Evidenzbasis erreichen lassen.

Mehrere der im Rahmen von "Horizont Europa" vorgeschlagenen Forschungsbereiche sind sehr maßgeblich für endokrine Disruptoren. Sie umfassen Folgendes:

Ein integratives Konzept

Um beim wirksamen Umgang mit endokrinen Disruptoren weitere Fortschritte zu erzielen, wird die Kommission ein integratives Konzept verfolgen, das sich durch Offenheit, Transparenz und die Einbeziehung aller interessierten Kreise auszeichnet. Die Kommission ist bereit, aufmerksam zuzuhören, in einen kooperativen Dialog zu treten und proaktiv zu kommunizieren.

Dies ist auch maßgeblich für die internationale Zusammenarbeit mit Partnern außerhalb der EU, um mit den in der Forschung erzielten Fortschritten mithalten zu können, einen weltweit effizienten Ressourceneinsatz zu gewährleisten, die Kohärenz der Regulierungsmaßnahmen mit dem Ziel des Abbaus von Handelsschranken zu garantieren und die globale Führungsposition der EU aufrechtzuerhalten.

4. Schlussfolgerung

Rund 20 Jahre nach Verabschiedung der Gemeinschaftsstrategie betreffend endokrine Disruptoren von 1999 ist die endokrine Schadwirkung weiterhin eine globale Herausforderung, die vielen EU-Bürgerinnenn und -Bürgern Anlass zu Besorgnis gibt. Auch wenn in den letzten zwei Jahrzehnten große Fortschritte bei der Erforschung und dem Management endokriner Disruptoren erzielt werden konnten, muss die EU ihre Anstrengungen intensivieren.

Die Kommission wird sich auch weiterhin dafür einsetzen, dass die EU-Bürgerinnen und - Bürger sowie die Umwelt vor endokrinen Disruptoren geschützt werden.

Zu diesem Zweck wird mit dem oben dargelegten Konzept ein hohes Schutzniveau für die EU-Bürgerinnen und -Bürger sowie die Umwelt angestrebt, und gleichzeitig wird sichergestellt, dass der Binnenmarkt den Verbrauchern zugute kommt und allen Unternehmen in der EU Entfaltungsspielraum bietet.

Im Einklang mit der Kommissionsagenda für bessere Rechtsetzung und der Verpflichtung dafür zu sorgen, dass die EU-Rechtsvorschriften auch weiterhin zweckmäßig sind, wird die Kommission den bestehenden Rechtsrahmen für endokrine Disruptoren einer umfassenden Überprüfung unterziehen. Im Rahmen dieser Reflexion wird bewertet, ob mit den EU-Rechtsvorschriften über endokrine Disruptoren das übergeordnete Ziel erreicht wird, die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu schützen. Bürgerinnen und Bürger sowie Interessenträger werden eingebunden, auch im Wege einer öffentlichen Konsultation, und die Kommission wird auf dieser Grundlage die Debatte voranbringen und darüber entscheiden, ob der Rechtsrahmen angepasst werden muss.

Darüber hinaus wird mit den in dieser Mitteilung angekündigten Initiativen der kontinuierliche Fortschritt bei den einschlägigen wissenschaftlichen Forschungsarbeiten unterstützt, der inklusive Dialog und die Zusammenarbeit aller interessierten Kreise gefördert sowie die Umsetzung der bestehenden Maßnahmen im Bereich endokrine Disruptoren intensiviert.

Die Kommission ersucht das Parlament und den Rat, die in dieser Mitteilung dargelegten Initiativen zu unterstützen und sich in die Debatte einzubringen, und sie bittet auch den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen um Stellungnahme.

Zu all diesen Aspekten vgl. insbesondere Gemeinsame Forschungsstelle (JRC) (2013), Key scientific issues relevant to the identification and characterisation of endocrine disrupting substances - Report of the Endocrine Disrupters Expert Advisory Group; JRC (2013), Thresholds for Endocrine Disrupters and Related Uncertainties - Report of the Endocrine Disrupters Expert Advisory Group; Beausoleil et al. (2016), Review of nonmonotonic doseresponses of substances for human risk assessment; Solecki et al. (2017), Scientific principles for the identification of endocrinedisrupting chemicals: a consensus statement.