Unterrichtung durch die Bundesregierung
Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften an das Europäische Parlament, den Rat, den Ausschuss der Regionen und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss: Grünbuch zum territorialen Zusammenhalt - territoriale Vielfalt als Stärke KOM (2008) 616 endg.; Ratsdok. 14059/08

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 14. Oktober 2008 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Föderalismusreform-Begleitgesetz vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098).

Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat die Vorlage am 6. Oktober 2008 dem Bundesrat zugeleitet.

Die Vorlage ist von der Kommission am 7. Oktober 2008 dem Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.


Hinweis: vgl.
Drucksache 522/08 (PDF) = AE-Nr. 080472

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Ausschuss der Regionen UND den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss
Grünbuch zum territorialen Zusammenhalt - Territoriale Vielfalt als Stärke

1. Der wirtschaftliche und soziale Zusammenhalt aus territorialer Perspektive

Die EU weist eine einzigartige territoriale Vielfalt auf: von der gefrorenen Tundra am Polarkreis bis zu den tropischen Regenwäldern Guyanas, von den Alpen bis zu den griechischen Inseln, von den Weltstädten London und Paris bis zu jahrhundertealten Kleinstädten und Dörfern.

Ziel des territorialen Zusammenhalts ist es, die harmonische Entwicklung aller Gebiete sicherzustellen und dafür zu sorgen, dass die Bürger die jeweiligen Gegebenheiten dieser Gebiete optimal nutzen können. Es geht also darum, die Vielfalt als Vorteil zu begreifen, der zu einer nachhaltigen Entwicklung der gesamten EU beitragen kann.

Das Streben nach territorialem Zusammenhalt beinhaltet beispielsweise die Koordinierung der Politik in Großräumen wie dem Ostseeraum, die Verbesserung der Bedingungen entlang der Ostgrenze der EU, die Förderung von auf globaler Ebene wettbewerbs- und zukunftsfähigen Städten, die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung in Teilen größerer Regionen und benachteiligten Stadtgebieten, die Verbesserung des Zugangs zu Bildung, Gesundheitsversorgung und Energie in abgelegenen Regionen und die Überwindung der Schwierigkeiten einiger Regionen mit geografisch bedingten Besonderheiten.

Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand basieren zunehmend auf der Fähigkeit der Menschen und Unternehmen vor Ort, alle territorialen Vorteile optimal zu nutzen. In einer globalen und eng verflochtenen Weltwirtschaft hängt die Wettbewerbsfähigkeit jedoch auch davon ab, dass Verbindungen mit anderen Gebieten geknüpft werden, um sicherzustellen, dass gemeinsame Vorteile auf koordinierte und nachhaltige Weise genutzt werden. Die Zusammenarbeit wird neben dem Strom von Technologien und Ideen, Gütern, Dienstleistungen und Kapital zu einem immer wichtigeren Aspekt der territorialen Entwicklung und einem Schlüsselfaktor für das langfristige und nachhaltige Wachstum der EU als Ganzes.

Die öffentliche Politik kann den Gebieten helfen, ihre jeweiligen Vorteile optimal zu nutzen.

Sie kann darüber hinaus dazu beitragen, vereint auf gemeinsame Herausforderungen zu reagieren eine kritische Masse zu erreichen und durch die Kombination der Aktivitäten, die Nutzung von Komplementaritäten und Synergien sowie die Überwindung der Teilung aufgrund von Verwaltungsgrenzen einen Zugewinn an Nutzen zu erzielen.

Viele der Probleme, mit denen die Gebiete konfrontiert sind, sind sektorübergreifend; effiziente Lösungen erfordern daher eine integrierte Vorgehensweise und die Zusammenarbeit der verschiedenen beteiligten Behörden und Akteure. Das Konzept des territorialen Zusammenhalts schlägt eine Brücke zwischen wirtschaftlicher Effizienz, sozialem Zusammenhalt und ökologischem Gleichgewicht, indem sie bei der Ausgestaltung politischer Maßnahmen die nachhaltige Entwicklung in den Mittelpunkt stellt.

Die Erkenntnis, dass die territoriale Dimension eine wichtige Rolle spielt, ist nicht neu. Sie ist seit jeher ein Kernstück der EU-Strukturpolitik1. Mehrere sektorale Politikbereiche haben konkrete territoriale Auswirkungen, andere weisen Elemente auf2, die spezielle territoriale Probleme betreffen.

In der Strukturpolitik wird hauptsächlich auf regionaler Ebene über die Förderfähigkeit entschieden und hier wächst das Bewusstsein, dass Entwicklungsstrategien auf die besonderen Vorteile der Gebiete, ihr physisches, menschliches und soziales Kapital sowie auf die natürlichen Ressourcen abgestimmt werden müssen. Darüber hinaus hat sich in der EU-Strukturpolitik mit den Jahren ein multisektoraler, integrierter Ansatz für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in der EU durchgesetzt.

Die Bedeutung des territorialen Zusammenhalts wurde in den Strategischen Kohäsionsleitlinien der Gemeinschaft unterstrichen, die der Rat im Jahr 2006 angenommen hat und in denen es heißt, dass "die Förderung der territorialen Kohäsion sogar Teil der Anstrengungen sein [sollte], gemeinschaftsweit sicherzustellen, dass alle Gebiete die Möglichkeit erhalten, zur Agenda für Wachstum und Beschäftigung beizutragen"3.

Gleichermaßen wurde auch in den Strategischen Leitlinien der Gemeinschaft für die Entwicklung des ländlichen Raums4 der Beitrag unterstrichen, den die EU-Programme für die ländliche Entwicklung zur Erreichung des territorialen Zusammenhalts leisten können.

Gleichzeitig wurde immer stärker anerkannt, dass Zusammenarbeit, Dialog und Partnerschaft zwischen verschiedenen Verwaltungsebenen und zwischen diesen und den direkt am Entwicklungsprozess beteiligten Menschen vor Ort gefördert werden müssen.

Dem territorialen Zusammenhalt würde allerdings eine Klärung der zahlreichen Fragen zugute kommen, die dieses Konzept aufwirft. Eine einheitliche Auffassung dieser Thematik könnte dazu beitragen, die Durchführung der Kohäsionspolitik zu verbessern und sie flexibler zu machen, sie besser auf die jeweils geeignete territoriale Ebene abzustimmen, sie besser an lokale Gegebenheiten und Bedürfnisse anzupassen und sie besser mit anderen Politikfeldern zu koordinieren, und zwar auf allen Ebenen unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips.

Gemäß den Schlussfolgerungen der informellen Tagung der für Raumplanung und regionale Entwicklung zuständigen EU-Minister vom 24./25. Mai 2007 in Leipzig, auf der die Kommission aufgefordert wurde, "bis 2008 einen Bericht über den territorialen Zusammenhalt auszuarbeiten"5, zielt dieses Grünbuch darauf ab, eine öffentliche Debatte über den territorialen Zusammenhalt einzuleiten und das Verständnis für diesen Begriff und seine Auswirkungen auf Politik und Zusammenarbeit zu vertiefen. Diese Debatte berührt nicht das Ergebnis der laufenden Überlegungen der Kommission zur Haushaltsüberprüfung.

Das Grünbuch erstreckt sich nicht auf finanzielle Aspekte der Kohäsionspolitik innerhalb des derzeitigen Finanzrahmens.

2. Hin zu einer ausgewogeneren und harmonischeren Entwicklung6

Das Siedlungsmuster der EU ist einzigartig. In Europa gibt es ungefähr 5000 Städte7 und rund 1000 Großstädte8, die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zentren darstellen.

Dieses relativ dichte städtische Netz umfasst nur wenige Millionenstädte. In der EU leben nur 7 % der Menschen in Städten mit mehr als fünf Millionen Einwohnern (gegenüber 25 % in den Vereinigten Staaten), und unter den 100 größten Städten der Welt finden sich nur fünf Städte aus der EU9.

Dieses Siedlungsmuster trägt zur Lebensqualität in der EU bei, und zwar sowohl der der Stadtbewohner, die in der Nähe ländlicher Gebiete wohnen, als auch der der Landbewohner, die leichten Zugang zu Dienstleistungen haben. Es ist darüber hinaus auch ressourceneffizienter da die negativen Effekte sehr großer Ballungsräume10 und der für die Zersiedelung typische hohe Energie- und Flächenverbrauch11 vermieden werden. Diese negativen Effekte kommen mit dem fortschreitenden Klimawandel und den erforderlichen Anpassungs- oder Gegenmaßnahmen stärker zum Tragen.

Die Struktur der wirtschaftlichen Aktivitäten ist jedoch deutlich ungleichmäßiger als das Siedlungsmuster (Karte 1). Die Konzentration wirtschaftlicher Aktivitäten bringt nicht nur wirtschaftliche Vorteile mit sich, sondern auch Kosten in Form von Verkehrsüberlastung, hohen Immobilienpreisen, sozialer Ausgrenzung und Umweltverschmutzung. Aufgrund des starken Wachstums in Irland, Spanien und den neuen Mitgliedstaaten hat sich die Wirtschaftsaktivität im vergangenen Jahrzehnt gleichmäßiger in der EU verteilt (Karte 2).

Dies ist inzwischen auch innerhalb einiger Länder der Fall, so auch in Irland und Spanien, aber es gibt weiterhin stark überlastete Ballungsgebiete einerseits und Gebiete mit ungenutztem Potenzial andererseits.

Eine ausgewogenere und nachhaltigere Entwicklung, die mit dem Konzept des territorialen Zusammenhalts verbunden ist, würde eine gleichmäßigere und nachhaltigere Nutzung der jeweiligen Vorteile ermöglichen, wirtschaftliche Gewinne aufgrund einer geringeren Verkehrsbelastung und eines geringeren Kostendrucks mit sich bringen sowie der Umwelt und der Lebensqualität zugute kommen.

In ihrem Weltentwicklungsbericht 2009 geht die Weltbank darauf ein, wie Dichte, Entfernung und Teilung das Tempo der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung beeinflussen können.

Die EU steht mutatis mutandis vor ähnlichen Fragen. Die politischen Antworten auf diese Fragen sind in drei Bereichen zu finden, auf die im Folgenden näher eingegangen wird: Konzentration, Anbindung und Zusammenarbeit.

Darüber hinaus weisen einige Regionen geografisch bedingte Besonderheiten auf, die im Hinblick auf den territorialen Zusammenhalt spezielle Probleme aufwerfen. Diese Regionen werden im letzten Punkt dieses Abschnitts gesondert behandelt.

2.1. Konzentration: Ausgleich der unterschiedlichen Wirtschaftsdichte

Wie bereits gesagt konzentriert sich die Wirtschaftsaktivität in der EU stärker als die Bevölkerung auf bestimmte Gebiete. Diese Konzentration bringt Vorteile mit sich: einen Zugewinn an Nutzen infolge von Agglomeration und Clustering spezieller Aktivitäten an bestimmten Standorten, breite Verfügbarkeit von Gesundheitsdienstleistungen und relativ einfacher Zugang zu Hochschuleinrichtungen und Ausbildungsmöglichkeiten. Dies spiegelt sich in dem im Vergleich zum nationalen Durchschnitt hohen Niveau des Pro-Kopf-BIP, der Produktivität, der Beschäftigung und der Forschungs- und Innovationstätigkeit in den Hauptstädten und in den meisten dicht besiedelten Ballungsräumen wider.

Gleichzeitig gibt es allerdings auch negative Effekte aufgrund der Verkehrsüberlastung, und einige innerstädtische Gebiete haben mit akuten Problemen wie Verfall und sozialer Ausgrenzung zu kämpfen. Dies spiegelt sich in einem unterdurchschnittlichen Pro-Kopf-BIP und hoher Arbeitslosigkeit, aber auch in benachteiligten Stadtvierteln, Kriminalität und sozialen Unruhen in vielen der wohlhabenderen Städte wider. Hier sollte das Schwergewicht darauf gelegt werden, die negativen Agglomerationseffekte zu verringern und sicherzustellen, dass die hochspezialisierten und hochproduktiven Volkswirtschaften allen Bevölkerungsgruppen zugute kommen.

Zwischenregionen mit einer größeren Zahl kleinerer Städte können einen Zugewinn an Nutzen erzielen, wenn sie ein leistungsfähiges Netz von Städten und Großstädten aufbauen und ihre Stärken in koordinierter Weise weiterentwickeln. Städte und

Großstädte in Zwischenregionen und ländlichen Regionen stellen den benachbarten ländlichen Gebieten außerdem wichtige Dienstleistungen zur Verfügung.

So spielen kleine und mittlere Städte in ländlichen Gebieten, die weit von jeglicher Art von Großstädten entfernt sind, oft eine wichtigere Rolle, als ihre Größe vermuten lässt. Diese Städte bieten Zugang zu Dienstleistungen, wie z.B. zu Einrichtungen, die die Anpassungsfähigkeit von Menschen und Unternehmen ermöglichen, und insofern kommt ihnen eine Schlüsselfunktion bei der Verhinderung der Abwanderung aus ländlichen Gebieten und der Erhaltung dieser Gebiete als attraktive Wohn- und Arbeitsorte zu.

Obwohl die wirtschaftlichen Aktivitäten sich hauptsächlich auf Städte und

Großstädte konzentrieren, sind die ländlichen Gebiete auch weiterhin ein wichtiger Teil der EU. Sie beherbergen die meisten natürlichen Ressourcen und Naturgebiete (Seen, Wälder, Natura-2000-Gebiete usw.) (Karte 6), verfügen über eine gute Luftqualität (Karte 7) und sind oft attraktive und sichere Wohnorte oder Ausflugsziele.

Die wichtigste Herausforderung besteht darin, eine ausgewogene und nachhaltige territoriale Entwicklung der EU als Ganzes sicherzustellen, ihre wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und ihr Wachstumspotenzial zu stärken und gleichzeitig darauf zu achten, die natürlichen Ressourcen zu erhalten und den sozialen Zusammenhalt zu sichern. Dazu gehört es, eine übermäßige Konzentration des Wachstums zu vermeiden und den Zugang aller Gebiete zu dem mit der Agglomeration verbundenen Nutzenzugewinn zu erleichtern.

2.2. Anbindung der Gebiete: Überwindung der Entfernung

Die Anbindung von Gebieten erfordert heutzutage mehr als gute intermodale Verkehrsverbindungen. Wichtig sind auch ein guter Zugang zu Dienstleistungen wie Gesundheitsversorgung, Bildung und nachhaltige Energieträger oder Breitbandinternet sowie eine zuverlässige Anbindung an Energieversorgungsnetze und enge Verbindungen zwischen Unternehmen und Forschung. Dies ist auch wichtig um den besonderen Bedürfnissen benachteiligter Gruppen gerecht zu werden.

Der Zugang zu integrierten Verkehrssystemen erfordert den Bau von Straßen oder Schienenverbindungen zwischen Großstädten, den Ausbau von Binnenschifffahrtswegen sowie die Entwicklung intermodaler Verkehrsketten und fortschrittlicher Verkehrsmanagementsysteme.

In den neuen Mitgliedstaaten gibt es nur wenige gute Straßenverbindungen, und die Fahrtzeiten zwischen Großstädten sind sehr viel länger als in den alten 15 Mitgliedstaaten (Karte 8). Auch gute Eisenbahnverbindungen gibt es nicht überall und in vielen Mitgliedstaaten sind die Strecken nicht für den Hochgeschwindigkeitsverkehr geeignet und oft sanierungsbedürftig.

Aufgrund der unterschiedlichen Qualität des sekundären Straßennetzes und der öffentlichen Verkehrsmittel sind Flughäfen oft schwer erreichbar (Karte 9), und der Seeverkehr, der die überfüllten Straßen entlasten und zur Verringerung der CO₂-Emissionen beitragen könnte, ist nicht ausreichend entwickelt (Karte 10).

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der zuverlässige Zugang zu Energie; hier ist besonderes Augenmerk auf die besondere Situation der aus geografischen (ländliche Gebiete und Gebiete in äußerster Randlage) oder historischen (z.B. die baltischen Staaten) Gründen vom EU-Markt isolierten Netze zu richten, um eine zuverlässige und effiziente Energieversorgung sicherzustellen. Erneuerbare Energieträger und

Energiesparmaßnahmen können zur Diversifizierung und nachhaltigen Entwicklung beitragen.

Der Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse wie Gesundheitsversorgung oder Bildung ist in ländlichen Gebieten oft ein Problem, da beispielsweise in abgelegenen Regionen durchschnittlich 40 % der Menschen mehr als 30 Minuten Fahrtzeit von einem Krankenhaus und 43 % mehr als eine Stunde Fahrtzeit von einer Universität entfernt leben (Tabelle 2). Besonders in den abgelegenen Gebieten muss das Potenzial der IKT stärker genutzt werden, um den Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung durch Telemedizin und Fernunterricht zu ermöglichen.

Beim Hochgeschwindigkeitsinternetzugang, der für zahlreiche Unternehmen und Menschen von grundlegender Bedeutung ist, gibt es allerdings immer noch Lücken.

Im Jahr 2007 lag der Breitbandinternetzugang bei den privaten Haushalten in ländlichen Gebieten im Durchschnitt 15 Prozentpunkte unter dem städtischer Gebiete.

2.3. Zusammenarbeit: Überwindung der Teilung

Das Problem der Anbindung und der Konzentration kann nur durch intensive Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen wirksam gelöst werden.

Umweltprobleme im Zusammenhang mit Klimawandel, Überschwemmungen, Verlust an biologischer Vielfalt, Umweltverschmutzung oder Pendlerverkehr machen nicht vor Grenzen Halt und erfordern ebenfalls eine Zusammenarbeit. Aufgrund des Klimawandels dürften Häufigkeit und Ausmaß von Dürren, Waldbränden und Überschwemmungen, von denen in unterschiedlichem Maß alle Regionen und Länder betroffen sind, weiter zunehmen. Auch scheinbar lokal begrenzte Probleme wie die Bodenverschmutzung haben oft ihren Ursprung in komplexeren grenzüberschreitenden Vorgängen.

Um Lösungen für den Pendlerverkehr über regionale und nationale Grenzen hinweg zu finden, die die negativen externen Effekte verringern (z.B. öffentliche Verkehrsmittel), ist oft eine Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden notwendig.

Das Wirtschaftswachstum in einer globalisierten Weltwirtschaft hängt immer mehr von vielfältigen Kooperationsstrukturen ab, die unterschiedliche private und öffentliche Akteure umfassen. Dies gilt insbesondere für die innovativen Maßnahmen, die neue Interessengruppen einschließlich externer Stakeholder mobilisieren müssen. Eine standortbezogene Wachstumspolitik muss also jeweils angepasst werden, um dieser neuen Realität Rechnung zu tragen.

Zur wirksamen Bewältigung dieser und anderer Probleme sind politische Maßnahmen auf verschiedenen geografischen Ebenen erforderlich, wie die Zusammenarbeit zwischen benachbarten lokalen Behörden, zwischen Ländern oder zwischen der EU und ihren Nachbarländern.

In einigen Mitgliedstaaten wurden in Ballungsräumen Gremien eingerichtet, in denen verschiedene Behörden auf unterschiedlicher Ebene zusammenkommen, um sich mit überregionalen Fragen wie wirtschaftliche Entwicklung, öffentlicher Verkehr, Zugang zu Gesundheitsversorgung, Hochschulbildung und Berufsausbildung, Luftqualität und Abfälle zu befassen. Einige Ballungsräume erstrecken sich nicht nur über lokale oder regionale, sondern sogar über nationale Grenzen hinweg, wie die Eurometropole Lille-Kortrijk-Tournai, zu der Städte auf beiden Seiten der Grenze gehören.

In den alten 15 Mitgliedstaaten wird die Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in den Regionen an den Binnengrenzen seit vielen Jahren im Rahmen der Kohäsionspolitik unterstützt, z.B. in der EUREGIO Rhein-Waal, die von den lokalen deutschen und niederländischen Behörden auf beiden Seiten der Grenze eingerichtet wurde, um u. a. den Zugang, die Qualität und die Effizienz der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung in diesem Gebiet zu verbessern. Dies ist besonders wichtig, da bisher klare Regelungen für den Zugang zur grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung fehlen12.

Die Grenzregionen in den neuen Mitgliedstaaten und die Regionen zu beiden Seiten des ehemaligen eisernen Vorhangs haben erst vor kurzen die Zusammenarbeit aufgenommen. Es bleibt noch viel zu tun, um eine kohärente Politik zur Zusammenarbeit in den Bereichen Infrastruktur und Wirtschaft zu entwickeln (Karte 11). Ebenso gibt es selten eine kohärente Entwicklung in Meeresgebieten, die Land-See-Grenzen überschreiten.

Regionen mit Außengrenzen liegen bei der wirtschaftlichen Entwicklung und beim Pro-Kopf-BIP zurück (Tabelle 3). Südlich und östlich der EU gibt es jedoch Regionen mit einem noch niedrigeren Pro-Kopf-BIP und einem höheren Bevölkerungswachstum (Karten 12 und 13), was zu einem starken Migrationsdruck führt.

2.4. Regionen mit geografisch bedingten Besonderheiten

Drei besondere Arten von Regionen weisen spezielle Entwicklungsprobleme auf:

Darüber hinaus gibt es noch weitere Regionen mit Besonderheiten, die ebenfalls gemeinsame Probleme aufweisen, wie z.B. die Küstenregionen, die unter Entwicklungsdruck stehen und von der globalen Erwärmung bedroht sind, und die Regionen in äußerster Randlage, die Probleme im Zusammenhang mit demografischem Wandel und Migrationsphänomenen, Zugänglichkeit und regionaler Integration bewältigen müssen13.

Ungefähr 10 % der EU-Bevölkerung leben in Bergregionen (Tabelle 4). Das durchschnittliche Pro-Kopf-BIP beträgt dort 80 % des EU-Durchschnitts, 25 % der betroffenen Einwohner liegen jedoch über dem Durchschnitt. In den meisten dieser Regionen ist die Bevölkerungszahl zwischen 1995 und 2004 entweder gestiegen oder gleichgeblieben. Dank ihrer zahlreichen Naturgebiete und häufig guten Verkehrsanbindung sind die Bergregionen beliebte Touristenziele. Viele Bergregionen verfügen auch über gute Basisdienstleistungen, wobei hier von Region zu Region beträchtliche Unterschiede bestehen. Gleichzeitig sind diese Regionen mit den Herausforderungen wie Klimawandel, Abhängigkeit von einer begrenzten Zahl von Wirtschaftsaktivitäten und vom Tourismus sowie Verlust der biologischen Vielfalt konfrontiert.

Ungefähr 3 % der EU-Bevölkerung, d. h. 14 Millionen Menschen, leben in Inselregionen. Ihre Verschiedenartigkeit macht Verallgemeinerungen schwierig.

Diese Regionen unterscheiden sich beträchtlich in Bezug auf die Bevölkerungszahl und das Pro-Kopf-BIP. Auch das BIP-Wachstum ist sehr unterschiedlich und spiegelt ihre unterschiedliche Wirtschaftsstruktur wider - einige Inselregionen sind vollständig vom Tourismus abhängig, andere weisen einen stark diversifizierten Dienstleistungssektor auf. In den meisten dieser Regionen stieg die Bevölkerungszahl zwischen 1995 und 2004. Einige Inseln kämpfen noch immer mit Problemen wie schlechter Erreichbarkeit, kleinen Märkten und hohen Kosten für öffentliche Basisdienstleistungen und Energieversorgung.

Nur wenige Menschen in der EU - insgesamt 2,6 Millionen - leben in dünn besiedelten Regionen. Das Pro-Kopf-BIP weist große Unterschiede auf, die Spanne reicht von deutlich unter dem EU-Durchschnitt bis deutlich darüber. Die Bevölkerungszahl hat sich in den meisten dieser Gebiete zwischen 1995 und 2004 nicht verändert, in drei Regionen war ein Rückgang von über 5 % zu verzeichnen.

Geringe Bevölkerungsdichte, Randlage und Strukturschwächen wie Abhängigkeit von der Primärindustrie sind Merkmale dieser Regionen, die zusammen genommen eine beträchtliche Entwicklungsbarriere darstellen.

3. Territorialer Zusammenhalt in Theorie und Praxis auf Gemeinschaftsebene und in den Mitgliedstaaten

Bis auf einige Ausnahmen spielt die Besonderheit der im vorstehenden Punkt beschriebenen Regionen in den meisten Fällen keine entscheidende Rolle bei der Gewährung der EU-Unterstützung. Während die strukturpolitischen Maßnahmen der EU stets auf die benachteiligten Regionen abzielten und deren Vorzüge und potenzielle komparativen Vorteile entwickeln oder die auf ihre Besonderheiten zurückzuführenden möglichen Wachstumsbeschränkungen beseitigen sollten, sind die Auswirkungen der anderen gemeinschaftlichen Politikbereiche auf den territorialen Zusammenhalt hingegen weniger deutlich.

3.1. Territorialer Zusammenhalt in der Planung der EU-Politik...

Die Koordinierung von sektoralen und territorialen Maßnahmen ist wichtig, um Synergien zu maximieren und mögliche Konflikte zu vermeiden. Die Debatte über den territorialen Zusammenhalt ist wichtig, um vorhandene Probleme aufzuzeigen und sich eingehender mit ihnen zu beschäftigen, nicht nur in den naheliegendsten, im Folgenden angesprochenen Politikbereichen, sondern auch ganz allgemein.

3.2. ... und in den Debatten in und zwischen den Mitgliedstaaten

Der territoriale Zusammenhalt ist in der EU seit Mitte der 1990er Jahre Gegenstand des zwischenstaatlichen Dialogs, hauptsächlich der für Raumplanung zuständigen Minister. Dieser Dialog führte 1999 zur Annahme des Europäischen Raumentwicklungskonzepts (EUREKA), das wiederum eine Reihe wichtiger Initiativen nach sich zog wie die erste Generation der transnationalen INTERREG-Kooperationsprogramme und die Einrichtung des Beobachtungsnetzes für die Europäische Raumordnung (ESPON).

Die Debatte ging allerdings bis vor kurzem eher schleppend voran, vielleicht zum Teil deswegen, weil die Mitgliedstaaten befürchteten, dass nationale oder regionale Befugnisse in Fragen der Raumordnung und Entwicklungsplanung zur Diskussion gestellt würden. Es sollte deutlich gemacht werden, dass keinesfalls die Absicht besteht nationale und regionale Befugnisse in diesem Bereich in Frage zu stellen, die nicht Gegenstand der mit diesem Grünbuch eingeleiteten Debatte sind.

Mit der Annahme der territorialen Agenda in Leipzig im Mai 2007 betonten die für Raumplanung und Regionalentwicklung zuständigen EU-Minister die Notwendigkeit, sich für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die soziale und ökologische Entwicklung in allen EU-Regionen einzusetzen um "zu Lebensqualität und Lebensbedingungen mit gleichwertigen Chancen für die Bürgerinnen und Bürger [beizutragen], unabhängig davon, wo sie leben"14. Die territoriale Agenda und das erste Aktionsprogramm zu deren Umsetzung, das im November 2007 auf den Azoren angenommen wurde, haben der Debatte durch die Festlegung von sechs territorialen Prioritäten (von regionalen Innovationsclustern bis zu ökologischen Strukturen und kulturellen Ressourcen, von polyzentrischer Entwicklung zu neuen Formen der Partnerschaft und territorialer Governance) und den zugehörigen Umsetzungsmaßnahmen einen neuen Impuls verliehen. Die Kommission hat die Mitgliedstaaten darüber hinaus im Jahr 2007 aufgefordert sich an einer Umfrage zur Konzeption und Umsetzung des territorialen Zusammenhalts auf nationaler Ebene zu beteiligen (siehe Anhang).

4. Diskussionspunkte

Die folgenden Fragen betreffen die wichtigsten im Grünbuch angesprochenen Themen und stecken den Rahmen für die Debatte ab, die das Grünbuch einleiten soll. Die Kommission wird im späten Frühjahr 2009 eine Zusammenfassung dieser Debatte veröffentlichen.

1. Begriffsbestimmung

Der territoriale Zusammenhalt wirft neue Fragen auf und verleiht anderen Fragen ein neues Gewicht.

2. Umfang und Reichweite territorialer Maßnahmen

Beim territorialen Zusammenhalt geht es darum, durch einen integrierten Ansatz Probleme auf der geeigneten geografischen Ebene anzugehen. Hierfür kann die Zusammenarbeit der lokalen regionalen und nationalen Behörden notwendig sein.

3. Bessere Zusammenarbeit

Eine verstärkte Zusammenarbeit über regionale und nationale Grenzen hinweg wirft Governancefragen auf.

4. Bessere Koordinierung

Die Verbesserung des territorialen Zusammenhalts setzt eine bessere Koordinierung der sektoralen und territorialen Maßnahmen sowie eine bessere Kohärenz der territorialen Interventionen voraus.

5. Neue territoriale Partnerschaften

Um den territorialen Zusammenhalt zu verbessern, können auch weitere Kreise in die Gestaltung und Umsetzung der Maßnahmen einbezogen werden.

6. Besseres Verständnis des territorialen Zusammenhalts

Die Kommission fordert alle Interessierten auf, zu den in diesem Grünbuch aufgeworfenen Fragen Stellung zu nehmen. Antworten und Anmerkungen sind bis 28. Februar 2009 an folgende Anschrift zu richten:


Europäische Kommission
GD Regionalpolitik
Grünbuch zum territorialen Zusammenhalt
CSM1 4/161
B-1049 Brüssel
oder per E-Mail an
REGIO-GreenPaper-Territorial@ec.europa.eu

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