umwelt-online: Methoden und Maßstäbe zur BBodSchV (7)

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2.4.1.5 Berücksichtigung einmaliger hoher Aufnahmemengen bei Stoffen mit hoher akuter Toxizität

Bei der Ableitung der Prüfwerte wird eine langfristige Aufnahme niedriger Dosen zugrunde gelegt, um chronische und subchronische toxische Wirkungen durch die Aufnahme von Boden-Kontaminanten zu vermeiden. Akute toxische Wirkungen können u. U. jedoch nach der einmaligen Aufnahme hoher Dosen eines Schadstoffes verursacht werden. Solche Expositionen sind nur unter extremen Bedingungen denkbar, die bei Zusammentreffen ungünstiger Einflußfaktoren wie z.B. massiver Bodenverunreinigungen, hoher Resorptionsverfügbarkeit von Schadstoffen, pica-Verhalten u. a. erfüllt sein können. Als pica-Verhalten bezeichnet man die absichtliche Aufnahme größerer Mengen (im Grammbereich) von Boden. Pica-Verhalten wird auch bei älteren Kindern beobachtet.

Zur Prüfung der Relevanz akut toxischer Wirkungen bei einmalig hoher Bodenaufnahme wird von folgenden Überlegungen ausgegangen:

Im Falle von Cyaniden ergeben sich aus den Überlegungen zur akuten Toxizität Konsequenzen für die Höhe der Prüfwerte. Für Cyanide wird in der Literatur eine niedrigste Letaldosis von 0,56 mg/kg genannt. Mit den obigen Vorgaben ergibt sich hieraus ein Bodenwert von 56 mg/kg. Dieser Wert liegt niedriger als die für alle Szenarien für langfristige Exposition berechneten Bodenwerte. Da in den Szenarien Kinderspielflächen, Wohngebiete sowie Park- und Freizeitflächen eine einmalige hohe Bodenaufnahme nicht ausgeschlossen ist, ist für diese Szenarien der Prüfwert auf Basis der Betrachtungen zur akuten Toxizität festzulegen.

Prinzipiell wird auch im Szenario Industrie- und Gewerbeflächen eine einmalige hohe Bodenaufnahme durch Kinder für möglich gehalten. Ein regelmäßiger Aufenthalt von Kindern auf Industriegeländen ist zwar unter regulären Bedingungen praktisch ausgeschlossen. Nicht immer ist jedoch davon auszugehen, daß diese Gebiete so gesichert sind, daß ein einmaliges Eindringen von Kindern, auszuschließen ist. Allerdings sind hierbei größere Kinder als gefährdete Gruppe anzusehen. Exposition gegenüber Schadstoffen im Boden ist durch Tätigkeiten wie Erdbewegungen, Bewerfen mit Erde und Wälzen auf dem Boden möglich. Eine Abschätzung der Exposition unter solchen Bedingungen ist schwierig. Es ist wahrscheinlich, daß gegenüber dem pica-Verhalten von Kleinkindern die Exposition auch unter extremen, nur selten auftretenden Bedingungen geringer ist. Diesem quantitativ nicht näher einzugrenzenden Umstand wird dadurch Rechnung getragen, daß der im Szenario "Kinderspielflächen" für die Betrachtung der akuten Toxizität bei Kleinkindern errechnete Bodenwert für das Szenario "Industrie- und Gewerbeflächen" mit dem Faktor 2 multipliziert wird. Der resultierende Prüfwert sollte bei Überschreitung insbesondere Anlaß geben, die mögliche Exposition von Kindern zu prüfen.

2.5 Kriterien für die Plausibilitätsbetrachtung der rechnerischen Ergebnisse bei der Ableitung von Prüfwerten

Alle Berechnungsergebnisse werden in der Plausibilitätsbetrachtung insbesondere dahin gehend geprüft, ob epidemiologische Studien vorliegen, die die Berechnungsergebnisse bestätigen oder ggf. Modifizierungen nahelegen. So können sich aus epidemiologischen Studien Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die Resorptionsquote eines bestimmten Schadstoffes bei Aufnahme aus Böden sich von seiner Resorptionsquote bei Aufnahme mit Lebensmitteln unterscheidet und die herangezogenen Körperdosis-Werte dies zuwenig berücksichtigen. Daneben ist das Rechenergebnis auch mit Daten zu Hintergrundgehalten in Böden zu vergleichen. Rechnerische Ergebnisse, die kleiner oder gleich den Hintergrundwerten der Böden sind, können zwar eine toxikologisch unerwünschte Belastung anzeigen, sie spiegeln jedoch keine einer Bodenveränderung zuzuordnende Gefahr wider und erscheinen daher als Prüfwert nicht geeignet. Weiter gehend kann postuliert werden, daß in einem solchen Fall die Zufuhr dieses Schadstoffes über die orale Bodenlaufnahme erst dann als Gefahr zu interpretieren ist, wenn sie sich von der Zufuhr über Lebensmittel abhebt.

Insoweit fachlich begründete Kriterien zur Plausibilitätsprüfung werden nachstehend zusammengefaßt:

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