Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte
(Erstes Finanzmarktnovellierungsgesetz - 1. FimanoG)

Der Bundesrat hat in seiner 942. Sitzung am 26. Februar 2016 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe b, Nummer 6 und Nummer 33 Buchstabe c (§ 4 Absatz 2 Satz 3, § 4a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 und 3, § 39 Absatz 3d Nummer 3 WpHG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob es insbesondere aus verfassungsrechtlichen, systematischen und aufsichtspraktischen Gründen geboten ist, Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe b (§ 4 Absatz 2 Satz 3), Artikel 1 Nummer 6 (§ 4a Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 und 3) und Artikel 1 Nummer 33 Buchstabe c (§ 39 Absatz 3d Nummer 3) in der Weise zu ändern bzw. anzupassen, dass Börsen bzw. Betreiber von Börsen nicht in den Anwendungsbereich dieser Regelungen fallen.

Begründung:

Durch die im Entwurf vorgesehenen oben angeführten Regelungen werden Betreiber von Märkten, das heißt auch Börsen, polizeipflichtig gemacht. Dies würde bedeuten, dass künftig eine öffentlichrechtliche Anstalt eines Bundeslandes einer direkten Anordnung oder einem Bußgeldverfahren der Bundesbehörde BaFin ausgesetzt sein könnte. Weisungsbefugnisse des Bundes gegenüber Bundesländern und deren Behörden bestehen nach Artikel 85 GG nur in den Fällen der Bundesauftragsverwaltung. Ein solcher liegt hier nicht vor. Daher bestehen Bedenken gegen die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz. Ferner entspricht der Entwurf nicht der im WpHG und dem Börsengesetz enthaltenen systematischen Trennung von Wertpapieraufsicht der BaFin und Börsenaufsicht durch die Länder. Weiterhin würden die genannten Regelungen des Entwurfs eine doppelte Zuständigkeit begründen. Neben den Länderbehörden (Börsenaufsicht) wäre dann auch die Bundesbehörde (BaFin) für Kernbereiche der Börsenaufsicht zuständig. Dies würde zwangsläufig zu zahlreichen rechtlichen und praktischen Problemen führen.

Aus den genannten Gründen erscheint es angebracht näher zu prüfen, ob es geboten ist sicherzustellen, dass Börsen bzw. Betreiber von Börsen nicht in den Anwendungsbereich der oben angeführten Regelungen fallen.

2. Zu Artikel 1 Nummer 33 Buchstabe c (§ 39 Absatz 3d Nummer 2 Buchstabe a WpHG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob in Artikel 1 Nummer 33 Buchstabe c in § 39 Absatz 3d Nummer 2 Buchstabe a gestrichen werden sollte.

Begründung:

Die im Entwurf vorgesehene Einstufung eines leichtfertigen Verstoßes gegen das Verbot der Marktpreismanipulation ist europarechtlich nicht geboten und führt zu erheblichen Rechtsunsicherheiten. Während ein fahrlässiges Verhalten bei den Begehungsformen nach Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe c und d der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 (Marktmissbrauchsverordnung) noch vorstellbar ist, erscheint es hinsichtlich der Begehungsformen nach Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe a und b der Verordnung unmöglich, eventuelle fahrlässige Verhaltensweisen zu beschreiben bzw. den diesbezüglich erforderlichen Sorgfaltsmaßstab zu definieren. Dies macht es für Marktteilnehmer praktisch nicht möglich, im Vorhinein zu erkennen, welche Vorkehrungen zur Verhinderung von Verstößen zu treffen sind. Dasselbe gilt für die Betreiber von Märkten, die nach Artikel 16 Absatz 1 der Verordnung verpflichtet sind, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um solche Verstöße zu verhindern.

Artikel 5 Absatz 1 der Richtlinie 2014/57/EU (Marktmissbrauchsrichtlinie) verlangt lediglich, die Strafbarkeit von vorsätzlichen Verstößen gegen das Verbot der Marktmanipulation zu regeln. Auch aus Artikel 30 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 ergibt sich nichts anderes. Zwar sind danach wirkungsvolle verwaltungsrechtliche Sanktionen für Verstöße unter anderem gegen Artikel 15 der Verordnung vorzusehen. Dies bedeutet jedoch nicht zwingend, dass auch fahrlässige Verstöße sanktioniert werden müssten.

Daher sollte geprüft werden, ob die im Gesetzentwurf vorgesehene oben angeführte Regelung zu streichen ist. Sollte die Prüfung zu dem Ergebnis führen, dass eine Streichung angebracht erscheint, wäre sicherzustellen, dass vorsätzliche Verstöße weiterhin als Ordnungswidrigkeit eingestuft werden.

3. Zu Artikel 1 Nummer 33 Buchstabe e (§ 39 Absatz 4a Satz 3 WpHG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, wie in jedem Fall rechtssicher vermieden werden kann, dass sich Unternehmen der Festsetzung und Vollstreckung von Geldbußen durch Unternehmensumstrukturierung entziehen können.

Begründung:

Die Geldbußen des neuen § 39 Absatz 4a Satz 3 WpHG-E werden gegenüber der bisherigen Rechtslage erheblich angehoben. Die vorgeschlagene Mehrerlösabschöpfung kann sich auf das Dreifache des wirtschaftlichen Vorteils belaufen und ist nicht gedeckelt. Diese hohen Bußgeldandrohungen könnten im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage einen ökonomischen Anreiz setzen, die Unternehmensgeldbuße durch Unternehmensumstrukturierungen wie z.B. Fusionen, Verschmelzungen oder Übertragung der Assets auf andere Unternehmen etc. zu vermeiden. Entsprechend hohe vom Bundeskartellamt verhängte Bußgelder wurden in der Vergangenheit von ihren Adressaten angefochten, um die dann folgende gerichtliche Verfahrensdauer für eine Unternehmensumstrukturierung zu nutzen und so der Pflicht zur Zahlung der Bußgelder zu entgehen. Der Gesetzgeber hat dieses Problem in der 2013 in Kraft getretenen 8. GWB-Novelle durch Ergänzung des § 30 OWiG um den neuen Absatz 2a adressiert. Der Umfang der Wirksamkeit dieser Vorschrift und Vereinbarkeit mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und damit die Verfassungsmäßigkeit werden in der Literatur jedoch streitig diskutiert. Ferner ist fraglich, ob § 30 Absatz 2a OWiG alle Varianten, sich Geldbußen durch Unternehmensumstrukturierung zu entziehen, rechtssicher erfasst, so zum Beispiel auch durch Übertragung einzelner Wertgegenstände und Vermögensteile auf andere Unternehmen mit Nachfolgeinsolvenz des Bußgeldadressaten.

4. Zu Artikel 2 Nummer 4 (§ 31 Absatz 3a WpHG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, inwieweit bei Finanzinstrumenten, für die nach der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 kein Basisinformationsblatt veröffentlicht werden muss, wie z.B. börsennotierte Aktien oder Bundesanleihen (so genannte einfache Finanzinstrumente), von der Verpflichtung nach § 31 Absatz 3a WpHG, ein Produktinformationsblatt über jedes Finanzinstrument zur Verfügung zu stellen, auf das sich eine Kaufempfehlung bezieht, abgesehen werden kann.

Begründung:

Durch die Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 wird für Anleger zukünftig ein hohes Schutzniveau sichergestellt. Die nationale Regelung in § 31 Absatz 3a WpHG sollte daher nicht von den EU-rechtlichen Vorgaben abweichen und insbesondere nicht über diese hinausgehen. So würr Wertung des europäischen Gesetzgebers Rechnung getragen, der nur für komplexe Finanzinstrumente - nicht jedoch für einfache Finanzinstrumente - die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung gesehen hat (vgl. Erwägungsgrund 6 der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014). Mit Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 1286/2014 entfällt die Notwendigkeit für die Beibehaltung einer nationalen Regelung in § 31 Absatz 3a WpHG.

Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die bestehende Regelung in der Praxis zu Fehlsteuerungen führen kann. Eine Vielzahl kleiner und mittlerer Institute kann die Anforderungen an die Erstellung von Produktinformationsblättern für sämtliche Aktien nicht mehr erfüllen und sieht sich unverhältnismäßig hohen Aufwendungen gegenüber. Diese Problematik hat letztlich dazu geführt, dass sich viele Institute zwischenzeitlich aus der Wertpapierberatung zurückziehen und breiten Bevölkerungsschichten bestimmte Anlageformen nicht mehr zur Verfügung stellen. Dieser Entwicklung sollte insbesondere vor dem Hintergrund der anhaltenden Niedrigzinsphase entgegengewirkt werden, indem die nationale Vorgabe aufgegeben wird.

Zudem bestehen Zweifel, ob Informationsblätter für Aktien eines DAXUnternehmens oder eine Bundesanleihe Anlegern überhaupt einen signifikanten Erkenntnisgewinn verschaffen können.

In diesem Zusammenhang wird auch auf Ziffer 20 des Beschlusses des Bundesrates vom 6. Februar 2015 verwiesen (BR-Drucksache 638/14(B) HTML PDF ).

5. Zu Artikel 5 Nummer 01 - neu - (§ 3 Absatz 4 Satz 1 BörsG)

In Artikel 5 ist vor Nummer 1 folgende Nummer 01 einzufügen:

"01. In § 3 Absatz 4 Satz 1 werden die Wörter "denen ein Handelsteilnehmer direkten elektronischen Zugang zur Börse gewährt" durch die Wörter "die einem Handelsteilnehmer Aufträge elektronisch übermitteln, welche unter eingeschränkter oder gar keiner menschlichen Beteiligung von dem Handelsteilnehmer an die Börse weitergeleitet werden" ersetzt."

Begründung:

Bisher verstand das BörsG den Begriff "direkter elektronischer Zugang" als Synonym des sogenannten Orderroutings, bei dem ein Handelsteilnehmer ihm elektronisch zugeleitete Aufträge seiner Kunden ohne weitere menschliche Einwirkung elektronisch an die Börse weiterleitet. An den Börsen in Deutschland gibt es heute keinen direkten elektronischen Zugang, so wie dieser in Artikel 4 Nummer 41 der Richtlinie 2014/65/EU (Finanzmarktrichtlinie II) definiert ist. Denn danach ist Voraussetzung, dass ein Handelsteilnehmer einer anderen Person die Nutzung seines Handelscodes gestattet, damit diese Person Aufträge elektronisch direkt an den Handelsplatz übermitteln kann. Die Teilnahme am Börsenhandel ist nur den in § 19 BörsG genannten und durch die Geschäftsführung zuzulassenden Personen gestattet. Das deutsche Börsenrecht kennt keine "Jedermannbörse". Dies schließt eine direkte, das heißt nicht durch einen Intermediär erfolgende, Teilnahme sonstiger Personen aus. Daher darf ein Handelsteilnehmer seinen Handelscode einem Dritten nicht zur Verfügung stellen bzw. dieser darf nicht unter Nutzung eines fremden Handelscodes ohne eigene Zulassung am Börsenhandel teilnehmen. Da kein Anlass besteht, bisherige Orderrouting-Nutzer künftig aus dem Anwendungsbereich des § 3 Absatz 1 BörsG herauszunehmen, sondern im Gegenteil der Geltungsbereich börsenrechtlicher Vorschriften auf die Orderouting-Nutzer ausgeweitet werden sollte (siehe Vorschlag Ziffer 7) ist die Formulierung anzupassen.

6. Zu Artikel 5 Nummer 2a - neu - (§ 19 Absatz 8 Satz 2 BörsG)

In Artikel 5 ist nach Nummer 2 folgende Nummer 2a einzufügen:

"2a. In § 19 Absatz 8 Satz 2 werden nach dem Wort "Gebühren" die Wörter "sowie eines nach § 22 Absatz 2 auferlegten Ordnungsgeldes" eingefügt."

Begründung:

Etwa die Hälfte der Handelsteilnehmer der Frankfurter Wertpapierbörse (FWB) und der ganz überwiegende Teil der Handelsteilnehmer der Eurex ist außerhalb Deutschlands ansässig. Ist eine Beitreibung von Ordnungsgeldern, die durch den Sanktionsausschuss der Börse verhängt wurden, im Wege der Verwaltungsvollstreckung notwendig, so kann dies im Ausland auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen oder sogar gänzlich unmöglich sein. Die Möglichkeit eines temporären Ausschlusses vom Handel gibt der Börse ein Instrument an die Hand, den betroffenen Teilnehmer zur Zahlung des verhängten Ordnungsgeldes zu veranlassen.

7. Zu Artikel 5 Nummer 2b - neu - (§ 19a - neu - BörsG)

In Artikel 5 ist nach Nummer 2 folgende Nummer 2b einzufügen:

"2b. Nach § 19 wird folgender § 19a eingefügt:

" § 19a Mittelbare Börsenteilnehmer

Für mittelbare Börsenteilnehmer im Sinne des § 3 Absatz 4 Satz 1 gelten § 19 Absatz 9, § 22 sowie die den Ablauf des Börsenhandels betreffenden börsenrechtlichen Vorschriften entsprechend.""

Begründung:

Orderrouting-Nutzer können faktisch nahezu mit den gleichen Möglichkeiten am Börsenhandel teilnehmen wie zugelassene Handelsteilnehmer. Während Handelsteilnehmer eine Vielzahl von börsenrechtlichen Vorschriften einzuhalten haben, sind Orderrouting-Nutzer hiervon gänzlich befreit, da die börsenrechtlichen Vorschriften nur für Handelsteilnehmer gelten. Nach § 22 Absatz 2 BörsG kann ein Handelsteilnehmer sanktioniert werden, wenn eine für ihn handelnde Person gegen börsenrechtliche Vorschriften verstößt. Ein Orderrouting-Nutzer handelt allerdings nicht für den Handelsteilnehmer. Im Übrigen erscheint es nicht angemessen, den eigentlichen Verursacher von Regelverstößen, das heißt den Orderrouting-Nutzer, in keiner Weise zur Verantwortung zu ziehen. Selbst wenn infolge eines oder mehrerer Verstöße der Handelsteilnehmer die Geschäftsbeziehung zu seinem Kunden beenden sollte, ist es letzterem ein Leichtes, über einen anderen Orderrouting-Anbieter weiter am Börsenhandel teilzunehmen. Es ist daher notwendig, durch die vorgeschlagene Regelung den Anwendungsbereich des BörsG teilweise und soweit erforderlich auf die Orderrouting-Nutzer auszudehnen.