912. Sitzung des Bundesrates am 5. Juli 2013
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV) und der Gesundheitsausschuss (G) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
Zur Vorlage allgemein
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Zielsetzung des Verordnungsvorschlags, mittels eines harmonisierten EU-Rechtsrahmens für die Organisation und Durchführung amtlicher Kontrollen entlang der Lebensmittelkette eine EU-weit einheitliche Anwendung der geltenden Bestimmungen und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes für Lebensmittelprodukte zu gewährleisten.
[Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die grundsätzliche Zielrichtung einer europaweit einheitlichen Durchführung amtlicher Kontrollen wird befürwortet.] Zum Anwendungsbereich
- 2. Der Bundesrat hat jedoch Bedenken gegen die Einbeziehung weiterer Kontrollbereiche außerhalb der Lebensmittelkette (wie z.B. Pflanzenschutzmittel, Pflanzengesundheit, Pflanzenvermehrungsmaterial einschließlich forstliches Material), da die Zielsetzung der erforderlichen Kontrollen (einschließlich Prüfkriterien) sowie die Kontrollstrukturen nicht mit denen der Lebensmittelkette vergleichbar sind.
- 3. Die Bundesregierung wird gebeten, bei den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene darauf hinzuwirken, dass insbesondere die Vorgaben zu den Kontrollen im Bereich der Pflanzenschutzmittel, der Pflanzengesundheit und der Pflanzenvermehrung weiterhin im jeweiligen EU-Fachrecht verankert bleiben. Bei Anpassungsbedarf sollten notwendige Änderungen im jeweiligen Fachrechtsakt vorgenommen werden.
- 4. Der Vorschlag für eine Verordnung über amtliche Kontrollen bezieht über den bisherigen Anwendungsbereich hinaus auch die "Vorschriften über die absichtliche Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) und die Anwendung von GVO in geschlossenen Systemen" in den Anwendungsbereich der Kontrollverordnung mit ein (vergleiche Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe b). Der Bundesrat geht davon aus, dass zur Gewährleistung der Ziele der vorgeschlagenen Verordnung die Aufnahme der Vorschriften zu Freisetzung und Anwendung von GVO in geschlossenen Systemen nicht erforderlich ist. Für die genannten Tätigkeiten sind mit der Richtlinie 2009/41/EG über die Anwendung gentechnisch veränderter Mikroorganismen in geschlossen Systemen (Systemrichtlinie (2009/41/EG)) und der Richtlinie 2001/18/EG über die absichtliche Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen in die Umwelt (Freisetzungsrichtlinie (2001/18/EG)) bereits ausreichende Regelungen geschaffen. Der Bundesrat hält es daher für erforderlich, die Aufnahme dieser Vorschriften zu streichen und den Anwendungsbereich des Verordnungsvorschlags insoweit wieder zu beschränken.
[Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Mit der Anwendung von GVO in geschlossenen Systemen sind gentechnische Arbeiten gemeint, die in Laboratorien, Produktionsanlagen, Tierställen und Gewächshäusern stattfinden, aus denen heraus keine GVO frei werden. Zum ganz überwiegenden Teil handelt es sich bei gentechnischen Arbeiten um Forschungsvorhaben, an deren Ende die GVO inaktiviert (zerstört) werden und keinesfalls auf den Markt gelangen. Von diesen Forschungsvorhaben befassen sich viele mit naturwissenschaftlicher oder medizinischer Grundlagenforschung oder medizinischen Anwendungsgebieten.
Für die genannten Tätigkeiten sind mit der Systemrichtlinie (2009/41/EG) und der Freisetzungsrichtlinie (2001/18/EG), in Deutschland im Wesentlichen umgesetzt durch das Gentechnikgesetz (GenTG), bereits ausreichende Regelungen geschaffen. Die Überwachung dieser Vorschriften erfolgt durch die Länder und diese abschließende Zuständigkeit sollte nach dem Subsidiaritätsprinzip auch bei den Ländern verbleiben. Eine Auditierung der Überwachung von GVO in Lebens- und Futtermitteln und Freisetzungen in Deutschland durch die Kommissionsdienststelle FVO (Food and Veterinary Office) im Jahre 2011 hat ergeben, dass die Überwachungsverfahren in der Bundesrepublik gut funktionieren und daher nach Ansicht des BMELV und der Länder kein Änderungsbedarf besteht.
Bei Annahme der Kontrollverordnung in Form des vorliegenden Vorschlags entstünde durch neue Berichtspflichten und erhöhten Abstimmungsbedarf immenser zusätzlicher Aufwand für die Länder, der für die Bereiche außerhalb der Lebensmittelkette nicht gerechtfertigt wäre. Dies beträfe insbesondere:
- - Analysevorschriften in Artikel 33 bis 36; - Kostenregelungen in Artikel 78;
- - Aufstellung mehrjähriger nationaler Kontrollpläne in Artikel 108 bis 112; - Informationsmanagementsystem IMSOC in Artikel 130;
- - Durchsetzungsmaßnahmen in Artikel 134 bis 136.]
- 5. Der Verordnungsvorschlag sieht weiterhin vor, Vorschriften über die Produktion von Pflanzenvermehrungsmaterial zum Inverkehrbringen und über das Inverkehrbringen dieses Materials (einschließlich forstliches Vermehrungsgut) aufzunehmen. Der Bundesrat geht davon aus, dass die Aufnahme dieser Vorschriften nicht zum Erreichen der Ziele der Verordnung beitragen, da die genannten Vorschriften zu Saat- und Pflanzgut keine Produkte betreffen, die Teil der Lebensmittelkette sind. Der Bundesrat hält es daher für erforderlich, die Aufnahme dieser Vorschriften zu streichen und den Anwendungsbereich des Verordnungsvorschlags insoweit wieder zu beschränken.
[Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Das Vorgesagte gilt im Grundsatz auch für das Pflanzenvermehrungsmaterial: Auch dieses wird nicht Teil der Lebensmittelkette und kann daher ebenfalls nicht zu gesundheitlichen Gefährdungen des Endverbrauchers führen. Die bestehenden Regelungen zu Vollzug und Durchsetzung der einschlägigen Rechtsvorschriften sind ausreichend, weshalb eine Einbeziehung in das bestehende Kontrollsystem für Lebensmittel und Futtermittel nicht notwendig ist.]
- 6. Mit dem Vorschlag werden Vorschriften für "andere amtliche Tätigkeiten, die von den zuständigen Behörden nach dieser Verordnung und den Vorschriften gemäß Artikel 1 Absatz 2 durchgeführt werden" in den Anwendungsbereich der Kontrollverordnung (vgl. Artikel 1 Absatz 5) einbezogen. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehen die Maßnahmen der Union inhaltlich wie formal nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinaus. Zum Zwecke eines einheitlichen EU-Regelwerkes für amtliche Kontrollen ist es jedoch nicht erforderlich, auch für andere amtliche Tätigkeiten der zuständigen Behörden außerhalb einer amtlichen Kontrolle (vergleiche Artikel 1 Absatz 5 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 2) EU-weit verbindlich geltende Regelungen einzuführen. Der Bundesrat geht daher davon aus, dass zur Gewährleistung der Ziele der Verordnung die Einbeziehung von Vorschriften für andere amtliche Tätigkeiten nicht erforderlich ist. Der Bundesrat hält es daher für erforderlich, die Aufnahme dieser Vorschriften zu streichen und den Anwendungsbereich des Verordnungsvorschlags insoweit wieder zu beschränken.
[Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Für Regelungen des allgemeinen Verwaltungsverfahrens der Mitgliedstaaten fehlt der EU die Gesetzgebungskompetenz, da weder die Verlässlichkeit amtlicher Kontrollen in der EU oder die Einhaltung notwendiger EU-Standards im Binnenmarkt davon betroffen sind.]
- 7. Nach Auffassung des Bundesrates ist ein noch über die in Artikel 1 Absatz 2 des Verordnungsvorschlags genannten Rechtsbereiche hinausgehender Anwendungsbereich in jedem Fall abzulehnen. Die Bundesregierung wird daher gebeten, gegenüber der Kommission deutlich zu machen, dass aus Sicht des Bundesrates, auch unter dem Aspekt der Abwendung von Gefahren für Mensch oder Tier, insbesondere keine delegierten Rechtsakte tolerierbar sind, die den vorgesehenen Anwendungsbereich überschreiten. So ist der Bereich der Tierarzneimittel offiziell nicht vom Anwendungsbereich des Verordnungsvorschlags umfasst. Erwägungsgrund 31 stellt jedoch fest, dass nach Ansicht der Kommission die zuständigen Behörden befugt sein sollten, amtliche Kontrollen auf allen Stufen der Produktion und des Vertriebs von Waren, Stoffen, Materialien oder Gegenständen durchzuführen, die nicht von Vorschriften zur Lebensmittelkette erfasst sind (beispielsweise Tierarzneimittel).
[Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Regelungen zu Produktion oder Vertrieb von Tierarzneimitteln sind vom Anwendungsbereich der Kontrollverordnung nicht erfasst und sind auch nicht über den Umweg delegierter Rechtsakte zu akzeptieren. Im hier bestehenden und im Arzneimittelgesetz (AMG) umgesetzten System für Überwachung und Vollzug sind keine Defizite erkennbar, die ein Eingreifen der Kommission notwendig erscheinen lassen. Zudem strebt die Kommission (laut Kapitel 1.4 der dem Verordnungsvorschlag vorangestellten Begründung) an, dass die Verordnung auf sinnvolle Art und Weise die für Tierarzneimittel geltenden Bestimmungen, die derzeit ebenfalls überarbeitet werden, ergänzt. Sofern die Kommission harmonisierte Regelungen zu Überwachung und Vollzug derzeit für erforderlich erachtet, sollten diese in die Tierarzneimittelrichtlinie aufgenommen werden.]
- 8. Der Bundesrat bittet ferner die Bundesregierung, dafür Sorge zu tragen, dass sich der Anwendungsbereich der Verordnung nicht auf Haus- und Heimtiere erstreckt. Die Kontrollkriterien für diese Tiere richten sich nach anderen Risikoparametern und haben andere Schutzziele als die der vorliegenden Verordnung. Eine Ausdehnung auf Tiere, die nicht landwirtschaftliche Nutztiere sind, sollte daher vermieden werden.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die Verordnung leitet sich prioritär aus dem europäischen Lebensmittel- und Futtermittelbereich ab und soll EU-einheitlich den gesundheitlichen Verbraucherschutz auf hohem Niveau gewährleisten. Deshalb ist beabsichtigt, in die Novelle der EG-Kontrollverordnung auch bisher nicht erfasste Fachbereiche einzubeziehen, um so die Schutzvorschriften entsprechend zu arrondieren.
Die Überwachung von Heim- und Haustieren passt jedoch nicht in diesen Kontext. Da diese Tiere auch nicht der menschlichen Ernährung dienen, sollten sie aus dem Anwendungsbereich herausgenommen werden.
Zur Verschwiegenheitspflicht, Transparenz der amtlichen Kontrollen
- 9. Vor dem Hintergrund der EuGH-Entscheidung zu § 40 LFGB vom 11. April 2013 (C-636/11) und der Sperrwirkung europäischen Rechts fordert der Bundesrat, den neuen Artikel 7 i.V.m. Artikel 10 derart auszugestalten, dass er einer Beibehaltung beziehungsweise Einführung der in Deutschland bestehenden oder in der Diskussion befindlichen Transparenzinstrumente wie § 40 LFGB, § 40 Absatz 1a LFGB, VIG und dem Kontrollbarometer nicht entgegensteht.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die bisher in Artikel 7 (Transparenz und Vertraulichkeit) der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 enthaltenen Regelungen sind in dem vorliegenden Vorschlag der EU-Verordnung über amtliche Kontrollen in Artikel 7 (Verschwiegenheitspflicht des Personals der zuständigen Behörden) sowie in Artikel 10 (Transparenz der amtlichen Kontrollen) aufgegangen.
Auf Grund der Änderung der Überschrift im Vergleich zum bisherigen Artikel 7 erfährt die neue Norm von Artikel 7 eine Änderung im Duktus ("Verschwiegenheit"), obwohl in Absatz 3 auch weiterhin Regelungen zu Informationen über das Ergebnis amtlicher Kontrollen, die einzelne Unternehmer betreffen, enthalten sind.
Artikel 7 Absatz 3 kann jedoch unterschiedlich ausgelegt werden - u.a. dergestalt, dass geschäftlichen Interessen der Vorrang einzuräumen ist oder dass es sich hierbei um eine reine Verfahrensnorm und keine Befugnisnorm handelt. Insofern würde Artikel 7 Absatz 3 nur im Rahmen der Anwendung von Artikeln 10, 83 sowie 135 und 136 Beachtung finden.
Transparenz findet nur noch in den Artikeln 10 und 83 (Transparenz [bei Gebühren]) statt. Bei Artikel 10 wird wiederum lediglich sehr allgemein in Absatz 1 aufgeführt, welche "Fälle" zu veröffentlichen sind, ohne Festlegung, ob es sich dabei nur um summarische Darstellungen oder konkrete Einzelfälle mit Namensnennung handeln soll. Auch hier erhält die Kommission wieder in Absatz 2 die Ermächtigung, Durchführungsrechtsakte gemäß Artikel 141 Absatz 2 zu erlassen.
Insgesamt wird übersehen, dass die Transparenz im Sinne einer Warnung der Öffentlichkeit (Informationen gemäß Artikel 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002) eine Maßnahme i.S. des Artikels 135 darstellt.
Auf Artikel 10 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 wird jedoch nur in Erwägungsgrund 26 verwiesen. In Artikel 135 ist dagegen lediglich die Anordnung eines Rückrufs [durch den Unternehmer] (vgl. § 39 Absatz 2 Nummer 8 LFGB), nicht jedoch eine Information der Öffentlichkeit durch die Behörde selbst oder ein Hinweis auf den Rückruf durch den Unternehmer oder eine andere Behörde (vgl. § 39 Absatz 2 Nummer 9 i.V.m. § 40 Absatz 2 LFGB) als mögliche Maßnahme aufgeführt.
Delegierte Rechtsakte, Kompetenz, Verhältnismäßigkeit
- 10. Der Verordnungsvorschlag enthält in praktisch allen Regelungsbereichen Ermächtigungen der Kommission zum Erlass delegierter Rechtsakte (vgl. Artikel 15 bis 24).
11. Der Bundesrat lehnt insbesondere die in den. Artikeln 15 bis 24 des Legislativvorschlags vorgesehenen Ermächtigungsgrundlagen für delegierte Rechtsakte mit besonderen Bestimmungen über die Durchführung amtlicher Kontrollen ab. Die vorgesehenen Regelungsbereiche umfassen unter anderem die Zuständigkeit und Aufgaben der Behörden, die einheitlichen Anforderungen an die Durchführung von Kontrollen, die zu ergreifenden Maßnahmen und insbesondere auch die Mindesthäufigkeiten amtlicher Kontrollen. Der Bundesrat hält es für zwingend erforderlich, dass alle Bestimmungen, die erhebliche Auswirkungen auf die Überwachungstätigkeit in den Ländern haben, direkt in die Verordnung aufgenommen werden müssen. Der Bundesrat weist in diesem Zusammenhang auf seine Stellungnahmen zur "Mitteilung der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament und den Rat: Umsetzung von Artikel 290 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäische Union" (BR n -Drucksache 875/09(B) und BR-Drucksache 097/11(B) ) hin.
- 12. Dem Gebot, die wesentlichen Fragen im Zusammenhang mit der Abwägung der berührten grundrechtlich geschützten Interessen selbst zu beantworten, wird der Verordnungsvorschlag nicht gerecht.
- 13. Im Bereich Pflanzenschutzmittelkontrollen existieren in Deutschland nach Auffassung des Bundesrates schlüssige Regelungen und ein etabliertes System für die Durchführung von Fachrechtskontrollen. Durch die in Artikel 22 des Verordnungsvorschlags vorgesehenen delegierten Rechtsakte besteht die Gefahr, dass die bewährten nationalen Regelungen ausgehebelt und durch bisher nicht bekannte Regelungen (delegierte und Durchführungs-Rechtsakte) ersetzt und geändert werden. Insbesondere die in Artikel 22 des Verordnungsvorschlags vorgesehenen Befugnisse der Kommission sind daher zu streichen.
[Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die mit dem Vorschlag verfolgten Ziele rechtfertigen keine Änderungen im bestehenden System der Pflanzenschutzmittelüberwachung, auch sind mögliche Auswirkungen/Überschneidungen zu CC-Kontrollen unklar. Die Ermächtigung ist daher zu streichen.]
- 14. Bei einer Einbeziehung des Kontrollsystems für den ökologischen Landbau und die ökologische/biologische Produktion sowie die Kennzeichnung ökologischer/biologischer Erzeugnisse muss bei Erlass der delegierten Rechtsakte darauf geachtet werden, dass den Besonderheiten der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 Rechnung getragen wird, so dass das bewährte Kontrollsystem beibehalten werden kann.
- 15. Soweit auch im Rahmen europäischer Verordnungsregelungen zumindest mitgliedstaatliche Konkretisierungsbefugnisse anerkannt sind, fehlen entsprechende ausdrückliche Ermächtigungen zu Gunsten der nationalen Gesetzgeber. Vielmehr belegen die in sehr großer Zahl vorgesehenen Ermächtigungen zum Erlass delegierter Rechtsakte die weit über die Kompetenzzuweisung des Artikels 114 AEUV hinausgehende Zielsetzung des Verordnungsvorschlags: Artikel 114 Absatz 1 AEUV bildet für den europäischen Gesetzgeber die Rechtsgrundlage für die Schaffung und die Funktionsweise des Binnenmarkts für Lebensmittelprodukte. Dabei ist nach Artikel 114 Absatz 3 AEUV von einem hohen Schutzniveau auszugehen. Der vorliegende Verordnungsvorschlag schafft dagegen eine Rechtsgrundlage für umfassende, ausschließlich durch den europäischen Gesetzgeber bestimmte verbindliche Regelungen für das Verwaltungsverfahren für die in Artikel 1 Absatz 2 des Verordnungsvorschlags erfassten Rechtsbereiche auch über den Bereich amtlicher Kontrollen hinaus.
[Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Durch die Vielzahl delegierter Rechtsakte wird der Entscheidungsspielraum der Mitgliedstaaten erheblich eingeschränkt. Da der Inhalt dieser Regelungen nicht abzusehen ist, bleibt unklar, in welchem Umfang sich Auswirkungen auf konkrete Vollzugsaufgaben und in der Folge ein personeller und finanzieller Mehraufwand in den Ländern ergeben werden. Generell ist zu prüfen, ob eine zusätzliche Rechtsetzung erforderlich ist und ob ein reguläres Verfahren über Rat und Europäisches Parlament nicht besser geeignet wäre.]
- 16. Mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar ist weiter der ebenfalls EU-weit und verbindlich vorgesehene Katalog von Maßnahmen, die den zuständigen Behörden im Fall von Verstößen abschließend zur Verfügung stehen sollen (vergleiche Artikel 135 Absatz 2 des Verordnungsvorschlags). Die Frage, auf welche Art und Weise die Mitgliedstaaten Verstöße gegen Rechtsvorschriften abstellen, geht weit über die Frage hinaus, wie die Verlässlichkeit amtlicher Kontrollen in der EU oder die Einhaltung notwendiger EU-Standards im Binnenmarkt sichergestellt werden kann.
[Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die abschließende Aufzählung der im Falle von Gesetzesverstößen den zuständigen Behörden zur Verfügung stehenden Maßnahmen schränkt die Vollzugsbehörden in ihrem Entscheidungsspielraum unangemessen ein und ermöglicht vor allem keine verhältnismäßigen Maßnahmen im Einzelfall.]
Zu Artikel 33 (Methoden für die Probenahmen etc.)
- 17. Der Vorschlag für die amtlichen Kontrollen bezieht sich über den bisherigen Anwendungsbereich hinaus unter anderem auch auf Probenahmen, Analysen, Tests und Diagnosen zur Untersuchung von pflanzlichem Vermehrungsmaterial (z.B. Saatgut). Durch diese Erweiterung des Anwendungsbereichs ergibt sich mit Artikel 33 Nummer 7 der vorgeschlagenen Verordnung eine Rechtsgrundlage für eine sogenannte "technische Lösung" für die Untersuchung von pflanzlichem Vermehrungsmaterial auf GVO-Anteile.
In Artikel 33 Nummer 7 ist klarzustellen, dass dieser Artikel nicht für die Untersuchung von pflanzlichem Vermehrungsmaterial auf GVO-Anteile gelten soll.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Da pflanzliches Vermehrungsmaterial am Anfang der Produktionskette steht, ist eine besondere Sorgfalt geboten. Die Analyse von pflanzlichem Vermehrungsmaterial muss sich am niedrigsten Wert orientieren, bei dem eindeutige Messungen möglich sind. Eine technische Lösung auf Grund des Artikels 33 Nummer 7 der vorgeschlagenen Verordnung, wie es diese für Futtermittel seit 2011 gibt, bedeutet in der Konsequenz die Akzeptanz eines Schwellenwertes und das Abweichen von der Nulltoleranz. Dieses wird abgelehnt. Für die Untersuchung von pflanzlichem Vermehrungsmaterial auf GVO-Anteile ist an der Nulltoleranz festzuhalten.
Finanzierung der amtlichen Kontrollen
Pflichtgebühren (Artikel 77)
- 18. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei den weiteren Verhandlungen darauf zu achten, dass insbesondere die Vorschriften zur Festsetzung der Gebühren klar und eindeutig sind und so die Grundlage für eine einheitliche Umsetzung in allen Mitgliedstaaten gewährleistet werden kann. Ferner bittet der Bundesrat bei der Ausgestaltung der Gebühren darauf zu achten, dass der bürokratische Aufwand bei der Gebührenerhebung auf ein Mindestmaß beschränkt wird. Gebührennachlass für Unternehmer, die sich gleichbleibend vorschriftsmäßig verhalten (Artikel 80)
- 19. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung jedoch darauf hinzuwirken, dass der in Artikel 80 des Verordnungsvorschlags für den Fall der pauschalierten Gebührenfestsetzung zwingend vorzusehende Gebührennachlass für sich vorschriftsmäßig verhaltende Unternehmer von der Kommission überdacht wird, da damit insbesondere die Verteilung der Kontrollen nach Risikofaktoren nicht in Einklang zu bringen ist.
[Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Eine Bonus-Malus-Regelung widerspricht dem risikoorientierten Ansatz des Fachrechts und belastet die sich nicht vollständig gesetzestreu verhaltenden Unternehmer unangemessen. Der mit dem System einhergehende Verwaltungsaufwand wird ebenfalls abgelehnt. Außerdem besteht die Gefahr, dass das Instrument zur versteckten Wirtschaftsförderung genutzt werden kann.]
Befreiung von Kleinstunternehmen (Artikel 82)
- 20. Der Bundesrat teilt grundsätzlich die Auffassung der Kommission, die Interessen von kleinen Unternehmen bei der Berechnung der Gebührensätze zu berücksichtigen. Die im Legislativvorschlag vorgesehene generelle Befreiung von der Zahlung der Gebühren für Unternehmen, die weniger als zehn Personen beschäftigen und deren Jahresumsatz oder Jahresbilanzsumme nicht über 2 Millionen Euro liegt, steht jedoch im Widerspruch zu den Grundsätzen des Artikels 76, die eine angemessene Personal- und Finanzausstattung sicherstellen sollen. Unter Bezugnahme auf Zahlen des Statistischen Bundesamtes würden in Deutschland demnach 80 bis 90 Prozent der Unternehmen nicht unter die Gebührenpflicht fallen. Im Hinblick auf die Berücksichtigung der Interessen kleiner Unternehmen müssen daher praxistauglichere Alternativen gefunden werden, die mit einem deutlich geringeren zusätzlichen bürokratischen Aufwand für die Überwachungsbehörden verbunden sind.
Transparenz (Artikel 83)
- 21. Der Bundesrat begrüßt im Grundsatz die Transparenz als Zielsetzung bei der Verwendung der über Gebühren eingenommenen Gelder. Er weist jedoch darauf hin, dass das Haushaltsrecht der Parlamente in den Mitgliedstaaten nicht eingeschränkt werden darf. Ferner würde die vorgeschlagene Veröffentlichung zu einem unverhältnismäßigen bürokratischen Aufwand führen, der durch den zu erzielenden Zuwachs an Transparenz nicht gerechtfertigt werden kann.
Gleichberechtigte Beteiligung der involvierten Bereiche bei den Verhandlungen
- 22. Um sicherzustellen, dass insbesondere die Vollzugsanforderungen der verschiedenen durch die Verordnung betroffenen Rechtsbereiche berücksichtigt werden, wird die Bundesregierung gebeten, im weiteren Rechtsetzungsverfahren auf EU-Ebene die Beteiligung der bereits benannten Ländervertreter sicherzustellen und bei Bedarf die Hinzuziehung weiterer Experten aus den Ländern vorzuschlagen.
- 23. Des Weiteren bittet der Bundesrat die Bundesregierung, auch bei den gemeinsamen Verhandlungen verschiedener Ratsarbeitsgruppen eine gleichberechtigte Beteiligung der involvierten Bereiche abzusichern.
Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu den neuen Kontrollregelungen
- 24. Der Bundesrat geht davon aus, dass für die Dauer des Rechtsetzungsverfahrens zu den neuen Kontrollregelungen eine Arbeitsgruppe aus Vertretern von Bund und Ländern eingerichtet wird, in die alle beteiligten Bereiche angemessen einbezogen werden und die die Prüfung des Verordnungsvorschlags zeitnah und aktuell begleitet.
Einrichtung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur nationalen Ausgestaltung
- 25. Der Bundesrat regt die Einführung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur nationalen Ausgestaltung des EU-Saatgutrechts an.
B
- 26. Der Finanzausschuss und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.