umwelt-online: Methoden und Maßstäbe zur BBodSchV (6)

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2.4.1.4 Dermaler Bodenkontakt und perkutane Aufnahme

2.4.1.4.1 Datengrundlage und Methode

Experimentelle Untersuchungen zur perkutanen Bioverfügbarkeit von bodenassoziierten Schadstoffen am Tier liegen nur für wenige Stoffe vor (siehe Tabelle 8 sowie EPA, 1992). Eine relevante Resorption durch die Haut wird vor allem bei organischen Stoffen mit amphiphilem Verhalten (das heißt mit lipophilem Charakter bei gleichzeitig nicht zu geringer Wasserlöslichkeit) vermutet. Die Situation bei anorganischen Stoffen ist noch schwieriger zu beurteilen. Generell wird bei Metallverbindungen die perkutane Resorption aus dem Boden für vernachlässigbar gehalten. Aufgrund der komplexen Bindungssituation im Boden und den im Vergleich zu organischen Stoffen fehlenden Anhaltspunkten wird im Falle der anorganischen Stoffe davon ausgegangen, daß die dermale Exposition nicht von Bedeutung ist.

Von den hier zur Diskussion stehenden organischen Substanzen wurde Pentachlorphenol von der Arbeitsgruppe um Wester und Maibach (Wester et al., 1993a) in vitro und in vivo am Rhesusaffen untersucht (siehe unten). Dieselbe Arbeitsgruppe unternahm auch analoge Untersuchungen an Rhesusaffen mit DDT und Benzo(a)pyren (Wester et al., 1990) sowie mit polychlorierten Biphenylen (Wester et al., 1993b).

Weiter liegen Arbeiten einer Gruppe aus New Jersey, USA, zu Benzol, Xylol, Toluol und Phenol vor (Skowronski et al., 1990; Abdel-Rahman et al., 1992; Abdel-Rahman et al., 1993; Skowronski et al., 1994). Für alle Stoffe wurde eine praktisch vollständige Resorption der auf die Haut aufgebrachten Menge beobachtet. Diese In-vitro- und In-vivo-Untersuchungen (Rattenmodell) wurden jedoch mit einer Suspension des Bodens in den Substanzen (Konzentration der Stoffe im Boden > 20 %) durchgeführt. Sie repräsentieren deshalb eher das Verhalten von reinen Stoffen und sind nicht aussagekräftig für die Situation in Böden. Außerdem wurden die Untersuchungen in einer Anordnung durchgeführt, die das Verdampfen der flüchtigen Stoffe verhindert. Dies führt zu höheren Resorptionsquoten als unter realen Bedingungen. Dabei wurde erst der Boden auf die Haut der Tiere aufgebracht und die Substanzen anschließend in reiner Form zugegeben, so daß eine Durchmischung mit und Bindung an den Boden nicht gewährleistet war (siehe auch Diskussion hierzu in EPA, 1992). Aus diesen Gründen werden die Ergebnisse dieser Untersuchungen nicht zur Beurteilung der perkutanen Resorption von bodenassoziierten Schadstoffen herangezogen.

Bei fehlenden experimentellen Daten besteht die Möglichkeit, durch Modellierung eine Abschätzung der realen Verhältnisse vorzunehmen. Folgende Modellansätze sind vorhanden (eine Übersicht hierzu siehe in EPA, 1992):

Abschätzung der perkutanen Resorption von Stoffen nach dermalem Bodenkontakt

Beide Ansätze sind eingeschränkt durch den Mangel an Daten zur Validierung; In Tabelle 6 sind die wesentlichen- experimentellen In-vivo-Befunde zur perkutanen Resorption von Schadstoffen aus Boden dargestellt. Die Mehrzahl der Arbeiten stammt aus der Arbeitsgruppe um Wester und Maibach. Die Ergebnisse können mit den Modellaussagen verglichen werden.

McKone (McKone, 1990, sowie Weiterentwicklung in McKone und Howd, 1992) schlug ein Modell für nichtionische organische Substanzen vor, das den Diffussionsprozeß aus dem Boden durch die Haut beschreibt und damit eine Abschätzung des perkutan resorbierten Anteils ermöglicht. Wesentliche Einflußgrößen sind dabei der Oktanol-Wasser-Verteilungskoeffizient PO/W und die Henry-Konstante Kh. Auf die mathematischen Details des Modells wird an dieser Stelle nicht eingegangen. Im Ergebnis lassen sich nach McKone (1990) die Substanzen nach ihren physikochemischen Eigenschaften einteilen: Für Stoffe mit einer Lipophilie im Bereich von Werten für PO/W von 10 bis 106 wird die Resorption in Abhängigkeit von der Henry-Konstante 1 wie folgt vorhergesagt:

Klasse 1: Kh < 0,001: 100 % in 12 h
Klasse 2: 0,001 < Kh< 0,01: 40 % - 100 % in 12 h
Klasse 3: 0,01 < Kh < 0,1: < 40 % in 12 h
Klasse 4: Kh > 0,l: < 3 % in 12 h

In Tabelle 7 ist eine qualitative Einordnung der Stoffe nach diesen Kriterien gegeben. Einige der sehr lipophilen Stoffe (DDT, Benzo(a)pyren, PCB) überschreiten danach knapp die Grenze für den Oktanol-Wasser-Verteilungskoeffizienten von 106. Näherungsweise können aber auch diese Stoffe aufgrund ihrer physiko-chernischen Eigenschaften der Klasse 1 zugeordnet werden.

Der Versuch einer Validierung anhand der experimentellen Ergebnisse aus 7 zeigt, daß das Modell von McKone (1990) für diese Stoffe zu hohe resorbierte Anteile vorhersagt. Vom Modell werden Resorptionsquoten abgeschätzt, die weit über den experimentell gefundenen Werten liegen. Die höchste Resorption im In-vivo-Versuch wies Pentachlorphenol mit 24,4 % auf. Dabei ist zu beachten, daß die experimentellen Ergebnisse bei längerer Expositionszeit (24 h) gewonnen wurden, während die Modellaussagen für den Zeitraum von 12 Stunden gelten. Eine Korrektur auf gleiche Zeiträume würde die Diskrepanz noch verschärfen.

Tabelle 6: Ergebnisse von In-vivo-Untersuchungen am Tier zur perkutanen Resorption von bodengebundenen Schadstoffen (für die Stoffe wird zusätzlich der Haut-Wasser-Permeabilitätskoeffizient angegeben)

Substanz In-vivo-
Modell
Resorption Applika-
tionszeit
Hautbe-
deckung
mg/cm2

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(Stand: 28.03.2023)

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