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Baurechtliche Beurteilung von Mobilfunkanlagen
- Bayern -
Vom 22. Januar 2021
(Quelle: https://www.stmb.bayern.de)
Hinweise des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr
1. Anwendbarkeit von Bauplanungs- und Bauordnungsrecht
1.1. Bauliche Anlage im Sinne des Art. 2 Abs. 1 BayBO
Der Begriff der Mobilfunkanlage ist gesetzlich nicht definiert. Die nachfolgenden Hinweise gehen davon aus, dass eine Mobilfunkanlage aus einer oder mehreren Antennen, ggf. auf einem Mast oder einer anderen baulichen Anlage montiert, sowie einer Versorgungseinheit besteht, in der die technische Ausrüstung zum Betrieb der Antennen untergebracht ist. Mobilfunkanlagen in der beschriebenen Form sind bauliche Anlagen im Sinn von Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Bayer. Bauordnung (BayBO) und unterliegen damit den bauordnungsrechtlichen Vorschriften.
1.2 Mobilfunkanlagen zur Versorgung des öffentlichen Verkehrs
Bei der Errichtung von Mobilfunkanlagen auf öffentlich gewidmeten Straßengrund wird die erforderliche Sondernutzungserlaubnis gegebenenfalls von der Baugenehmigung ersetzt.
1.3 Vorhaben im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB
Nach § 29 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) gelten die §§ 30 bis 37 BauGB ausschließlich für Vorhaben, die die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt haben. Sofern ein Bebauungsplan nicht ausdrücklich Festsetzungen für Mobilfunkanlagen enthält, ist eine bauplanungsrechtliche Beurteilung dieser Anlagen folglich nur dann erforderlich, wenn die Vorhabensqualität nach § 29 Abs. 1 BauGB zu bejahen ist. Auch die Anwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 Baunutzungsverordnung (BauNVO) setzt voraus, dass es sich bei der Nebenanlage um ein Vorhaben im Sinn des § 29 Abs. 1 BauGB handelt.
Voraussetzung für die Annahme eines Vorhabens im bauplanungsrechtlichen Sinn ist die städtebauliche Relevanz der Anlage. Diese ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG Urteil v. 31.08.1973 - IV C 33.71; zuletzt bestätigt in BVerwG Urteil v. 07.12.2017 - 4 CN 7/16) dann zu bejahen, wenn die Anlage die in § 1 Abs. 5 BauGB genannten Belange in einer Weise berühren kann, die geeignet ist, das Bedürfnis nach einer ihre Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen.
Da die Erscheinungsformen von Mobilfunkanlagen nach Größe und konkreter Ausgestaltung vielfältig sind und insbesondere auch der jeweilige Standort für die Beurteilung maßgeblich ist, muss die Frage der städtebaulichen Relevanz in jedem Einzelfall gesondert überprüft werden. Das Bundesverwaltungsgericht hat - nicht abschließend - Kriterien herausgearbeitet, die bei Beantwortung der Frage städtebaulicher Relevanz Bedeutung haben: Es hält bei dieser Einzelfallbetrachtung für maßgeblich, ob die Mobilfunkanlage weithin sichtbar ist und "massiv" wirkt. (BVerwG Urteil v. 30.08.2012 - 4 C 1/11). Die bodenrechtliche Relevanz kann sich auch aus dem städtebaulichen Belang des Ortsbildes ( § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB) ergeben, wenn auf demselben Gebäude oder in dessen näheren Umgebung eine oder mehrere vergleichbare Anlagen hinzukommen sollten (BVerwG Urteil v. 30.08.2012 - 4 C 1/11; VGH München Beschluss v. 09.09.2009 - 1 CS 09.1292), wobei dabei deren Sichtbarkeit ebenfalls von Bedeutung ist. Zudem können bei einer starken Häufung der Anlagen die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse ( § 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB) sowie die Belange des Post- und Telekommunikationswesens betroffen sein (vgl. auch Ziffer 7.1.1.).
Die bauordnungsrechtlich vorgesehene Verfahrensfreiheit, Art. 57 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a) aa) BayBO, für bestimmte Mobilfunkanlagen kann lediglich ein Indiz für eine fehlende planungsrechtliche Relevanz nach § 29 Abs. 1 BauGB sein. So ist ein 10 m hoher (verfahrensfreier) Mobilfunkmast, der auf freiem Feld errichtet wird und weithin sichtbar ist, zweifelsfrei ein Vorhaben nach § 29 Abs. 1 BauGB. Wird dieselbe Mobilfunkanlage auf dem Dach eines Hochhauses in einem von Dachaufbauten geprägten Baugebiet errichtet, wird die Vorhabensqualität regelmäßig zu verneinen sein.
Sogenannte "small Cells" sind im innerstädtischen Raum an Gegenständen der Stadtmöblierung (Litfaßsäulen o.ä.) aber auch in Gebäuden (z.B. Fußballstadien, Einkaufszentren, Stadthallen) angebrachte Kleinsendeanlagen. Sie sind in vielen Fällen optisch nicht wahrnehmbar. Ihnen fehlt jedenfalls dann die städtebauliche Relevanz, wenn sie eine Größe von 1 m x 1m nicht überschreiten.
Aktuell erarbeitet die Europäische Kommission einen Durchführungsrechtsakt zu Art. 57 der Richtlinie 2018/1972 über den EU-Kodex für die elektronische Kommunikation. Der Durchführungsrechtsakt soll definieren, welche Mobilfunkanlagen nach Größe und konkreter Ausgestaltung unter den Begriff der "small Cells" fallen sollen. Die Mitgliedstaaten dürfen diese Anlagen keiner individuellen städtebaulichen Genehmigung und keiner anderen individuellen Vorabgenehmigungen unterwerfen, Art. 57 Absatz 1 der Richtlinie 2018/1972. Anlagen, die nach der Definition des Durchführungsrechtsakts vom Begriff der "small Cells" erfasst werden, haben keine städtebauliche Relevanz.
(Stand: 06.09.2023)
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