Punkt 25 der 879. Sitzung des Bundesrates am 11. Februar 2011
Der Bundesrat möge zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung nehmen:
Zu Artikel 1 Nummer 10aneu - (§ 14 Absatz 2 Satz 01 - neu -, Absatz 3aneu -, Absatz 4 AÜG)
In Artikel 1 ist nach Nummer 10 folgende Nummer einzufügen:
'10a. § 14 wird wie folgt geändert:
- a) Dem Absatz 2 wird folgender Satz vorangestellt:
"Bei der Berechnung der Schwellenwerte für die Einrichtung des Betriebsrats im Entleiherbetrieb werden Leiharbeitnehmer wie Arbeitnehmer des Entleihbetriebs, die der Entleiher für die gleiche Dauer unmittelbar beschäftigen würde, berücksichtigt."
- b) Nach Absatz 3 wird folgender Absatz eingefügt:
(3a) Der Betriebsrat des Entleihbetriebs hat entsprechend § 87 des Betriebsverfassungsgesetzes mitzubestimmen über die Grundsätze des Einsatzes von Leiharbeitnehmern im Betrieb einschließlich der Festlegung einer Obergrenze der im Betrieb höchstens einsetzbaren Leiharbeitnehmern, der Höchstdauer ihrer Überlassung und ihrer Einsatzbereiche. Kommt eine Einigung nicht zustande, entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat."
- c) In Absatz 4 wird die Angabe "Satz 1 und 2" durch die Angabe "01 bis 2" und die Angabe "Absatz 3" durch die Angabe "Absatz 3 und 3a" ersetzt.'
Begründung:
Zu § 14 Absatz 2:
Artikel 7 der Leiharbeitsrichtlinie (2008/104/EG) eröffnet den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer sowohl im verleihenden als auch im entleihenden Unternehmen bei der Berechnung der Schwellenwerte zur Einrichtung der Arbeitnehmervertretung zu berücksichtigten.
Die Regelung dient der Gewährleistung einer ausreichend handlungsfähigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer im Entleiherbetrieb beziehungsweise in der Einsatzdienststelle unabhängig vom Umfang des Einsatzes von Leiharbeitskräften in diesem Betrieb. Hierdurch soll erreicht werden, dass der Betriebsrat des Entleiherbetriebes und der Personalrat der Einsatzdienststelle sowohl die Interessen der Stammbelegschaft als auch die der eingesetzten Leiharbeitnehmer effektiv vertreten kann.
Zu § 14 Absatz 3aneuund 4:
Es wird ein eigenständiges erzwingbares Mitbestimmungsrecht für den Einsatz von Leiharbeit im Betrieb eingeführt.
Zu den dem Mitbestimmungsrecht unterliegenden Grundsätzen zählen vor allem Vereinbarungen über die Voraussetzungen eines Leiharbeitseinsatzes im Betrieb (von den Betriebsparteien übereinstimmend festgelegte oder im Einzelfall übereinstimmend zu bestätigende Ereignisse, z.B. Auftragsspitzen oder krankheitsbedingte Personalengpässe), Vereinbarungen über die Dauer und den Umfang der Tätigkeit im Entleiherbetrieb einschließlich der Festlegung einer Obergrenze (Quote oder absolute Höchstzahl) der im Betrieb höchstens einsetzbaren Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer sowie der möglichen Einsatzbereiche.
Auch wenn der Anteil der Leiharbeitskräfte an der Gesamtheit aller Beschäftigten nur ca. zwei Prozent beträgt, sind Einzelfälle öffentlich geworden, in denen der Einsatz von Leiharbeitskräften einen Anteil an der Stammbelegschaft von nicht selten 25 Prozent oder mehr erreicht hat und nicht mehr auf das ursprüngliche Ziel dieses Instruments vorübergehende Auftragsspitzen oder sonstige vorübergehende Personalengpässe flexibel abzufedern beschränkt bleibt. Im Interesse einer homogenen Betriebsbelegschaft ist es erforderlich, dass Betriebsräte durch ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht ein unkontrolliertes Ausufern des Leiharbeitseinsatzes und die damit verbundenen Nachteile für die Stammbelegschaft verhindern können.
Die Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung "Leiharbeit und befristete Beschäftigung" (Bund-Verlag, Frankfurt am Main, 2. Aufl. 2009) zeigt, dass es bereits der Rechtswirklichkeit entspricht, Regelungen zum Einsatz von Leiharbeit (u.a. Quote oder absolute Höchstzahl, Lohngrundsätze und Arbeitsbedingungen) im Entleiherbetrieb durch freiwillige Betriebsvereinbarungen zu regeln. Geltende Betriebsvereinbarungen beziehen Leiharbeitskräfte bereits in die Mitbestimmungsrechte aus § 87 Absatz 1 Nummern 1, 6 und 8 BetrVG ein. Dadurch zeigt sich, dass offenbar viele Betriebsparteien ein entsprechendes Regelungsbedürfnis sehen. Diesem Regelungsbedürfnis soll durch ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht, das die bestehende Betriebspraxis aufgreift und für alle verbindlich festlegt, entsprochen werden.
Indem die Vorschrift auf die bei erzwingbaren Mitbestimmungsrechten nach § 87 Absatz 1 und 2 BetrVG bei nicht zustande kommender Einigung vorgesehene Einbeziehung der Einigungsstelle verweist, wird deutlich, dass § 14 Absatz 3aneu - AÜG ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht gewähren will, das dem nach § 87 Absatz 1 BetrVG gewährten Mitbestimmungsrecht vollumfänglich entspricht. Das gilt vor allem auch für die Ausübung des Zustimmungsverweigerungsrechts. § 14 Absatz 3 Satz 1 AÜG verweist bereits auf die erforderliche Beteiligung nach § 99 BetrVG. Gemäß § 99 Absatz 2 Nummer 1 BetrVG kann der Betriebsrat die Zustimmung u.a. zu einer personellen Maßnahme verweigern, die gegen eine Betriebsvereinbarung verstößt. Führt das erzwingbare Mitbestimmungsrecht über den Einsatz von Leiharbeit im Betrieb zum Abschluss einer entsprechenden Betriebsvereinbarung und verstößt der Arbeitgeber hiergegen, steht dem Betriebsrat bezüglich des Einsatzes von Leiharbeit im Betrieb ein Zustimmungsverweigerungsrecht zu.
Der geänderte § 14 Absatz 4 AÜG erklärt gewährte Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte für das Bundespersonalvertretungsgesetz für sinngemäß anwendbar, um eine im Personalvertretungsrecht bestehende Lücke zu schließen.