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51. TRK-Wert für 3,3'-Dimethoxybenzidin und seine Salze

(BArbBl. 1/94 S. 58)


0,03 mg/m3(0,003 ml/m3)

3,3'-Dimethoxybenzidin ist einschließlich seiner Salze im Verzeichnis der krebserzeugenden Gefahrstoffe bei Massengehalten von³ 0,5 % in Gruppe II (stark gefährdend) und bei Massengehalten von < 0,5 - 0,05 % in Gruppe III (gefährdend) eingeordnet.

Arbeitsmedizinische Erfahrungen

Bereits nach Inhalation von geringen Mengen an 3,3'-Dimethoxybenzidin-Hydrochlorid kommt es zu Nieskrämpfen und zu langanhaltenden Reizungen der oberen Atemwege. Berichte über Fälle von Tumoren des Harnsystems betreffen lediglich Personen, die neben 3,3'-Dimethoxybenzidin auch gleichzeitig gegenüber Dimethylbenzidin und Benzidin exponiert waren [1].

Aus einem deutschen Produktionsbetrieb sind Daten über die Ausscheidung von 3,3'-Dichlorbenzidin veröffentlicht worden [2]. Ein Teilkollektiv von diesen Arbeitnehmern (n = 6) stellte für wenige Wochen im Jahr auch 3,3'-Dimethoxybenzidin her. Die Werte des Biological Monitoring lagen vor Einführung der Spülcontainer überwiegend unterhalb von 5 µg/l, danach unterhalb der Nachweisgrenze von 2 µg/l. Neubildungen der ableitenden Harnwege oder Abweichungen bei den Laborparametern wurden in dem seit 1976 halbjährig untersuchten Kollektiv nicht beobachtet [2, 3] Dabei wurden neben der Anamnese und einer eingehenden körperlichen Untersuchung ein Differentialblutbild angefertigt und die Thrombozytenzahl, BSG, und die Leberenzyme GPT, GOT und Gamma-GT bestimmt, ergänzt durch einen Urinstatus und die Urinzytologie nach Papanicolaou.

Tabelle 1: Ausgewählte Tumorinzidenzen bei Ratten nach 21-monatiger Gabe von 3,3'-Dimethoxybenzidin-Dihydrochlorid im Trinkwasser [4]

  Kontrolle 80 mg/l 170 mg/l 330 mg/l
Hauttumoren (Basalzell- oder Schweißdrüsentumoren)
Männchen: 2/60 (3 %) 33/45 (73 %) 56/75 (75 %) 41/60 (68 %)
Weibchen: 0/60 (0 %) 4/45 (9 %) 3/75 (4 %) 2/60 ( 3 %)
Weibchen/Tumoren der Klitorisdrüse
  7/58 (12 %) 27/44 (61 %) 48/74 (65 %) 41/55 (75 %)

In einer vergleichbaren Kanzerogenesestudie erhielten BALB/c-Mäuse beiderlei Geschlechts Trinkwasser mit einem 3,3'-Dimethoxybenzidin-Dihydrochlorid-Gehalt von 0; 20; 40; 80; 160; 315 bzw. 630 mg/l (ca. 6; 12; 24; 48; 95 bzw. 189 mg/kg KGW/Tag). Jeweils 7-24 Tiere pro Dosis und Geschlecht wurden nach 13, 26, 39, 52, 78 bzw. 112 Wochen getötet und histopathologisch untersucht. Die Behandlung wurde ohne toxische Effekte vertragen. Es ergaben sich keine Hinweise für eine kanzerogene Wirkung der Substanz bei BALB/c-Mäusen [6].

Es liegen auch mehrere ältere Studien zur Frage der krebserzeugenden Wirkung von 3,3'-Dimethoxybenzidin vor, die jedoch alle nicht den heutigen Anforderungen genügen [1]. Bei der Ratte führt die 13-monatige intragastrale Gabe einer Gesamtdosis von ca. 2760 mg/Tier (technisches Gemisch mit 37,7 % 3,3'-Dimethoxybenzidin) bei 2/18 Tieren (11 %) zu Tumoren der Zymbaldrüse und bei je 1/18 Tieren (je 5,6 %) zur Ausbildung eines Ovarialtumors bzw. eines Fibroadenoms der Mamma. In einer weiteren Studie an Ratten mit 52-wöchiger intragastraler Applikation von maximal 30 mg/Tier/Tag kommt es zur Entstehung verschiedenartiger Tumoren Aufgrund der extrem niedrigen Tierzahlen (nur 3 Tiere pro Geschlecht und Dosis) sind jedoch keine eindeutigen Aussagen zur Kanzerogenität möglich. Beim Goldhamster führt die orale Gabe von 10 g/kg im Futter (ca. 1430 mg/kg KGW/ Tag) bei 22/60 Tieren (37 %) zu Vormagenpapillomen Während in einer Fütterungsstudie an Hunden keine Blasentumoren auftreten, kommt es bei der Maus nach Pelletimplantation in der Harnblase zur Entstehung von Blasenkarzinomen.

Damit hat sich 3,3'-Dimethoxybenzidin an Ratte und Goldhamster nach oraler Gabe sowie bei der Maus nach Pelletimplantation als deutlich kanzerogen erwiesen; die Substanz besitzt ein gentoxisches Potential.

Analytik

Ein Verfahren zur Bestimmung von 3,3'-Dimethoxybenzidin wurde von der Herstellerfirma erarbeitet. Anfragen zum Analysenverfahren sind an das Sekretariat des Ua V des Ausschusses für Gefahrstoffe zu richten (Anschrift: Berufsgenossenschaftliches Institut für Arbeitssicherheit - BIA, Alte Heerstraße III, 53757 Sankt Augustin).

Herstellung und Verwendung

3,3'-Dimethoxybenzidin findet vorwiegend Einsatz als Diazotierungskomponente bei der Herstellung von Azofarbmitteln.

Ergebnisse von Arbeitsbereichsmessungen

Herstellung

3,3'-Dimethoxybenzidin wird durch Reduktion von o-Nitroanisol und anschließender Umlagerung hergestellt

In einer geschlossenen Produktionsanlage für 3,3'-Dimethoxybenzidin (Freianlage) wurde während Kontrollgängen und Probenahmen gemessen.

Insgesamt liegen vierzehn 8-h-Schichtmittelwerte vor. Sechs Meßergebnisse betragen < 0,006 mg/m3 für die personenbezogenen und acht ebenfalls < 0,006 mg/m3 für die ortsbezogenen Arbeitsplatzmessungen.

Verwendung

Die Anlieferung erfolgt vorwiegend als technisch wasserfeuchtes Produkt. 3,3'-Dimethoxybenzidin wird typischerweise in kleinen Chargen eingesetzt.

Beim Chargieren von Faßware mit Hilfe von Flurfördergerät mit Einfülltechnik in Kessel mit vorhandener Innenabsaugung wurden folgende Werte gemessen:

Zwei Schichtmittelwerte von personenbezogenen Arbeitsplatzmessungen, beim Eintrag von 3,3'-Dimethoxybenzidin als Faßware mit Kippeinrichtung in Diazotierkessel, liegen bei 0,02 und 0,06 mg/m3.

Die Schichtmittelwerte von zwei ortsbezogenen Arbeitsplatzmessungen liegen beide bei 0,01 mg/m3.

Beim Eintrag von 3,3'-Dimethoxybenzidin-Hydrochlorid (30 % Wasser) aus Trommeln mit PE-Sack in Diazotierkessel wurden fünfzehn Arbeitsplatzmessungen durchgeführt. Die Schichtmittelwerte (1987- 1991) von dreizehn personenbezogenen und zwei ortsbezogenen 0,2-bis 2,4-h-Arbeitsplatzmessungen liegen bei < 0,02 mg/m3.

Hinweise

Neben der inhalativen Aufnahme kann 3,3'-Dimethoxybenzidin auch über die Haut aufgenommen werden. Dem ist auch bei Ausschöpfung der technischen Möglichkeiten zusätzlich durch geeignete Körperschutzmaßnahmen Rechnung zu tragen (weitere Hinweise: siehe TRGS 150 "Unmittelbarer Hautkontakt mit Gefahrstoffen").

Bei der Festlegung des Grenzwertes wurden die analytischen Möglichkeiten berücksichtigt.

Literatur

[1] Henschler, D: Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe, Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten: 3,3'-Dimethoxybenzidin. Kommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Verlag Chemie, Weinheim (1986)

[2] Kaleja, R.: Allgemeines und spezielles Vorgehen zur Erfassung nach ODIN am Beispiel eines Unternehmens der chemischen Industrie. Tagungsbericht der 29. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin e.V; Arbeitsmedizinisches Kolloquium der gewerblichen Berufsgenossenschaften. Gentner Verlag, Stuttgart; 43-50 (1989)

[3] Persönliche Mitteilung von Kaleja, R. (1993)

[4] National Toxicology Program: Toxicology and carcinogenesis studies of 3,3'-dimethoxybenzidine dihydrochloride (CAS-No. 20325-40-0) in F344/N rats (drinking water studies). Technical Report Series No. 372 (1990)

[5] Morgan. D. L.. Bucher. J. R. Huff, J. E.. Hasemann. J. K., Eustis, S. L., Lernen, J. K., Ulland. B. M. u. Mennear, J. H.; Multiorgan carcinogenicity of 3,3'-dimethoxybenzidine dihydrochloride given in drinking water to F344/N rats. J. Am. Goll. Toxicol. 9, 79-91 (1990)

[61 Schieferstein, G. J., Sheldon, W. G., Allen, R. R., Greenman, D. L. u. Allaben, W. T.: Oncogenic evaluation of 3,3`-dimethoxybenzidine dihydrochloride in BALB/c mice. J. Am. Coll. Toxicol. 9, 71- 77(1990)

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