Gesetzesantrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung ausländerrechtlicher Maßnahmen bei der Bekämpfung von Jugendgewalt und Kriminalität

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen

E. Sonstige Kosten

Gesetzesantrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung ausländerrechtlicher Maßnahmen bei der Bekämpfung von Jugendgewalt und Kriminalität

Der Bayerische Ministerpräsident München, den 4. März 2008

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ersten Bürgermeister
Ole von Beust

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gemäß dem Beschluss der Bayerischen Staatsregierung übermittle ich den als Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügten


mit dem Antrag, dass der Bundesrat diesen gemäß Art. 76 Abs. 1 GG im Bundestag einbringen möge.
Ich bitte, den Gesetzentwurf gemäß § 36 Abs. 2 GOBR auf die Tagesordnung der 842. Sitzung am 14. März 2008 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.


Mit freundlichen Grüßen
Dr. Günther Beckstein

Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung ausländerrechtlicher Maßnahmen bei der Bekämpfung von Jugendgewalt und Kriminalität

Vom ...

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Aufenthaltsgesetzes

Das Aufenthaltsgesetz vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970), wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Änderung des Freizügigkeitsgesetzes\/EU

Das Freizügigkeitsgesetz/EU vom 30. Juli 2004 (BGBl. I S. 1950, 1986), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. S. 1970), wird wie folgt geändert:

Artikel 3
Inkrafttreten

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Ausgangslage

Jugendgewalt als spezieller Teil der allgemeinen Kriminalität stellt ein zunehmend besorgniserregendes Phänomen dar, bei dessen Bekämpfung unterschiedliche Ansätze und Maßnahmen zusammengeführt werden müssen.

Entgegen der insgesamt eher rückläufigen Tendenz bei den Tatverdächtigenzahlen im Bereich der Jugendkriminalität allgemein weist vor allem die Tatverdächtigenstatistik im Bereich der Gewaltkriminalität zum Teil einen deutlichen Anstieg der Deliktzahlen auf. Der größte Anteil der erfassten Fälle entfällt hier auf schwere und gefährliche Körperverletzungsdelikte. Besonders signifikant ist hierbei der zu verzeichnende Anstieg bei tatverdächtigen nichtdeutschen Jugendlichen (in Bayern von 2001 auf 2006 um 20,4%).

Noch aussagekräftiger als die absoluten Tatverdächtigenzahlen ist die sogenannte "Tatverdächtigenbelastungszahl (TVBZ)1". Diese beträgt 2006 im Bereich der Gewaltkriminalität allein in Bayern für (in Klammern Veränderung gegenüber dem Jahr 2001)

Daraus zeigt sich, dass nichtdeutsche Jugendliche bei Gewaltdelikten deutlich häufiger in Erscheinung treten als deutsche Jugendliche, und zwar annähernd viermal so oft.

Für das Jahr 2007 deutet sich ein weiterer Anstieg der jugendlichen Tatverdächtigen bei der Gewaltkriminalität an. So wurden von Januar bis November 2007 auf diesem Deliktsfeld in Bayern 5,4% mehr jugendliche Tatverdächtige als im Vorjahreszeitraum registriert. Vorfälle im Dezember und Januar 2007/2008 in verschiedenen deutschen Städten, insbesondere im ÖPNV, bei denen ausländische Jugendliche und Heranwachsende der Begehung erheblicher Gewalttaten dringend verdächtig oder bereits überführt sind, beeinflussen unabhängig von ihrem objektiven Gewicht die Wahrnehmung der Sicherheitslage und das Sicherheitsempfinden vieler Bürger in äußerst negativer Weise.

Zudem bestätigen sich in der polizeilichen Praxis Tendenzen hin zu einer neuen "Qualität" der Verrohung und Gewaltbereitschaft. Die Erfahrungen zeigen, dass in den vergangenen Jahren vor allem bei jugendlichen Intensivtätern offenbar die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung deutlich gesunken ist.

Das zeigen auch Beispiele exzessiver Gewaltanwendung bei Raubüberfällen durch Jugendbanden, bei denen das Opfer weit über das Maß, das zur Ereichung des Taterfolgs erforderlich war, hinaus misshandelt wurde.

Im Rahmen eines Gesamtkonzepts, das alle Handlungsfelder abdeckt, bedarf es im Hinblick auf den überproportionalen Anteil ausländischer Straftäter auch eines spezifischen ausländerrechtlichen Ansatzes. Trotz der insgesamt eher geringen Handlungsspielräume des nationalen Gesetzgebers soll im Ausländerrecht versucht werden, zu einer rascheren und effektiveren Aufenthaltsbeendigung zu gelangen, soweit nicht zwingende Vorgaben des Verfassungsrechts und des Europäischen Rechts entgegenstehen. Ergänzt wird dies um Vorschläge im Bereich der Integration im weitesten Sinne.

II. Umsetzung im Bereich des Aufenthaltsgesetzes

Im Rahmen des allgemeinen politischen Grundansatzes, sanktionierende und vorbeugende Komponenten zu verbinden, ist der Focus nicht ausschließlich auf jugendliche und heranwachsende Straftäter gerichtet. Da auch Erziehungsberechtigte anscheinend in zunehmendem Maße ihrer besonderen Stellung und Verantwortung nicht mehr gerecht werden kann auch dies nicht ohne aufenthaltsrechtliche Konsequenzen bleiben.

Schwerpunktmäßig sind folgende Änderungen und Ergänzungen bei der Aufenthaltsbeendigung von Straftätern beabsichtigt:

Schwerpunktmäßig vorbeugenden Charakter haben folgende Maßnahmen:

III. Änderung des Freizügigkeitsgesetzes\/EU

Soweit dies mit Rücksicht auf die besonderen EU-rechtlichen Vorgaben, namentlich aus der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (sog. Freizügigkeits- oder Unionsbürgerrichtlinie) für Unionsbürger und deren begleitende Familienangehörige möglich ist, werden im Interesse einer effektiveren Bekämpfung von Gewaltkriminalität und sonstigen Sicherheitsgefahren auch im Freizügigkeitsgesetz/EU deutliche Verbesserungen angestrebt. Mit den Vorschlägen wird teilweise Neuland betreten.

Das Risiko einer Überschreitung der Grenzen, die das europäische Recht zieht, ist dabei angesichts einer eher kasuistischen und nicht gänzlich widerspruchsfreien Rechtsprechung hoch. Dies muss aber in Kauf genommen werden, wenn substanzielle Verbesserungen erreicht werden sollen.

Die beabsichtigten Änderungen und Ergänzungen beinhalten insbesondere

IV. Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes

Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes ist insbesondere nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 4 GG (Aufenthalts- und Niederlassungsrecht der Ausländer) in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG sowie Art. 74 Abs. 1 Nr. 6 (Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen) gegeben.

Eine bundesgesetzliche Regelung zur Wahrung der Rechtseinheit ist im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich.

V. Auswirkungen

Die Gesetzesänderungen ermöglichen in erster Line Erleichterungen beim behördlichen Vollzug des Ausländerrechts.

Nähere Einzelheiten zur Einführung spezieller Integrationskurse werden erst im Rahmen einer erforderlichen Fortschreibung der Integrationskursverordnung getroffen, so dass eine abschließende Bewertung von etwaigen Mehrausgaben für den Bundeshaushalt bei dieser Fortschreibung erfolgen muss. Durch eine anzustrebende Einbeziehung in das bewährte Grundprinzip der Organisation von Integrationskursen werden sich etwaige Belastungen insbesondere für potentielle Kursanbieter, nicht zuletzt unter Berücksichtigung auch einer entsprechenden Kursvergütung, in Grenzen halten.

B. Im Einzelnen:

Zu Artikel 1 (Änderung des Aufenthaltsgesetzes)

Zu Nummer 1 (§ 8)

Es handelt sich um eine klarstellende Folgeänderung zur Einführung spezieller Integrationskurse. Auf die Begründung zu Nr. 3 Buchstabe a wird verwiesen.

Zu Nummer 2 (§ 11)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu § 51 Abs. 1 Nr. 9 (vgl. Nr. 6 Buchstabe a). Auch ein Ausländer, dessen Aufenthaltstitel wegen einer Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestes drei Jahren erloschen ist, darf vor Ablauf einer Befristung nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten.

Zu Nummer 3 (§ 43)

Zu Buchstabe a

Die bestehenden Integrationskurse sind, auch soweit sie besondere Zielgruppen behandeln, auf die Vermittlung von Sprach- und Gesellschaftskenntnissen ausgerichtet; durch die erfolgreiche Teilnahme können zudem bestimmte Aufenthaltstitel erworben werden. Künftig sollen je nach Bedarf ergänzend oder unabhängig davon spezielle Integrationskurse für Jugendliche und Heranwachsende mit schweren Integrationsdefiziten durchgeführt werden.

Diese speziellen Kurse sind grds. unabhängig vom jeweiligen Aufenthaltstitel des Ausländers. Sie stellen auf sich insbesondere in erhöhter Gewaltbereitschaft ausdrückende schwere Integrationsdefizite ab, enthalten deshalb in der Regel Antiaggressionsmodule, können daneben u. a. aber auch vertiefenden und ergänzenden Sprachunterricht beinhalten.

Diese Kurse unterscheiden sich nach Zielsetzung, Inhalt und Struktur von den bislang in der Integrationskursverordnung u. a. bei Bedarf vorgesehenen (Jugend)Integrationskursen für nicht mehr schulpflichtige Ausländer bis zum 27. Lebensjahr, die zur Vorbereitung auf den Besuch weiterführender Schulen, Hochschulen oder auf eine andere Ausbildung dienen.

Nähere Einzelheiten zur Umsetzung und Abgrenzung werden in der Integrationskursverordnung geregelt. Die Ausländerbehörde kann und soll in den genannten Fällen künftig zu einer Teilnahme an einem speziellen Integrationskurs auffordern. Durch eine neue gesetzliche Vermutung des Vorliegens schwerer Integrationsdefizite bei jungen Straftätern und die erleichterte Möglichkeit, auch deren Eltern zu Integrationskursen zu verpflichten wird die Systematik ergänzt. Nicht teilnahmeverpflichteten Jugendlichen und Heranwachsenden steht eine Teilnahme im Rahmen der verfügbaren Plätze offen. Das bestehende Sanktionsregime des Aufenthaltsgesetzes bei der Nichtteilnahme an Integrationskursen gilt auch für spezielle Integrationskurse (vgl. Nr. 1 und Nr. 16), wobei allerdings die Regelungen in § 80 über die Handlungsfähigkeit Minderjähriger stets zu beachten sind.

Zu Buchstabe b

Es handelt sich um eine klarstellende Folgeänderung zu Buchstabe a.

Zu Nummer 4 (§ 44)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu Nr. 3 und zugleich um die Klarstellung, dass die bestehende Systematik eines Teilnahmeanspruchs und einer Teilnahmeberechtigung am herkömmlichen Integrationskurs unberührt bleibt.

Zu Nummer 5 (§ 44a)

Zu Buchstabe a

In Ergänzung zur neuen gesetzlichen Regelvermutung schwerer Integrationsdefizite bei den in Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 genannten jugendlichen oder heranwachsenden Straftätern sollen auch deren Eltern und Erziehungsberechtigte in die Pflicht genommen und zu Integrationskursen aufgefordert werden können. Die Bestimmungen der Integrationskursverordnung bleiben unberührt.

Zu Buchstabe b

Auf die Begründung zu Nr. 3 Buchstabe a wird verwiesen.

Zu Buchstabe c

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu Buchstabe b.

Zu Buchstabe d

Bei bestehenden schweren Integrationsdefiziten ist die Absolvierung einer Ausbildung für sich allein kein Grund, von einer Teilnahmeverpflichtung an einem speziellen Integrationskurs abzusehen.

Zu Nummer 6 (§ 51)

Zu Buchstabe a

Die Änderung dient der Verfahrensbeschleunigung. Mit Einführung dieses Erlöschenstatbestands hat ein rechtskräftiges strafrechtliches Urteil, das eine Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens drei Jahren ausspricht, nun unmittelbare aufenthaltsrechtliche Wirkung. Mit Erlöschen des Aufenthaltstitels tritt die Ausreisepflicht gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG und die Wirkung des § 11 Abs. 1 Satz 1 (vgl. Nr. 2) ein; insoweit ist ein weiteres Verwaltungsverfahren zur Ausweisung, an das sich dann möglicherweise Gerichtsverfahren anschließen würden, nicht erforderlich.

Angesichts der hohen Strafe, die der Erlöschenstatbestand voraussetzt, ist er - auch bei Ausländern mit besonderem Ausweisungsschutz - verhältnismäßig. Betroffen sind Personen, die eine erhebliche kriminelle Energie zeigen.

Der Antrag auf erneute Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Erlöschen ist nur unter den Voraussetzungen des § 81 Abs. 6 zulässig (vgl. Nr. 15).

Zu Buchstabe b

Das Erlöschen der Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG hat sich bislang grundsätzlich nicht nach den allgemeinen Erlöschenstatbeständen des Absatz 1, sondern nach den der Daueraufenthalt-Richtlinie entsprechenden Tatbeständen in Absatz 9 gerichtet. Die Neuregelung bestimmt, dass auch eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG im Falle einer Verurteilung zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens drei Jahren erlischt.

Hiermit wird von der Möglichkeit nach Art. 9 Absatz 3 der Daueraufenthalt-Richtlinie Gebrauch gemacht, wonach die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass ein Drittstaatsangehöriger die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten verliert, wenn er in Anbetracht der Schwere der von ihm begangenen Straftaten eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung darstellt, auch ohne dass diese Bedrohung bereits eine Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsgesetzes rechtfertigen würde. Angesichts der für das Erlöschen erforderlichen hohen Strafe ist eine Bedrohung für die öffentliche Ordnung gegeben; das unmittelbare Erlöschen ohne die bei einer Verlustfeststellung erfolgende Einzelfall- und Verhältnismäßigkeitsprüfung ist daher gerechtfertigt.

Zu Nummer 7 (§ 52)

Die Änderung ergänzt § 6 Abs. 5 Satz 2 Freizügigkeitsgesetz/EU, der beruhend auf Art. 28 Abs. 3 der Freizügigkeits-Richtlinie und Art. 9 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes vom 20.11.1989 den Begriff des Kindeswohls nennt. Dort ist die Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts bei Minderjährigen erleichtert, wenn dies das Kindeswohl erfordert. Die Neufassung des § 6 Abs. 5 Satz 2 Freizügigkeitsgesetz/EU benennt als Beispiel die Herausnahme aus einem kriminogenen Umfeld.

Auch bei Drittausländern wird durch den neuen § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 nun eine ausländerrechtliche Möglichkeit geschaffen, den Minderjährigen aus spezialpräventiven Gründen von seinem bisherigen, strafttatenförderndem Umfeld im Bundesgebiet zu trennen.

Rechtsfolge des Widerrufs eines Aufenthaltstitels ist das Erlöschen des Aufenthaltstitels nach § 51 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG und damit der Eintritt der Ausreisepflicht nach § 50 Abs. 1 AufenthG.

Die Maßnahme muss aus erzieherischen Gründen dringend geboten sein.

Zu Nummer 8 (§ 53)

In § 53 werden die Ausweisungstatbestände der zwingenden Ausweisung neu geordnet. Die Voraussetzungen für eine zwingende Ausweisung werden teilweise erheblich herabgesetzt. Nr. 1 umfasst besondere Deliktstypen - vorsätzliche Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz und Landfriedensbruch unter bestimmten Voraussetzungen; die für eine Ausweisung erforderliche Jugendstrafe von zwei Jahren wird auf ein Jahr gesenkt. Nr. 2 entspricht § 53 Nr. 3 a.F.

Die Nr. . 3 und 4 greifen die bisherige Nr. 1 - sonstige vorsätzliche Straftaten - auf. Erreicht bereits eine Verurteilung ein Strafmaß von mindestens einem Jahr ohne Bewährung (bisher: mindestens drei Jahre), erfolgt eine zwingende Ausweisung nach Nr. 3. Hingegen regelt Nr. 4 den Fall mehrerer Verurteilungen im Zeitraum von fünf Jahren und reduziert die dann erforderliche - addierte - Strafe auf mindestens zwei Jahre Freiheits- oder Jugendstrafe (bisher: mindestens drei Jahre).

Zu Nummer 9 (§ 54)

Zu Buchstabe a

Korrespondierend mit den Änderungen bei der zwingenden Ausweisung wird auch bei der Regelausweisung wegen Straffälligkeit das erforderliche Strafmaß von zwei Jahren auf neun Monate herabgesetzt.

Zu Buchstabe b

Flankierend zu dem vom Bundesrat mit Beschluss vom 20.12.2007 eingebrachten Gesetzentwurf (BR-Drs. 827/07 (PDF) ) zu einer Ergänzung des § 129a Abs. 5 StGB, wodurch die Wahrnehmung des Ausbildungsangebots terroristischer Vereinigungen unter bestimmten Voraussetzungen unter Strafe gestellt werden soll, bedarf es auch einer entsprechenden Ergänzung der Regelausweisungstatbestände im Aufenthaltsgesetz. Diese muss entsprechend der Systematik der Nr. . 5 und 5a des § 54 AufenthG bereits im sicherheitsrelevanten Vorfeld einer Straftatenbegehung eingreifen. Die neuen Regelung in Nr. 5b ist durch typisierend bezeichnete, terrorismus- und straftatenaffine Ausbildungshandlungen gekennzeichnet, deren Gefahrenpotential es rechtfertigt, an die Verbindung zu terroristischen Organisationen keine allzu großen Anforderungen zu stellen.

Die Vermutungsregelung bei einer Ausbildung außerhalb der regulären Streitkräfte und sonstiger Sicherheitsorgane in den in der Verwaltungsvorschrift zu § 73 Abs. 4 ohnehin bezeichneten Staaten soll den praktischen Vollzug erleichtern. Auch die Bestimmung in Nr. 5c stellt auf typischerweise sicherheitsrelevante Handlungen wie Lagerhaltung von Waffen oder gefährlicher Stoffe oder den Besitz entsprechender Bauanleitungen ab, zu denen Anhalts- und Verdachtsmomente terroristischer Verbindungen oder für einen Anschlags- oder Straftatengebrauch hinzutreten müssen.

Zu Nummer 10 (§ 55)

Zu Buchstabe a

Entsprechend dem Grundsatz, dass im Bereich der Integration neben dem "Fördern" auch das "Fordern" tritt (§ 43 Abs. 1), wird parallel zu der Regelung in § 8 Abs. 3 die beharrliche Verletzung der Teilnahmepflicht an allgemeinen wie an speziellen Integrationskursen auch als zumindest potentiell ausweisungsrelevanter Rechtsverstoß gewertet.

Zu Buchstabe b

Eine Misshandlung Schutzbefohlener durch Eltern und Personensorgeberechtigte, die sehenden Auges eine gewaltfreie Entwicklung gefährden kann, soll - unbeschadet des einschlägigen Straftatbestandes - für die handelnden Erwachsenen in verstärktem Maße auch aufenthaltsrechtliche Konsequenzen zur Folge haben.

Zu Nummer 11 (§ 56)

Zu Buchstabe a

Durch die Änderung wird bestimmt, dass nun alle Tatbestände der Regelausweisung in der Regel zugleich schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstellen.

Die bisherige Unterscheidung zwischen Ausweisungsgründen, die eine Ausweisung nach § 54 und zugleich auch eine Ausweisung bei besonderem Ausweisungsschutz rechtfertigen sowie denjenigen Ausweisungsgründen, die zwar eine Ausweisung nach § 54 rechtfertigen, aber bei besonderem Ausweisungsschutz nicht als Regelfall herangezogen werden können, entfällt.

Zu Buchstabe b

Der erweiterte Ausweisungsschutz für Heranwachsende mit Niederlassungserlaubnis entfällt.

Er war nicht geboten, da volljährige Kinder die familiäre Lebenshilfe ihrer eventuell im Bundesgebiet lebenden (Kern-)Familie in der Regel nicht mehr benötigen (BVerfG v. 01.03.2004 2 BvR 1570/03 JURIS).

Außerdem wird der bisher sehr weitgehende Ausweisungsschutz für Minderjährige eingegrenzt:

Zum einen ist er nun auf die Fälle beschränkt, in denen sich Personensorgeberechtigte des Minderjährigen rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten - insoweit wird dem Schutz der familiären Lebensgemeinschaft ausreichend Rechnung getragen.

Zum anderen genügt jetzt auch das Vorliegen eines Regelausweisungsgrundes nach § 54 zur Ausweisung eines Minderjährigen. Die Belange des Minderjährigen bleiben ausreichend geschützt da auch beim Vorliegen eines Regelausweisungsgrundes eine Ermessensentscheidung ergehen muss, in die diese Belange einzustellen sind.

Zu Buchstabe c

Nach Absatz 2a besteht auch bei Minderjährigen nun kein besonderer Ausweisungsschutz nach Absatz 1 und kein erweiterter Ausweisungsschutz nach Absatz 2, wenn das zum Wohl des Kindes notwendig ist; dies insbesondere bei einer gebotenen dauerhaften Herausnahme aus einem Umfeld, das die Begehung von Straftaten erheblich begünstigt

Zu Nummer 12 (§ 58)

Zu Buchstabe a

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu Nr. 6 Buchstabe a.

Zu Buchstabe b

Auch in den Fällen, in denen nicht ohnehin bereits Absatz 3 Nr. 1 einschlägig ist, besteht ein erhebliches Interesse an einer kontrollierten und überwachten Ausreise und ist grundsätzlich eine Aufenthaltsbeendigung durch Abschiebung geboten.

Zu Nummer 13 (§ 59)

In allen Fällen des § 51 Abs. 1 Nr. 9 kann die Abschiebung ohne Fristsetzung angedroht werden.

Zu Nummer 14 (§ 73)

Die Benennung der Bundessicherheitsbehörden und Nachrichtendienste in Absatz 2 wird auf den Umfang des Absatz 1 erweitert.

Zu Nummer 15 (§ 81)

Es handelt sich um eine verschärfende verfahrensrechtliche Folgeänderung zur Einführung des neuen gesetzlichen Erlöschensgrundes im Falle der rechtskräftigen Verurteilung wegen vorsätzlicher Straftaten zu Freiheits- oder Jugendstrafen von mindestens 3 Jahren (§ 51 Abs. 1 Nr. 9, vgl. Nr. 6 Buchstabe a). Die Neuantragstellung vor der Ausreise ist demnach nur innerhalb einer Frist von vier Wochen ab Rechtskraft des Strafurteils zulässig, späteres Vorbringen ist präkludiert. Klargestellt wird, dass der Antrag keine aufschiebende Wirkung betreffend aufenthaltsbeendender Maßnahmen hat. Insbesondere löst er keine Fiktionswirkung aus. Im Falle der Erfüllung passrechtlicher Verpflichtungen kann die Ausländerbehörde jedoch eine Abschiebung vorläufig aussetzen. Bei der Neuerteilung eines Aufenthaltstitels fehlt es im Übrigen an der Regelerteilungsvoraussetzung des fehlenden Ausweisungsgrundes (§ 5 Abs. 1 Nr. 2; der zwingende Ausweisungsgrund des § 53 Nr. 3 ist in diesen Fällen stets miterfüllt). Eine erneute Erteilung ist deshalb generell auf besondere Ausnahmefällen etwa zur Berücksichtigung zwingender Rechte nach dem Grundgesetz oder aus EU-Assoziationsabkommen und sonstigem Völkervertragsrecht beschränkt.

Zu Nummer 16 (§ 98)

Es handelt sich um eine Folgeänderung zur Ergänzung des Sanktionenregimes bei der Einführung spezieller Integrationskurse (vgl. Begründung zu Nr. 3 Buchstabe a).

Zu Nummer 17 (§ 104)

Die Regelung dient der Rechtssicherheit, da der Aufenthaltstitel nach § 51 Abs. 1 Nr. 9 unmittelbar von Gesetzes wegen - ohne Verwaltungsakt - erlischt.

Zu Artikel 2 (Änderung des Freizügigkeitgesetzes/EU)

Zu Nummer 1 (§ 5)

Zu Buchstabe a

Durch den neuen Satz 5 wird in Ergänzung zur bestehenden Regelung des § 6 Abs. 1 die Befugnis der Ausländerbehörde gestärkt, insbesondere bei entsprechenden Anhaltspunkten etwa aus einer AZR-Abfrage bereits in Zusammenhang mit der Erteilung der Bescheinigung über das Aufenthaltsrecht und der Aufenthaltskarte frühzeitig Freizügigkeitsverlustfeststellungsgründe zu prüfen, sich hierzu ggf. des Beteiligungsverfahrens nach §§ 11 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. 73 Aufenthaltsgesetz einschließlich einer flankierenden sicherheitsrechtlichen Befragung (vgl. Nr. 5) zu bedienen und entsprechende Entscheidungen zu treffen. In begründeten Fällen kann dabei über das Bundesverwaltungsamt auch eine Auskunft über etwaige Vorstrafen in anderen EU-Staaten eingeholt werden. Damit wird nunmehr von der in Art. 27 Abs. 3 der Freizügigkeitsrichtlinie ausdrücklich eingeräumten Option Gebrauch gemacht. Insgesamt soll einer freizügigkeitsrechtlichen Verfestigung des Aufenthaltstatus in sicherheitsrelevanten Fällen möglichst rasch ein Riegel vorgeschoben werden.

Zu Buchstabe b

Bei entsprechendem Anlass ist der Fortbestand der Freizügigkeitsvoraussetzungen künftig in der Regel zu überprüfen.

Zu Buchstabe c

Die Prüf- und Entscheidungskompetenz nach § 5 Abs. 3 Satz 5 bei der Ausstellung von Bescheinigung und Aufenthaltskarte soll auch im Zusammenhang mit der Erteilung der Bescheinigung des Daueraufenthaltsrechts und der Ausstellung der Daueraufenthaltskarte verdeutlicht werden.

Zu Nummer 2 (§ 6 )

Zu Buchstabe a

Die beispielhafte Konkretisierung eines wesentlichen Grundinteresses der Gesellschaft steht für eine der maßgeblichen Intentionen des "Gesetzes zur Erleichterung ausländerrechtlicher Maßnahmen bei der Bekämpfung von Jugendgewalt und Kriminalität." Ein wirksamer Schutz vor einer Beeinträchtigung der elementaren und höchstpersönlichen Verfassungsrechtsgüter Leben, Gesundheit und Freiheit gerade auch im öffentlichen Raum wie z.B. in öffentlichen Verkehrsanlagen stellt ein zentrales Element rechtsstaatlichen Handelns, aber auch der berechtigten Erwartung aller Bürger dar. Besonders hinzuweisen ist darauf, dass diese Rechtsgüter nicht nur im Grundgesetz und der EMRK, sondern insbesondere auch in der Charta der Grundrechte der EU überragende Bedeutung genießen. Diese Wertung ist bei der im Rahmen einer Verlustfeststellung zu treffenden Gesamtwürdigung maßgeblich zu berücksichtigen.

Zu Buchstabe b

Wie sich aus Art. 27 Abs. 3 der Freizügigkeitsrichtlinie erschließt, dürfen grundsätzlich auch Straftaten aus anderen EU-Staaten berücksichtigt werden. Dies, gleichzeitig aber auch die entsprechenden Einschränkungen, werden durch den neuen Satz 4 verdeutlicht.

Zu Buchstabe c

Die Begrifflichkeiten in Art. 28 Abs. 2 der Freizügigkeitsrichtlinie (ähnlich auch Art. 12 Abs.1 der Daueraufenthaltsrichtlinie) sowie in § 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AufenthG über den besonderen Ausweisungsschutz sind deckungsgleich, da jeweils schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und/oder Ordnung für die Verlustfeststellung bzw. Ausweisung verlangt werden. Der Verweis in dem neuen Halbsatz 2 auf die Legaldefinition der schwerwiegenden Gründe in § 56 Abs. 2 Satz 3 ist mit Rücksicht auf die besonderen Anforderungen an eine Entscheidung über eine Verlustfeststellung als Regelbeispiel ausgestaltet. Er ermöglicht der Praxis eine leichtere Orientierung und harmonisiert insoweit in zulässigem Umfang zugleich die Rechtsanwendung.

Zu Buchstabe d

In Absatz 5 wird die Definition der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit sowie einer Verlustfeststellung maßgeblich zum Wohl des Kindes unter Beachtung von Art. 28 Abs. 3 der Freizügigkeitsrichtlinie und in Übereinstimmung insbesondere mit Art. 9 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes vom 20.11.1989 neu gefasst. Im Sinne einer Gesamtsystematik wird dabei zugleich ein materieller Abstand im Vergleich zu der Neukonzeption der Ausweisungstatbestände im Aufenthaltsgesetz gewahrt.

Erstmals wird beispielhaft eine Fallvariante benannt, in der das Kindeswohl letztlich eine spezialpräventive Rückführung in den EU-Heimatstaat unter Feststellung des Verlusts der Freizügigkeit erfordert, ohne dass daneben in der Person des Minderjährigen bereits die Voraussetzungen des Satzes 3, insbesondere die erfolgte Begehung erheblicher Straftaten, vorliegen müssten und sich somit dessen kriminelle Laufbahn bereits kaum reversibel verfestigt hätte (auf die parallele Einfügung eines neuen Abs. 2a in § 56 AufenthG, vgl. Art. 1 Nr. 11 Buchstabe c, wird verwiesen). In Satz 3 wird das erforderliche Strafmaß für die Annahme zwingender Gründe modifiziert. Entsprechend der neuen beispielhaften Benennung eines Grundinteresses der Gesellschaft wird dabei rechtsgutbezogen abgestuft zwischen vorsätzlichen Straftaten, die insbesondere mit Gewalt gegen Personen verbunden sind und sonstigen Straftaten. Die in den Fällen der Buchstaben a bis c vorausgesetzte unbedingte Verurteilung zu mehrjährigen, in der Höhe abgestuften Haftstrafen rechtfertigt die Annahme zwingender Gründe, zumal es sich bei der Verlustfeststellung auch in diesen schwerwiegenden Fällen stets um eine Ermessensentscheidung handelt, bei der die sozialen Belange des Absatzes 3 beachtet werden müssen. Der Hinweis auf die einschlägigen Regelausweisungsgründe des AufenthG in Buchstabe e soll im Sinne einer einheitlichen Rechtsanwendung die Begrifflichkeit der Sicherheit der Bundesrepublik und der terroristischen Gefahr verdeutlichen, die sich auch bei Unionsbürgern bereits im Vorfeld schwerer Straftaten manifestieren kann.

Zu Nummer 3 (§ 7)

Zu Buchstabe a

Es handelt sich um eine Folgeänderung zu Nr. 1 Buchstaben a und c.

Zu Buchstabe b

Mit der Ausnahme vom Abschiebungsverbot im Fall des Eilrechtsschutzes bei zwingenden Gründen im Sinne von § 6 Abs. 5 wird die in Art. 31 Abs. 2, 3. Tiret der Freizügigkeitsrichtlinie ausdrücklich eingeräumte Möglichkeit umgesetzt.

Zu Nummer 4 (§ 9)

In Absatz 1 wird der Strafrahmen erhöht, bleibt aber mit einer möglichen Höchstfreiheitsstrafe von 2 Jahren unter der Höchststrafe nach § 95 Abs. 2 AufenthG.

Geschlossen wird in diesem Kontext die Strafbarkeitslücke bei Wiedereinreise und Aufenthalt von Unionsbürgern entgegen sogenannten "Altausweisungen", die vor dem 01.01.2005 verfügt worden sind. Deren Wirksamkeit wurde mittlerweile auch vom BVerwG mit Blick auf § 102 AufenthG bestätigt. Entsprechend § 95 Abs. 3 AufenthG wurde im Falle der unerlaubten Einreise auch eine Strafbarkeit des Versuchs eingeführt.

Zu Nummer 5 (§ 11)

Auch bei Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen ist, soweit erforderlich, zur Vorklärung und zur Nachbereitung einer Beteiligung der Behörden nach § 73 Abs. 2 AufenthG nunmehr eine sicherheitsrechtliche Befragung möglich.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass durch den bestehenden Verweis in § 11 Abs. 1 Satz 1 auf § 44 Abs. 4 AufenthG zugleich sichergestellt ist, dass künftig Unionsbürger grundsätzlich auch an speziellen Integrationskursen im Sinne von § 43 Abs. 3a AufenthG teilnehmen können (vgl. Artikel 1 Nr. . 3 Buchstabe a und 4).

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des "Gesetzes zur Erleichterung ausländerrechtlicher Maßnahmen bei der Bekämpfung von Jugendgewalt und Kriminalität".