Der Bundesrat hat in seiner 853. Sitzung am 19. Dezember 2008 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Allgemeines
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich den Richtlinienvorschlag und insbesondere die Anhebung der Mindestdeckungssumme für die Sicherung der Einlagen von natürlichen Personen auf zunächst 50 000 Euro.
- 2. Allerdings sind mit den Vorschlägen der Kommission erhebliche Auswirkungen auf den gesamten Bankensektor in Deutschland verbunden, die in dieser Form nicht akzeptabel erscheinen, da hiermit substanzielle negative Eingriffe in bestehende Strukturen der Kreditwirtschaft verbunden wären.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, sich bei den Beratungen des Richtlinienvorschlags für folgende Änderungen einzusetzen:
Anhebung des Entschädigungsanspruchs auf 100 000 € zum 31. Dezember 2009
- 3. Der Bundesrat lehnt Vorschläge auf eine EU-weit geltende Begrenzung der Deckungssumme für Einlagensicherungssysteme auf maximal 100 000 Euro ab. Durch eine Maximalharmonisierung würden die Mitgliedstaaten bei der Festlegung der Deckungssumme beschränkt. Die in dem Richtlinienvorschlag vorgesehene Mindestdeckungssumme hingegen belässt den Mitgliedstaaten genügend Spielraum, um in Einzelfällen individuelle Maßnahmen treffen zu können, mit denen das Einlegervertrauen kurzfristig durch höhere Deckungssummen auf nationaler Ebene gestärkt werden kann. Auch angesichts der unterschiedlichen Sparquoten in den Mitgliedstaaten muss die Möglichkeit höherer Deckungssummen gewährleistet bleiben. So betrug die Sparquote in Prozent des verfügbaren Einkommens laut OECD im Jahr 2003 in Finnland weniger als 1 Prozent, in Deutschland 11 Prozent und in Italien sogar 15 Prozent. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich gegen Bestrebungen auszusprechen, die eine Maximalharmonisierung in der Einlagensicherungsrichtlinie fordern.
Auszahlungsfristen
- 4. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die in Artikel 10 Abs. 1 des Richtlinienvorschlags vorgesehene Verkürzung der Auszahlungsfrist auf drei Tage für die Einlagensicherungssysteme zu kurz ist. Das Ziel einer Verkürzung der derzeitigen Auszahlungsfrist von drei Monaten ist zwar grundsätzlich zu begrüßen, da es den Bedürfnissen der Einleger entgegenkommt.
Das Ziel der Richtlinie, das Einlegervertrauen zu stärken, kann nur erreicht werden, wenn die Einlagensicherungssysteme die Frist zur Auszahlung auch einhalten können. Beim Eintritt eines Sicherungsfalls werden die Einlagensicherungssysteme mit einer enormen Informationsflut konfrontiert. Sie müssen in einer Vielzahl von Fällen Informationen beim Einleger einholen (z.B. die für die Überweisung notwendigen Kontendaten) bzw. etwaige aufrechenbare Gegenansprüche prüfen.
Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, sich bei den Beratungen des Richtlinienvorschlags dafür einzusetzen, dass die Regelung der Auszahlungsfrist den Bedürfnissen der Einlagensicherungssysteme Rechnung trägt. Eine Verkürzung der Auszahlungsfrist auf 20 Werktage mit einer Verlängerungsoption von zehn Werktagen könnte dabei eine vertretbare Lösung für Einleger und Einlagensicherungssysteme darstellen.
- 5. Ferner sollte es bei Verzögerungen einen Mechanismus geben, der bei Sichteinlagen eine kurzfristige Abschlagszahlung vorsieht, damit im Sicherungsfall eine Person ihre Verpflichtungen zur Haushaltsführung erfüllen und den üblichen Lebensunterhalt weiter finanzieren kann, zumal die im Einlagensicherungsfall notwendige Einrichtung eines neuen Kontos bei einem anderen Institut und die Änderung der Zahlungswege für die laufenden Einkünfte und Verpflichtungen einige Zeit brauchen dürfte.
Differenzierte Darstellung der in den Mitgliedstaaten bestehenden Einlagen- und Institutssicherungssysteme
- 6. Eine grundlegende Problematik des Vorschlags der Kommission besteht in der augenscheinlich nicht vorgenommenen Differenzierung zwischen den in den Mitgliedstaaten bestehenden unterschiedlichen Einlagensicherungssystemen, d. h. konkret fehlende Berücksichtigung der bei Genossenschaftsbanken und Sparkassen neben der Einlagensicherung bestehenden Institutssicherung. Vielmehr hat die Kommission, um v. a. den Verbraucher- und Anlegerinteressen entgegenzukommen, in ihrem Richtlinienänderungsvorschlag eine "Pauschalisierung" der Thematik Einlagensicherung vorgenommen, die die Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten nicht berücksichtigt.
Aus Sicht des Bundesrates ist es daher von zentraler Bedeutung, wenn im Rahmen der Richtlinienänderung eine differenzierte Darstellung der in den einzelnen Mitgliedstaaten bestehenden Einlagen- und (v. a.) Institutssicherungssysteme aufgenommen würde. So wäre es unabdingbar, in die Richtlinienänderung eine entsprechende Darstellung aufzunehmen (z.B. in Form eines eigenen, an vorrangiger Stelle zitierten Erwägungsgrunds), dass entsprechend der Rechtsform der Kreditinstitute in bestimmten Mitgliedstaaten neben Einlagensicherungssystemen komplementär für bestimmte Institutsgruppen sogenannte Institutssicherungssysteme bestehen.
Diese Institutssicherungssysteme gewährleisten mit dem "Bestandsschutz der Institute" über die von der Einlagensicherungsrichtlinie garantierten Beträge i. H. v. 50 000 bzw. später 100 000 Euro ein bei weitem hinausgehendes Sicherungsniveau.
Daher ist insbesondere der Vorschlag der Kommission zur Neufassung des Artikels 12 der Richtlinie äußerst kritisch zu sehen, da mit dieser Regelung de facto die Grundlagen für jedwede von der Kommission initiierte substanzielle Änderungen der in Deutschland bestehenden Einlagen- und Institutssicherungssysteme geschaffen würden.
Die hierbei von der Kommission aufgeführten Zielsetzungen:
- - Harmonisierung der Finanzierungsmechanismen für Einlagensicherungssysteme sowie
- - mögliche Einführung eines gemeinschaftlichen Einlagensicherungssystems lassen erkennen, dass die Kommission auf mittlere Sicht die Einführung eines "EU-Einlagensicherungsfonds" anstrebt. Die Kommission hat in der Vergangenheit bereits mehrfach ihre Präferenz für eine Exante-Finanzierung der Einlagensicherungssysteme und damit den Aufbau eines "Fondsmodells" geäußert. Eine derartige Finanzierung würde in einem diametralen Gegensatz zu den von Kreditinstituten in Deutschland praktizierten Finanzierungsformen stehen, d. h. Expost-Finanzierung von nachgewiesenen Schadensfällen. Eine vollkommene Umstellung der Finanzierungsmechanismen würde zwangsläufig zu extremen Kostenbelastungen für alle Kreditinstitute führen und auch mittelbar durch die Notwendigkeit entsprechender Kostenumlagen zu einer erheblichen Verschärfung der Konditionen im Kundengeschäft führen.
Ebenso ist die Zielsetzung "Einführung eines gemeinschaftlichen Einlagensicherungssystems" grundlegend abzulehnen. Es erscheint in keiner Weise gerechtfertigt, im Bereich der Einlagensicherung Befugnisse den nationalen Stellen zu entziehen und möglicherweise sogar auf Kommissionsdienststellen zu übertragen. Die Entscheidungen über die Verwendung von Mitteln der Einlagensicherung sowie die Durchführung der Entschädigungszahlungen dürfen allein schon unter dem Aspekt der Subsidiarität nur den einzelnen Mitgliedstaaten vorbehalten sein.