Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes

A. Problem

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

E. Sonstige Kosten

F. Bürokratiekosten

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes

Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 16. Februar 2007
Die Bundeskanzlerin

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Harald Ringstorff

Sehr geehrter Herr Präsident,

hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen


mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.


Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel

Fristablauf: 30.03.07

Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes

Vom ...

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes

Das Bundesnaturschutzgesetz vom 25. März 2002 (BGBl. I S. 1193), zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 9. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2833) wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Änderung der Bundesartenschutzverordnung

Artikel 3
Inkrafttreten

Begründung

A. Allgemeines

I. Ausgangslage und wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfs

1. Ausgangslage

Der vorliegende Gesetzentwurf dient der Umsetzung des gegen die Bundesrepublik Deutschland in der Rechtssache C-98/03 ergangenen Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 10. Januar 2006.

Von den in dem Urteil beanstandeten Vorschriften betreffen vier Rügen Regelungen des Bundesnaturschutzgesetzes in der Fassung vom 25. März 2002 (BGBl. I S. 1193).

Im Einzelnen hat der Gerichtshof insoweit für Recht erkannt und entschieden, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 6 Abs. 3 sowie den Artikeln 12, 13 und 16 der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (FFH-Richtlinie) verstoßen hat, indem sie

2. Wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfs

Den das Bundesnaturschutzgesetz betreffenden Beanstandungen wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf abgeholfen. Der Gesetzentwurf beschränkt sich dabei auf eine 1 : 1-Umsetzung des Urteils. Inwieweit national gefährdete Arten insbesondere auch im Bereich der Land- und Forstwirtschaft und bei der Zulassung von Vorhaben und bei Planungen den europarechtlich geschützten Arten gleichgestellt werden müssen um einen angemessenen Schutz zu gewährleisten, wird bei der Novellierung des Bundesnaturschutzrechts im Rahmen der Schaffung eines Umweltgesetzbuches geprüft und entschieden werden. Im Einzelnen umfasst der vorliegende Gesetzentwurf folgende Regelungsinhalte:

II. Gesetzgebungskompetenz des Bundes

Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes folgt aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG.

III. Alternativen

Keine.

IV. Gender-Mainstreaming

Die vorgesehenen Änderungen des Bundesnaturschutzgesetzes und weiterer Rechtsvorschriften haben keine Auswirkungen auf die Lebenssituation von Männer und Frauen.

V. Gesetzesfolgen

1. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

2. Kosten für die Wirtschaft und Preiswirkungen

Den (unter 1. b)) dargestellten Auswirkungen der unter Artikel 1 Nummern 2 und 4 vorgenommenen Änderungen auf die Verwaltungstätigkeit der Länder entsprechen Folgen für Vorhaben der gewerblichen Wirtschaft. Grundsätzlich ist denkbar, dass Vorhaben aus dem Bereich des Immissionsschutzrechts und des Wasserrechts, für die bisher keine Verträglichkeitsprüfung durchgeführt werden musste, nunmehr eine Verträglichkeitsprüfung durchzuführen ist und Vorhaben, für die es bisher keiner Anzeige- oder Zulassung bedurfte, nunmehr anzeigepflichtig werden. Die Folgen dieser Änderungen für die Wirtschaft werden gleichwohl marginal bleiben, weil die Zahl selbst der denkbaren Fälle, in denen es zu neuen Verpflichtungen des Vorhabensträgers kommt äußerst gering ist und die praktische Relevanz noch einmal geringer anzusetzen ist.

Die Auswirkungen auf die Einzelpreise sind marginal, das allgemeine Preisniveau und das Verbraucherpreisniveau bleiben unberührt.

VI. Befristung

Die Möglichkeit einer Befristung der vorgesehenen Regelungen wurde geprüft, ist aber im Ergebnis zu verneinen, weil die Änderungen des Bundesnaturschutzgesetzes und weiterer Rechtsvorschriften der Umsetzung von unbefristet geltendem Europäischem Recht dienen.

B. Einzelbegründungen

Zu Artikel 1 (Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes)

Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)

Folgeänderung zur Aufhebung von § 36.

Zu Nummer 2 (§ 10 Abs. 1 Nr. 11)

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil in der Rechtssache C-98/03 festgestellt, dass der Projektbegriff des § 10 Abs. 1 Nr. 11 Buchst. b und c bisheriger Fassung nicht der FFH-Richtlinie entspricht, weil er dazu führt, dass keine Verträglichkeitsprüfung durchgeführt werden muss

Dementsprechend wird die Unterscheidung von Vorhaben und Maßnahmen innerhalb und außerhalb von Natura 2000-Gebieten sowie die Beschränkung auf nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungsbedürftige Anlagen und nach dem Wasserhaushaltsgesetz bewilligungs- bzw. erlaubnispflichtige Gewässerbenutzungen aufgegeben. Um dem Begriff "Projekt" dennoch eine Kontur zu geben, wird für dessen Definition auf den Vorhabensbegriff der Richtlinie 84/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (UVP-Richtlinie), geändert durch die Richtlinie 97/11/EG vom 3. März 1997 und durch die Richtlinie 2003/35/EG vom 26. Mai 2003, zurückgegriffen. Dies erscheint vor allem deshalb gerechtfertigt, weil der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 7. September 2004 in der Rechtssache C-127/02 (Herzmuschelfischerei) ausgeführt hat, dass der Vorhabensbegriff der UVP-Richtlinie erheblich zur Ermittlung des Begriffes Plan oder Projekt im Sinne der Habitatrichtlinie ist (Rdn. 26). Danach sind als Projekt zum einen die Errichtung von baulichen und sonstigen Anlagen (vgl. Artikel 1 Abs. 2 1. Anstrich UVP-Richtlinie) sowie deren Änderung oder Erweiterung (vgl. Anhang I Nr. 22 und Anhang II Nr. 13 UVP-Richtlinie) anzusehen.

Da die Erweiterung als Unterfall der Änderung anzusehen ist, wurde auf deren gesonderte Nennung vorliegend verzichtet. Zum anderen umfasst der Projektbegriff sonstige Eingriffe in Natur und Landschaft einschließlich derjenigen zum Abbau von Bodenschätzen (vgl. Artikel 1 Abs. 2 2. Anstrich UVP-Richtlinie). Der Begriff "Eingriff" kann nicht übernommen werden da er im BNatSchG bereits belegt ist. Daher wurde die Formulierung "in Natur und Landschaft eingreifende Maßnahme" gewählt, die in § 2 Abs. 2 Nr. . 1 und 2 jeweils Buchstabe c) des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung i.d.F. der Bekanntmachung vom 25. Juni 2005 (UVPG) enthalten ist. Darüber hinaus wird nicht auf einen abgeschlossenen Vorhabenkatalog Bezug genommen, wie er etwa in Anhang 1 der UVP-Richtlinie aufgeführt ist, da denkbar ist, dass insbesondere auch Anlagen, die unterhalb bestimmter Schwellenwerte liegen, zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Natura 2000-Gebiets führen können. Die den in § 5 Abs. 4 bis 6 genannten Anforderungen sowie den Regeln der guten fachlichen Praxis, die sich aus dem Recht der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft und § 17 Abs. 2 des Bundes-Bodenschutzgesetzes ergeben, entsprechende land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung wird wie bisher den Projektbegriff in der Regel nicht erfüllen.

Zu Nummer 3 (§ 11)

Folgeänderung zur Aufhebung von § 36.

Zu Nummer 4 (§ 34 Abs. 1a)

Wie oben ausgeführt bemängelt der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil, dass nicht sichergestellt sei, dass tatsächlich alle Vorhaben und Maßnahmen, die ein Natura 2000-Gebiet erheblich beeinträchtigen können, einer Verträglichkeitsprüfung unterworfen werden.

Da es nicht für alle potenziell beeinträchtigenden Handlungen Anzeige- oder Genehmigungsverfahren gibt muss ein Verfahren etabliert werden, mit dem den Behörden solche Vorhaben zumindest bekannt werden. Dafür wird mit der vorgesehenen Regelung ein Anzeigeverfahren bereitgestellt das von den für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden durchgeführt werden soll (Satz 1). Von einem obligatorischen Genehmigungsverfahren für solche Maßnahmen wurde aus Gründen der Verfahrensökonomie abgesehen.

Zwar muss die zuständige Behörde prüfen, ob das angezeigte Vorhaben erheblich beeinträchtigend wirkt und dann die erforderlichen Maßnahmen treffen. In diesem Zusammenhang kann sie die Vorlage der zur Prüfung erforderlichen Unterlagen verlangen und die Durchführung des Projekts zeitlich befristen oder anderweitig beschränken (Satz 2). Ist dies aber nicht der Fall, muss sie nicht weiter tätig werden und insbesondere keinen (gebührenpflichtigen) Bescheid erteilen. Mit der Durchführung des Projekts kann ohne weiteres begonnen werden wenn die Behörde innerhalb eines Monats nach Eingang der Anzeige seitens der Behörde keine Entscheidung getroffen wird (Satz 3). Wird mit der Durchführung des Projekts ohne die erforderliche Anzeige begonnen, kann die Behörde die vorläufige Einstellung anordnen (Satz 4). Kann das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen eines Natura-2000-Gebiets führen und liegen die Voraussetzungen für eine Ausnahme nach § 34 Abs. 3 bis 5 nicht vor, hat die Behörde die Durchführung des Projekts zu untersagen (Satz 5). Zugunsten derjenigen Länder, die in ihren Naturschutzgesetzen ein repressives Verbot für alle Veränderungen oder Störungen enthalten, die ein Natura 2000-Gebiet erheblich beeinträchtigen können enthält die Vorschrift eine Vorrangregelung (Satz 6).

Von der Anzeigepflicht sind Behörden für die von ihnen durchgeführten Projekte ausgenommen.

Sie sind selbst dafür verantwortlich, die Einhaltung materiellen Rechts in Bezug auf die von ihnen ausgeführten Vorhaben zu gewährleisten. Sie haben dabei die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden zu beteiligen. Dies ergibt sich für die bundeseigene Verwaltung aus § 6 Abs. 2, im übrigen aus den im Rahmen des § 6 Abs. 3 erlassenen oder anderen landesrechtlichen Vorschriften.

Soweit die Regelvermutung des § 10 Abs. 1 Nr. 11 a. E. greift, ist die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung nicht anzeigepflichtig. Für die Bereiche Eisenbahnen des Bundes und Bundesfernstraßen bleibt es bei den spezialgesetzlich geregelten Zuständigkeiten (Satz 7).

Zu Nummer 5 (§ 36 a.F.)

Die Aufhebung von § 36 ist angesichts des klaren Diktums des Europäischen Gerichtshofs ebenfalls geboten, wonach nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass auch Emissionen von Anlagen, die ein Schutzgebiet außerhalb des Einwirkungsbereichs der Anlage treffen, dieses Gebiet erheblich beeinträchtigen können, und auch solche Beeinträchtigungen dem Rechtsregime des Artikels 6 Abs. 3 und 4 FFH-Richtlinie unterworfen werden müssen. Darüber hinaus wird der in § 36 enthaltene Verweis auf die Ausgleichsverpflichtung nach der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung (§ 19 Abs. 2) ganz überwiegend für nicht europarechtskonform gehalten weil damit die Voraussetzungen des Artikels 6 Abs. 3 und 4 FFH-Richtlinie verfehlt werden (vgl. nur Gassner/Bendomir-Kahlo/Schmitdt-Räntsch, BNatSchG, 2. Aufl. 2003, § 36 Rdn. 13 f.).

Zu Nummer 6 (§ 37 Abs. 2)

Folgeänderung zur Aufhebung von § 36.

Zu Nummer 7 (§ 42)

Mit den in Absatz 1 vorgenommenen Änderungen wird der Wortlaut der Verbotstatbestände eng an den Wortlaut von Artikel 12 FFH-Richtlinie und Artikel 9 Vogelschutz-Richtlinie angepasst und systematisch stringenter geregelt. Inhaltlich ergeben sich gegenüber dem bisherigen Rechtszustand nur geringfügige Änderungen. Unter den Nummern 1 bis 3 sind nun alle für Tiere einschließlich deren Fortpflanzungs- und Ruhestätten geltenden Verbote erfasst,

Nummer 4 regelt sämtliche für Pflanzen einschließlich deren Standorte geltenden Verbotsbestimmungen.

Bei dem in Nummer 2 geregelten Störungsverbot wird wie in Artikel 12 Abs. 1 Buchst. b FFH-Richtlinie und Artikel 5 Buchst. d Vogelschutzrichtline nunmehr auf bestimmte Zeiten und nicht mehr - wie bisher - auf bestimmte Orte, an denen eine Störung verboten ist, abgestellt. Eine inhaltliche Verschärfung des Verbots ist damit nicht verbunden.

Vielmehr verlangt der Verbotstatbestand nunmehr, dass die Störung erheblich sein muss, wie dies in Artikel 5 Buchst. d Vogelschutz-Richtlinie ausdrücklich vorgesehen ist. Das Erheblichkeitserfordernis ist aber auch zur Umsetzung des Artikels 12 Abs. 1 Buchst. b FFH-Richtlinie vertretbar da auch hier ein Schutzbedürfnis nur besteht, wenn die nachteiligen Auswirkungen ein gewisses Maß erreichen (vgl. auch den Entwurf der Europäischen Kommission eines Guidance document on the strict protection of animal species of community interest provided by the "Habitats" Directive sub II.3.2.a). Eine erhebliche Störung liegt danach vor wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert. Eine lokale Population umfasst diejenigen (Teil-)Habitate und Aktivitätsbereiche der Individuen einer Art, die in einem für die Lebens(-raum)ansprüche der Art ausreichenden räumlichfunktionalen Zusammenhang stehen. Eine Verschlechterung des Erhaltungszustandes ist insbesondere dann anzunehmen, wenn die Überlebenschancen, der Bruterfolg oder die Reproduktionsfähigkeit vermindert werden, wobei dies artspezifisch für den jeweiligen Einzelfall untersucht und beurteilt werden muss. In Nummer 3 wird der auch bisher vorgesehene Schutz bestimmter Lebensstätten aus dem Individuenschutz herausgelöst und tatbestandlich eigenständig gefasst. Dabei entsprechen die nunmehr gewählten Begriffe "Fortpflanzungs- und Ruhestätten" dem Wortlaut von Artikel 12 Abs. 1 Buchst. d FFH-Richtlinie.

Von ihnen umfasst sind aber auch "Nester" im Sinne von Artikel 5 Buchst. b Vogelschutz-Richtlinie.

In Nummer 4 umfasst das Verbot der Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung sämtliche in Nummer 2 des bisher geltenden Rechts aufgeführten Tathandlungen.

Auf die Erfüllung subjektiver Tatbestandsmerkmale wie "absichtlich", "vorsätzlich" oder "fahrlässig" kommt es im Rahmen der Verbote nach Absatz 1 nicht an. Ist ein Verbotstatbestand objektiv erfüllt, kann die zuständige Behörde bereits ordnungsrechtlich tätig werden, indem sie etwa eine Unterlassungsverfügung erlässt. Die subjektive Seite ist im Rahmen der Verfolgung tatbestandsmäßiger Handlungen als Ordnungswidrigkeit oder Straftat zu prüfen.

Die Verwirklichung sozialadäquater Risiken, wie etwa unabwendbare Tierkollisionen im Verkehr, erfüllt nicht die Tatbestände des Absatzes 1. Derartige Umstände sind bei der Zulassung entsprechender Vorhaben ggf. im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung mit der gebotenen Sorgfalt zu berücksichtigen.

Mit der Ergänzung des § 42 um die neuen Absätze 4 und 5 werden bestehende und von der Europäischen Kommission anerkannte Spielräume bei der Auslegung der artenschutzrechtlichen Vorschriften der FFH-Richtlinie genutzt und rechtlich abgesichert, um für die Betroffenen akzeptable und im Vollzug praktikable Ergebnisse bei der Anwendung der Verbotsbestimmungen des Absatzes 1 zu erzielen. Diese Spielräume erlauben im Bereich der Land- und Forstwirtschaft eine auf den Erhaltungszustand der lokalen Population und nicht rein individuenbezogene Bewirtschaftung und bei der Zulassung von Vorhaben und bei Planungen eine auf die Aufrechterhaltung der ökologischen Funktionalität von Fortpflanzungs- und Ruhestätten gerichtete Prüfung.

Die in Absatz 4 getroffene Regelung trägt der Erfahrung Rechnung, dass die Ausübung von - den Grundsätzen der guten fachlichen Praxis und den Anforderungen des § 5 Abs. 4 bis 6 entsprechender - land-, forst- und fischereiwirtschaftlicher Bodennutzung einerseits und dem Fortbestand in ihren Bestandszahlen stabiler Populationen der besonders bzw. streng geschützten Arten andererseits grundsätzlich durchaus nebeneinander möglich ist. Insbesondere im Bereich der Landwirtschaft ist das Vorkommen bestimmter Arten häufig sogar an bestimmte Landnutzungsformen gebunden. Auch der Verlust einzelner Individuen der geschützten Arten bei der täglichen Wirtschaftsweise führt daher nicht notwendig zu einer Gefährdung der Bestände. Die Regelung lehnt sich daher für die nach nationalem Recht besonders geschützten Arten an die Vorschrift des § 43 Abs. 4 a.F. an. Diese besonderen Umstände müssen aber auch im Rahmen der Umsetzung und Anwendung der europarechtlichen Bestimmungen berücksichtigt werden (vgl. auch den Entwurf eines Guidance document sub II.2.4). Deshalb ist es - auch unter Berücksichtigung des ansonsten entstehenden Aufwandes für Land-, Forst- oder Fischereiwirtschaft und Verwaltung - gerechtfertigt, für solche einzelnen Verluste die Verbotsbestimmungen des Absatzes 1 nicht zur Anwendung zu bringen.

Bestehen allerdings Anhaltspunkte dafür, dass diese Grundannahme nicht zutrifft, dass es also durch die land-, forst- oder fischereiwirtschaftliche Bodennutzung, wie sie konkret vor Ort ausgeführt wird, nicht nur zu Einzelverlusten kommt, sondern dass sich der Erhaltungszustand der lokalen Populationen negativ entwickelt, ist es zumindest in Bezug auf die im Anhang IV der FFH-Richtlinie aufgeführten Arten und europäischen Vogelarten erforderlich, dieser Entwicklung durch entsprechende Maßnahmen zu begegnen. Diese müssen gewährleisten, dass die konkret vor Ort ausgeübte land-, forst-, oder fischereiwirtschaftliche Bodennutzung künftig in einer den Bestand der lokalen Populationen erhaltenden bzw. wiederherstellenden Weise stattfindet. Dazu sollen vorrangig die Instrumente des Gebietsschutzes, Artenschutzprogramme, vertragliche Vereinbarungen und gezielte Aufklärung genutzt werden. Soweit mit diesen aber der Bestand der lokalen Populationen nicht erhalten oder wiederhergestellt werden kann, ist die zuständige Behörde verpflichtet, die erforderlichen Bewirtschaftungsvorgaben zu erlassen. Die Feststellung des Erhaltungszustands der lokalen Populationen ist dabei Aufgabe der zuständigen Behörden. Befugnisse nach Landesrecht zur Anordnung oder zum Erlass entsprechender Vorgaben durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung bleiben von der bundesgesetzlichen Regelung unberührt.

Gemäß Absatz 5 Satz 1 gelten für nach § 19 zulässige Eingriffe in Natur und Landschaft sowie nach den Vorschriften des Baugesetzbuches zulässige Vorhaben im Sinne des § 21 Abs. 2 Satz 1 (Vorhaben in Gebieten mit Bebauungsplänen nach § 30 des Baugesetzbuches, während der Planaufstellung nach § 33 des Baugesetzbuches und im Innenbereich nach § 34 des Baugesetzbuches) die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nach bestimmten Maßgaben.

Soweit in Anhang IV der FFH-Richtlinie aufgeführte Arten oder europäische Vogelarten betroffen sind, ist nach Satz 2 der Verbotstatbestand des Absatzes 1 Nr. 3 dann nicht verwirklicht, wenn sichergestellt ist, dass trotz Entnahme, Beschädigung oder Zerstörung einzelner Nester, Bruthöhlen, Laichplätze etc. die ökologische Funktion der betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang weiterhin gewährleistet ist. An der ökologischen Gesamtsituation des von dem Vorhaben betroffenen Bereichs darf im Hinblick auf seine Funktion als Fortpflanzungs- oder Ruhestätte keine Verschlechterung eintreten. Dazu kann es erforderlich sein, funktionserhaltende oder konfliktmindernde Maßnahmen zu treffen, die unmittelbar am voraussichtlich betroffenen Bestand ansetzen, mit diesem räumlichfunktional verbunden sind und zeitlich so durchgeführt werden, dass zwischen dem Erfolg der Maßnahmen und dem vorgesehenen Eingriff keine zeitliche Lücke entsteht (vgl. zum Ganzen auch den Entwurf eines Guidance document sub II.3.4 b und d).

Um dies zu gewährleisten, sollen neben Vermeidungsmaßnahmen nach Satz 4 auch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen nach § 19 Abs. 2 BNatSchG bzw. nach § 1a Abs. 3 BauGB angeordnet werden können. Satz 3 geht davon aus, dass dann, wenn im Sinne des soeben Ausgeführten sichergestellt ist, dass die ökologische Funktion der betroffenen Fortpflanzungs- und Ruhestätten ununterbrochen gegeben bleibt, Beeinträchtigungs- oder Störungshandlungen, die unvermeidlich im unmittelbaren Zusammenhang mit den nach dem Vorgesagten zulässigen Einwirkungen auf Fortpflanzungs- und Ruhestätten erfolgen, nicht die Verbotstatbestände des Absatzes 1 Nr. 1 und 2 erfüllen. Denn bei Fortdauer der ökologischen Funktion der betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im vorstehend beschriebenen Sinne kann (und darf) es nicht zu einer signifikanten Beeinträchtigung des lokalen Bestands einer besonders geschützten Art kommen. Satz 5 überträgt den Ansatz der Wahrung der ökologischen Funktionalität auf die Standorte wild lebender Pflanzen der besonders geschützten Arten.

Sind andere als in Anhang IV der FFH-Richtlinie aufgeführte Arten oder europäische Vogelarten betroffen liegt nach Satz 6 ein Verstoß gegen die Zugriffs-, Besitz- und Vermarktungsverbote nur vor, wenn die betreffende Handlung zur Durchführung des Eingriffs oder Vorhabens nicht geboten ist. Diese Regelung greift die Vorschrift des § 43 Abs. 4 a.F. und die dazu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung auf. Danach unterfielen solche Beeinträchtigungen nicht den artenschutzrechtlichen Verboten, die sich als unausweichliche Konsequenz rechtmäßigen Verhaltens ergaben (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Januar 2001 - 4 C 6.00). Mit der vorgesehenen Regelung soll klar gestellt werden, dass die Privilegierung von Eingriffen in Natur und Landschaft sowie Vorhaben im Sinne des § 21 Abs. 2 Satz 1 bei nach nationalem Recht geschützten Arten auch künftig dort ihre Grenze findet, wo Beeinträchtigungen z.B. im Rahmen von Baggerarbeiten ohne weiteres vermieden werden können, ohne die Durchführung des Eingriffs oder Vorhabens als solche zu behindern.

Satz 7 greift die Vorschrift des § 43 Abs. 4 a.F. auf und stellt vorbereitende Handlungen im Rahmen von Umweltverträglichkeitsprüfungen von den artenschutzrechtlichen Verboten frei.

Absatz 6 stellt den Vorrang des Gebiets- vor dem Artenschutzregime klar, soweit es sich um Auswirkungen innerhalb von Natura 2000-Gebieten auf Tiere und Pflanzen der besonders geschützten Arten handelt, die von den Erhaltungszielen oder dem Schutzzweck des betreffenden Gebiets umfasst sind.

Zu Nummer 8 (§ 43)

Der bisherige Absatz 4 nahm u. a. zugelassene Eingriffe in Natur und Landschaft und die land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung pauschal von den Verbotsbestimmungen des § 42 Abs. 1 aus. An diesen Regelungen kann nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-98/03 nicht mehr festgehalten werden. Die für die betroffenen Bereiche angemessenen, besonderen Bestimmungen werden nunmehr in § 42 Abs. 4 und 5 verankert.

Die in Absatz 6 vorgenommene Änderung ist eine Folgeänderung zur Änderung des § 42 Abs. 1.

Mit der Neuregelung in § 43 Absatz 8 und § 62 wird das Verhältnis von Ausnahme und Befreiung aus Gründen der Rechtsklarheit neu justiert. Von § 43 Abs. 8 werden die Fälle, in denen von den Verboten des § 42 Ausnahmen im öffentlichen Interesse erteilt werden können, nunmehr vollständig und einheitlich erfasst. Die Nummern 1 bis 3 des Satzes 1 entsprechen dabei dem bisherigen Recht. Nummer 3 wurde lediglich um den Bereich der Bildung ergänzt um insbesondere auch im Rahmen der schulischen Erziehung durch entsprechende Unterrichtseinheiten oder Schülerprojekte das Verständnis für das Anliegen des Natur- und Artenschutzes wecken und vertiefen zu können. Die Nummer 4 und 5 dienen der Umsetzung von Artikel 16 Abs. 1 Buchst. c FFH-Richtlinie und Artikel 9 Abs. 1 Buchst. a Vogelschutz-Richtlinie.

Satz 2 setzt Artikel 16 Abs. 1 FFH-Richtlinie entsprechend dem Wortlaut von § 34 Abs. 3 Nr. 2 um. Satz 3 enthält einen Verweis auf die im Zusammenhang mit der Zulassung von Ausnahmen nach der FFH- und Vogelschutz-Richtlinie bestehenden behördlichen Dokumentationspflichten. Satz 4 und 5 erweitert die auch nach bisherigem Recht vorgesehene Möglichkeit, Ausnahmegenehmigungen mittels Rechtsverordnung zu erlassen, auf alle Tatbestände des Absatzes 1, da auch in diesen Fällen die Voraussetzungen für deren Erlass als generellabstrakte Regelung vorliegen.

Der neue Absatz 9 wird zur Verbesserung der Übersichtlichkeit der Vorschrift eingeführt und entspricht dem bisherigen Absatz 8 Satz 2.

Zu Nummer 9 (§ 52 Abs. 6a)

Die Rechtsverordnungsermächtigung ermöglicht es, für die Bewirtschaftungsvorgaben für die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft, die erforderlichenfalls von den zuständigen Behörden erlassen werden müssen, um eine Verschlechterung des Erhaltungszustands der Populationen der in Anhang IV der FFH-Richtlinie aufgeführten Arten und der europäischen Vogelarten zu verhindern, allgemeine Anforderungen zu beschreiben. Dies kann erforderlich sein um durch einen einheitlichen Standard der Bewirtschaftungsvorgaben landesweit den Erhaltungszustand der o.g. Arten zu gewährleisten.

Zu Nummer 10 (§ 62)

Nachdem die Voraussetzungen für die Überwindung der Verbotstatbestände des § 42 im öffentlichen Interesse vollständig in § 43 Abs. 8 geregelt sind, bedarf es nur mehr eines Befreiungstatbestandes für Fallkonstellationen, in denen die Verbote des § 42 zu einer unzumutbaren Belastung des Einzelnen führen. Die Ausgestaltung der Regelung als Ermessensregelung stellt sicher, dass im Einzelfall das Interesse an einer Durchsetzung des gesetzlichen Verbots (im Falle einer unzumutbaren, d.h. nicht mehr in den Bereich der Sozialbindung des Eigentums fallenden Belastung unter Zahlung des erforderlichen Ausgleichs) mit dem Interesse an der Ermöglichung bzw. Fortdauer der Nutzung abgewogen werden kann. Durch Nebenbestimmungen kann dabei im Falle der Erteilung der Befreiung sichergestellt werden, dass der Betroffene etwa durch Ersatzmaßnahmen gleichwertige Zustände wiederherstellt.

Zu Nummer 11 (§ 65)

Die Änderungen bezüglich der Ordnungswidrigkeitstatbestände des § 65 bilden die an den Verbotstatbeständen des § 42 vorgenommenen Änderungen ab. Bei den Zugriffsverboten wird die Ahndung von Verstößen auf vorsätzliche Tatbegehungen beschränkt, vgl. § 10 OWiG.

Zu Nummer 12 (§ 66 Abs. 2)

Folgeänderung zur Änderung des § 65.

Zu Artikel 2 (Änderung der Bundesartenschutzverordnung)

Folgeänderung zur Änderung des § 42 Abs. 1 Bundesnaturschutzgesetz.

Zu Artikel 3 (Inkrafttreten)

Das Gesetz soll im Hinblick auf die europarechtlich gebotene rasche Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-98/03 grundsätzlich am Tag nach der Verkündung in Kraft treten. Auf Grund der neuen Verfassungslage, vgl. Art. 72 Abs. 3 Satz 2 GG, können Vorschriften auf den Gebieten der neuen Abweichungsgesetzgebung jedoch erst sechs Monate nach ihrer Verkündung in Kraft treten. Hiervon sind im vorliegenden Gesetzentwurf die Regelungen zum neuen Projektbegriff (Artikel 1 Nr. 1 bis 6) betroffen.