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Regelwerk

TRAS 410 - Erkennen und Beherrschen exothermer chemischer Reaktionen
Ermittlung der Gefahren, Bewertung und zusätzliche Maßnahmen
Technische Regel für Anlagensicherheit (TRAS)

Neufassung April 2007

Vom 13. Juli 2007
(BAnz. vom 15.08.2007 S. 1aufgehoben)


Zur aktuellen Fassung

Archiv 2001

Präambel

(1) Die Technischen Regeln für Anlagensicherheit (TRAS) enthalten dem Stand der Sicherheitstechnik im Sinne des § 2 Nr. 5 der Störfall-Verordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Juni 2005 (BGBl. I S. 1598) entsprechende sicherheitstechnische Regeln und Erkenntnisse. Betriebs- und Beschaffenheitsanforderungen, die aus anderen Regelwerken zur Erfüllung anderer Schutzziele resultieren, bleiben unberührt.

(2) Diese Technische Regel wurde von der Kommission für Anlagensicherheit gemäß § 51a des Bundes-Immissionsschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 2002 (BGBl. I S. 3830), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 18. Dezember 2006 (BGBl. I S. 3180) unter Berücksichtigung der für andere Schutzziele vorhandenen Regeln erarbeitet und dem Stand der Sicherheitstechnik angepasst. Technische Regeln für Anlagensicherheit werden dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vorgeschlagen und können von diesem nach Anhörung der für die Anlagensicherheit zuständigen obersten Landesbehörden im Bundesanzeiger veröffentlicht und in Rechts- oder Verwaltungsvorschriften in Bezug genommen werden.

1 Einleitung

1.1 Die in verfahrenstechnischen Anlagen durchgeführten chemischen Reaktionen können zu Gefahren für Menschen und Umwelt führen, wenn Drücke oder Temperaturen bei den Prozessen über die Auslegungsgrenzen der Anlagenteile ansteigen und unkontrolliert Energie und Stoffe freigesetzt werden. Der Zweck dieser Technischen Regel ist, Hinweise zum Erkennen und Beherrschen sowie zur Vermeidung solcher Zustände zu geben.

1.2 Diese Technische Regel enthält eine Anleitung zur systematischen Ermittlung der bei der Herstellung von Stoffen durch chemische Umwandlung möglicherweise auftretender Gefahren gemäß Abschnitt 1.1, zu deren Bewertung sowie zur Auswahl und zum Umfang der sich daraus ergebenden Maßnahmen zur Verhinderung von Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebes. Dabei stehen vorbeugende Maßnahmen im Vordergrund. Die Anforderungen an konstruktive Maßnahmen und an die gefahrlose Ableitung von Stoffen aus Druckentlastungseinrichtungen sind nicht Gegenstand dieser Technischen Regel.

1.3 Neben dieser Technischen Regel sind insbesondere zu beachten:

1.4 Diese Technische Regel ist aus dem Leitfaden des Technischen Ausschusses für Anlagensicherheit TAA-GS-05 hervorgegangen und hat dessen Ausführungen weiterentwickelt.

2 Anwendungsbereich

2.1 Diese Technische Regel ist anzuwenden auf die fabrikmäßige Herstellung von Stoffen durch chemische Umwandlung in Anlagen.

2.2 Die Ausführungen können sinngemäß auch auf andere verfahrenstechnische Operationen angewandt werden, bei denen Stoffe thermisch belastet werden.

3 Begriffe

Abstoppersystem

Als Abstoppersystem wird hier ein System bezeichnet, mit dem aus einem Vorlagebehälter eine inhibierende Substanz - unabhängig von den sonst in einem Reaktionsbehälter durchzuführenden Verfahrensschritten - schnell und wirksam in den Reaktionsbehälter eingespeist werden kann. Die Auslösung des Abstoppersystems kann von Hand oder bei Überschreiten von bestimmten Prozessparametern automatisch erfolgen.

Adiabatische Induktionszeit

Die adiabatische Induktionszeit ist hier die Zeitspanne, innerhalb der ein verfahrenstechnisches Reaktionssystem ohne Wärme- und Stoffaustausch mit der Umgebung das Maximum der Temperaturanstiegsgeschwindigkeit erreicht.

Adiabatische Temperaturerhöhung

Die adiabatische Temperaturerhöhung (ΔTadiab.) ist die Temperaturerhöhung, die sich in einem Reaktionssystem rechnerisch ergibt, wenn das Verfahren ohne Wärme- (und Stoff-) Austausch mit der Umgebung abläuft.

Autokatalyse / Reaktionsbeschleunigung

Bei der Autokatalyse wirkt ein während einer Reaktion gebildetes Reaktionsprodukt als Katalysator, wodurch auch bei konstanter Temperatur der Fortlauf der Reaktion beschleunigt wird. Als Beispiel sei die säurekatalysierte Verseifung verschiedener Ester und verwandter Verbindungen genannt. Experimentell lassen sich autokatalytische Reaktionen z.B. mit Hilfe von Differenz-Thermoanalyse-Messungen nachweisen. Neben der Autokatalyse gibt es weitere Mechanismen, die zu einer solchen Reaktionsbeschleunigung führen (z.B. Abbau eines Inhibitors).

Bestimmungsgemäßer Betrieb

hier: Der bestimmungsgemäße Betrieb umfasst den Betrieb, für den eine Anlage nach ihrem technischen Zweck bestimmt, ausgelegt und geeignet ist, sowie Betriebszustände, die bei einer Fehlfunktion von Komponenten oder bei einer Fehlbedienung auftreten, ohne dass sicherheitstechnische Gründe einer Fortführung des Betriebes entgegenstehen. Der bestimmungsgemäße Betrieb umfasst

Deflagration

Eine Deflagration ist eine Reaktion, die an einer vorgegebenen Stoffmenge örtlich begrenzt auslösbar ist und die sich von dort selbständig durch die gesamte Stoffmenge hindurch in Form einer Reaktionsfront fortpflanzt. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Reaktionsfront ist niedriger als die Schallgeschwindigkeit im Stoff. Bei einer Deflagration können große Mengen an heißen Gasen freigesetzt werden, die unter Umständen auch brennbar sind. Die Deflagrationsgeschwindigkeit nimmt mit der Temperatur und in der Regel auch mit dem Druck zu.

Detonation

Ein örtlich auslösbarer und einen Stoff in Form einer Reaktionsfront durchlaufender exothermer Zerfall, der nur unbedeutend über den Wärmetransport, sondern maßgeblich über eine Stoßwelle weitergeleitet wird, die von der freigesetzten Wärme unterhalten wird. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Reaktions- oder Detonationsfront ist höher als die Schallgeschwindigkeit im Stoff.

Differenz-Thermoanalyse

Die Differenz-Thermoanalyse (DTA) und die Dynamische Differenz-Kalorimetrie (DDK) (engl: DSC - Differential Scanning Calometry) sind Messmethoden, die es gestatten, mit geringen Probenmengen (in der Regel einigen Milligramm) den Wärmeumsatz bei physikalischen und chemischen Umwandlungen zu ermitteln. Sie eignet sich insbesondere zur Untersuchung der thermischen Stabilität von Stoffen und kann in vielen Fällen zur Abschätzung des thermischen Potentials von chemischen Reaktionen herangezogen werden.

Druckentlastung

Das Schutzprinzip der Druckentlastung von Apparaten besteht darin, den Druck unter Abführung von gasförmigen oder mehrphasigen Stoffströmen im Falle einer Explosion oder einer durchgehenden Reaktion durch Freigabe von vorbestimmten Öffnungen so zu begrenzen, dass der Druck im Behälter einen zulässigen Wert nicht überschreitet.

Druckfeste Bauweise

Eine druckfeste Bauweise liegt vor, wenn auch im Falle einer Explosion oder einer durchgehenden Reaktion der maximal auftretende Systemdruck den Auslegungsdruck des Behälters oder Apparates nicht übersteigen kann. Bei der Zersetzung von kondensierten Stoffen ist wegen der zu erwartenden hohen Drücke eine druckfeste Bauweise in der Regel nur mit hohem Aufwand zu realisieren.

Einzelfehlertoleranzprinzip

hier: Ein verfahrens-/anlagentechnisches System erfüllt das Einzelfehlertoleranzprinzip, wenn es so gestaltet oder ausgerüstet ist, dass ein einzelner Fehler noch nicht zu einem (unerwünschten) Ereignis führt. Ist das Ereignis mit einer hohen Gefährdung verbunden und das System nicht bereits aus sich heraus (d.h. aus naturgesetzlichen Gründen und ohne zusätzliche Maßnahmen) einzelfehlertolerant, sind besondere Maßnahmen wie das Vorsehen von redundanten Schutzeinrichtungen erforderlich, die die Fehlerwege "sicherheitstechnisch hoch verfügbar" unterbrechen.

Ereignis

hier: Das Überschreiten der Auslegungsgrenzen der (verfahrenstechnischen) Anlagenteile.

Explosion

hier: Explosion ist ein physikalischchemischer Vorgang, bei dem es durch sehr schnelle Energie- und/oder Gasfreisetzung in einem Volumen zu einer starken Druckerhöhung kommt.

Grenztemperatur

Die Grenztemperatur (Texo) bezeichnet die maximal zulässige Temperatur, bei der ein Stoff oder Reaktionsgemisch gerade noch gefahrlos gehandhabt werden kann. Sie wird unter Berücksichtigung der Verfahrensparameter und der Messverfahren, die bei der Ermittlung der Stoffkenngrößen angewendet wurden, festgelegt. So ist zum Beispiel bei einem kontinuierlichen Verfahren, bei dem die Stoffe nur verhältnismäßig kurzzeitig thermisch belastet wurden, die Grenztemperatur höher anzusetzen als bei einem Batch-Verfahren, bei dem die Stoffe über längere Zeit höheren Temperaturen ausgesetzt sein können.

Kalorimetrie

Die Kalorimetrie stellt eine Messtechnik dar, bei der u.a. aus Temperaturmessungen Rückschlüsse auf die Wärmeumsätze gezogen werden, die bei chemischen oder physikalischen Vorgängen auftreten.

Normalbetrieb

Der Normalbetrieb umfasst den Betrieb, für den eine Anlage nach ihrem technischen Zweck bestimmt und geeignet ist (Gutbereich). Der Normalbetrieb umfasst auch

Davon zu unterscheiden ist der bestimmungsgemäße Betrieb.

Reaktionswärme (Brutto-Reaktionswärme)

Die Brutto-Reaktionswärme (QR) beschreibt die Summe aller Wärmen, die mit dem Ablauf chemischer Reaktionen verbunden sind. Diese sind neben der Reaktionsenthalpie insbesondere Mischungs-, Lösungs- und Kristallisationswärmen sowie Phasenumwandlungswärmen. Die Brutto-Reaktionswärme wird zumeist als spezifische Brutto-Reaktionswärme in der Einheit kJ/kg angegeben. Dabei ist die Reaktionsenthalpie (ΔHR) die auf den jeweiligen Formelumsatz einer chemischen Reaktion bezogene Wärmemenge, die bei konstantem Druck vom System

Die Reaktionsenthalpien vieler Reaktionen sind literaturbekannt und werden dort in der Regel in der Einheit kJ/mol angegeben.

Wärmeabfuhrleistung

Die Wärmeabfuhrleistung (dQK/dt) beschreibt die insgesamt pro Zeiteinheit aus einem System abführbare Wärmemenge. Sie kann sich zusammensetzen aus Kühlleistung, Verdampfungsleistung und anderen Formen.

Wärmeproduktionsgeschwindigkeit / Reaktionsleistung

Die Wärmeproduktionsgeschwindigkeit oder Reaktionsleistung (dQR/dt) beschreibt die pro Zeiteinheit freigesetzte Wärmemenge. Sie ist, solange keine Phasenübergänge oder anderen physikalischen Prozesse ablaufen, proportional zur Reaktionsgeschwindigkeit. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist eine Funktion von Konzentrationen oder Partialdrücken und Temperaturen.

4 Sicherheitstechnische Bewertung der Reaktion bei Normalbetrieb

4.1 Grundprüfungen

Eine chemische Reaktion lässt sich in der Regel durch Reaktionsgleichungen beschreiben, aus denen die beteiligten Stoffe ersichtlich sind und aus denen auch Hinweise auf entstehende Zwischen-/Nebenprodukte und mögliche Gasfreisetzungen erhalten werden können.

Zur Identifizierung des möglichen Gefahrenpotentials aus der Exothermie von chemischen Umsetzungen dient eine Reihe von physikalischchemischen Kenngrößen der beteiligten Stoffe und von apparativen Kenngrößen. Ganz wesentlich hierbei sind

  1. die Reaktionswärme QR sowohl der gewünschten Reaktion als auch möglicher Neben-/Folgereaktionen (z.B. Zersetzungen),
  2. die mögliche Gasentwicklung M und Gasentwicklungsgeschwindigkeit (dM/dt) (oder entsprechende abgeleitete Größen) aus Reaktion oder möglicher Zersetzung,
  3. die Wärmeproduktionsgeschwindigkeit (dQR/dt, Reaktionsleistung), ggf. als Funktion der Temperatur,
  4. die Wärmeabfuhrleistung des Systems (dQK/dt),
  5. die Grenztemperatur Texofür die thermische Stabilität der beteiligten Stoffe und der Reaktionsgemische unter Verfahrensbedingungen. Dabei ist die Temperatur T nicht allein stoffspezifisch, sondern wird wesentlich von dem Zusammenspiel von (dQR/dt) und (dQK/dt) bestimmt. Sie ist deshalb nicht eindeutig durch ein Messverfahren für einen Stoff definiert. Sie kann auf unterschiedliche Weise, dem Verfahren und der Anlage angepasst, gewonnen werden, wobei sich unterschiedliche Zahlenwerte für -Fm ergeben können. Je nach Einzelfall kommen Messverfahren, die konkrete Anlagenbedingungen simulieren oder dahin extrapolierbar sind, oder adiabatische Messverfahren zur Bestimmung und Festlegung in Betracht.

In der Praxis haben sich beispielsweise folgende alternative Festlegungen für Texobewährt:

Von den hier genannten Festlegungen für Texokann abgewichen werden, wenn ausreichende zusätzliche Informationen über z.B. die Aktivierungsenergie oder die Nachweisempfindlichkeit der benutzten Untersuchungsgeräte vorliegen und nach sachkundiger Einschätzung berücksichtigt werden.

Dem Vorgehen liegen typische Verweilzeiten und Ansatzgrößen für Reaktionen und verfahrenstechnische Operationen zugrunde. Für davon deutlich abweichende Randbedingungen, wie sie zum Beispiel bei der Lagerung von Stoffen und Stoffgemischen über längere Zeiträume und bei extremen Ansatzgrößen vorliegen können, sind diese entsprechend bei der Festlegung von Texozu berücksichtigen.

Die o.g. Kenngrößen sind nicht nur zu betrachten für den normalen Ablauf der Reaktionen, sondern auch für mögliche Störungen (s. Abschnitt 5). Messverfahren zur Bestimmung der Stoffkenngrößen, z.B. Differenz-Thermoanalyse (DTA), Kalorimetrie, adiabatische Versuche, sowie ihre Einsatzmöglichkeiten und Anwendungen sind in /1/ bis /7/ beschrieben.

Die meisten Kenngrößen können auf mehrere Weisen und mit unterschiedlichen Apparaturen bestimmt werden. Dabei erhält man u.U. verschiedene Messwerte. Für die Ableitung der Kenngrößen aus diesen Messwerten ist es daher von Bedeutung, dass für den betrachteten Fall die Randbedingungen zutreffend oder zumindest hinreichend vorsichtig gewählt wurden. Wichtig sind ebenso die zutreffende Auswahl und Bewertung der für die sicherheitstechnische Beurteilung zusätzlich benötigten anderen physikalischen Stoffwerte (z.B. Viskosität) und verfahrenstechnischen Parameter (insbesondere bei Vorliegen heterogener Reaktionen oder schäumender Systeme). Die Auswertung und Klärung der Übertragbarkeit bedarf deshalb einer hohen Fachkompetenz.

Eine Sonderstellung nehmen Stoffe und Stoffgemische ein, die deflagrations- oder detonationsfähig sind. Bei diesen sind die Wärme- und Gasproduktionsgeschwindigkeit nicht mehr eine Funktion z.B. der Prozesstemperatur und keine Grundlage für eine sicherheitstechnische Beurteilung, so dass auf einer solchen Abhängigkeit aufbauende Maßnahmen zur Beherrschung exothermer Prozesse wirkungslos bleiben können. Dies betrifft vornehmlich Explosivstoffe, organische Peroxide und selbstzersetzliche Stoffe. Zur Beherrschung von Reaktionen, an denen solche Stoffe einschließlich ihrer intermediären Reaktionsgemische /8/ beteiligt sind, werden in der Regel weitere Maßnahmen erforderlich, die nicht mehr Gegenstand der vorliegenden Betrachtungen sind. Kriterien und Prüfverfahren für die Beurteilung solcher Stoffe sind u.a. im UN-Prüfhandbuch und einschlägigen Vorschriften zu finden /9/. Für die Bewertung von Reaktionen mit solchen Stoffen ist diese Technische Regel jedoch sinngemäß anwendbar.

4.2 Sicherheitstechnische Bewertung unter Verfahrensbedingungen

Wesentliche Voraussetzung für die sicherheitstechnische Bewertung exothermer Reaktionen ist außerdem die Kenntnis der Randbedingungen, unter denen die Reaktionen ablaufen sollen. Dazu gehören im Besonderen die Verfahrensführung, z.B.

In dem Ablaufschema (Schema 1) ist das Vorgehen bei der Ermittlung und sicherheitstechnischen Bewertung des Gefahrenpotentials dargestellt.

Die Bewertung beginnt mit einer Beurteilung der Einsatzstoffe eines Verfahrens. Zu beantworten ist die Frage, ob alle beteiligten Einsatzstoffe im vorgesehenen Temperatur- und Zeitbereich einschließlich ihrer Wechselwirkungen mit den verwendeten Werkstoffen als thermisch stabil anzusehen sind. Informationen über die thermische Stabilität von Stoffen und Gemischen können bereits mit vergleichsweise geringem Aufwand gewonnen werden. Es ist bekannt, dass bei Vorhandensein bestimmter funktioneller Gruppen mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit exothermer Zersetzung zu rechnen ist. Eine Liste besonderer Verbindungstypen und Stoffe findet sich im Anhang 1.

Über diese rein gedankliche Analyse hinaus sind in der Regel experimentelle Screening-Methoden anzuwenden, die es erlauben, das mit der Handhabung eines Stoffes oder Gemisches verbundene Gefahrenpotential zu ermitteln. Bezüglich der Anwendungsmöglichkeiten und Grenzen dieser Screening-Methoden wird auf /10/ und /11/ verwiesen. Die Anwendung dieser Screening-Methoden erlaubt in erster Linie eine Aussage über die Stabilität im vorgesehenen Temperaturbereich. Treten gravierende thermische Effekte im vorgesehenen Temperaturbereich auf, so ist in der Regel durch weiterführende Untersuchungen, z.B. adiabatische Versuche oder vergleichbare Techniken, die Frage der zeitlichen Belastbarkeit unter Berücksichtigung der Reaktionszeit und der vorliegenden Abmischungen zu überprüfen.

Wurde aufgrund der Überprüfung eine ausreichende Stabilität aller am Verfahren beteiligten Einsatzstoffe festgestellt, so gilt es im nächsten Schritt, die gewünschte Reaktion einschließlich ihrer Neben- und Folgereaktionen im Normalbetrieb zu beurteilen. Eine wesentliche Grundlage hierfür ist die stöchiometrische Umsatzgleichung der gewünschten Reaktion. Geht aus dieser Umsatzgleichung hervor, dass mit der Bildung eines Gases oder Leichtsieders als Reaktionsprodukt zu rechnen ist, so ist anlagentechnisch sicherzustellen, dass der resultierende gasförmige Massenstrom ausreichend und adäquat abgeführt werden kann. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass bei nicht isothermer Fahrweise verstärkt Lösungsmittel verdampfen kann.

Kernstück der Beurteilung der Reaktion ist wieder die thermische Einschätzung. Eine Vorentscheidung für die Beurteilung der Sicherheit des Normalbetriebes kann bereits aus der Kenntnis der Reaktionswärme QRabgeleitet werden. Hieraus kann die adiabatische Temperaturerhöhung ΔTadiab ermittelt werden.

Schema 1: Bewertungsstrategie des Normalbetriebes

Bei Kenntnis der adiabatischen Temperaturerhöhung gilt für die vorgesehene Reaktion folgende Abschätzung:

Vorteilhaft für die Beurteilung der Reaktionsleistung einer exothermen Reaktion ist es, wenn z.B. mit Hilfe der Reaktionskalorimetrie der Zeitverlauf der Wärmefreisetzung unmittelbar experimentell ermittelt worden ist. Ersatzweise kann in erster Näherung die Reaktionsleistung aus der Reaktionswärme zusammen mit anderen Messungen oder Beobachtungen abgeschätzt werden. Voraussetzung für eine derartige Abschätzung ist jedoch die Kenntnis des ungefähren Reaktionsmechanismus. Handelt es sich um eine Reaktion, die bei einer detaillierten Auswertung mit Hilfe eines reaktionskinetischen Potenzansatzes (effektive Reaktionsordnung ≥ 1) beschrieben werden kann, so kann z.B. für dosierungskontrollierte Fahrweise die Leistung aus dem Quotienten von Reaktionswärme und Dosierzeit abgeschätzt werden. Voraussetzung hierzu ist eine hinreichend hohe Reaktionsgeschwindigkeit, die eine gefährliche Reaktandenakkumulation verhindert. Ähnliches gilt für kontinuierliche Verfahren unter Verwendung der Verweilzeit. (Diese Methode ist nicht mehr zulässig bei deutlich autokatalytischem Verhalten!) Bei heterogenen Systemen ist zusätzlich der Einfluss der Phasenverhältnisse zu berücksichtigen.

Ein kritischer Punkt eines chemischen Verfahrens liegt an der Stelle der maximalen Reaktionsleistung vor. Dieser Maximalwert ist mit der gesamten vorgegebenen maximalen Wärmeabfuhrleistung zu vergleichen. Ist diese Wärmeabfuhrleistung ausreichend, auch diese maximale Reaktionsleistung sicher abführen zu können, so kann die im Normalbetrieb ablaufende Reaktion als sicher bezeichnet werden. Für genauere Analysen wird auf /12, 13/ verwiesen.

Die Bewertung beinhaltet auch eine Beurteilung der während des Verfahrens entstehenden Stoffe hinsichtlich der thermischen Stabilität im vorgesehenen Temperatur- und Zeitbereich einschließlich ihrer Wechselwirkungen mit den Werkstoffen der Anlagenteile. Die Methoden hierfür unterscheiden sich nicht von den oben zitierten für die Beurteilung der Einsatzstoffe. Betont werden muss aber, dass hier u.U. nicht die alleinige Untersuchung der reinen Reaktionsprodukte ausreichend ist, sondern ggf. auch repräsentative Proben der Reaktionsmischung mit unterschiedlichen Umsetzungsgraden zu bewerten sind.

Vielfach wird zunächst übersehen oder unterschätzt, dass es Reaktionen gibt, bei denen sowohl die Einsatzstoffe als auch die (bestimmungsgemäßen) Reaktionsprodukte durchaus thermisch sehr stabil sein können. Im Reaktionsverlauf vermögen jedoch unerwünschte Nebenreaktionen unter zusätzlicher Energiefreisetzung auftreten oder es kann zur Bildung von instabilen Nebenprodukten kommen. Schließlich gilt, dass Reaktionen mit thermisch stabilen Einsatzstoffen sehr wohl exotherm ablaufen können. Einige Beispiele für derartige Reaktionen sind ebenfalls in Anhang 1 enthalten.

In allen Fällen, bei denen die Fragen im Ablaufschema nicht beantwortet werden können, sind entweder weitergehende Untersuchungen erforderlich, oder es sind Modifizierungen an Verfahren oder Anlage vorzunehmen. Die Gesamtbeurteilung des Verfahrens ist im nächsten Schritt hinsichtlich der Auswirkung möglicher Abweichungen (Störungen) fortzusetzen. Resultieren aus der Störungsbeurteilung Anlagen- und Verfahrensmodifizierungen, so ist auch der Normalbetrieb iterativ neu zu überprüfen.

4.3 Besondere Betriebszustände

Für besondere Betriebszustände wie Inbetriebnahme, Probebetrieb, Reinigungs-, Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen etc., die zum bestimmungsgemäßen Betrieb gehören, ist sinngemäß zu verfahren.

5 Sicherheitstechnische Bewertung der Reaktion bei Abweichungen vom Normalbetrieb

Bei der sicherheitstechnischen Bewertung chemischer Reaktionen sind - ausgehend vom Normalbetrieb eines Verfahrens/einer Anlage - denkbare Abweichungen (Störungen) und ihre möglichen Auswirkungen auf

zu betrachten. Die in Tabelle 1 dargestellte Liste zeigt auf, welche Abweichungen des bestimmungsgemäßen Betriebes bei einem chemischen Syntheseverfahren hinsichtlich der genannten Punkte von Bedeutung sein können. Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit (zur Erstellung von Checklisten siehe z.B. /14/).

Tabelle 1: mögliche Abweichungen des bestimmungsgemäßen Betriebes

Abweichungen Beispiele
Art und Spezifikation der Ausgangsstoffe
  • falscher Stoff
  • falsche Menge
  • falsche Mengenverhältnisse
  • Verunreinigungen mit katalytischer oder inhibierender Wirkung
  • Konzentrationserhöhung oder -erniedrigung
  • Rückstände aus vorheriger Nutzung
Präsenz von Hilfsstoffen
  • fehlendes Lösemittel
  • fehlender Lösungsvermittler
  • fehlender Aktivator/Katalysator bzw. Inhibitor
  • Abbau von Aktivatoren bzw. Inhibitoren (z.B. infolge zu
  • langer Lagerung)
Änderung der Stoffströme
  • Ausfall von Pumpen
  • Fehlschalten von Armaturen
  • Verstopfen von Leitungen (insbesondere Belüftungsleitungen) oder Armaturen
  • Rückströmen aus anderen Anlagenteilen
Dosierung und Befüllung
  • geänderte Dosierfolge
  • falsche Dosiergeschwindigkeit
  • Überfüllen
  • Auslauf aus Bodenablassventil
  • Fluten von Kondensatoren (Wärmeaustauschern)
Vermischung
  • unzureichendes Rühren oder Umpumpen
  • Abscheiden von Feststoffen oder Katalysatoren
  • erhöhte Viskosität
  • Schäumen
Reaktionsbedingungen
  • Temperaturerhöhung/-erniedrigung
  • Druckerhöhung/-erniedrigung
  • Abweichungen der Reaktions-Nerweilzeit
  • Abweichungen bei pH-Wert, Viskosität, o. ä.
  • verzögerter Reaktionsstart
  • Anreicherung von Nebenprodukten oder Rückständen
  • Verlust von Lösemittel oder Überschusskomponente
Verfügbarkeit von Hilfsenergien
  • elektrischer Strom
  • Druckluft/Steuerluft
  • Stickstoff
  • Heizmedium
  • Kühlmedium
  • Absaugung
  • Vakuum
Heiz-/Kühlmedien
  • Über-/Unterschreitung der zur sicheren Verfahrensführung festgelegten Temperaturen oder Drücke
PLT/MSR-Einrichtungen
  • Ausfall/Fehlfunktion
Integrität von Bauteilen
  • Korrosion (insbesondere mit der Folge von Stoffübertritt von/zu Wärmeträgersystemen)
  • mechanische Beschädigung
  • Erosion
Überlagerungsatmosphäre
  • Bildung explosionsfähiger Atmosphäre
  • Freisetzung oxidierender Gase wie Chlor oder NOX
  • Verlust der Phlegmatisierung bei zerfallsfähigen Gasen

Es ist zweckmäßig, für die systematische Diskussion der möglichen Abweichungen, ihrer Ursachen und Auswirkungen eine strukturierte Sicherheitsbetrachtung durchzuführen, die beispielsweise wie in Schema 2 gezeigt ablaufen kann.

Schema 2: Ablauf der Sicherheitsbetrachtung

Das Ergebnis einer Sicherheitsbetrachtung muss mit der Bewertung des Normalbetriebes sowie der betrachteten Störungen und den festgelegten Maßnahmen (s. Abschnitt 7) dokumentiert werden, wobei zur Identifizierung der Störungen auf die Tabelle 1 zurückgegriffen werden kann.

6 Übertragbarkeit vom Labor in den technischen Maßstab

Bei der Übertragung eines chemischen Verfahrens vom Labor in den technischen Maßstab müssen die Folgen der Maßstabsvergrößerung berücksichtigt werden. Dabei lassen sich keine allgemeingültigen Regeln in kurzer Form aufstellen. Bezogen auf jeden Einzelfall müssen daher verantwortungsvoll und fachkundig die erforderlichen Laborversuche definiert, sowie die Empfindlichkeit der Reaktion gegen die verschiedenen Einflussfaktoren und die Zulässigkeit der Übertragung der Laborergebnisse auf den technischen Maßstab geprüft werden.

So sind sowohl chemische als auch apparatetechnische Aspekte zu beachten, z.B. ein möglicher Wechsel des Reaktionsmechanismus bzw. ein verändertes Oberflächen-Volumenverhältnis. (Beispiel siehe Anhang 5)

7 Auswahl und Umfang der Maßnahmen

7.1 Kriterien

Das Gefahrenpotential chemischer Reaktionen ist anhand der Kenngrößen der gewünschten Reaktion einschließlich der Neben- und Folgereaktionen zu bewerten (im Besonderen mit QR und dM/dt). Mögliche Störungsauswirkungen, d.h. die Temperaturerhöhung ΔTStörung im System infolge der Energiefreisetzung und die erhöhte Gasfreisetzung Δ(dM/dt)Störung - die i. A. zum Druckaufbau führt - sind zu betrachten.

Gilt im Besonderen für die Temperatur und für die Gasfreisetzung (korreliert mit Druckaufbau)

TProzess+ ΔTStörung< Tmax. Auslegung

und

(dM/dt)Prozess+ Δ(dM/dt)störung< (dM/dt)max. Auslegung,

d.h. werden auch unter Störungsbedingungen die Auslegungsgrenzen - Index "max. Auslegung" - der verfahrenstechnischen Anlage nicht überschritten und damit der bestimmungsgemäße Betrieb nicht verlassen, so wird die chemische Reaktion in dem vorliegenden Verfahren mit der bestehenden Ausrüstung auch unter den betrachteten Störungsbedingungen als ausreichend sicher beherrscht angesehen.

In anderen Fällen, d. h. wenn die Betrachtung der Störungen zeigt, dass die Ungleichungen nicht erfüllt werden, sind Maßnahmen und ihr Umfang so festzulegen, dass eine ernste Gefahr vernünftigerweise ausgeschlossen werden kann.

7.2 Auswahl von Maßnahmen

Bei den Maßnahmen kann unterschieden werden zwischen vorbeugenden Maßnahmen zur Verhinderung eines unkontrollierten Reaktionsablaufs und konstruktiven Maßnahmen zur Verhinderung unzulässiger Auswirkungen eines unkontrollierten Reaktionsablaufs. Hier kommen - je nach den Bedingungen des Einzelfalls alternativ oder in Kombination - in Frage:

Grundsätzlich ist den vorbeugenden Maßnahmen der Vorzug zu geben; die jeweilige Reihenfolge der Beispiele stellt keine Wertung dar.

Die Begründung für die Auswahl der Maßnahmen muss nachvollziehbar sein.

7.3 Umfang der Maßnahmen

Im Fall eines erheblichen zu erwartenden Schadensausmaßes kann zur Reduzierung der Wahrscheinlichkeit des Ereigniseintritts wie folgt vorgegangen werden:

Diese Vorgehensweise wird mit Hilfe der Beispiele im Anhang 2 erläutert.

Werden konstruktive Maßnahmen zur Verhinderung unzulässiger Auswirkungen eines unkontrollierten Reaktionsablaufs ergriffen, so gelten druckfeste Bauweise oder Druckentlastung als "sicherheitstechnisch hoch verfügbar". Eine konstruktive Maßnahme, im Besonderen die Druckentlastung, kann dann zweckmäßig und auch erforderlich sein, wenn aufgrund der Komplexität der möglichen Kausalketten eine vollständige Betrachtung der Abweichungen, ihrer Ursachen und Auswirkungen nicht mehr hinreichend zuverlässig möglich ist. Die druckfeste Bauweise ist wegen der notwendigen Festigkeit gegen extreme Drücke in der Regel technisch nicht vertretbar. Bei einer Druckentlastung ist zu prüfen, ob die dabei abströmenden Stoffe in die Atmosphäre freigesetzt werden können und dürfen oder ob ein (aufwändiges) Rückhaltesystem erforderlich wird.

.

Besondere Stoffe, Verbindungs- und Reaktionstypen Die Listen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. 1 Besondere Verbindungstypen und Stoffe Anhang 1

Häufig verwendete Verbindungstypen, bei denen erfahrungsgemäß eine hohe thermodynamische Instabilität verbunden mit starker Energiefreisetzung zu erwarten ist.

1.1 Typische funktionelle Gruppen thermodynamisch instabiler Verbindungen

- NOx Nitro- und Nitrosoverbindungen
- ONOx Ester der Salpetersäure und der salpetrigen Säure
Halogenstickstoffverbindungen (X = Halogen)
- N+≡N Diazoniumsalze, Triazene, Tetrazene
- N = N - Azoverbindungen
- O - O - Peroxide, Persäuren

Hinweis: zahlreiche ungesättigte Kohlenwasserstoffe, Aldehyde, Ketone, Ether und einige cyclische Kohlenwasserstoffe (z.B. Dekalin) neigen in Gegenwart von Luft zur Bildung von Peroxiden

Ozonide
- C ≡C - Acetylen, Acetylide
- N3 Stickstoffwasserstoffsäure, Azide
- HN - NH - Hydrazide
- ClOx Sauerstoffsäuren des Chlors und deren Salze
- C ≡N+- O- Fulminate, Oxime, Salze von aci-Nitroverbindungen

1.2 Polymerisierbare Verbindungen

Olefine
Epoxide
Aziridine
Diketen

Katalytische Effekte durch Säuren, basen, Radikalbildner, Metalle und Metallsalze sind zu berücksichtigen.

1.3 Oxidationsmittel

Nachstehende Stoffe können in der Mischung mit brennbaren Stoffen bzw. Reduktionsmitteln zu großer Wärmefreisetzung führen:

HClO4(konz.) / Perchlorate
HNO3(konz.) / Nitrate
CrO3/ Chromate
KMnO4
Chlorate
Nitriersäuren
Alkylnitrite H2O2
Peroxide SO3/ Oleum
Sauerstoff / Ozon
Chlor

1.4 Reduktionsmittel

Folgende Reduktionsmittel können im Kontakt mit Oxidationsmitteln zu großer Wärmefreisetzung führen:

Metalle (z.B. Na, Zn)
metallorg. Verbindungen
Hydride (z.B. LiAlH4, NaBH4) Silane
Wasserstoff

2 Besondere Reaktionstypen

Hier werden Beispiele für Reaktionstypen genannt, bei denen im Gegensatz zu den genannten energiereichen Verbindungen thermisch stabile Stoffe in ebenfalls stabile Endprodukte umgewandelt werden. Solche Reaktionen können unterschätzt werden, weil die Hauptreaktion stark exotherm sein und zusätzlich unerwünschte, exotherme Nebenreaktionen anstoßen kann.

2.1 Bildung von Polymeren

2.2 Nukleophile Substitutionen

2.3 Neutralisationen im weiteren Sinne


.

Ermittlung sicherheitstechnischer Kenngrößen von Stoffen und Reaktionsgemischen Anhang 2

Die zur Beurteilung chemischer Reaktionen notwendigen sicherheitstechnischen Kenngrößen werden in der Regel mit Hilfe von Laborversuchen an kleinen Probemengen, in anderen Gefäßen und unter anderen Randbedingungen als denen des technischen Prozesses ermittelt. Hier sind folgende Punkte wichtig:

1 Identität der Stoffe

1.1 Probenahme

Die Beurteilung und die Analyse eines Stoffes oder eines Reaktionsgemisches beginnen bereits mit der Probenahme.

1.2 Repräsentativität der Probensubstanzen

Es muss sichergestellt sein, dass die untersuchten Proben den Substanzen in dem zu beurteilenden technischen Reaktionsansatz entsprechen. Es sind grundsätzlich Proben der Einsatzstoffe bzw. Reaktionsgemische zu verwenden, die auch im technischen Verfahren zum Einsatz kommen oder entstehen. Fast immer werden die Substanzen bzw. Gemische unspezifizierte Nebenkomponenten oder Verunreinigungen enthalten, die oft nicht bekannt sind und je nach Ursprung der Proben variieren können.

So können z.B.

den Reaktionsablauf sicherheitsrelevant beeinflussen.

Darüber hinaus ist bei der Versuchsvorbereitung und der Durchführung im Untersuchungslabor darauf zu achten, dass die Probe nicht aufgrund ihrer Handhabung oder eines Zeitversatzes relevante physikalisch/chemische Veränderungen erfahren hat, wie

2 Übersicht gängiger Messverfahren

Tabelle 2 gibt eine Übersicht über derzeit gebräuchliche Untersuchungsmethoden zur Ermittlung sicherheitstechnischer Kenngrößen im Labor. Eine zuverlässige Auswertung der Messergebnisse, insbesondere im Hinblick auf deren Übertragbarkeit auf den technischen Maßstab, kann in der Regel nur durch Personen oder Stellen mit umfangreichen technischen/physikalischen/chemischen Kenntnissen und Erfahrungen erfolgen. Einige der maßgeblichen Gesichtspunkte sind in Anhang 3 dargestellt.

Tabelle 2 : Übersicht über derzeit gebräuchliche Untersuchungsmethoden zur Ermittlung sicherheitstechnischer Kenngrößen im Labor

Kenngröße Reaktions-
kalorimeter:
Isotherm / isoperibol
Wärmefluss- oder Wärmebilanz-
kalorimeter
Grundversuche zur thermischen Stabilität: DifferenzThermoAnalyse (DTA):
Messung der Temperaturdifferenz zwischen Probe und einem inerten Referenzsystem bei Anwendung eines definierten Temperaturprogramms z.B. mit linearer Heizgeschwindigkeit DifferentialScanningCalorimetry (DSC):
Messung der Differenz des Wärmestroms zwischen Probe und Umgebung und des Wärmestroms zwischen einem inerten Referenzsystem und Umgebung bei Anwendung eines definierten Temperaturprogramms z.B. mit linearer Heizgeschwindigkeit
adiabatische Methoden mit geschlossenem Prüfgefäß:
thermisch isoliertes Messgefäß (passiv, Korrektur für Gefäßmasse erforderlich) Kompensations-
regelung für Wärmeverluste (aktiv)
Miniautoklav:
Isotherm / dynamisch
Reaktionswärme QR anwendbar anwendbar anwendbar nicht anwendbar
Gasentwicklung M anwendbar nicht anwendbar anwendbar anwendbar
Gasentwicklungsgeschwindigkeit dM/dt anwendbar nicht anwendbar anwendbar anwendbar
Wärmeproduktionsgeschwindigkeit dQR/dt anwendbar anwendbar anwendbar nicht anwendbar
adiabatischer Temperaturanstieg ΔTadiab. anwendbar anwendbar anwendbar nicht anwendbar
adiabatische Druckanstiegsgeschwindigkeit dpadiab/dt nicht anwendbar nicht anwendbar anwendbar nicht anwendbar
Adiabatische Induktionszeit zur Ableitung von Texo nicht anwendbar anwendbar anwendbar nicht anwendbar

Nähere Hinweise und Beschreibungen zu den einzelnen Messmethoden finden sich u.a. in /16/ und in den Unterlagen der Hersteller einschlägiger Apparaturen (spezifische Produktbeschreibungen und Betriebsanleitungen).

weiter .

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