Empfehlungen der Ausschüsse
Entschließung des Bundesrates für eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Projekte der Sektorenkopplung im Rahmen einer Experimentierklausel - Antrag der Länder Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz -

988. Sitzung des Bundesrates am 27. März 2020

Der federführende Wirtschaftsausschuss (Wi) und der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (U) empfiehlen dem Bundesrat, die Entschließung nach Maßgabe folgender Änderungen zu fassen:

1. Zu Nummer 2

Nummer 2 ist wie folgt zu fassen:

"2. Der Bundesrat wiederholt daher seine Bitte an die Bundesregierung um eine systematische Überprüfung der Abgaben und Umlagen im Energiesektor (Reform der staatlich induzierten Preisbestandteile), wie bereits mit seinem Beschluss vom 11. Oktober 2019, BR-Drucksache 047/19(B) HTML PDF , vorgebracht. Überprüft werden soll, wie durch Umlagen und Abgaben induzierte Wettbewerbsverzerrungen für den Bundeshaushalt aufkommensneutral abgebaut und ein fairer Wettbewerb der Technologien auch über die Sektorgrenzen hinaus ermöglicht werden kann.

Der Bundesrat bittet die Bundesregierung ferner ihre ablehnende Haltung gegenüber einer Verlängerung der Verordnung zur Schaffung eines rechtlichen Rahmens zur Sammlung von Erfahrungen im Förderprogramm "Schaufenster intelligente Energie - Digitale Agenda für die Energiewende" (SINTEG-Verordnung - SINTEG-V) kritisch zu überdenken."

Folgeänderungen:

Die Begründung ist wie folgt zu ändern:

Begründung (nur gegenüber dem Plenum):

Um für entsprechende Geschäftsmodelle und Unternehmen (die z.B. auch bundesweit agieren) wirklich langfristig planbare Investitionssicherheit zu generieren, muss eine grundlegende Reform der staatlich induzierten preisbestandteile (SIP) auf Bundesebene erfolgen. Die Schaffung von weiteren Experimentierklauseln über die SINTEG-V hinaus birgt die Gefahr, dass eine umfassende SIP-Reform weiterhin auf unbestimmte Zeit vertagt wird.

Im vorletzten Absatz in der Begründung des Antrags aus Mecklenburg-Vorpommern wird ausgeführt, dass "dieser minimalinvasive Vorschlag es ermögliche, zunächst die Auswirkungen der Rechtsänderungen zu untersuchen, bevor größere Reformen vorgenommen werden." Damit möchte man im Vorfeld einer umfassenden SIP-Reform schon einmal im Kleinen den Effekt von etwaigen Gesetzesänderungen analysieren. Dies ist eine untypische Vorgehensweise, da i.d.R. (oft nach entsprechenden Konsultationen bzw. Anhörungen) Gesetze erlassen werden (ggf. mit Übergangsregelungen), die dann auch anzuwenden sind. Die Anhörungen im Vorfeld ermöglichen es gerade, alle relevanten Umstände mit einzubeziehen und zu bewerten.

Ferner widerlegt sich die Begründung selbst: Wenn man eine solche Experimentierklausel zeitlich befristet, hängen die Projekte danach ebenfalls in der Luft und man produziert gerade das, was man vermeiden möchte:

"stranded investments".

In der bestehenden SINTEG-V ist bereits eine Experimentierklausel angelegt.

Damit die Privilegien aufgrund der dort verankerten Experimentierklausel auch etwaigen Nachfolgeprojekten noch zur Verfügung stehen können, wird für eine Verlängerung über den 30. Juni 2022 hinaus geworben. So können in der Übergangsphase bis zur Anpassung des energierechtlichen Rahmens die begonnenen Projekte ohne Brüche im Knowhow und bei den Investitionen zur Fortentwicklung der Energiewende und des regulatorischen Rahmens weiterhin beitragen. Darüber hinaus besteht keine Notwendigkeit, weitere Experimentierklauseln zu schaffen.

2. Zu Nummer 2 und Nummer 3 - neu -

Der Entschließungstext ist wie folgt zu ändern:

a) Nummer 2 ist wie folgt zu fassen:

"2. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, durch eine Experimentierklausel den Rechtsrahmen zu schaffen, um neue wirtschaftliche Rahmenbedingungen zur Überwindung der Hemmnisse in der Wettbewerbsfähigkeit mit zeitlich befristeten und räumlich begrenzten Experimenten zu erproben.

Mit den Experimenten soll beispielsweise herausgefunden werden,

Die Experimente sollten wissenschaftlich begleitet werden, um Schlussfolgerungen für die Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Sektorenkopplung ziehen zu können."

b) Folgende Nummer ist anzufügen:

"3. Der Bundesrat wiederholt seine Bitte an die Bundesregierung um eine grundlegende Reform der staatlich induzierten Preisbestandteile. Ferner sind weitere regulatorische Änderungen vorzunehmen, die für die erfolgreiche Marktintegration der Sektorenkopplungstechnologien erforderlich sind. Diese Reform soll schrittweise auf der Grundlage der bereits bekannten Änderungsbedarfe und der Schlussfolgerungen durchgeführt werden, die durch die Experimente gezogen werden. Mit ihr soll umgehend begonnen werden. Sie soll spätestens bis zum Ende des Jahres 2025 abgeschlossen werden."

Als Folge ist die Begründung wie folgt zu fassen:

"Begründung

Die Energiewende kann ohne Sektorenkopplung nicht gelingen. Zum einen gibt es Zeiten, in denen mehr Strom erzeugt als gebraucht wird. Hier bedarf es einer sinnvollen Verwendung des Stroms statt der Abregelung. Zum anderen entsteht mit den Kopplungstechnologien eine große industriepolitische Chance für Deutschland. Zudem können die Klimaschutzziele ohne Umsetzung der Energiewende in allen Sektoren nicht erreicht werden.

Sektorenkopplung meint, den CO₂-frei erzeugten Strom vor allem zur Wärmeerzeugung sowie in den Sektoren Verkehr, chemische Industrie und Schwerindustrie und hier insbesondere in der Stahlindustrie einzusetzen. Er kann beispielsweise als Wasserstoff, Methanol, Ammoniak, Wärme oder E-Fuel weiterverwendet werden. Die für die Umwandlungsprozesse benötigten Technologien sind bereits vorhanden.

Die Sektorenkopplung hat jedoch eine Vielzahl von Hemmschuhen durch die unterschiedlichen Steuern, Abgaben und Umlagen sowie die regulatorischen Rahmenbedingungen in den einzelnen Sektoren und auch innerhalb dieser zum Beispiel bei den einzelnen Verkehrsträgern. So setzt das bestehende System der staatlich induzierten Preisbestandteile im Energiesektor klima- und innovationspolitische Fehlanreize.

Daher bedarf es einer grundlegenden Reform des Steuer- und Abgabensystems und des regulatorischen Rahmens im Energiesektor. Aus den Reallaboren sind teilweise Änderungsbedarfe bekannt. Darüber hinaus ist zurzeit nicht klar, wohin und wie diese Entwicklung erfolgen soll, weil die Gesetze sowie die Steuer- und Abgabensysteme zu unterschiedlich und zu komplex sind. Die Suche nach dem richtigen Weg mittels weiterer Gutachten und Anhörungen würde sehr viel Zeit in Anspruch nehmen und zu unsicheren Ergebnissen führen. Dadurch könnte die Energiewende nicht zeitnah umgesetzt und so könnten die Klimaschutzziele nicht mehr bis 2030 erreicht werden.

An dieser Stelle setzt die Experimentierklausel an. Die Idee ist, zum Beispiel 100 Projekte mit unterschiedlichen Technologien von der Bundesnetzagentur auszuschreiben. In den Projektanträgen müssen die für eine wirtschaftliche Umsetzung der Projekte erforderlichen Ausnahmen und Gesetzesabweichungen benannt werden. Die ausgewählten Projekte erhalten dann die auf sie individuell zugeschnittenen Ausnahmen und Anpassungen von Steuern und Abgaben sowie regulatorischen Rahmenbedingungen im Energierecht. Dabei ist der zukünftige Einsatz entscheidend, weil der in der chemischen Industrie eingesetzte erneuerbare Strom möglicherweise andere Rahmenbedingungen braucht, um wirtschaftlicher zu sein, als der im Wärmebereich.

Innerhalb einer Projektlaufzeit von drei bis vier Jahren kann beispielsweise herausgefunden werden,

Darauf aufbauend lässt sich eine große Reform erheblich leichter und zielgerichteter durchführen.

Zu den Projekten, die in Reallaboren mit Investitionsunterstützung und unter geschützten Bedingungen derzeit erprobt werden, braucht die Energiewende jetzt einen nächsten ergänzenden Schritt mittels der Experimentierklausel, mit der das praktische Erproben am Markt ermöglicht wird. Dabei können die Technologien unter realen wirtschaftlichen Bedingungen erprobt und zur industriellen Reife weiterentwickelt werden.

Die Experimente sollen wissenschaftlich begleitet werden, um Schlussfolgerungen für die Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Sektorenkopplung ziehen zu können. Auf dieser Grundlage und zu den bereits bekannten Änderungsbedarfen soll eine Reform des Steuer- und Abgabensystems und des regulatorischen Rahmens im Energiesektor in Teilschritten spätestens bis zum Jahr 2025 durchgeführt werden. Dabei soll sie die Schaffung von energiewirtschaftlich sinnvollen Flexibilitätsoptionen anreizen und ökonomische Hemmnisse beseitigen, die einer systemstabilisierenden Sektorenkopplung entgegenstehen. Die Reform sollte grundsätzlich so ausgestaltet werden, dass Verbraucher insgesamt nicht höher belastet werden und die soziale Verträglichkeit gewahrt wird. Zugleich sollen Wettbewerbsverzerrungen abgebaut und der Wirtschaftsstandort Deutschland gestärkt werden. Dadurch sollen volkswirtschaftlich effiziente und innovative Geschäftsmodelle für die Energiewende und den Klimaschutz in allen Sektoren ermöglicht und so auch wirtschafts- und industriepolitische Potenziale mobilisiert werden.