Der Bundesrat hat in seiner 952. Sitzung am 16. Dezember 2016 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Grundsätzliches
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission im Rahmen ihres Konnektivitätspaketes vom 14. September 2016 auch einen Vorschlag zur Novellierung des Telekommunikationsrechtsrahmens vorgelegt hat, um den zwischenzeitlichen und künftigen Entwicklungen auf dem Telekommunikations- und Breitbandmarkt Rechnung zu tragen. Er betrachtet den vorgelegten Vorschlag als eine gute Grundlage für die anstehenden Diskussionsprozesse auf europäischer Ebene. Richtig ist es auch aus Sicht des Bundesrates, die bisher auf vier Richtlinien verteilten Vorschriften (Rahmen-Richtlinie; GenehmigungsRichtlinie; Zugangs-Richtlinie; Universaldienst-Richtlinie) in einer Vorschrift zusammenzufassen. Er würde sich aber in diesem Zusammenhang eine stärkere textliche Straffung des Kodexes wünschen.
- 2. Der Bundesrat hält es für essentiell, dass im Rahmen der Überarbeitung des Telekommunikationsrechtsrahmens die erfolgreichen Prinzipien der bisherigen Rechtsvorschriften beibehalten und sie nur dort reduziert, modifiziert oder ergänzt werden, wo sich dies durch die Marktentwicklung rechtfertigt. Grundprinzip muss dabei die Sicherstellung eines wirksamen Wettbewerbs sein, der maßgeblich zur Entwicklung der Telekommunikations- und Breitbandmärkte beigetragen hat.
- 3. Der Bundesrat begrüßt es daher, dass der neue Rechtsrahmen grundsätzlich am Prinzip der Regulierung der Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht ("significant market power"/ SMP-Regulierung) sowie am Wettbewerb als Grundprinzip der Regulierung festhält. Eine Reduzierung der SMP-Regulierung ist aus seiner Sicht nur dann gerechtfertigt, wenn der Wettbewerb dadurch nicht gefährdet wird.
- 4. Der Bundesrat unterstützt auch die Zielrichtung des neuen Kodexes, wesentliche Beiträge zur Schaffung und Nutzung von Netzen mit sehr hoher Kapazität ("very high capacity"/VHC-Netze) zu leisten. Gleichzeitig betont er seine Auffassung, nach der es auch künftig keine vor- oder nachrangigen Ziele im Rechtsrahmen geben darf.
- 5. Der Bundesrat hat generell die Befürchtung, dass der neue Kodex nicht zu einer wünschenswerten Vereinfachung, sondern zu einer Zunahme der Regulierung und zu einer Verkomplizierung der Verfahren führt.
Ziele
- 6. Der Bundesrat begrüßt die Einführung eines neuen Ziels in Artikel 3 Absatz 2 Buchstabe a, nämlich die Förderung des breiten Zugangs zu und die Nutzung von Datenverbindungen mit sehr hoher Kapazität (VHC-Netze). Er hält es allerdings für erforderlich, dass in Artikel 3 Absatz 2 die Gleichrangigkeit der vier Ziele verdeutlicht wird, da diese nicht nur zusammenhängen, sondern sich zum Teil gegenseitig bedingen. So ist der Wettbewerb als der wesentliche Innovations- und Investitionstreiber für Infrastrukturinvestitionen in Europa anzusehen (vergleiche auch BR-Drucksache 145/15(B) ).
Vetorecht der Kommission bei Abhilfemaßnahmen
- 7. Der Bundesrat lehnt das in Artikel 33 Absatz 5 Buchstabe c vorgesehene Vetorecht der Kommission (gemeinsam mit GEREK; "doublelock-Verfahren") ab, weil dies die grundsätzliche Autonomie der nationalen Regulierungsbehörden unzumutbar beeinträchtigen würde.
Frequenzpolitik
- 8. Er lehnt außerdem die weitreichende Ausweitung der Eingriffsbefugnisse der Kommission insbesondere mit Blick auf die beabsichtigten zahlreichen Einzelregelungen zu allen Grundsatz- und Detailfragen der Frequenzvergabeverfahren ab. Die insbesondere in den Artikeln 38, 45, 46, 47, 51, 53 und 54 enthaltenen bindenden Entscheidungsbefugnisse unter Beteiligung von GEREK verhindern, dass die Mitgliedstaaten Form und Mittel der Regulierung frei wählen können. Letzteres wäre nach dem Wortlaut der primärrechtlichen Vorschrift des Artikels 288 AEUV aber geboten, so dass die von der Kommission intendierte Regelungstiefe mit dem Rechtscharakter einer hier vorgeschlagenen Richtlinie nicht vereinbar ist.
- 9. Nach Auffassung des Bundesrates führen die Vorschläge der Kommission im Bereich der Frequenzpolitik zu keinem Bürokratieabbau und auch nicht zu schnelleren und effizienteren Vergabeverfahren, sondern zu erheblichen Verzögerungen und einer deutlichen Zunahme der Komplexität von Regulierungsentscheidungen. So führt die beabsichtigte Ausgestaltung des in Artikel 35 dargelegten PeerReview-Prozesses aufgrund der Letztentscheidungsbefugnis der Kommission für alle Frequenzvergabeentscheidungen zu einer quasi permanenten Rechts-und Fachaufsicht über die nationalen Regulierungsbehörden und auch über die in Deutschland verfassungsrechtlich geschützte föderale Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in der Frequenzregulierung.
- 10. Bereits in seiner Stellungnahme zum Vorschlag über die Nutzung des Frequenzbandes 470 - 790 MHz in der Union hatte der Bundesrat weitgehende Versorgungsauflagen der Kommission für die Nutzung dieses Frequenzbandes abgelehnt (vergleiche BR-Drucksache 060/16(B) ). Er wiederholt daher seine Auffassung unter Verweis auf diese Stellungnahme, nach der Festlegungen zu Versorgungsauflagen Gegenstand nationaler Verfahren sind, die anhand der nationalen Marktsituation definiert werden müssen.
- 11. Im Einzelnen lehnt der Bundesrat eine undifferenzierte Festlegung von Frequenzzuteilungen für die Dauer von jeweils mindestens 25 Jahren gemäß Artikel 49 Absatz 2 ab. Es ist für ihn nicht erkennbar, auf welcher Grundlage bzw. nach welcher Prüfung der Auswirkungen auf Marktzugang, Wettbewerb, Innovationsanreize und künftige technische Entwicklungen eine derart pauschale Festlegung gerechtfertigt wird.
- 12. Ebenso kann der Bundesrat einer Ermächtigung der Kommission gemäß Artikel 53 nicht zustimmen, nach der diese befugt sein soll, bereits zugeteilte Frequenzbänder in ihrer genehmigten Nutzungsdauer mit dem Argument der europaweiten Harmonisierung beliebig zu verkürzen. Eine solche Entscheidung würde ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit für die Marktteilnehmer und mögliche Schadenersatzansprüche der Rechteinhaber zur Folge haben.
- 13. Anders als von der Kommission beabsichtigt, sieht der Bundesrat eher negative Konsequenzen des Richtlinienvorschlages für "Vorreiterstaaten" bezüglich der Vergabe eines Frequenzspektrums in der EU. Bereits in seiner Stellungnahme zur Mitteilung der Kommission zur Strategie für einen digitalen Binnenmarkt für Europa (BR-Drucksache 212/15(B) ) hatte der Bundesrat seine Auffassung zum Ausdruck gebracht, nach der sich die nationale Funkfrequenzverwaltung als effizientes Mittel erwiesen hat, um das Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Aspekten zu wahren. Im bislang zügigen und vorausschauenden Vorgehen Deutschlands in der Frequenzvergabe wird daher weiterhin eine Anreizwirkung für andere Mitgliedstaaten gesehen, die ambitionierten Zeitzielvorgaben der Kommission zu erfüllen.
- 14. Die Vorschläge der Kommission zur Frequenzpolitik gehen daher nach Überzeugung des Bundesrates über das gebotene Maß bei weitem hinaus. Vielmehr sollten sich die Neuregelungen im Bereich der Frequenzpolitik nach Auffassung des Bundesrates auf die zeitliche Vorgabe von Umsetzungsfristen innerhalb der EU, die Vorgabe von qualifizierten Mindestanforderungen für die Frequenzvergabeverfahren und die Implementierung von entsprechenden Durchsetzungsvorschriften und -befugnissen für die Kommission beschränken.
Zugangsregulierung
- 15. Marktanalyseverfahren (Artikel 65): Der Bundesrat begrüßt die Festschreibung des Drei-Kriterien-Tests als grundlegende Basis der wettbewerbsrechtlichen Regulierungssystematik. Er sieht allerdings die im Vorschlag der Kommission vorgesehenen Ausnahmen von der SMP-Regulierung äußerst kritisch. Der Bundesrat hat etwa Zweifel, ob VHC-Netze, die im Rahmen eines Ko-Investment-Angebots von mehr als einem Netzbetreiber komplementär ausgebaut werden, nicht den bisherigen Zugangspflichten für Dritte unterliegen sollten, sofern der (virtuelle) Zugang zum Netz vor dem neuen Ausbau gewährleistet ist. Er bezweifelt, dass eine entsprechende Verringerung der Wettbewerbsintensität zusätzliche Anreize für Investitionen in neue Netze bewirkt. Die Verlängerung der Marktanalysezyklen auf bis zu 5 (+ 1) Jahre erscheint vertretbar, jedoch sollten die Möglichkeiten der nationalen Regulierungsbehörden, bei neuen Marktentwicklungen auch früher eine neue Marktanalyse zu beginnen, präziser beschrieben werden. Die Bewertung des Marktversagens allein auf Basis der Betrachtung der Endkundenmärkte ist aus Sicht des Bundesrates unzureichend; Marktversagen sollte weiterhin (auch) auf die Betrachtung der Vorleistungsmärkte bezogen werden.
- 16. Zugang zu baulichen Anlagen (Artikel 70 und 71): Aus Sicht des Bundesrates ist dieser Zugang zu begrüßen, jedoch sollte er aus systematischen Gründen auf SMP-Unternehmen beschränkt sein. Auf die Vorgabe oder Empfehlung eines solchen primären Vorleistungsproduktes sollte aber verzichtet werden. Vielmehr sollten auf der Grundlage der infrastrukturellen und marktmäßigen Voraussetzungen in den einzelnen Mitgliedsstaaten alternative Vorleistungsprodukte zur Verfügung stehen.
- 17. Symmetrische Regulierung (Artikel 59): Der Bundesrat sieht in der durch den Kodex vorgesehenen zusätzlichen Einführung von symmetrischen Regulierungselementen einen nicht vertretbaren Paradigmenwechsel zur bisherigen Regulierung, die einen Bedarf für Regulierung grundsätzlich nur für Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht postuliert hat. Nach seiner Ansicht würde dies zu einem Mehr an Regulierung führen, die Wettbewerbsintensität auf den Märkten reduzieren sowie Investitionen der Wettbewerber behindern. Hinzu kommt, dass mit der EU-Kostenreduzierungsrichtlinie (in Deutschland umgesetzt durch das Gesetz zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze (DigiNetzG) bereits zusätzliche Elemente einer symmetrischen Regulierung eingeführt wurden, deren Auswirkungen auf die Märkte zunächst beobachtet werden sollten. Der Bundesrat lehnt daher die Einführung weiterer Elemente einer symmetrischen Regulierung ab.
- 18. Länderübergreifende Märkte (Artikel 63 und 64): Der Bundesrat sieht grundsätzlich keinen Bedarf für die Prüfung und Regulierung länderübergreifender Märkte. Dies beinhaltet zudem die Gefahr der Abwertung der nationalen Regulierung. Er bittet die Kommission aber um Prüfung, ob eine "Schiedsfunktion" von GEREK bei Problemen an den Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten sinnvoll sein kann.
- 19. Kartierung (Artikel 22): Der Bundesrat erkennt das Bemühen der Kommission an, dem Problem der "weißen Flecken" im Breitbandausbau und der Gefahr des Überbaus bestehender hochleistungsfähiger Netze begegnen zu wollen. Er gibt jedoch zu bedenken, dass der Telekommunikationsrechtsrahmen dem Wettbewerbsrecht zuzuordnen ist und als Handlungsfeld für Beihilfe- und Förderaspekte, geschweige denn für die staatliche Planung des Breitbandausbaus nicht geeignet ist. Zudem ist mit dem Instrument der Kartierung ein hoher bürokratischer Aufwand verbunden, ohne dass ein konkreter Nutzen im Sinne des angestrebten Ziels zu erwarten ist. Sofern nationale Regulierungsbehörden künftig die Investitionsabsichten der Netzbetreiber in Netzinfrastrukturen kartieren müssten sowie ermächtigt wären, falsche Informationen zu sanktionieren, wäre in dieser Maßnahme kein geeignetes Anreizinstrument zu sehen, sondern eher eine größere Zurückhaltung für neue Investitionen zu befürchten. Der Bundesrat schlägt daher eine Streichung dieser Bestimmungen vor und bittet die Kommission um Prüfung, ob es andere, mit dem Telekommunikationsrechtsrahmen vereinbare Instrumente zur Zielerreichung gibt. Des Weiteren regt er eine bessere Verzahnung des Regulierungs- und Beihilferegimes an.
- 20. Flexibilisierung der Preisbildung bei SMP-Unternehmen (Artikel 72): Der Bundesrat bittet die Kommission um Begründung, warum Sonderregelungen in Abweichung vom Drei-Kriterien-Test gerechtfertigt sein sollten.
- 21. Regulatorische Behandlung neuer Netzbestandteile (Artikel 74): Der Bundesrat sieht in dieser Regelung ("Regulierungsferien") eine erhebliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs. Diese Regelung sollte daher gestrichen werden.
- 22. Migration zu neuen Netzen (Artikel 78): Der Bundesrat hält die vorgesehene Transparenz und Begleitung des Migrationsprozesses durch die nationalen Regulierungsbehörden für sehr sinnvoll. Für die neuen Netze müssen aber auf der Basis des Drei-Kriterien-Tests grundsätzlich die gleichen regulatorischen Bedingungen gelten wie für die bisherigen Netze.
GEREK
- 23. Der Bundesrat begrüßt, dass die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden gestärkt und ihre Aufgabenstellung vereinheitlicht werden soll.
- 24. Er ist der Auffassung, dass sich die bisherige Organisationsform GEREK als gemeinsames Dach für den Regulierungsrat, bestehend aus den Vertretern der nationalen Regulierungsbehörden und dem GEREK-Büro, bewährt hat. Hierdurch wird gewährleistet, dass GEREK den Charakter eines Verbunds der nationalen Regulierungsbehörden zur EU-weiten Abstimmung der TK-Regulierung hat und keine bei der Kommission angebundene EU-Agentur mit eigenen Hoheitsrechten ist. Der Bundesrat sieht in diesen Strukturen die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden am besten gewahrt.
- 25. Er lehnt daher die im Verordnungsvorschlag vorgesehene Einrichtung einer Agentur "GEREK" mit eigener Rechtspersönlichkeit, der Zuweisung neuer Aufgaben und den geplanten Zuständigkeitsverlagerungen, die bislang den nationalen Regulierungsbehörden vorbehalten sind, ab. Bedenken bestehen insbesondere im Bereich der Frequenzregulierung, wo die neue Agentur wesentliche Befugnisse zu allen Fragen auf Vergabe- und Zuteilungsebene bis ins Detail erhalten soll.
- 26. Der Bundesrat stellt dazu fest, dass die Kommission eine substantiierte Begründung für die Notwendigkeit einer solch umfassenden Zentralisierung der Frequenzregulierung schuldig bleibt. Stattdessen werden lediglich pauschale Begriffe wie "Harmonisierung", "einheitliche Umsetzung des Rechtsrahmens", "Mängel des bestehenden institutionellen Gefüges", "mangelnde Kohärenz", "effiziente Aufsicht", "größerer Einfluss", "grenzüberschreitende Aspekte", "zentrales Führen von Registern" zur Begründung aufgeführt.
- 27. Der Bundesrat lehnt es ab, dass die nationalen Regulierungsbehörden den Vorgaben einer Europäischen Agentur und der Kommission unterworfen werden mit der Folge, dass die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden verloren geht.
- 28. Nach seiner Auffassung gilt gleiches für die Zentralisierung der Frequenzverwaltung. Den möglichen Vorteilen einer zentralen Koordination stehen aufwändige und bürokratische Abstimmungsrunden gegenüber, die mit Rücksicht auf den EU-Durchschnitt künftige Entwicklungen bei der Frequenznutzung verlangsamen oder sogar verhindern.
- 29. Der Bundesrat widerspricht daher mit Nachdruck sowohl der in der vorgeschlagenen Verordnung vorgenommenen Zentralisierung von GEREK in einer Agentur als auch der Frequenzverwaltung als einer Aufgabe dieser Agentur.
- 30. Er spricht sich vielmehr für unabhängige Regulierungsbehörden und eine Frequenzverwaltung auf mitgliedstaatlicher Ebene aus. Der Bundesrat unterstreicht in diesem Zusammenhang, dass sich die bisherigen Strukturen des GEREK und der Frequenzverwaltung grundsätzlich bewährt haben und in ihrer bisherigen Grundstruktur belassen werden sollten. Eine weitere (auch personelle) Stärkung des GEREK im Rahmen der bisherigen Struktur und Zuständigkeiten würde der Bundesrat aber begrüßen.
Regulierung für Over-The-Top-Player (OTT)
- 31. Er begrüßt grundsätzlich, dass die Kommission OTT-Kommunikationsdienste als elektronische Kommunikationsdienste ansieht und dabei auch die grundsätzlich anderen Marktmodalitäten beleuchtet, nach denen OTT-Kommunikationsdienste häufig für eine andere Gegenleistung als Geld erbracht werden, wie zum Beispiel personenbezogene Daten oder Aufmerksamkeit des Endnutzers für Werbung. Auch angesichts der hohen Innovationskraft durch OTT-Kommunikationsdienste ist er der Auffassung, dass telekommunikationsspezifische Regulierungsverpflichtungen nicht eins zu eins auf neue OTT-Dienststrukturen übertragen werden können. Der Bundesrat erachtet jedoch eine Gleichbehandlung von OTT-Kommunikationsdiensten, die funktionelle Substitute für Telekommunikationsdienste darstellen, insbesondere in den Bereichen Daten-und Verbraucherschutz sowie Datensicherheit für zielführend.
- 32. Der Bundesrat teilt die Bewertung der Kommission, dass eine zukunftsorientierte Definition von elektronischen Kommunikationsdiensten nicht allein auf technischen Parametern fußen kann, sondern eher auf einem funktionalen Ansatz aufbauen muss. Er hat jedoch erhebliche Zweifel, ob die von der Kommission vorgeschlagene Unterscheidung in nummerngebundene und nummernunabhängige interpersonelle Kommunikationsdienste eine handhabbare nachhaltige Basis zur langfristigen Weiterentwicklung des Rechtsrahmens für elektronische Kommunikation darstellt, da die Frage, ob eine nationale oder internationale Nummerierungsressource gemäß ITU-E.164 Vorgaben verwandt wird, vorrangig einen technischen Parameter darstellt, der beispielsweise keine Aussagen zum Substitutionsgehalt eines elektronischen Kommunikationsdienstes aus Endkundensicht ermöglicht.
- 33. Der Bundesrat stellt fest, dass die Kommission angesichts dieser überaus komplexen Herausforderung vielfach richtige Weichenstellungen vorgenommen hat, indem beispielsweise Maßnahmen zur Gewährleistung der Interoperabilität im Falle einer tatsächlichen Bedrohung der Konnektivität oder des effektiven Zugangs zu Notdiensten initiiert werden können. An anderen Stellen des Richtlinienvorschlags bestehen jedoch Zweifel, ob dieser die absehbare Innovationsdynamik langfristig angemessen abbilden kann, da beispielsweise soziale Netzwerke ausdrücklich nicht als interpersonelle Kommunikationsdienste betrachtet werden, obwohl hier die weitere Integration von Kommunikationsdiensten möglich erscheint.
- 34. Vor diesem Hintergrund sowie angesichts des Umstandes, dass auch das Wirkgefüge beispielsweise der kommenden ePrivacy-Richtlinie und der Datenschutz-Grundverordnung in Bezug auf wichtige Aspekte interpersoneller Kommunikationsdienste wie Daten- und Verbraucherschutz sowie Datensicherheit derzeit noch nicht hinreichend klar erscheint, schlägt der Bundesrat eine grundsätzlich entwicklungsoffene Struktur zur Einordnung von OTT-Kommunikationsdiensten vor: Zu diesem Zweck sollte in den Kodex für die elektronische Kommunikation eine Ermächtigung von GEREK aufgenommen werden, dass ein ablösendes oder sachdienlich erscheinendes Identifizierungsmerkmal verwendet wird, beispielsweise durch entsprechende "GEREKLeitlinien für Elektronische Kommunikation", die eine entwicklungsfähige und bedarfsgerechte Basis auch zur Einordnung von OTT-Kommunikationsdiensten schaffen können.
- 35. Nach Ansicht des Bundesrates würde eine derart entwicklungsoffene Struktur es langfristig eher gestatten, bedarfsgerecht auf ein gleiches Datenschutz-, Datensicherheits- und Verbraucherschutzniveau bei klassischen Telekommunikationsdiensten und OTT-Kommunikationsdiensten hinzuwirken. Im Übrigen verweist er auf seine Entschließung "Anpassung des Rechtsrahmens an das Zeitalter der Digitalisierung im Telekommunikationsbereich - Rechtssicherheit bei Messengerdiensten, standortbezogenen Diensten und anderen neuen Geschäftsmodellen" vom 22. April 2016 (BR-Drucksache 088/16(B) ).
Universaldienste
- 36. Der Bundesrat begrüßt die Modernisierung der Universaldienstregelungen durch Verzicht auf nicht mehr zeitgemäße Dienstleistungen und den Fokus auf Sprachkommunikationsdienste und einen funktionalen Internetzugangsdienst.
- 37. Er ist der Auffassung, dass im Sinne einer Harmonisierung der Bedingungen in der EU der für die Mitgliedstaaten vorgesehene alleinige Definitionsmechanismus zur Ausgestaltung der Basisbreitbandversorgung nicht zu einer unverhältnismäßig differenzierten Ausgestaltung der Basisbreitbandversorgung führen darf. Der Bundesrat bittet daher im weiteren Verfahren dafür Sorge zu tragen, dass für die einzelstaatlichen Festlegungen EU-weit harmonisierte Rahmenregelungen und -verfahren vorgesehen werden.
- 38. Er spricht sich ebenfalls dafür aus, dass das erfolgreiche Modell des marktgetriebenen Breitbandausbaus in Deutschland in Verbindung mit den für Deutschland entwickelten marktkonformen Fördermodellen zur Erschließung "Weißer Flecken" der Breitbandversorgung nicht durch eine unzweckmäßige Ausgestaltung der universaldienstorientierten Basisbreitbandversorgung konterkariert wird.
Verbraucherschutz
- 39. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich eine weitergehende Harmonisierung der europaweiten Vorschriften zum Verbraucherschutz.
- 40. Er weist darauf hin, dass in Deutschland in den vergangenen Jahren dem sektorspezifischen Verbraucherschutz im Telekommunikationsbereich eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet worden ist.
- 41. Der Bundesrat stellt fest, dass in Deutschland ein hohes sektorspezifisches Verbraucherschutzniveau gewährleistet ist und die Unternehmen der Telekommunikationswirtschaft sich regelmäßig und mit erheblichem Aufwand auf die entsprechenden Regelungen und Verfahren eingestellt haben.
- 42. Er bittet daher sicherzustellen, dass der bestehende deutsche sektorspezifische Verbraucherschutzrahmen mit einem möglichst hohen Maß an Kontinuität und Verlässlichkeit in den neu zu schaffenden EU-weit harmonisierten sektorspezifischen Regelungsrahmen zum Verbraucherschutz überführt wird.
- 43. Der Bundesrat behält sich vor, den Richtlinienvorschlag auf der Grundlage des jeweiligen Diskussionsstandes auf europäischer Ebene erneut aufzurufen und zu kommentieren.
Direktzuleitung an die Kommission
- 44. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.