Das Bundesministerium für Gesundheit hat mit Schreiben vom 2. Oktober 2006 zu der o. g. Entschließung des Bundesrates wie folgt Stellung genommen:
Als Anlage beigefügt übermittle ich Ihnen gemäß der Entschließung des Bundesrates aus der 802. Sitzung vom 9. Juli 2004 (Bundesratsdrucksache 515/04 (PDF) ) den Bericht der Bundesregierung zu den Erfahrungen mit der Verordnung über die Gute Klinische Praxis (GCP-Verordnung).
Sie finden im Bericht zusammengefasst die Erkenntnisse und Erfahrungen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) einschließlich der zuständigen Bundesoberbehörden im Geschäftsbereich des BMG (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und Paul-Ehrlich-Institut). Sie werden ergänzt durch die Erfahrungen auf Ebene der Länder. Abschließend wird durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Stellung genommen zu klinischen Prüfungen, auf die auch die Strahlenschutz- und Röntgenverordnung Anwendung findet.
Bericht der Bundesregierung zur Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen (GCP-Verordnung - GCP-V), Bundesratsdrucksache 515/04(B) vom 9. Juli 2004
Die Bundesregierung kommt hiermit der Bitte des Bundesrates vom 9. Juli 2004 nach und berichtet nach Inkrafttreten der Verordnung über ihre Erkenntnisse und Bemühungen auf nationaler und EU-Ebene.
Zusammenfassend ist Folgendes auszuführen:
Die Verfahren zur Genehmigung einer klinischen Prüfung mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen sind bei den zuständigen Bundesoberbehörden (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und Paul-Ehrlich-Institut (PEI) fristgemäß implementiert worden. Die Zahl der bei ihnen eingegangenen Anträge auf Genehmigung einer klinischen Studie war insbesondere unmittelbar nach Inkrafttreten der GCP-Verordnung rückläufig, hat sich aber zwischenzeitlich wieder erhöht und stabilisiert. Deutschland steht nach Feststellung der Bundesoberbehörden hinsichtlich der Anzahl an Genehmigungsanträgen an zweiter Stelle nach dem Vereinigten Königreich, oder, wenn nur die Zulassungsstudien der pharmazeutischen Industrie betrachtet werden, sogar an erster Stelle der Mitgliedstaaten.
Die Bundesoberbehörden haben bislang, bis auf eine Ausnahme, die Fristen für die Bearbeitung vollständig eingereichter Anträge eingehalten. Dabei betrug die durchschnittliche Bearbeitungszeit der Anträge beim BfArM 23 Tage, beim PEI aufgrund der unterschiedlichen Produktgruppen, für die andere Fristen gelten, entsprechend länger. Die insbesondere von der betroffenen Industrie befürchteten Zeitverzögerungen bei der Bearbeitung der Genehmigungsanträge waren somit nicht zu verzeichnen. Die Genehmigungsdauer bei klinischen Prüfungen mit Betäubungsmitteln betrug in der Regel 10 Tage länger als die durchschnittliche Bearbeitungszeit, da die endgültige Erteilung der Erlaubnis nach § 3 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) von der Bundesopiumstelle im BfArM erst nach Genehmigung der klinischen Prüfung erteilt werden kann.
Seitens der Länder wird verschiedentlich auf Unklarheiten des Begriffs "Therapieoptimierungsstudien" hingewiesen, weil dieser nicht legaldefiniert sei. Dies führe u. a. zu (zahlreichen) von Sponsoren als nicht nach dem Arzneimittelgesetz (AMG) genehmigungspflichtig anzusehenden klinischen Prüfungen. Dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ist bekannt, dass der Begriff "Therapieoptimierungsstudie" innerhalb der Fachkreise unterschiedlich interpretiert wird: Aus Sicht der Bundesregierung ist jedoch darauf hinzuweisen, dass jede Untersuchung von Arzneimittelwirkungen am Menschen, die keine nichtinterventionelle Prüfung ist, als klinische Prüfung zu betrachten ist, unabhängig davon, ob sie von industriellen oder anderen Stellen initiiert bzw. gesponsert wird. Nichtinterventionelle Prüfungen sind solche Untersuchungen, in deren Rahmen die betreffenden Arzneimittel auf übliche Weise unter den in der Genehmigung für das Inverkehrbringen genannten Bedingungen verordnet werden.
Im Einzelnen:
- 1. Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem BMG und den zuständigen Bundesoberbehörden seit Inkrafttreten der GCP-Verordnung (August 2004 bis August 2005)
- a) Fristen:
Im Zeitraum von August 2004 bis August 2005 wurden beim BfArM insgesamt 893, beim PEI insgesamt 23 Anträge auf Genehmigung einer klinischen Prüfung gestellt. Für die Antragsbearbeitung liegen produktspezifische Fristunterschiede vor. Die große Mehrzahl der Anträge (z.B. für chemisch definierte Arzneimittel) hat eine Friststellung von 30 Tagen nach Eingang eines gültigen Antrages. BfArM bearbeitet diese im Mittel in 23,1 Tagen mit abnehmender Tendenz , PEI im Mittel in 22,4 Tagen.
Anträge für Arzneimittel mit einem biologischen Produkt menschlichen oder tierischen Ursprungs als Wirkstoff oder Arzneimittel, die solche Bestandteile enthalten, sind in 60 Tagen zu bearbeiten. Dies wurde im Mittel in 45,7 Tagen (nur PEI) erledigt.
- b) Klinische Prüfung mit Betäubungsmitteln (nur BfArM):
Bezüglich des Erlaubnisverfahrens zum Verkehr mit Betäubungsmitteln (BtM) auch im Rahmen einer klinischen Prüfung ist festzustellen, dass dieses nach § 3 des Betäubungsmittelgesetzes geführt wird und somit vom Genehmigungsverfahren der klinischen Prüfung, das sich nach dem Arzneimittelgesetz richtet, losgelöst ist. Im Zuge der Bearbeitung eines Antrages für eine klinische Prüfung wird dem Antragsteller im Bedarfsfalle zusammen mit der Feststellung der formalen Vollständigkeit bzw. einem formalen Mängelbescheid mitgeteilt, dass eine Erlaubnis nach § 3 BtMG im Rahmen der klinischen Prüfung eingeholt werden muss. Der Antragsteller bzw. die Prüfärzte und Lieferanten haben spätestens dann die Möglichkeit, parallel zum eigentlichen Genehmigungsverfahren einen Antrag bei der Bundesopiumstelle zu stellen. Sobald vollständig mängelfreie Anträge der Prüfer und Lieferanten bei der Bundesopiumstelle vorliegen, bereitet diese die Erlaubnis vor. Diese Erlaubnis nach § 3 BtMG kann von der Bundesopiumstelle erst nach Genehmigung der klinischen Prüfung erteilt werden und wird dann auch in der Regel innerhalb von 10 Tagen erteilt.
Eine gemeinsame Fristenlösung für die Genehmigung einer klinischen Prüfung und der Erteilung einer BtM-Erlaubnis ist schwierig, da die Erlaubnis gemäß § 3 BtMG an einzelne Prüfer und den Lieferanten, die Genehmigung einer klinischen Prüfung aber an den Sponsor gebunden ist und somit unterschiedliche Antragsteller wie auch unterschiedliche Mängel bzw. Ablehnungsgründe in den beiden Verfahren zum Tragen kommen. Die Möglichkeit der Zusammenführung beider Verfahren wird derzeit im BfArM geprüft.
- c) Nicht kommerzielle klinische Prüfungen (im Bundesratsbeschluss auch als "Therapieoptimierungsstudien" bezeichnet):
Mögliche weitere Anpassungen der Anforderungen an die klinische Prüfung an die Besonderheiten nichtkommerzieller klinischer Prüfungen werden derzeit auf EU-Ebene in der Arbeitsgruppe der EU-Kommission (Ad hoc group for the development of implementing guidelines for Directive 2001/20/EC relating to good clinical practice in the conduct of clinical trials on medicinal products for human use) in Brüssel diskutiert. Sachverständige des BMG und der Bundesoberbehörden bringen sich in diese Arbeitsgruppe aktiv ein. Das aus dieser Arbeitsgruppe hervorgegangene Dokument (Draft guidance on "specific modalities" for noncommercial trials referred to in the Commission Directive 2005/28/EC laying down the principles and detailed guidelines for good clinical practice) soll den Besonderheiten nicht kommerzieller klinischer Studien weiter Rechnung tragen. Der Entwurf dieses Dokuments steht auf der Website der Kommission bis zum 1. Oktober 2006 zur öffentlichen Kommentierung.
Nicht kommerzielle klinische Prüfungen sind auch Gegenstand der Diskussion innerhalb der Heads of Medicines Agencies Arbeitsgruppe Clinical Trial Facilitation Group (CTFG), die regelmäßig bei der englischen Behörde bzw. der EMEA in London tagt.
In beiden Arbeitsgruppen ist die Diskussion nicht abgeschlossen. Eine Einigung wird aufgrund divergierender Auffassungen zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten nicht leicht zu erreichen sein. Deutschland geht hierbei in direkter Diskussion auf andere Mitgliedstaaten zu, um eine Mehrheit in der Arbeitsgruppe zu erzielen, die eine vereinheitlichte Fassung möglicher Präzisierungen für die betreffenden Studien anstrebt.
- 2. Stellungnahme des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) zu den Genehmigungen für die Anwendung radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung am Menschen in der medizinischen Forschung nach § 23 StrlSchV und § 28a RöV
Die Strahlenschutz- und die Röntgenverordnung enthalten für die vielfältigen Anwendungen radioaktiver Stoffe oder ionisierender Strahlung unterschiedliche Genehmigungsregelungen. Ausdrückliche Befristungen für die Erteilung von Genehmigungen sind dabei für keinen dieser Anwendungsbereiche vorgesehen. Seitens des BMU ist nicht beabsichtigt, lediglich für die Erteilung der o.g. Genehmigungen eine generelle Fristenregelung entsprechend Art. 9 Abs. 4 der Richtlinie 2001/20/EG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung der guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln (GCP-RL) in die Strahlenschutz- und die Röntgenverordnung einzuführen. Das BMU sieht keine rechtliche Verpflichtung, die Fristen der GCP-RL im Bereich des Strahlenschutzrechts umzusetzen. Arzneimittel- und Strahlenschutzrecht setzen unterschiedliche europäische Richtlinien um, die ihrerseits auf unterschiedlichen europäischen Vertragswerken beruhen. Während das Arzneimittelrecht auf dem EG-Vertrag fußt, beruhen die Vorschriften zum Schutz vor Gefahren durch ionisierende Strahlung auf Artikel 30 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) (EAGV). Die auf Grund des EAGV erlassenen Euratom-Richtlinien 96/29/Euratom und 97/43/Euratom zum Gesundheitsschutz sehen Genehmigungsverfahren für die medizinische Forschung am Menschen vor, ohne jedoch Fristen hierfür festzulegen. Klinische Prüfung nach dem AMG und medizinische Forschung nach der Strahlenschutzverordnung müssen somit als voneinander unabhängige Verfahren betrachtet werden.
Unabhängig davon strebt das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) als zuständige Behörde eine Verfahrensdauer an, die den Vorgaben der für die klinische Prüfung von nicht radioaktiven Arzneimitteln geltenden GCP-Richtlinie entspricht. Die Verfahrensdauer betrug im Jahr 2005 ca. 90 Tage ab Vorliegen der vollständigen Unterlagen. Das BfS hat zur weiteren Verfahrensbeschleunigung Vorschläge zur qualitätsneutralen Vereinfachung der Genehmigungsverfahren ausgearbeitet und in Abstimmung mit dem BMU umgesetzt. Die auf der Homepage des BfS veröffentlichten Antragsformulare wurden überarbeitet und vereinfacht. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, in Zweifelsfragen Voranfragen beim BfS zu stellen. Die getroffenen Maßnahmen haben die Bearbeitungsdauer der Genehmigungsverfahren gegenüber dem Jahr 2005 weiter verkürzt. Das BMU beabsichtigt dennoch, im Rahmen der derzeit vorbereiteten Ersten Verordnung zur Änderung strahlenschutzrechtlicher Verordnungen einige Verfahrensvereinfachungen einzuführen, mit dem Ziel, die Bearbeitungszeiten beim BfS auch ohne ausdrücklich festgelegte Frist zu beschleunigen.
- 3. Erkenntnisse der Länder im Zusammenhang mit der Überwachung nichtkommerzieller klinischer Studien Die Länder haben dem BMG mitgeteilt, wie viele sog. nichtkommerzielle Studien seit Inkrafttreten der GCP-Verordnung von den Landesbehörden überwacht wurden und zu welchen Ergebnissen sie gekommen sind. Ergebnis der Abfrage (Sachstand August 2005):
Nicht kommerzielle Studien wurden (von August 2004) bis August 2005 in Rheinland-Pfalz (10 Inspektionen) und in Sachsen (1 Inspektion) von den für die Ausführung des Arzneimittelgesetzes zuständigen Landesbehörden in Augenschein genommen. In Rheinland-Pfalz seien festgestellte Mängel umgehend abgestellt worden, in Sachsen seien keine schwerwiegenden bzw. kritischen Mängel festgestellt worden.
Weitere Anmerkungen der Länder:
- - In Sachsen-Anhalt sei bei der Routineinspektion einer (kommerziellen) klinischen Prüfung in einem Zentrum für Kinderheilkunde festgestellt worden, dass vom Bereich Kinderonkologie nur eine einzige Anzeige einer klinischen Prüfung (einschließlich nichtkommerzieller Prüfungen) bei der zuständigen Landesbehörde vorlag, obwohl das Zentrum an ca. 20 "Studien" mitarbeite. Diese Studien entstammten der Zeit vor dem Inkrafttreten der GCP-Verordnung und der 12. AMG-Novelle. Die zuständige Ethikkommission werde diese Studien nachträglich und über einen längeren Zeitraum bewerten.
- - Das Saarland thematisiert, dass viele Prüfer um eine differenzierte regulatorische Behandlung von nichtkommerziellen Studien und von Zulassungsstudien der pharmazeutischen Industrie ersuchten.
- - Hessen vermerkte, dass durch die GCP-Verordnung anscheinend eine größere Rechtssicherheit gegeben sei. Diskussionen darüber, wann es sich um eine klinische Prüfung handele, müssten nicht mehr so häufig geführt werden; Verfehlungen können eher geahndet werden.