Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Ein Europa der Ergebnisse - Anwendung des Gemeinschaftsrecht KOM (2007) 502 endg.

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 28. September 2007 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 05. September 2007 dem Bundesrat zugeleitet.

Die Vorlage ist von der Kommission am 05. September 2007 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.


Hinweis: vgl.
Drucksache 222/03 (PDF) = AE-Nr. 030140 und
Drucksache 871/06 (PDF) = AE-Nr. 061728

Mitteilung der Kommission Ein Europa der Ergebnisse - Anwendung des Gemeinschaftsrechts1

I. Einleitung

Die Europäische Union ist auf Recht gegründet, sie betreibt ihre Politik großenteils durch Rechtsetzung und wird getragen vom Grundsatz der Rechtstaatlichkeit. Inwieweit die in den Verträgen und Rechtsvorschriften vorgegebenen Ziele tatsächlich erreicht werden, hängt von der wirkungsvollen Anwendung des Gemeinschaftsrechts in den Mitgliedstaaten ab. Aber Rechtsvorschriften erfüllen ihren Zweck nur dann voll und ganz, wenn sie korrekt angewandt und durchgesetzt werden. Der Rechtskorpus ist umfangreich - mehr als 9 000 legislative Maßnahmen, davon fast 2 000 Richtlinien, die jeweils zwischen 40 und mehr als 300 Umsetzungsmaßnahmen in nationales und regionales Recht erfordern. Die EU umfasst 27 nationale Verwaltungen und über 70 autonome Regionen. Mehr als 500 Millionen Europäer haben die Möglichkeit, sich darüber zu informieren, welche Rechte ihnen aus diesen Vorschriften erwachsen. Um den Erwartungen der Bürger an die Vorteile der EU zu entsprechen müssen wir auf dem Wege zu einer besseren Rechtsetzung vorangehen, der Rechtsanwendung hohe Priorität einräumen, etwaige Schwierigkeiten bei der Um- und Durchsetzung ermitteln und prüfen, ob der bisherige Ansatz zur Behandlung von Anwendungs- und Durchsetzungsproblemen verbessert werden kann. Mit dieser sich wandelnden Realität Schritt zu halten und gleichzeitig den Erwartungen der Bürger und den Erfordernissen einer besseren Rechtsetzung zu entsprechen stellt eine große Herausforderung dar.

Gelingt es nicht, diese Herausforderung zu meistern, ergibt sich daraus eine Schwächung der Grundlagen der Europäischen Union. Werden Rechtsvorschriften unkorrekt angewandt, besteht die Gefahr, dass die politischen Ziele nicht erreicht und die durch die Verträge garantierten Freiheiten nur teilweise realisiert werden können. Wird der Rechtsprozess nicht strategisch gesteuert erhalten Vertragsverletzungen nicht die ihnen gebührende Aufmerksamkeit und es wird immer länger dauern, bis Beschwerden von Bürgern geregelt werden. Diese Gefahr muss auf ein Mindestmaß begrenzt werden.

Die europäischen Institutionen und die Mitgliedstaaten sollten sich weiter dafür einsetzen, dass Gemeinschaftsrecht korrekt angewandt und umgesetzt wird und Anfragen und Beschwerden von Bürgern angemessen behandelt werden. Dies setzt eine engere Zusammenarbeit voraus, um Probleme zu vermeiden, auftretende Probleme effizienter zu regeln und festgestellte Verstöße rasch zu bereinigen; gleichzeitig müssen Transparenz und Informationsaustausch gefördert werden. Notwendig ist auch eine bessere Einbindung der Umsetzungs- und Durchsetzungsaspekte in den gesamten Politikzyklus - vom Vorschriftenentwurf über das Annahmeverfahren bis hin zur Ergebnisbewertung. Eine Klärung der Umsetzungsprobleme ist unabdingbar, wenn Rechtsvorschriften optimiert und die Ziele einer besseren Rechtsetzung wie Vereinfachung und Bürokratieabbau im Interesse der Bürger und Unternehmen erreicht werden sollen.

Diese Mitteilung zeigt Wege zu einer besseren Kontrolle der Anwendung des Gemeinschaftsrechts auf. Gestützt auf die Mitteilung aus dem Jahre 2002 folgt sie den Grundzügen, die in den Strategischen Überlegungen zur Verbesserung der Rechtsetzung in der Europäischen Union2 erläutert werden. Außerdem geht sie auf die wichtigsten politischen Anliegen ein, die in der Entschließung des Europäischen Parlaments vom Mai 2006 angesprochen werden. 3

II. Anwendung des Gemeinschaftsrechts in einer immer vielfältigeren Union

An der Anwendung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts sind viele Akteure beteiligt - die europäischen Institutionen, die Mitgliedstaaten sowie lokale und regionale Behörden und Gerichte. Umfang und Art der auftretenden Probleme variieren je nach Sachgebiet und Natur der begründeten Rechte.

Für die korrekte und fristgemäße Anwendung der EU-Verträge und der Rechtsvorschriften sind in erster Linie die Mitgliedstaaten verantwortlich.4 Sie tragen die Verantwortung für die unmittelbare Anwendung des Gemeinschaftsrechts, die Durchführung nationaler Umsetzungsvorschriften und für die zahlreichen Verwaltungsentscheidungen, die aufgrund dieser Rechtsvorschriften getroffen werden. Auch den nationalen Gerichten kommt eine wesentliche Rolle bei der Rechtswahrung zu, unter anderem indem sie dem Gerichtshof erforderlichenfalls Fragen zur Vorabentscheidung vorlegen.

Die Kommission hat verschiedene Aufgaben.

Die Überprüfung der Umsetzung von Gemeinschaftsrecht erfolgt über Kontakte, Schriftwechsel und Sitzungen mit den Mitgliedstaaten. Die Kommission kann ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten und die Mitgliedstaaten auffordern, eine fehlende oder falsche Umsetzung bzw. eine schlechte Rechtsanwendung zu korrigieren. Die Kommission kann die Angelegenheit vor den Gerichtshof bringen6, um einen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht durch einen Mitgliedstaat feststellen zu lassen7. Wenn dem ersten Urteil des Gerichtshofs nicht nachgekommen wird,8 kann die Kommission den Gerichtshof ein zweites Mal anrufen, um die Verhängung finanzieller Sanktionen zu beantragen.

Die Kommission berichtet dem Rat und dem Parlament jährlich über die Rechtsanwendung und -durchsetzung. Auf Antrag stellt sie sowohl dem Parlaments als auch dem Europäischen Bürgerbeauftragten Informationen bereit.

Bei der Rechtsanwendung ergeben sich zwangsläufig zahlreiche und unterschiedlichste Fragen und Probleme. Ende 2006 bearbeitete die Kommission mehr als 3 200 Vorgänge, einschließlich Beschwerden und von Amts wegen aufgegriffene Fälle9 sowie eine Vielzahl von Anfragen und Auskunftsverlagen, bei denen es um Erläuterungen oder Orientierungshilfen in Rechtsangelegenheiten ging.10

Hierfür gibt es zahlreiche Gründe. Möglicherweise schenken die Mitgliedstaaten einer korrekten Auslegung und Anwendung der Rechtsvorschriften nicht die nötige Aufmerksamkeit oder nationale Umsetzungsmaßnahmen werden zu spät getroffen oder mitgeteilt. Auch können Probleme bei der Auslegung und der Wahl der Verfahrensoptionen entstehen. Eine Richtlinie kann so umgesetzt oder eine Verordnung so ausgelegt werden, dass dies nicht in Einklang mit der betreffenden Gemeinschaftsmaßnahme steht. Solche Differenzen und Auslegungsprobleme können sich auf regionaler und lokaler Ebene noch verstärken. Manchmal liegt dies daran, dass die Rechtsvorschriften unklar oder schwer umsetzbar sind. Werden zu bestimmten Rechtsvorschriften aus mehreren Mitgliedstaaten zahlreiche Anfragen oder Verstöße gemeldet, kann dies die große Tragweite des Instruments oder das große Interesse der Beteiligten widerspiegeln, aber es könnte auch ein Indiz dafür sein dass von den Mitgliedstaaten besondere Anstrengungen unternommen werden müssen, um die Bestimmungen umzusetzen oder anzuwenden bzw. zu verstehen.

Dennoch erfordern relativ wenige der auftretenden Probleme ein Urteil des Gerichtshofs.

Rund 70 % der Beschwerden können abgeschlossen werden, bevor ein förmliches Aufforderungsschreiben verschickt wird; rund 85 % werden abgeschlossen, bevor eine mit Gründen versehene Stellungnahme ergeht und rund 93 % vor einem Urteil des Gerichtshofs.

Diese Zahlen bestätigen, dass ein hohes Maß an Rechtskonformität und Rechtsverständnis vorhanden ist, die korrekte Rechtsanwendung wächst und den Absichten des EU-Gesetzgebers zunehmend entsprochen wird.

Allerdings kann der Prozess langwierig sein. Bis eine Beschwerde vor einem förmlichen Aufforderungsschreiben eingestellt wird, vergehen im Schnitt 19 Monate; wird ein Fall in der Zeit zwischen dem förmlichen Aufforderungsschreiben und einer mit Gründen versehenen Stellungnahme abgeschlossen, dauert es 38 Monate und 50 Monate, wenn der Fall nach einer mit Gründen versehenen Stellungnahme und vor der Verweisung an den Gerichtshof abgeschlossen wird, so dass sich eine durchschnittliche Dauer von 26 Monaten ergibt.11

Verzögerungen oder Fehler bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts schwächen nicht nur das System an sich, sondern verringern auch die Chancen, dass die vorgegebenen Ziele erreicht werden und berauben Bürger wie Unternehmen der potentiellen Vorteile. Die EU-Institutionen im Allgemeinen und die Kommission und die Mitgliedstaaten im Besonderen haben ein gemeinsames Interesse daran, dies auf ein Minimum einzuschränken. Im Folgenden wird aufgezeigt wie das derzeitige System verbessert werden kann.

III. Verbesserungsfähige Bereiche

Es gibt im Wesentlichen vier Bereiche, in denen die Kommission Raum für Verbesserungen sieht:

1. Prävention

1.1. Stärkere Berücksichtigung der Durchsetzungsaspekte im gesamten

Politikzyklus Es sollten maximale Anstrengungen unternommen werden um sicherzustellen, dass Rechtsvorschriften klar, verständlich, praktikabel und durchsetzbar sind. Den Aspekten der Umsetzung, Verwaltung und Durchsetzung sollte bei der Ausarbeitung von Vorschlägen mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden, vor allem in der Folgenabschätzungsphase und während des gesamten Politikzyklus. Bei der Folgenabschätzung sollten Umsetzungsoptionen und deren Wirkungen sowie die Wahl des Rechtsinstruments geprüft werden, das die Effizienz der

Maßnahme am besten gewährleistet. Soweit wie möglich sollten Durchführungsmaßnahmen in Form von Verordnungen erfolgen.12

Den Kommissionsvorschlägen, die dem Rat und dem Parlament unterbreitet werden, sind in der Regel risokobasierte Anregungen beigefügt, um die fristgemäße Umsetzung zu erleichtern. Wie umfangreich die Vorarbeiten für die Umsetzung neuer Rechtsvorschriften sind hängt von der Art der damit verbundenen Verpflichtungen, dem Kontext und den bisherigen Erfahrungen ab. Diese können begrenzt sein, wenn es sich um eine technische

Maßnahme in einem bereits etablierten Rahmen handelt. In anderen Fällen könnte die Kommission beispielsweise anregen, dass Leitlinien vorgegeben, Expertensitzungen zu Umsetzungsfragen veranstaltet oder Vorkehrungen für eine Verwaltungskooperation getroffen werden um die korrekte Rechtsanwendung vorzubereiten. Die Kommission wird systematisch die Benennung einer Kontaktstelle verlangen und nähere Angaben zu Netzen liefern die nach Erlass jeder neuen Maßnahme für den Informationsaustausch errichtet werden. Ebenso wird die Kommission angeben, wie sie die korrekte Anwendung der Vorschrift zu verfolgen gedenkt (z.B. systematische Konformitätskontrollen, Berichte oder Untersuchungen, Inspektionen).

Die Kommission wird weiterhin Evaluierungsbestimmungen in neue Rechtsvorschriften aufnehmen die einen gemeinsamen Rahmen vorgeben, um zu beurteilen, ob die Vorschriften die beabsichtigten Wirkungen zeitigen und die Umsetzungsmaßnahmen ausreichend sind. Im Zuge der laufenden Evaluierungstätigkeit wird die Kommission auch bestehende Rechtsvorschriften überprüfen, vor allem im Lichte ermittelter Durchsetzungsprobleme um festzustellen wo zusätzliche Anstrengungen oder Änderungen nötig sind. Sie wird die Überwachung der unmittelbar geltenden Vertragsprinzipien und Verordnungen aktiv fortsetzen vor allem wenn keine spezifischen Instrumente zur Rechtsanwendung entwickelt worden sind und es um die Beachtung der Urteile und der Rechtssprechung des Gerichtshofs geht. Maßnahmen zur Problemaufdeckung werden risikobasiert sein und von der Marktüberwachung über den Dialog mit den Beteiligten und nationalen Regulatoren bis hin zum Follow-up von Vorabentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs reichen. Dabei wird der verbesserte Informationsfluss zwischen der EU und den nationalen Behörden über die Anwendung des EU-Rechts dazu beitragen, Probleme frühzeitiger zu erkennen und zu lösen.

1.2. Korrelationstabellen

Korrelationstabellen stellen eine wichtige Informationsquelle dar, die Aufschluss darüber gibt, wie Gemeinschaftsrichtlinien in den Mitgliedstaaten durchgeführt werden. In vielen Mitgliedstaaten sind diese Tabellen Teil des Legislativprozesses. Sie liefern nützliche Informationen zu minimalen Kosten und mit geringem Aufwand. Sie tragen zu Transparenz und Zugänglichkeit sowie zu einem besseren Rechtsverständnis und einer besseren Rechtsanwendung bei, einschließlich der Auslegung durch die Gerichte.

Die Kommission wird weiterhin systematisch in jeden neuen Richtlinienvorschlag die Verpflichtung zur Übermittlung einer Korrelationstabelle aufnehmen. Sie wird darauf während des Legislativprozesses insistieren. Sie wird nach Erlass der Richtlinie den Mitgliedstaaten eine Mustertabelle übermitteln und sie auffordern, diese auszufüllen und der Kommission mit den Umsetzungsmaßnahmen zurückzusenden. Die Kommission wird sich auch um eine generelle Zusicherung seitens des Rates und der Mitgliedstaaten bemühen, dass Korrelationstabellen umfassend einbezogen werden.

1.3. Schulung in Gemeinschaftsrecht

Die ordnungsgemäße Anwendung von Gemeinschaftsrecht hängt davon ab, dass die nationalen Behörden korrekte Entscheidungen treffen. Die Kommission wird die Mitgliedstaaten auffordern zu bestätigen, dass Beamten und Richtern eine Erstausbildung und lebenslange Schulung in Gemeinschaftsrecht angeboten wird um zu ermitteln, ob ein zusätzlicher Ausbildungsbedarf besteht, den die EU fördern könnte.13 Sie wird sich dafür einsetzen dass Datenbanken über Urteile nationaler Gerichte zum Gemeinschaftsrecht besser zugänglich sind. Auch wird sie ein erläuterndes Dokument zur Rechtsprechung des Gerichtshofs über Schadensersatzansprüche bei Verstößen gegen die aus dem Gemeinschaftsrecht erwachsenden Rechte veröffentlichen.

2. Informationsaustausch und Problemlösung

2.1. Sachlage

Ein Großteil der Anfragen und Beschwerden von Bürgern und Unternehmen zum Gemeinschaftsrecht sollten im Wege eines Informationsaustauschs oder kooperativen Problemlösungsansatzes effektiv geregelt werden. Derzeit verfügt die Kommission über verschiedene Mechanismen, um den Bürgern zu antworten. Allgemeine Anfragen werden von Europe Direct, dem Wegweiserdienst für Bürger, den EU-Infostellen für Unternehmen usw. bearbeitet. In Rahmen des SOLVIT-Netzes14 arbeiten die Mitgliedstaaten zusammen, um bei grenzüberschreitenden Binnenmarktproblemen eine Lösung zu finden.

Einige Anfragen und Beschwerden zur Anwendung des Gemeinschaftsrechts können nicht über diese Mechanismen geregelt werden. Gehen derartige Anfragen oder Beschwerden bei der Kommission ein, erteilt der zuständige Dienst die verlangten Rechtsauskünfte und fordert die Mitgliedstaaten gegebenenfalls auf, die Fakten zu bestätigen und ihre Position darzulegen.

Doch wird nicht genügend Gewicht auf die Notwendigkeit schneller, konstruktiver Lösung gelegt. Wenngleich Fortschritte erzielt worden sind, insbesondere durch den generellen Rückgriff auf "Paketsitzungen", wo die Kommission zusammen mit einem Mitgliedstaat alle laufenden Vorgänge in einem bestimmten Bereich überprüft, zieht sich bei manchen Problemen die Diskussion zwischen der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat über einen langen Zeitraum hin. Eine beträchtliche Zahl von Fällen kann erst nach Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens geregelt werden.

2.2. Verbesserung der Arbeitsmethodik

Damit Probleme zügiger gelöst und laufende Verfahren verstärkt abgewickelt werden, kann aus Sicht der Kommission die derzeitige Arbeitsmethodik verbessert werden.15 Wie bisher sollen alle bei der Kommission eingehenden Anfragen und Beschwerden zur korrekten Anwendung des Gemeinschaftsrechts weiterhin registriert und bestätigt werden, und die Kommission würde Erläuterungen zum Gemeinschaftsrecht bereitstellen. Ist eine Klärung der faktischen oder rechtlichen Position in dem Mitgliedstaat erforderlich, würde die Sache an den betreffenden Mitgliedstaat weitergeleitet. Sofern dringlichkeitshalber kein sofortiges Handeln geboten ist und die Kommission der Auffassung ist, dass der Kontakt zu dem Mitgliedstaat zu einer effizienten Lösung beitragen kann, würde dem Mitgliedstaat eine kurze Frist eingeräumt, um den interessierten Bürgern oder Unternehmen direkt die nötigen Klarstellungen, Informationen und Lösungsansätze zu übermitteln und die Kommission zu informieren. Liegt ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht vor, würde erwartet, dass die Mitgliedstaaten innerhalb vorgegebener Fristen Abhilfe schaffen oder anbieten. Wird keine Lösung vorschlagen, würde die Kommission die Sache weiterverfolgen und in Einklang mit der gängigen Praxis weitere Schritte einleiten, einschließlich eines Vertragsverletzungsverfahrens.

Die Mitgliedstaaten könnten so auftretende Probleme möglichst bürgernah innerhalb ihres nationalen rechtlichen und institutionellen Rahmens in Einklang mit den Erfordernissen des Gemeinschaftsrechts lösen. Mit dem nötigen Engagement bestünde so die Möglichkeit, dass Anfragen und Beschwerden rasch zum Abschluss gebracht werden.

Zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten werden Übermittlungsmechanismen eingerichtet. Eine zentrale Kontaktstelle in dem Mitgliedstaat würde die eingehenden Anfragen und ausgehenden Antworten bearbeiten. Diese Kontaktstelle würde die zuständige Behörde des Mitgliedstaates dazu ermutigen, konstruktiv zu reagieren, Informationen bereitzustellen das Problem zu lösen oder zumindest ihre Position darzulegen.

Es würden Aufzeichnungen über den Fortgang geführt, um etwaige Folgemaßnahmen zu erfassen einschließlich Registrierung und Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren.

Dabei würden Umfang, Art und Schweregrad der noch ungelösten Probleme erfasst und angegeben ob zusätzliche Problemlösungsmechanismen oder spezifische sektorale Initiativen erforderlich sind.16

Alle diese Maßnahmen dürften zu einer zahlenmäßigen Verringerung und effizienteren Abwicklung von Vertragsverletzungsverfahren beitragen. Die Kommission schlägt vor, dass 2008 ein Pilotversuch unter Beteiligung einiger Mitgliedstaaten durchgeführt wird, der nach Bewertung des ersten Jahres auf alle Mitgliedstaaten ausgedehnt werden könnte. Bei der Erprobung dieser Maßnahmen wird die Kommission darauf achten, dass wiederholte Konsultationen der Mitgliedstaaten vermieden werden und ihr Recht, offene Vorgänge eigenständig weiterzuverfolgen, in vollem Umfang wahrnehmen.

Mit der geänderten Arbeitsmethodik soll erreicht werden, dass Bürger und Unternehmen schneller eine Antwort erhalten, Probleme rasch gelöst und Verstöße bereinigt werden. Alle Mitgliedstaaten müssen größte Anstrengungen unternehmen, um nach Gemeinschaftsrecht konformen Lösungen für Beschwerden zu suchen und kurze Fristen bei der Behandlung aller auftretenden Probleme einzuhalten. Dies verlangt eine starke politische Unterstützung und die Bereitstellung hinreichender Ressourcen, sowohl durch die Kommission als auch die Mitgliedstaaten. Diese Anregungen, die eine Überarbeitung der Mitteilung zur Behandlung von Beschwerden17 erfordern, werden in Gesprächen mit den Mitgliedstaaten im Lichte des fortlaufenden interinstitutionellen Dialogs vertieft.

Die Kommission unternimmt auch zusätzliche Anstrengungen, um die Behandlung von Anfragen zu verbessern. So soll durch die Einrichtung eines einzigen online operierenden "Front Office" der Zugang zu bestehenden Informationseinrichtungen für Bürger erleichtert werden. Außerdem wird sie prüfen, ob ihre Vertretungsbüros in den Problemlösungsprozess eingebunden werden können.

Festzustellen ist, dass Beschwerdeführer in einigen Fällen ihre Rechte auf nationaler Ebene unmittelbar und wirksamer durchsetzen könnten. Nur ein nationales Gericht kann einstweilige Verfügungen erlassen, einzelstaatliche Entscheidungen aufheben, Schadenersatz zuerkennen usw.

3. Effizientere Behandlung von Verstößen

Dem Prozess der Vertragsverletzungsverfahren kommt eine wesentliche Rolle bei der korrekten Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu. Der Rückgriff auf Vertragsverletzungsverfahren sollte durch die oben beschriebenen Problemlösungs- und Präventivmaßnahmen reduziert werden. Dies wiederum wird zu einer effizienteren Abwicklung und Beilegung von Verstoßfällen führen.

Die korrekte Rechtsanwendung kann auch durch eine Prioritätensetzung bei der Behandlung solcher Verfahren verbessert werden.18

Alle Beschwerden und Verstöße müssen bearbeitet werden. Prioritätensetzung bedeutet, dass bestimmte Fälle von der Kommission noch zügiger und intensiver als andere bearbeitet werden.

Priorität sollte jenen Verstößen zuerkannt werden, welche die größten Risiken bieten, weitreichende Auswirkungen auf Bürger und Unternehmen haben sowie Verstöße, deren Fortbestehen vom Gerichtshof bestätigt wurde. Dazu gehören:

Diese Kategorien sind in der ausführlichen Prioritätenliste aufgeführt, die 2002 festgelegt wurde.19 Der Erfassungsbereich der ersten und der dritten Kategorie ist eindeutig. Die Definition der einschlägigen Grundsätze und die Folgenabschätzung spezifischer Probleme der zweiten Kategorie kann nur sektorweise erfolgen und hängt davon ab, dass veranschlagte Ressourcen verfügbar sind, wie dies beispielsweise in einer bevorstehenden Mitteilung im Umweltbereich geplant ist. Zusätzlich zu diesen drei Kategorien könnten auch andere Fälle in anderen Bereichen vorrangig behandelt werden. Die Kommission wird ihr diesbezügliches Vorgehen ab 2008 in ihren Jahresberichten beschreiben und erläutern.

Besondere Benchmarks sollten auf die Fortschrittskontrolle in folgenden Fällen angewandt werden:

Eine Benchmarkvorgabe für andere prioritäre Fälle scheint wenig sinnvoll, da sie in Inhalt und Kontext erheblich variieren. Diese Fälle sollen besonders beobachtet werden, um rasche Fortschritte zu gewährleisten.

Die Kommission bekräftigt ihr Engagement zu intensiverer Arbeit entsprechend den jeweiligen Prioritäten. Sie wird die Entscheidungsbildung in allen Verfahrensstufen beschleunigen damit rasche Fortschritte möglich werden.

4. Stärkung von Dialog und Transparenz

4.1. Interinstitutioneller Dialog

Die Anwendung des Gemeinschaftsrechts ist für alle EU-Institutionen von Interesse. Daher kann eine Anwendungsbewertung maßgeblich zur Politikgestaltung beitragen. Diskussionen zwischen den Institutionen über die Wirkungen des Gemeinschaftsrechts, dessen Umsetzung,

Verwaltung und Durchsetzung sowie eine Analyse der Grundursachen für Probleme können die Politikbewertung und -konzeption bereichern.

Die Kommission wird in ihrem Jahresbericht die schwerpunktmäßige Behandlung strategischer Probleme, die Bewertung der Rechtsanwendung in verschiedenen Sektoren, die Prioritäten und Programmierung künftiger Arbeiten einschließlich der Überprüfung von Rechtsbereichen, in denen es häufig zu Verstößen kommt, ausweiten. Dies wird den strategischen interinstitutionellen Dialog darüber, wie das Gemeinschaftsrecht seine Ziele erreicht über die auftretenden Probleme und möglichen Lösungsansätze unterstützen. Eine derartige gründliche Analyse könnte den Diskussionen im Parlament und im Rat zuträglich sein.

Im Anhang der Mitteilung werden einige Rechtsbereiche und gezielte Maßnahmen vorgeschlagen die im Rahmen des interinstitutionellen Dialogs erörtert werden könnten.

4.2. Verstärkte Transparenz

Transparenz und bessere Kommunikation sind ein Schlüsselelement der Beziehungen zwischen den europäischen Institutionen und zur breiten Öffentlichkeit. Bürger,

Unternehmen, Zivilgesellschaft, nationale und regionale Verwaltungen, das Europäische Parlament und die nationalen Parlamente sind alle an der Rechtsanwendung interessiert. Die Kommission veröffentlicht bereits ausführliche Angaben in ihren Jahresberichten. Sie informiert die Beschwerdeführer über alle Phasen der Bearbeitung ihrer Beschwerden, sie unterstützt den Petitionsausschuss, auf Anfrage informiert sie andere Parlamentsausschüsse und beantwortet Anfragen und Auskunftsersuchen des Europäischen Bürgerbeauftragten.

Die Kommission wird sich weiter für mehr Transparenz einsetzen, allgemeine Informationen über die Ergebnisse des neuen Ansatzes zur Bearbeitung von Korrespondenz, Anfragen und Beschwerden zur Verfügung stellen. Sie wird dafür Sorge tragen, dass - angefangen vom förmlichen Aufforderungsschreiben - fortlaufend kurze Angaben über sämtliche Phasen von Vertragsverletzungsverfahren veröffentlicht werden. Eine bestehende Datenbank wird entsprechend angepasst. In Einklang mit den Vorschriften für den Zugang von Dokumenten und der Notwendigkeit, die Effizienz des Vertragsverletzungsverfahren sicherzustellen, wird die Kommission weiterhin auf die Vertraulichkeit des Inhalts und der Kontakte mit den Mitgliedstaaten achten, solange die betreffenden Fälle untersucht werden.

Darüber hinaus wird die Kommission mehr Informationen veröffentlichen über: Ablaufende Umsetzungsfristen und den jeweiligen Stand der Umsetzung und der Übermittlung von Korrelationstabellen. Sie wird Schritte einleiten, um den Zugang zu ihrer elektronischen Datenbank für Umsetzungsmitteilungen und Korrelationstabellen zu öffnen, bis der Zugang zu nationalen Datenbanken gesichert ist. Außerdem wird sie das Portal EU-Recht auf der Europa-Website weiter ausbauen.

IV. Schlussfolgerung

Die fristgemäße und korrekte Anwendung des Gemeinschaftsrechts ist unabdingbar, um ein starkes Fundament der Europäischen Union aufrechtzuerhalten und sicherzustellen, dass die europäische Politik die beabsichtigten Wirkungen zeitigt und Vorteile für die Bürger bringt.

Die europäischen Institutionen und die Mitgliedstaaten haben ein gemeinsames Interesse daran ein tragfähiges Fundament zu wahren und müssen sich noch stärker dafür einsetzen, dass der korrekten Rechtsanwendung hohe Priorität zuerkannt wird.

Diese Mitteilung beschreibt sowohl die Schritte, welche die Kommission im Hinblick auf eine bessere Anwendung des Gemeinschaftsrechts ergreifen wird, als auch die gewünschten Beiträge der Mitgliedstaaten, des Parlaments und des Rates.

Anhang:
Zur Bewertung vorgeschlagene Bereiche des Gemeinschaftsrechts

Anhang
Mitteilung der Kommission: Ein Europa der Ergebnisse - Anwendung des Gemeinschaftsrechts

Anlage - zur Evaluierung vorgeschlagene Bereiche des Gemeinschaftsrechts

Justiz, Freiheit und Sicherheit:

Unternehmen und Industrie:

Fischerei und maritime Angelegenheiten:

Verkehr und Energie:

Beschäftigung, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit:

Gesundheit und Verbraucherschutz:

Informationsgesellschaft und Medien:

Binnenmarkt und Dienstleistungen:

Umwelt:

Infolgedessen ist die Kommission eher bereit Themenbereiche wie Naturschutz, Abfallentsorgung usw. zu erörtern anstatt sich auf einzelne losgelöste Richtlinien zu konzentrieren. Dies wird Gegenstand einer gesonderten Kommissionsmitteilung zur Anwendung der Umweltgesetzgebung sein, die sich an die vorliegende Mitteilung anschließen soll.