Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.
Hinweis: vgl.
Drucksache 510/07 (PDF) = AE-Nr. 070617,
Drucksache 745/08 (PDF) = AE-Nr. 080726,
Drucksache 441/09 (PDF) = AE-Nr. 090369,
Drucksache 661/09 (PDF) = AE-Nr. 090600 und
Drucksache 733/11 (PDF) = AE-Nr. 110918
Brüssel, den 19.3.2012 COM (2012) 102 final
Grünbuch Schattenbankwesen
(Text von Bedeutung für den EWR)
1. Einleitung
Die Krise von 2008, die ausgehend vom Finanzdienstleistungssektor die ganze Weltwirtschaft erfasste, hat eine Reihe von Schwachstellen offenbart, wie Regulierungslücken, ineffiziente Aufsicht, intransparente Märkte und zu komplexe Produkte. Auch die Gegenmaßnahmen wurden in internationalem Maßstab getroffen und über die G-20 und den Rat für Finanzstabilität (Financial Stability Board, FSB) koordiniert.
Die Europäische Union nimmt bei der Umsetzung der im Rahmen der G-20 gemachten Zusagen weltweit eine führende Rolle ein. So hat sie ihrem Finanzreform-Fahrplan entsprechend bereits einen großen Teil der aus den genannten Zusagen resultierenden Reformen durchgeführt. Die meisten dieser Reformen durchlaufen derzeit ein Legislativverfahren. Ein wichtiger Schritt wurde unlängst mit der Verabschiedung der grundlegenden Verordnung über OTC-Derivate durch Rat und Parlament erzielt. Auch bei der Überarbeitung der Eigenkapitalvorschriften für den Bankensektor sind die Verhandlungen schon weit gediehen. Alles in allem werden die Reformen die EU mit einem Instrumentarium ausstatten, das eine ordnungsgemäße Beaufsichtigung des Finanzsystems und seiner Institute und Märkte gewährleistet. Stabilere und verantwortungsvollere Finanzmärkte sind eine Voraussetzung für Wachstum und die Schaffung von Rahmenbedingungen für florierende, innovative und expandierende Unternehmen. Dies wiederum stärkt die Zuversicht und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger.
Allerdings wächst die Kredittätigkeit außerhalb des regulären Bankensektors, im so gen. Schattenbankwesen, das bislang nicht im Zentrum des Interesses von Regulierung und Aufsicht stand. Schattenbanken haben im Finanzsystem wichtige Funktionen. So stellen sie beispielsweise eine zusätzliche Finanzierungsquelle dar und bieten den Anlegern Alternativen zu Bankeinlagen. Für die langfristige Finanzstabilität können sie allerdings auch mit Risiken verbunden sein.
Der Aufforderung der Staats- und Regierungschefs bei den G-20-Gipfeln in Seoul 2010 und Cannes 2011 entsprechend arbeitet der FSB derzeit Empfehlungen für die Beaufsichtigung und Regulierung dieses Bereichs aus.
Die Arbeiten des FSB haben ergeben, dass die ungeordnete Insolvenz einer Schattenbank sowohl direkt als auch indirekt über ihre Verknüpfung mit dem regulären Bankensystem mit Systemrisiken verbunden sein kann. Der FSB hat ebenfalls darauf hingewiesen, dass - solange derartige Geschäfte und Unternehmen einer geringeren Regulierung und Aufsicht unterliegen als der restliche Finanzsektor - eine verstärkte Bankenregulierung einen erheblichen Teil der Bankgeschäfte vom traditionellen Bankensystem in das Schattenbanksystem treiben könnte.
Vor diesem Hintergrund hält es die Kommission für vordringlich, die Fragen, die sich im Zusammenhang mit Schattenbanken und deren Tätigkeit stellen, im Einzelnen zu prüfen. Ziel ist es dabei, aktiv tätig zu werden und weiter zur weltweiten Debatte beizutragen, die Widerstandsfähigkeit des EU-Finanzsystems zu erhöhen und sicherzustellen, dass alle Finanztätigkeiten zu wirtschaftlichem Wachstum beitragen. Dieses Grünbuch soll deshalb einen Überblick über den derzeitigen Entwicklungsstand und die aktuellen Überlegungen zu diesem Thema geben und davon ausgehend eine breit angelegte Konsultation der Interessengruppen ermöglichen.
2. Internationaler Kontext
Bei ihrem Gipfel vom November 2010 in Seoul haben die Staats- und Regierungschefs der G-20 einige Punkte ermittelt, die noch nicht von der Finanzmarktregulierung abgedeckt sind und behandelt werden müssen. In diesem Zusammenhang wiesen sie insbesondere auf die Notwendigkeit der "Stärkung von Regulierung und Beaufsichtigung des Schattenbanksystems" hin und forderten, der FSB solle in Zusammenarbeit mit anderen internationalen Standardsetzungsgremien Empfehlungen für eine stärkere Kontrolle und Regulierung des "Schattenbanksystems" ausarbeiten.
Daraufhin legte der FSB am 27. Oktober 2011 einen Bericht über die Verstärkung und Regulierung des Schattenbanksektors vor.1
Ausgehend von diesem Bericht hat der FSB entsprechend der auf dem G-20-Gipfel vom November 2011 in Cannes ergangenen Aufforderung, seine Arbeiten weiter zu vertiefen, Arbeiten zu fünf Themenkomplexen angestoßen, bei denen diese Fragen eingehender analysiert und wirkungsvolle Politikempfehlungen ausgearbeitet werden sollen. Im Rahmen dieser Arbeiten wird
- i) der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (BCBS) sich mit der Frage befassen, wie die Wechselwirkungen zwischen Banken und Schattenbanken weitergehend reguliert werden sollten, und im Juli 2012 über seine Ergebnisse Bericht erstatten;
- ii) die Internationale Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO) an Vorschriften zur Abschwächung der Systemrisiken von Geldmarktfonds (MMF) (einschließlich der Gefahr von "Runs" und ähnlichen Erscheinungen) arbeiten und im Juli 2012 über ihre Ergebnisse Bericht erstatten;
- iii) die IOSCO mit Unterstützung des BCBS die bestehenden Verbriefungsbestimmungen bewerten und im Juli 2012 weitere Politikempfehlungen ausgeben;
- iv) eine Untergruppe des FSB die derzeitige Regulierung anderer Unternehmen des Schattenbanksektors2 untersuchen und im September 2012 über ihre Ergebnisse Bericht erstatten und
- v) sich eine andere Untergruppe des FSB mit Wertpapierleih- und Pensionsgeschäften befassen und im Dezember 2012 über ihre Ergebnisse Bericht erstatten. Diese Arbeiten werden die EU und andere große Länder wie die USA, China und Japan, die alle für sich genommen über zweckmäßige Regulierungsmaßnahmen nachdenken, zusammenbringen.
3. Was ist unter Schattenbankwesen zu verstehen?
Der im Oktober 2011 vorgelegte FSB-Bericht stellt den ersten Versuch zur umfassenden Behandlung dieses Themas auf internationaler Ebene dar. Der Schwerpunkt wird dabei gelegt auf
- i) die Festlegung von Grundsätzen für die Beaufsichtigung und Regulierung des Schattenbanksystems, ii) die Einleitung eines Prozesses zur Ermittlung und Bewertung der mit Schattenbankgeschäften verbundenen Systemrisiken und iii) die Ermittlung des Geltungsbereichs etwaiger Regulierungsmaßnahmen.
In diesem Bericht definiert der FSB das Schattenbanksystem als ein "System der Kreditvermittlung, an dem Unternehmen und Tätigkeiten außerhalb des regulären Bankensystems beteiligt sind." Dieser Definition zufolge stützt sich das Schattenbanksystem auf zwei miteinander zusammenhängende Säulen.
Erstens auf Unternehmen, die außerhalb des regulären Bankensystems operieren und eine der folgenden Tätigkeiten ausüben:
- - Entgegennahme von Geldern mit einlageähnlichen Merkmalen,
- - Durchführung von Fristen- und/oder Liquiditätstransformation,
- - Kreditrisikotransfer und
- - Einsatz direkter oder indirekter finanzieller Hebeleffekte.
Zweitens auf Tätigkeiten, die für Nichtbanken bedeutende Finanzierungsquellen darstellen könnten. Hierzu zählen Verbriefungen, Wertpapierleih- und Pensionsgeschäfte ("Repos").
Vor diesem Hintergrund konzentriert die Kommission ihre Analyse im jetzigen Stadium auf folgende mögliche Schattenbankunternehmen und -tätigkeiten. Diese Aufstellung ist nicht als vollständig zu betrachten, denn Unternehmen und Tätigkeiten können sich überaus rasch weiterentwickeln.
Mögliche Unternehmen und Tätigkeiten des Schattenbanksektors, auf die die Kommission ihre derzeitige Analyse konzentriert
Unternehmen:
- - Zweckgesellschaften, die Liquiditäts- und/oder Fristentransformationen durchführen; beispielsweise Verbriefungsgesellschaften wie ABCP Conduits, Special Investment Vehicles (SIV) und andere Zweckgesellschaften(SPV);
- - Geldmarktfonds (Money Market Funds, MMF) und andere Arten von Investmentfonds oder -produkten mit einlageähnlichen Charakteristika, die diese Fonds und Produkte für "Runs" (d.h. den massiven Abzug von Anlagen) anfällig machen.
- - Investmentfonds, die Kredite zur Verfügung stellen oder mit Fremdmitteln arbeiten, einschließlich börsengehandelter Fonds (Exchange Traded Funds, ETF);
- - Finanzierungsgesellschaften und Wertpapierhäuser, die Kredite oder Kreditgarantien bereitstellen oder Liquiditäts- und/oder Fristentransformationen durchführen, ohne dabei der gleichen Regulierung zu unterliegen wie eine Bank, und - Versicherer und Rückversicherer, die Kreditprodukte ausgeben oder garantieren. Tätigkeiten:
- - Verbriefung und - Wertpapierleih- und Repogeschäfte.
Für 2010 hat der FSB das Volumen des globalen Schattenbanksystems grob auf etwa 46 Billionen EUR geschätzt, während es 2002 noch 21 Billionen EUR betragen hatte. Dies entspricht 25-30 % des gesamten Finanzsystems und der Hälfte aller Bankaktiva. In den Vereinigten Staaten ist dieser Anteil sogar noch höher und liegt schätzungsweise zwischen 35 % und 40%. Den Schätzungen des FSB zufolge ist der prozentuale Anteil der Vermögenswerte von Finanzintermediären mit Sitz in Europa, bei denen es sich nicht um Banken handelt, am weltweiten Volumen des Schattenbanksystems zwischen 2005 und 2010 stark gestiegen, während der Anteil der in den USA belegenen Vermögenswerte abgenommen hat. Insgesamt gesehen hat sich der Anteil der in europäischen Rechtsräumen gehaltenen Vermögenswerte bei Intermediären im VK von 10 % auf 13 %, bei Intermediären in den NL von 6 % auf 8 %, bei Intermediären in DE von 4 % auf 5 % und bei Intermediären in ES von 2 % auf 3 % erhöht. Bei den Intermediären in FR und IT ist der Anteil an den von Schattenbanken weltweit gehaltenen Vermögenswerten mit 6 % bzw. 2 % unverändert.
Fragen:
- a) Sind Sie mit der vorgeschlagenen Definition des Schattenbankwesens einverstanden?
- b) Sind Sie mit der vorläufigen Liste der Unternehmen und Tätigkeiten einverstanden? Sollten mehr Unternehmen und/oder Tätigkeiten in die Überlegungen einbezogen werden? Wenn ja, welche?
4. mit Welchen Risiken Vorteilen SIND Schattenbankgeschäfte verbunden?
Schattenbankgeschäfte können eine nützliche Rolle im Finanzsystem spielen, da sie
- i) den Anlegern Alternativen zu Bankeinlagen bieten,
- ii) aufgrund ihrer verstärkten Spezialisierung Mittel und Mittelbedarf wirkungsvoller zusammenführen,
- iii) für die Realwirtschaft eine alternative Finanzierungsquelle darstellen, was vor allem bei einer vorübergehenden Störung des traditionellen Bankenwesen oder der traditionellen Vermarktungskanäle von Nutzen ist, und
- iv) eine Möglichkeit zur Risikodiversifizierung außerhalb des Bankensystems bieten.
Schattenbanken und ihre Tätigkeiten können allerdings auch eine Reihe von Risiken bergen. Einige dieser Risiken können systemrelevant sein, was insbesondere auf die Komplexität der Unternehmen und Tätigkeiten des Schattenbanksektors, ihre Aktivitäten in verschiedenen Rechtsräumen und die grundsätzliche Mobilität von Wertpapieren und Geldmärkten sowie die Verknüpfung der Schattenbanken und ihrer Tätigkeiten mit dem regulären Bankensystem zurückzuführen ist.
Diese Risiken lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- i) Bei einlagenähnlichen Finanzierungsstrukturen kann es zu einem massiven Mittelabzug ("Run") kommen:
Die Tätigkeiten von Schattenbanken sind ähnlichen finanziellen Risiken ausgesetzt wie Banken, ohne dabei aber vergleichbaren, durch Bankenregulierung und -aufsicht bedingten Zwängen zu unterliegen. So werden bestimmte Schattenbanktätigkeiten beispielsweise durch kurzfristig aufgenommene Mittel finanziert, wobei das Risiko eines plötzlichen und massiven Mittelabzugs durch die Kunden besteht.
- ii) Akkumulierung eines hohen versteckten Fremdmittelanteils:
Ein hoher Fremdmittelanteil kann die Anfälligkeit des Finanzsektors erhöhen und Systemrisiken verursachen. Die Tätigkeiten von Schattenbanken können in hohem Maße fremdfinanziert sein, wobei Sicherheiten mehrfach umgewälzt werden, ohne den von Regulierung und Aufsicht verhängten Limits zu unterliegen.
- iii) Umgehung von Vorschriften und Regulierungsarbitrage:
Schattenbankgeschäfte können dazu genutzt werden, die Regulierung oder Aufsicht, denen reguläre Banken unterliegen, zu umgehen, indem der traditionelle Kreditvermittlungsprozess in rechtlich voneinander unabhängige, miteinander in Beziehung stehende rechtliche Strukturen aufgebrochen wird. Da Banken und andere Finanzintermediäre versuchen, Schattenbanken nachzuahmen oder bestimmte Geschäfte in Unternehmen außerhalb ihres Konsolidierungskreises zu drängen, birgt diese "regulatorische Fragmentierung" für das Finanzsystem insgesamt das Risiko einer regulatorischen "Abwärtsspirale". So haben beispielsweise Geschäfte, mit denen Eigenkapital- und Rechnungslegungsvorschriften umgangen und Risiken außerhalb des Einflussbereichs der Bankenaufsicht transferiert wurden, wesentlich zur Entstehung der Krise von 2007/2008 beigetragen.
- iv) Ungeordnete Insolvenzen mit Auswirkungen auf das Bankensystem:
Die Tätigkeiten von Schattenbanken sind oftmals eng mit dem regulären Bankensektor verknüpft. Jede Insolvenz kann erhebliche Ansteckungs- und Spillover-Effekte nach sich ziehen. In Krisensituationen oder bei äußerst unsicheren Rahmenbedingungen können die von Schattenbanken eingegangenen Risiken leicht auf den Bankensektor übertragen werden. Hierfür kommen mehrere Kanäle in Frage:
- a) direkte Kreditaufnahme beim Bankensystem und Eventualverbindlichkeiten aus dem Bankengeschäft (Bonitätsverbesserungen und Liquiditätslinien) und
- b) massive Aktivaverkäufe mit Auswirkungen auf die Preise von Finanz- und Sachaktiva.
Fragen:
- c) Teilen Sie die Auffassung, dass sich Schattenbankgeschäfte positiv auf das Finanzsystem auswirken können? Haben diese Tätigkeiten weitere Vorteile, die erhalten und künftig gefördert werden sollten?
- d) Halten Sie die Beschreibung der Kanäle, über die Schattenbankgeschäfte neue Risiken verursachen oder diese auf andere Teile des Finanzsystems übertragen, für richtig?
- e) Sollten darüber hinaus noch andere Kanäle in Betracht gezogen werden, über die Schattenbankgeschäfte neue Risiken verursachen oder diese auf andere Teile des Finanzsystems übertragen?
5. Wo liegen die Herausforderungen für Aufsichts- und Regulierungsbehörden?
Angesichts der oben dargelegten potenziellen Risiken müssen Aufsichts- und Regulierungsbehörden dringend über den bestmöglichen Umgang mit Schattenbanken und deren Tätigkeiten nachdenken. Doch wird sie diese Aufgabe vor verschiedene Herausforderungen stellen.
Erstens müssen die betreffenden Behörden die einzelnen Unternehmen und ihre Tätigkeiten ermitteln und überwachen. In der EU verfügen die meisten nationalen Behörden über einschlägige Erfahrungen und auch die Europäische Zentralbank (EZB), die Europäische Bankaufsichtsbehörde (EBA), die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) und der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) haben mit dem Aufbau von Fachwissen im Bereich Schattenbankwesen begonnen. Doch besteht immer noch die dringende Notwendigkeit, die bestehenden Datenlücken bei der Verknüpfung zwischen Banken und Finanzinstituten ohne Bankenzulassung auf globaler Ebene zu schließen. Für die EU könnte es sich deshalb als notwendig erweisen, ständige Verfahren für die Sammlung und den Austausch von Informationen über Ermittlung und Aufsichtspraktiken zwischen allen EU-Aufsichtsbehörden, der Kommission, der EZB und anderen Zentralbanken sicherzustellen. Die Weitergabe von Informationen und die zügige Aufdeckung von Problemen wird eine enge Koordinierung erfordern. Auch könnten neue spezielle Befugnisse für die nationalen Aufsichtsbehörden erforderlich sein.
Zweitens müssen die Behörden festlegen, nach welchem Konzept sie bei der Beaufsichtigung von Schattenbanken verfahren wollen. Diese sollte nach Auffassung der Kommission
- i) auf angemessener Ebene, d.h. auf nationaler und/oder europäischer Ebene erfolgen,
- ii) verhältnismäßig sein,
- iii) den im Bereich der Aufsicht vorhandenen Kapazitäten und Fachkenntnissen Rechnung tragen und
- iv) in den Makroaufsichtsrahmen integriert sein.
In letztgenanntem Punkt müssen die Behörden in der Lage sein, die versteckten Kanäle der Kreditvermittlung nachzuvollziehen, deren Systemrelevanz angemessen zu bewerten, die Auswirkungen neuer Produkte oder Tätigkeiten auf die Makroaufsicht zu überprüfen und die Verknüpfung des Schattenbankwesens mit dem Rest des Finanzsektors zu erfassen.
Drittens muss die Regulierung angesichts der Tatsache, dass bestimmte Aspekte des Schattenbankwesens eine Ausweitung von Geltungsbereich und Art der Aufsichtsvorschriften erfordern könnten, angemessen reagieren. In dem bereits genannten FSB-Bericht wurden einige allgemeine Grundsätze vorgeschlagen, die die Regulierungsbehörden bei der Ausarbeitung und Umsetzung der Regulierungsmaßnahmen für das Schattenbankwesen einhalten sollten. Diesem Bericht zufolge sollten solche Maßnahmen gezielt, verhältnismäßig, zukunftsgerichtet, anpassungsfähig und wirkungsvoll sein und Bewertungen und Prüfungen unterliegen. Diesen übergeordneten Grundsätzen sollten die Behörden nach Auffassung der Kommission Rechnung tragen. Die Kommission ist ferner der Auffassung, dass jede Art von Unternehmen und/oder Tätigkeit eine spezielle Verfahrensweise erfordert.
Zu diesem Zweck muss die richtige Mischung aus drei möglichen, komplementären Instrumenten gefunden werden, nämlich
- i) der indirekten Regulierung (Regulierung der Verbindungen zwischen dem Bankensystem und Schattenbanken),
- ii) der angemessenen Ausweitung oder Überarbeitung der bestehenden Rechtsvorschriften und
- iii) dem Erlass neuer, speziell für Schattenbanken und deren Tätigkeiten bestimmter Rechtsvorschriften.
In diesem Zusammenhang sind auch alternative oder ergänzende, nicht in den Bereich der Regulierung fallende Maßnahmen in Betracht zu ziehen.
Fragen:
- f) Halten auch Sie eine strengere Überwachung und Regulierung von Unternehmen und Tätigkeiten des Schattenbanksektors für notwendig?
- g) Schließen Sie sich den Vorschlägen zur Ermittlung und Überwachung der betreffenden Unternehmen und ihrer Tätigkeiten an? Sind Sie der Auffassung, dass die EU ständige Verfahren für die Sammlung und den Austausch von Informationen über Ermittlung und Aufsichtspraktiken zwischen allen EU-Aufsichtsbehörden, der Kommission, der EZB und anderen Zentralbanken benötigt?
- h) Schließen Sie sich den oben dargelegten allgemeinen Grundsätzen für die Beaufsichtigung von Schattenbanken an?
- i) Schließen Sie sich den oben dargelegten allgemeinen Grundsätzen für Maßnahmen der Regulierungsbehörden an?
- j) Welche Maßnahmen könnten in Betracht gezogen werden, um eine international einheitliche Behandlung des Schattenbankwesens zu gewährleisten und globale Regulierungsarbitrage zu verhindern?
6. WIE IST das Schattenbankwesen in der EU reguliert?
In der EU wird derzeit nach allen der drei möglichen, im vorangegangenen Abschnitt skizzierten und nachstehend zusammengefassten Regulierungsansätzen verfahren. Eine Reihe von Legislativvorschlägen mit Auswirkungen auf Schattenbanken und ihre Tätigkeiten sind bereits beschlossen oder werden derzeit im Europäischen Parlament und im Rat beraten. Darüber hinaus verfügen einige Mitgliedstaaten über zusätzliche nationale Bestimmungen für die Beaufsichtigung von Finanzunternehmen und -tätigkeiten, die auf EU-Ebene nicht reguliert sind.
6.1. Indirekte Regulierung von Schattenbanktätigkeiten durch das Banken- und Versicherungsrecht
Die EU hat wichtige Schritte unternommen, um die durch Verbriefungsstrukturen aufgeworfenen Probleme des Schattenbankwesens indirekt in Angriff zu nehmen und Banken an der Umgehung der bestehenden Eigenkapital- und anderer Rechtsvorschriften zu hindern:
- - Mit der Überarbeitung der EU-Eigenkapitalrichtlinie für Banken im Jahr 2009 (der so genannten Eigenkapitalrichtlinie oder "CRD II" )3, die die Mitgliedstaaten bis Oktober 2010 in einzelstaatliches Recht umzusetzen hatten, wurden sowohl die Originatoren als auch die Sponsoren verbriefter Forderungen dazu verpflichtet, einen erheblichen Teil ihrer gezeichneten Risiken zurückzubehalten. Auch die Behandlung von Liquiditätslinien und Kreditengagements gegenüber Verbriefungszweckgesellschaften wurde durch die Richtlinie verschärft. Den früheren Vorschriften zufolge mussten die Banken für die entsprechenden Risiken kein Eigenkapital vorhalten.
- - Mit den bei der nachfolgenden Überarbeitung der Richtlinie im Jahr 2010 ("CRD III" )4 vorgenommenen Änderungen wurden die Eigenkapitalanforderungen den vom BCBS im Juli 2009 vorgelegten Empfehlungen entsprechend weiter verschärft. Seit Dezember 2011 unterliegen die Banken nun zusätzlichen Angabepflichten und müssen bei Anlagen in komplexe Wiederverbriefungen erheblich mehr Eigenkapital zur Deckung ihrer Risiken vorhalten. Darüber hinaus verpflichtet die Richtlinie die zuständigen Behörden aller Mitgliedstaaten, bei der Risikobewertung für einzelne Banken im Rahmen der Säule 2 der Basler Eigenkapitalvereinbarung den aus komplexen Verbriefungsstrukturen oder -produkten erwachsenden Reputationsrisiken Rechnung zu tragen.5
- - In ihrem Vorschlag für die jüngste Überarbeitung der Richtlinie ("CRD IV" )6 hat die Kommission vorgeschlagen, ab 2015 ausdrückliche Liquiditätsanforderungen einzuführen, die auch Liquiditätsfazilitäten für Zweckgesellschaften und für alle anderen für die Reputationsrisiken einer Bank relevanten Produkte oder Dienstleistungen umfassen sollen.
- - Im November 2011 übernahm die Kommission eine Änderung am International Financial Reporting Standard (IFRS) 7, mit der die Angabepflichten bei der Übertragung finanzieller Vermögenswerte verbessert wurden.7 Auch die neuen Standards zur Konsolidierung (in IFRS 10, 11 und 12) werden derzeit von der Kommission analysiert. Diese zielen darauf ab, die Konsolidierung von Verbriefungsgesellschaften und die Angabepflichten in Bezug auf nichtkonsolidierte Beteiligungen an "strukturierten Einheiten" wie Verbriefungsvehikeln oder mit Vermögenswerten unterlegten Finanzierungen zu verbessern.
Für den Versicherungssektor plant die Kommission, Originatoren und Sponsoren von Verbriefungsprodukten im Rahmen der Vorschriften zur Umsetzung der Solvabilität II-Richtlinie8 (Solvabilität II) für Versicherungs- und Rückversicherungsgesellschaften, die in solche Produkte investieren, dazu zu verpflichten, in ähnlichem Umfang Risiken zurückzubehalten wie es das Bankenrecht für Banken vorschreibt.
6.2. Ausweitung des Geltungsbereichs der bestehenden Aufsichtsvorschriften auf Schattenbanktätigkeiten
Auch der Geltungsbereich bestehender Vorschriften wurde ausgeweitet, um ein breiteres Spektrum von Unternehmen und Tätigkeiten abzudecken, der Angst vor Systemrisiken zu begegnen und Regulierungsarbitrage künftig zu erschweren.
So wurde bei Wertpapierfirmen verfahren, für die die in der Finanzmarktrichtlinie (Markets in Financial Instruments Directive, MiFID)9 festgelegte Regelung gilt. Bei der Überarbeitung des durch diese Richtlinie geschaffenen Rahmens hat die Kommission am 20. Oktober 2011 eine neugefasste Richtlinie und eine Verordnung vorgeschlagen, um den Geltungsbereich zu erweitern (und beispielsweise alle Hochfrequenzhändler und eine größere Zahl von Wertpapierfirmen, die auf Terminhandel spezialisiert sind, zu erfassen), die Transparenz von Nicht-Dividendenwerten zu erhöhen - so dass die aus Schattenbankgeschäften erwachsenden Risiken besser zu erkennen sind - und die zuständigen nationalen Behörden und die ESMA mit verstärkten, proaktiveren Interventionsbefugnissen auszustatten, die sie in die Lage versetzen, die Risiken von Schattenbankgeschäften zu steuern und einzudämmen. Die MiFID schreibt für die in ihren Geltungsbereich gebrachten Firmen zwar keine direkten Eigenkapitalanforderungen vor, enthält aber Querverweise auf die Eigenkapitalrichtlinie, durch die Unternehmen, die Schattenbanktätigkeiten ausüben, bankenähnlichen Aufsichtsvorschriften unterworfen werden.
6.3. Direkte Regulierung bestimmter Schattenbanktätigkeiten
Auch hat die EU bereits Maßnahmen zur direkten Regulierung von Schattenbanken und deren Tätigkeiten ergriffen.
Im Bereich Investmentfonds werden einige Aspekte des Schattenbankwesens bereits in der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (Alternative Investment Fund Managers Directive, AIFMD)10 behandelt, sofern die betreffenden Fonds als alternative Investmentfonds im Sinne dieser Richtlinie eingestuft werden. Die Richtlinie verpflichtet Vermögensverwalter, Liquiditätsrisiken zu überwachen und ein Liquiditätsmanagementsystem einzurichten. Darüber hinaus werden neue Methoden zur Berechnung des Fremdkapitalanteils und Berichtspflichten den zuständigen Behörden künftig die Überwachung von Geschäften wie Pensions- oder Wertpapierleihgeschäften erleichtern.
MMF und ETF werden unter Umständen schon von der bestehenden Richtlinie über Organismen für gemeinsame Anlagen (OGAW)11 abgedeckt. Darüber hinaus hat die ESMA Leitlinien ausgearbeitet, die am 1. Juli 2011 in Kraft getreten sind.12 Den genannten Fonds wird darin empfohlen, die zulässigen Anlagen einzuschränken, die gewichtete durchschnittliche Zinsbindungsdauer zu limitieren und den Nettoinventarwert täglich zu berechnen.
Ratingagenturen (Credit Rating Agencies, CRA) setzen keine Fremdmittel ein und führen keine direkten Fristentransformationen durch. Dennoch spielen sie aufgrund der Tatsache, dass sie die Bonität von Produkten und Unternehmen bewerten, in der Kreditvermittlungskette eine wichtige Rolle. In der EU unterliegen Ratingagenturen einer strengen Regulierung und Aufsicht durch die ESMA.13 Darüber hinaus hat die Kommission noch weitere Legislativmaßnahmen zur Verbesserung des Ratingprozesses vorgeschlagen.14
Im Bereich Versicherungsrecht werden mit der Richtlinie Solvabilität II auch eine Reihe von Schattenbankaspekten behandelt, denn sie schafft eine umfassende, auf einen risikoorientierten, wirtschaftlichen Ansatz gestützte Regelung, die durch hohe Anforderungen an das Risikomanagement, die u.a. für Anlagen das Vorsichtsprinzip vorschreiben, flankiert wird. Insbesondere decken ihre Eigenkapitalanforderungen ausdrücklich auch Kreditrisiken ab, sieht sie einen Gesamtbilanzansatz vor, bei dem alle Unternehmen und Forderungen der Gruppenaufsicht unterworfen werden, und ist in Bezug auf Kreditrisiken ebenso streng wie die CRD IV. Solvabilität II schreibt ferner vor, dass die Mitgliedstaaten die Errichtung einer Versicherungszweckgesellschaft genehmigen müssen. Die detaillierten Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie, über die derzeit beraten wird, werden in Bezug auf Versicherungszweckgesellschaften Zulassungspflichten sowie laufende Anforderungen an Solvenz, Governance und Berichtswesen enthalten.
Fragen:
- k) Was denken Sie über die Maßnahmen, die auf EU-Ebene bereits in Bezug auf Schattenbanken und ihre Tätigkeiten getroffen wurden?
7. Offene Fragen
Auch wenn die oben dargelegten Formen der Regulierung (direkt, indirekt und durch Ausweitung bestehender Rechtsvorschriften) Schattenbanken und ihre Tätigkeiten schon ein gutes Stück mitregulieren, sind angesichts der ständigen Weiterentwicklung des Schattenbanksystems und der Kenntnisse darüber weitere Fortschritte erforderlich.
In Koordinierung mit dem FSB, den Standardsetzungsgremien und den einschlägigen EU-Aufsichts- und -Regulierungsbehörden zielen die derzeitigen Arbeiten der Kommission darauf ab, die bestehenden Maßnahmen sorgfältig zu überprüfen und eine angemessene Vorgehensweise vorzuschlagen, die in Verbindung mit einem angemessenen Regulierungsrahmen eine umfassende Beaufsichtigung des Schattenbankwesens gewährleistet.
In diesem Zusammenhang gib es fünf Bereiche, in denen die Kommission Optionen und weitere Schritte prüft.
7.1. Bankenregulierung
In diesem Bereich werden mehrere Aspekte untersucht, wobei das übergeordnete Ziel darin besteht,
- - jeden zweifelhaften Risikotransfer auf Schattenbankunternehmen zu Aufsichtszwecken zu erfassen;
- - zu überprüfen, wie die Kanäle für die Übertragung von Risiken ermittelt, übermäßige Engagements gegenüber Schattenbankunternehmen begrenzt und die Angabepflichten der Banken hinsichtlich ihrer Engagements solchen Unternehmen gegenüber gestärkt werden können, und
- - sicherzustellen, dass die Bankenregulierung alle relevanten Tätigkeiten abdeckt.
Insbesondere die Konsolidierungsvorschriften für Unternehmen des Schattenbanksektors werden überprüft, um sicherzustellen, dass von Banken getragene Unternehmen zu Aufsichtszwecken angemessen konsolidiert werden und damit in vollem Umfang dem gesamten Basel III-Rahmen unterliegen. Auch die Unterschiede zwischen einer Konsolidierung nach dem maßgeblichen Regelwerk der Rechnungslegung und einer aufsichtlichen Konsolidierung sowie die Unterschiede zwischen den Rechtsräumen sollten untersucht werden. In dieser Hinsicht lohnt sich eine Bewertung der Auswirkungen des neuen IFRS zur Konsolidierung insbesondere auf Unternehmen des Schattenbanksektors.
In Bezug auf das Risiko, das Unternehmen des Schattenbanksektors für die Banken darstellen, muss mehreren Aspekten gründlicher nachgegangen werden:
- i) ob die im derzeitigen Bankenrecht vorgesehene Regelung für Großkredite stringent genug ist, um alle Ausleihungen von Schattenbanken sowohl einzeln als auch insgesamt gesehen angemessen zu erfassen;
- ii) wie Fremdmittelanteile bei Unternehmen des Schattenbanksektors, wie Investmentfonds, wirksam bilanziert werden können, sowie insbesondere, ob die derzeit von einigen Banken praktizierte Transparenzmethode ("Look-Through Approach") ausgeweitet werden sollte;
- iii) ob die in der CRD II für Verbriefungsvehikel vorgesehene Behandlung von Liquiditätslinien und Kreditengagements auf alle anderen Unternehmen des Schattenbanksektors ausgeweitet werden sollte, und iv) sollte die auf nationaler Ebene praktizierte aufsichtsrechtliche Behandlung von impliziter Kreditunterstützung überprüft werden.
Das aktuelle EU-Bankenrecht gilt lediglich für Institute, die Einlagen entgegennehmen und Kredite ausreichen. Eine Ausweitung des Kreises der unter die derzeitigen Rechtsvorschriften fallenden Finanzinstitute und Tätigkeiten könnte deshalb in Betracht gezogen werden. Die Kommission prüft derzeit die potenziellen Vorteile einer Ausweitung des Geltungsbereichs bestimmter CRD IV-Bestimmungen auf Finanzunternehmen, die keine Einlagen entgegennehmen und nicht unter die Begriffsbestimmung der Eigenkapitalverordnung (Capital Requirements Regulation, CRR)15 fallen. Dies würde auch für Kreditgeber künftig die Möglichkeiten zur Regulierungsarbitrage einschränken.
7.2. Regulierung der Vermögensverwaltung
Im Zusammenhang mit dem Schattenbankwesen unterzieht die Kommission die Entwicklung des ETF- und MMF-Markts derzeit einer sorgfältigen Prüfung.
In Bezug auf ETF hat der FSB festgestellt, dass zwischen der Liquidität, die den ETF-Anlegern geboten wird, und weniger liquiden Basiswerten Inkongruenzen bestehen könnten. Im Mittelpunkt der derzeitigen Regulierungsdebatte stehen mögliche Störungen der Liquiditätsversorgung, die Qualität der bei Wertpapierleih- und Derivat-(Swap-)geschäften zwischen ETF-Anbietern und ihren Gegenparteien gestellten Sicherheiten sowie Interessenkonflikte in Fällen, in denen die Parteien solcher Geschäfte der gleichen Unternehmensgruppe angehören. Einige dieser Fragen sind nicht auf ETF beschränkt, sondern stellen sich immer dann, wenn die Wertpapiere eines Investmentfonds an eine andere Partei ausgeliehen werden oder ein Fonds mit einer Gegenpartei ein Derivatgeschäft (z.B. einen Total Return Swap) schließt.
Zusätzlich dazu führt die ESMA derzeit eine Überprüfung der OGAW-Rahmenregelung durch, bei der sie sich insbesondere mit deren möglicher Ausweitung auf ETF befasst, und will im Laufe dieses Jahres neue Leitlinien für diesen Bereich festlegen. Diese Leitlinien werden Empfehlungen für die Bezeichnung von ETF, die Anlegerinformationen und den Einsatz von Sicherheiten enthalten.
Für MMF wurde in erster Linie das Risiko möglicher Runs ermittelt (d.h. das Risiko, dass die Anleger gleichzeitig massiv ihre Anlagen abziehen). Anstürme dieser Art könnten die Finanzstabilität schwer beeinträchtigen. Als Gründe für einen möglichen Ansturm hat der FSB hauptsächlich die aus dem Portfolio eines MMF resultierenden Kredit- und Liquiditätsrisiken sowie die Methode zur Bewertung der Vermögenswerte solcher Fonds ermittelt. So erhöhen sich die Risiken von "Runs", wenn MMF selbst bei einer Schwankung des Marktwerts der zugrundeliegenden Aktiva ihre Vermögenswerte zu fortgeführten Anschaffungskosten bewerten, um ihren Nettoinventarwert (NAV) stabil zu halten, wie bei Geldmarktfonds mit konstantem NAV der Fall. Wenn der Markt unter Druck gerät, haben die Anleger ein Interesse daran, als erste Gelder aus diesen Fonds abzuziehen, bevor der NAV gezwungenermaßen fällt.
7.3. Wertpapierleih- und Pensionsgeschäfte
Einen weiteren zentralen Punkt stellen Wertpapierleih- und Pensionsgeschäfte dar, da diese rasch zur Verstärkung von Hebeleffekten eingesetzt werden können und für einige Unternehmen des Schattenbanksektors eine wichtige Finanzierungsquelle darstellen. Kommission und FSB überprüfen im Rahmen ihrer derzeitigen Tätigkeiten die gängigen Praktiken, ermitteln Lücken in den bestehenden Rechtsvorschriften und suchen nach Inkohärenzen zwischen verschiedenen Rechtsräumen.
Speziell könnten sie sich u.a. mit folgenden Themen befassen: umsichtige Sicherheitenverwaltung; Praktiken bei der Reinvestition der für besicherte Wertpapiere erhaltenen Barmittel, Wiederverwendung von Sicherheiten (Weiterverpfändung), Wege zur Erhöhung der Transparenz sowohl an den Märkten als auch für die Aufsichtsbehörden und Rolle der Marktinfrastruktur. Den aus Wertpapierleihgeschäften, Sicherheitenverwaltung und Pensionsgeschäften resultierenden Hebeleffekten sollte nach Auffassung der Kommission besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden, um zu gewährleisten, dass die Aufsichtsbehörden über präzise Informationen verfügen, um diese Hebeleffekte zu bewerten, und Instrumente zur Hand haben, um sie zu steuern und ihre zu starken prozyklischen Wirkungen zu verhindern. Auch das Insolvenzrecht und seine Auswirkungen auf Sicherheiten sollten überprüft werden, um international u.a. bei den Rechnungslegungspraktiken für solche Transaktionen für größere Kohärenz zu sorgen.
7.4. Verbriefung
Es sollte auf jeden Fall auch geprüft werden, ob die oben bereits dargelegten, für den Bereich Verbriefung getroffenen Maßnahmen die Probleme des Schattenbankwesens wirksam in Angriff genommen haben.
Darüber hinaus prüft die Kommission derzeit, wie in anderen Bereichen ähnliche Maßnahmen getroffen werden können. Die wichtigsten Themen sind Transparenz-, Standardisierungs-, Selbstbehalt- und Rechnungslegungsanforderungen. Die Kommissionsdienststellen und die US-Wertpapieraufsichtsbehörde SEC haben deshalb damit begonnen, die Verbriefungsvorschriften der EU und der USA, die beide sicherere und solidere Verbriefungspraktiken anstreben, miteinander zu vergleichen. Auch innerhalb der IOSCO wurden in Abstimmung mit dem BCBS gemeinsame Arbeiten eingeleitet, die dem FSB dabei helfen sollen, bis Juli 2012 Politikempfehlungen auszuarbeiten, die darauf abzielen, dass alle Rechtsräume vergleichbare und kompatible Rahmenregelungen festlegen.
7.5. Andere Unternehmen des Schattenbanksektors16
Zusätzlich dazu befassen sich FSB und EU derzeit mit anderen Unternehmen des Schattenbanksektors, um
- i) die Unternehmen aufzulisten, die einbezogen werden könnten,
- ii) die bestehenden Regulierungs- und Aufsichtsregelungen zu erfassen,
- iii) die Lücken in diesen Regelungen zu ermitteln und
- iv) für diese Unternehmen erforderlichenfalls zusätzliche Aufsichtsmaßnahmen vorzuschlagen.
Auch die Datenerhebung muss ein Thema sein, da einige nationale Aufsichtsbehörden möglicherweise nicht über die notwendigen Befugnisse verfügen, um für alle Unternehmen des Schattenbanksektors Daten zu sammeln. Zur Einschätzung der Lage werden die Kommission und die europäischen Aufsichtsbehörden die nationalen Aufsichtsbehörden konsultieren. Je nach Ergebnis könnte sich eine Legislativinitiative auf EU-Ebene als notwendig erweisen. Den Arbeiten des FSB zum Thema Datenlücken zufolge könnte es auch nützlich sein, die Aufsichtsbehörden zum weltweiten Erheben und Austauschen von Daten zu befugen. In diesem Zusammenhang wäre die Schaffung einer globalen Unternehmenskennung (Legal Entity Identifier, LEI)17 sinnvoll.
Wie in ihrem Grünbuch vom 20. Oktober 1018 angekündigt, wird sich die Kommission auch weiter mit der Frage der Abwicklung von Finanzinstituten befassen. Dabei wird sie untersuchen, welche Art von Risiken die verschiedenen Nicht-Banken für die Stabilität des Finanzsystems darstellen und die etwaige Notwendigkeit angemessener Abwicklungsregelungen prüfen. In diese Überlegungen einbezogen werden auch eine Reihe der in diesem Grünbuch genannten Schattenbankunternehmen.
Auch sollte nach Ansicht der Kommission im Rahmen weiterer Analysen überprüft werden, ob die neue Solvabilität II-Rahmenregelung alle Fragen im Zusammenhang mit Versicherungs- und Rückversicherungsgesellschaften, die schattenbankähnliche Tätigkeiten ausüben, in vollem Umfang abdecken wird.
Fragen:
- l) Schließen Sie sich bei den Aspekten in den fünf Schlüsselbereichen, in denen die Kommission weitere Optionen prüft, der Einschätzung der Lage an?
- m) Gibt es weitere Aspekte, die einbezogen werden sollten? Wenn ja, welche?
- n) Welche Änderungen müssten gegebenenfalls am derzeitigen EU-Regulierungsrahmen vorgenommen werden, um die oben skizzierten Risiken und Aspekte angemessen zu behandeln?
- o) Welche anderen Maßnahmen, wie verstärkte Überwachung oder nicht zwingende Maßnahmen, sollten in Betracht gezogen werden?
8. Welche Schritte Plant die EU als nächstes?
Ausgehend von den Ergebnissen dieser Konsultation und der Arbeiten von ESRB, EBA, ESMA und EIOPA wird die Kommission in Bezug auf die in diesem Grünbuch dargelegten Punkte über angemessene Folgemaßnahmen entscheiden, zu denen gegebenenfalls auch Legislativmaßnahmen zählen. Die Kommission wird sich auch weiterhin an den laufenden internationalen Arbeiten beteiligen, um u.a. zu gewährleisten, dass etwaige Befürchtungen hinsichtlich einer Wettbewerbsverzerrung ausgeräumt werden. Jede Regulierungsmaßnahme wird von einer sorgfältigen Folgenabschätzung begleitet und darüber hinaus den Ergebnissen der unlängst von der Kommission eingesetzten hochrangigen Expertengruppe zu Strukturreformen im Bankensektor19 Rechnung tragen. Nachdem diese Gruppe ihren Bericht veröffentlicht hat, wird die Kommission die etwaige Notwendigkeit zusätzlicher, gezielter Konsultationen zu ausgewählten Fragen prüfen.
Die Kommission fordert die Interessengruppen auf, zu allen in diesem Grünbuch angesprochenen Themen Stellung zu nehmen und insbesondere die oben genannten Fragen zu beantworten. Zusätzlich dazu veranstaltet die Kommission am 27. April 2012 in Brüssel eine Konferenz zum Thema Schattenbankwesen20, zu der alle Interessengruppen eingeladen sind.
Die Kommission wird die eingehenden Antworten auf ihre Internetseiten stellen, sofern nicht um vertrauliche Behandlung gebeten wurde, und eine Zusammenfassung der Konsultationsergebnisse veröffentlichen.
Die Stellungnahmen können bis zum 1. Juni 2012 per E-Mail an folgende Adresse gerichtet werden: marktconsultationshadowbanking@ec.europa.eu
- 1. Abrufbar unter: http://www.financialstabilityboard.org/publications/r 1 1 1027a.pdf .
- 2. Diese umfassen alle im nachstehenden Kasten genannten Unternehmen außer MMF.
- 3. Richtlinie 2009/111/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG, 2006/49/EG und 2007/64/EG hinsichtlich Zentralorganisationen zugeordneter Banken, bestimmter Eigenmittelbestandteile, Großkredite, Aufsichtsregelungen und Krisenmanagement (ABl. L 302 vom 17.11.2009, S. 97).
- 4. Richtlinie 2010/76/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Änderung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG im Hinblick auf die Eigenkapitalanforderungen für Handelsbuch und Wiederverbriefungen und im Hinblick auf die aufsichtliche Überprüfung der Vergütungspolitik (ABl. L 329 vom 14.12.2010, S. 3).
- 5. Siehe Anhang V Nummer 8 der Richtlinie 2006/48/EG in der durch die Richtlinie 2009/111/EG geänderten Fassung.
- 6. Siehe http://ec.europa.eu/internal market/bank/regcapital/index de.htm .
- 7. Verordnung (EU) Nr. 1205/2011 der Kommission vom 22. November 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1126/2008 zur Übernahme bestimmter internationaler Rechnungslegungsstandards gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf International Financial Reporting Standard (IFRS) 7.
- 8. Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (ABl. L 335 vom 17.12.2009, S. 1).
- 9. Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente (ABl. L 145 vom 30.4.2004, S. 1).< /li>
- 10. Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010 (ABl. L 174 vom 1.7.2011, S. 1).
- 11. Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW).
- 12. Diese können abgerufen werden unter: http://www.esma.europa.eu/content/Guidelines-CommondefinitionEuropeanmoneymarketfunds.
- 13. Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen (ABl. L 302 vom 17.11.2009, S. 1) und Verordnung (EU) Nr. 513/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2011 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen (ABl. L 145 vom 31.5.2011, S. 30).
- 14. Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen ( KOM (2011) 747 endg. vom 15.11.2011).
- 15. Europäische Kommission, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen (KOM (2011) 452 endg. vom 20. Juli 2011).
- 16. Siehe Fußnote 2.
- 17. Die LEI ist ein weltweiter Standard, der dem Risikomanagement, der Datenqualität und der Makroaufsicht zugute käme. Der FSB hat eine Expertengruppe eingesetzt, die die Arbeiten der Regulierungsinstanzen weltweit koordinieren und Empfehlungen für einen angemessenen Rahmen zur Festlegung einer globalen LEI ausarbeiten soll.
- 18. Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal market/bank/docs/crisismanagement/framework/com2010 579 de.pdf
- 19. http://ec.europa.eu/commission 2010-2014/barnier/headlines/news/2012/01/120116 en.htm .
- 20. http://ec.europa.eu/internal market/bank/shadow banking/index de.htm .