umwelt-online: BayStVollzG - Bayerisches Strafvollzugsgesetz (2)

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Abschnitt 13
Unmittelbarer Zwang

Art. 101 Allgemeine Voraussetzungen

(1) Bedienstete der Anstalten dürfen unmittelbaren Zwang anwenden, wenn sie Vollzugs- und Sicherungsmaßnahmen rechtmäßig durchführen und der damit verfolgte Zweck auf keine andere Weise erreicht werden kann.

(2) Gegen andere Personen als Gefangene darf unmittelbarer Zwang angewendet werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene zu befreien oder in den Anstaltsbereich widerrechtlich einzudringen, oder wenn sie sich unbefugt darin aufhalten.

(3) Das Recht zu unmittelbarem Zwang auf Grund anderer Regelungen bleibt unberührt.

Art. 102 Begriffsbestimmungen

(1) Unmittelbarer Zwang ist die Einwirkung auf Personen oder Sachen durch körperliche Gewalt, ihre Hilfsmittel und durch Waffen.

(2) Körperliche Gewalt ist jede unmittelbare körperliche Einwirkung auf Personen oder Sachen.

(3) Hilfsmittel der körperlichen Gewalt sind insbesondere Fesseln.

(4) Waffen sind die dienstlich zugelassenen Hieb- und Schusswaffen sowie Reizstoffe.

Art. 103 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

(1) Unter mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs sind diejenigen zu wählen, die den Einzelnen und die Allgemeinheit voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigen.

(2) Unmittelbarer Zwang unterbleibt, wenn ein durch ihn zu erwartender Schaden erkennbar außer Verhältnis zu dem angestrebten Erfolg steht.

Art. 104 Handeln auf Anordnung 09

(1) Wird unmittelbarer Zwang von einer vorgesetzten oder sonst befugten Person angeordnet, sind Vollzugsbedienstete verpflichtet, ihn anzuwenden, es sei denn, die Anordnung verletzt die Menschenwürde oder ist nicht zu dienstlichen Zwecken erteilt worden.

(2) Die Anordnung darf nicht befolgt werden, wenn dadurch eine Straftat begangen würde. Befolgen Vollzugsbedienstete sie trotzdem, trifft sie eine Schuld nur, wenn sie erkennen oder wenn es nach den ihnen bekannten Umständen offensichtlich ist, dass dadurch eine Straftat begangen wird.

(3) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung haben die Vollzugsbediensteten der anordnenden Person gegenüber vorzubringen, soweit das nach den Umständen möglich ist. Abweichende Vorschriften des allgemeinen Beamtenrechts über die Mitteilung solcher Bedenken an einen Vorgesetzten (§ 36 Abs. 2 und 3 des Beamtenstatusgesetzes) sind nicht anzuwenden

Art. 105 Androhung

Unmittelbarer Zwang ist vorher anzudrohen. Die Androhung darf nur dann unterbleiben, wenn die Umstände sie nicht zulassen oder unmittelbarer Zwang sofort angewendet werden muss, um eine rechtswidrige Tat, die den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt, zu verhindern oder eine gegenwärtige Gefahr abzuwenden.

Art. 106 Allgemeine Vorschriften für den Schusswaffengebrauch

(1) Schusswaffen dürfen nur gebraucht werden, wenn andere Maßnahmen des unmittelbaren Zwangs bereits erfolglos waren oder keinen Erfolg versprechen. Gegen Personen ist ihr Gebrauch nur zulässig, wenn der Zweck nicht durch Waffenwirkung gegen Sachen erreicht wird.

(2) Schusswaffen dürfen nur die dazu bestimmten Vollzugsbediensteten gebrauchen und nur, um angriffs- oder fluchtunfähig zu machen. Ihr Gebrauch unterbleibt, wenn dadurch erkennbar Unbeteiligte mit hoher Wahrscheinlichkeit gefährdet würden.

(3) Der Gebrauch von Schusswaffen ist vorher anzudrohen. Als Androhung gilt auch ein Warnschuss. Ohne Androhung dürfen Schusswaffen nur dann gebraucht werden, wenn das zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben erforderlich ist.

Art. 107 Besondere Vorschriften für den Schusswaffengebrauch

(1) Gegen Gefangene dürfen Schusswaffen gebraucht werden,

  1. wenn sie eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug trotz wiederholter Aufforderung nicht ablegen,
  2. wenn sie eine Meuterei (§ 121 StGB) unternehmen oder
  3. um ihre Flucht zu vereiteln oder um sie wieder zu ergreifen.

Um die Flucht aus einer Einrichtung des offenen Vollzugs zu vereiteln, dürfen keine Schusswaffen gebraucht werden.

(2) Gegen andere Personen dürfen Schusswaffen gebraucht werden, wenn sie es unternehmen, Gefangene gewaltsam zu befreien oder gewaltsam in eine Anstalt einzudringen.

Art. 108 Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge 18 22a

(1) Medizinische Untersuchung und Behandlung sowie Ernährung sind auch gegen den natürlichen Willen der Gefangenen zulässig, um

  1. eine konkrete Gefahr für das Leben oder eine konkrete schwerwiegende Gefahr für die Gesundheit der betroffenen Gefangenen oder
  2. eine konkrete Gefahr für das Leben oder die Gesundheit einer dritten Person

abzuwenden.

(2) Maßnahmen nach Abs. 1 dürfen nur angeordnet werden, wenn

  1. ärztlich über Art, Dauer, Erfolgsaussichten und Risiken der beabsichtigten Maßnahmen aufgeklärt wurde,
  2. zuvor frühzeitig, ernsthaft und ohne Druck auszuüben versucht wurde, die Zustimmung der Gefangenen zu erhalten,
  3. die Maßnahmen zur Abwehr der Gefahr geeignet sind,
  4. mildere Mittel keinen Erfolg versprechen,
  5. der zu erwartende Nutzen die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich überwiegt,
  6. Art und Dauer auf das zwingend erforderliche Maß beschränkt werden und
  7. in den Fällen des Abs. 1 Nr. 1 zusätzlich
    1. die betroffenen Gefangenen krankheitsbedingt nicht zur Einsicht in die Notwendigkeit der Maßnahme oder zum Handeln gemäß dieser Einsicht fähig sind und
    2. der nach § 1827 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu beachtende Wille der Gefangenen nicht entgegensteht.

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(Stand: 04.09.2023)

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