Verordnung des Bundesministeriums der Justiz
Verordnung zur barrierefreien Zugänglichmachung von Dokumenten für blinde und sehbehinderte Personen im gerichtlichen Verfahren
(Zugänglichmachungsverordnung - ZMV-)

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentliche Haushalte

E. Sonstige Kosten

Verordnung des Bundesministeriums der Justiz Verordnung zur barrierefreien Zugänglichmachung von Dokumenten für blinde und sehbehinderte Personen im gerichtlichen Verfahren (Zugänglichmachungsverordnung - ZMV-)

Der Chef des Bundeskanzleramtes Berlin, den 13. Dezember 2006

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Harald Ringstorff

Sehr geehrter Herr Präsident,

hiermit übersende ich die vom Bundesministerium der Justiz zu erlassende


mit Begründung und Vorblatt.
Ich bitte, die Zustimmung des Bundesrates aufgrund des Artikels 80 Absatz 2 des Grundgesetzes herbeizuführen.


Mit freundlichen Grüßen
Dr. Thomas de Maiziäre

Verordnung zur barrierefreien Zugänglichmachung von Dokumenten für blinde und sehbehinderte Personen im gerichtlichen Verfahren (Zugänglichmachungsverordnung - ZMV-)

Vom 2006

Auf Grund des § 191a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. 1 S. 1077), der durch Artikel 20 Nr. 5 des Gesetzes vom 23. Juli 2002 (BGBl. 1 S. 2850) eingefügt und durch Artikel 15c Nr. 2 des Gesetzes vom 22. März 2005 (BGBl. 1 S. 837) geändert worden ist, auch in Verbindung mit § 46 Abs. 8 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 1987 (BGBl. 1 S. 602), der durch Artikel 1 Nr. 2 des Gesetzes vom 26. Juli 2002 (BGBl. 1 S. 2864, 3516) eingefügt worden ist, verordnet das Bundesministerium der Justiz:

§ 1 Anwendungsbereich

§ 2 Gegenstand der Zugänglichmachung

§ 3 Formen der Zugänglichmachung

§ 4 Umfang des Anspruchs

§ 5 Mitwirkung der berechtigten Person

§ 6 Ausführung der Zugänglichmachung

§ 7 Zeitpunkt der Zugänglichmachung

§ 8 Organisation

§ 9 Inkrafttreten

Der Bundesrat hat zugestimmt.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

1. Problem und Ziel

§ 191a des Gerichtsverfassungsgesetzes räumt blinden und sehbehinderten Personen das Recht ein, zu verlangen, dass ihnen die für sie bestimmten gerichtlichen sowie die von den Parteien zur Akte gereichten Dokumente zusätzlich auch in einer für sie wahrnehmbaren Form zugänglich gemacht werden, soweit dies zur Wahrnehmung ihrer Rechte im Verfahren erforderlich ist. Diese Vorschrift gilt nach § 46 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten auch für das behördliche und gerichtliche Bußgeldverfahren.

Die vorliegende Verordnung trifft nähere Bestimmungen zu den Anforderungen und zum Verfahren der Zugänglichmachung sowie zur Mitwirkungspflicht der Betroffenen. Die Ermächtigung des Bundesministeriums der Justiz zum Erlass einer Rechtsverordnung ergibt sich aus § 191a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes sowie aus § 46 Abs. 8 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten.

Die Verordnung orientiert sich vom Grundsatz her an der Verordnung über barrierefreie Dokumente in der Bundesverwaltung - VDB - vom 17. Juli 2002 (BGBl. 1 S. 2652). Dies soll eine zumindest im Kern gleichartige Rechtsanwendung im gerichtlichen und im Verwaltungsverfahren ermöglichen.

2. Auswirkungen

Durch die Rechtsverordnung entstehende Kosten für die Übertragung gerichtlicher Dokumente in eine für blinde und sehbehinderte Personen wahrnehmbare Form können in ihrer Höhe nicht näher bestimmt werden. Verfahren, in denen blinde und sehbehinderte Personen beteiligt waren, bildeten bereits bisher die Ausnahme. Die Zahl der Verfahren, in denen künftig eine Zugänglichmachung von gerichtlichen Dokumenten erfolgen wird, dürfte wegen der gebotenen Mitwirkung der betroffenen Personen gering sein. Vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf die vorgesehene Möglichkeit, die technische Ausführung der Zugänglichmachung einer speziell für diese Aufgabe ausgestatteten zentralen Stelle zu übertragen, sind die Kosten für Bund und Länder als gering zu veranschlagen.

Kosten der öffentlichen Haushalte für Haushaltsaufgaben ohne Vollzugsaufwand oder sonstige Kosten entstehen nicht.

B. Besonderer Teil

Zu § 1 (Anwendungsbereich)

Zu Absatz 1:

Der Anwendungsbereich der Verordnung umfasst das Verfahren der ordentlichen streitigen -Gerichtsbarkeit (§ 2 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz), das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 8 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) sowie Verfahren der Gerichtszweige, deren Prozessordnungen auf eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) über die Gerichtssprache verweisen. Das betrifft das verwaltungsgerichtliche Verfahren (§ 55 der Verwaltungsgerichtsordnung), das sozialgerichtliche Verfahren ( § 61 des Sozialgerichtsgesetzes), das finanzgerichtliche Verfahren (§ 52 der Finanzgerichtsordnung), das arbeitsgerichtliche Verfahren ( § 9 des Arbeitsgerichtsgesetzes), das patentgerichtliche Verfahren ( § 99 des Patentgesetzes) sowie das gerichtliche Disziplinarverfahren nach § 91 der Wehrdisziplinarordnung.

Zu Absatz 2:

Die Vorschrift stellt klar, dass die Verordnung für die Teile des Strafverfahrens, die in der Verfahrensherrschaft der Staatsanwaltschaft liegen, entsprechend anzuwenden ist. Das betrifft das Ermittlungs- und das Vollstreckungsverfahren. Außerdem gilt die Verordnung neben dem gerichtlichen auch für das behördliche Bußgeldverfahren, in dem blinde oder sehbehinderte Personen beteiligt sind (§ 46 Abs. 1 und 8 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten - OWiG).

Zu Absatz 3:

Die Vorschrift bezeichnet die zur Erfüllung des Anspruchs auf Zugänglichmachung verpflichteten Stellen. Im Bußgeldverfahren ist für den Zeitpunkt des Übergangs der Verfahrensherrschaft auf die Staatsanwaltschaft der Zeitpunkt der Übersendung der Akten an die Staatsanwaltschaft ( § 69 Abs. 3 OWiG) maßgebend, wobei diese Zuständigkeit in den Fällen des § 69 Abs. 5 Satz 1 OWiG wieder auf die Verwaltungsbehörde zurückfallen kann.

Zu § 2 (Gegenstand der Zugänglichmachung)

Zu Absatz 1:

Der Regelungsabsicht des § 191a GVG folgend, stellt Absatz 1 klar, dass der Anspruch auf Zugänglichmachung alle jene Dokumente umfasst, die in einem gerichtlichen Verfahren der blinden oder sehbehinderten Person zuzustellen oder formlos mitzuteilen sind. Zu diesen Dokumenten soll der blinden oder sehbehinderten Person der Zugang erleichtert werden, um sie damit besser in die Lage zu versetzen, trotz ihrer Behinderung so weit wie möglich ihre Rechte im Verfahren selbst wahrzunehmen. Dokumente, die weder zuzustellen noch formlos mitzuteilen sind, werden von dem Anspruch auf Zugänglichmachung nach dieser Verordnung nicht erfasst. Der berechtigten Person verbleibt insoweit das Recht auf Akteneinsicht nach Maßgabe der einschlägigen Verfahrensvorschriften, das durch die Bestimmungen der vorliegenden Verordnung generell unberührt bleibt.

Der Anspruch auf Zugänglichmachung in einer für blinde und sehbehinderte Personen wahrnehmbaren Form erfasst zunächst alle gerichtlichen und behördlichen Dokumente (§ 191a Abs. 1 Satz 1 GVG, § 46 Abs. 1 OWiG), die für diese Personen als Parteien oder sonstige Verfahrensbeteiligte bestimmt sind. Auf Inhalt und Form des Dokuments (Urteil, Beweisbeschluss, Bußgeldbescheid, Ladung o. ä.) kommt es nicht an. Maßgeblich ist, dass sie vom Gericht (bzw. der Staatsanwaltschaft oder den Verwaltungsbehörden) erstellt worden sind.

Der Anspruch auf Zugänglichmachung erfasst auch Dokumente, die von den Parteien zu den Akten gereicht werden (§ 191a Abs. 2 GVG) und die der berechtigten Person nach der jeweiligen Verfahrensordnung förmlich zuzustellen oder formlos mitzuteilen sind. Das beruht auf der Erwägung, dass die Beschränkung des Anspruchs auf die vom Gericht selbst erstellten - Dokumente der Regelungsabsicht des § 191a GVG nicht in ausreichendem Umfange gerecht würde. Ziel dieser Vorschrift ist es, blinden und sehbehinderten Personen die Wahrnehmung ihrer Rechte im Verfahren zu erleichtern. Um dieses zu erreichen, sollen ihnen Dokumente, die ihnen als Verfahrensbeteiligten förmlich zugestellt oder formlos mitgeteilt werden, auch in einer Form zugänglich gemacht werden, die ihnen deren Wahrnehmung trotz ihrer Behinderung ermöglicht. Diesem Ziel würde es zuwiderlaufen, wenn nur diejenigen Dokumente etwa in Blindenschrift übersetzt würden, die richterliche bzw. gerichtliche Verfügungen, Anordnungen, Ladungen oder Entscheidungen enthalten, nicht aber auch die Dokumente, die von den Parteien zur Akte gereicht werden. Eine entsprechende - durch § 191a Abs. 2 GVG ermöglichte - Ausweitung des Anspruchs auf behindertengerechte Zugänglichmachung auch auf die von den Parteien zur Akte gereichten Dokumente ist daher grundsätzlich geboten. Das gilt auch für Dokumente, die - wie beispielsweise die Anklageschrift - bei Gericht eingereicht werden.

Im behördlichen Bußgeldverfahren umfasst der Anspruch vor allem Anordnungen, Verfügungen und sonstige Maßnahmen der Verwaltungsbehörde nach § 50 Abs. 1 Satz 1 OWiG, die der berechtigten Person formlos als Dokumente bekannt gegeben werden, sowie Bescheide nach § 50 Abs. 1 Satz 2 OWiG, die zuzustellen sind. Ist die Staatsanwaltschaft ausnahmsweise Verfolgungsbehörde, erfasst der Anspruch deren entsprechende Maßnahmen.

Sofern den Dokumenten Anlagen beigefügt sind, umfasst der Anspruch auf Zugänglichmachung auch diese. Eine Einschränkung erfährt dieser Anspruch jedoch dann, wenn und soweit sich der Inhalt der Anlage nicht mittels einer Schrift (d. h. unter Verwendung des alphanumerischen Zeichensystems) erschließt, sondern etwa durch bildliche oder grafische Darstellungen. Diese Einschränkung des Anspruches ist sachgerecht. Bilder, Fotographien, Skizzen, Pläne u. ä. können nicht, nur mangelhaft oder nur unter unverhältnismäßigem Aufwand in eine für Sehbehinderte und Blinde geeignete Form übertragen werden.

Zu Absatz 2:

Absatz 2 bringt - ergänzt durch § 7 - den Grundsatz zum Ausdruck, dass das Zugänglichmachungsverfahren nach dieser Verordnung keine Auswirkungen auf die Bestimmungen über die Zustellung oder die formlose Mitteilung von gerichtlichen Dokumenten hat. Deren Durchführung erfolgt unabhängig vom Zugänglichmachungsverfahren und parallel zu diesem ausschließlich nach Maßgabe der jeweils einschlägigen Prozessordnung. Nach § 7 sollen beide Verfahren allerdings im Regelfall zeitgleich erfolgen. Die verfahrensrechtlichen Konsequenzen der Zustellung oder formlosen Bekanntgabe richten sich allein nach den Vorschriften der Prozessordnungen.

Zu Absatz 3:

Weitergehende Ansprüche auf Zugänglichmachung können sich für berechtigte Personen aus anderen Rechtsvorschriften ergeben. Beispielsweise gewähren die Strafprozessordnung (etwa im Hinblick auf die Unzulässigkeit von Mitwirkungspflichten) oder die Europäische Menschenrechtskonvention (namentlich in Artikel 6 Abs. 3 lit. a und b) blinden oder sehbehinderten Personen in bestimmten Verfahrenssituationen, insbesondere bei der Übermittlung der Anklageschrift, Rechte, die über die in der Verordnung geregelten Ansprüche hinausgehen können. Absatz 3 stellt klar, dass diese Rechte durch die Verordnung nicht eingeschränkt werden. Auch das in den Verfahrensordnungen geregelte Recht auf Akteneinsicht wird durch die Verordnung nicht erweitert, eingeschränkt oder auf sonstige Weise berührt.

Zu § 3 (Formen der Zugänglichmachung) Zu Absatz 1:

Die Vorschrift bezeichnet die Formen, in denen ein Dokument der berechtigten Person zugänglich gemacht werden kann. Für die akustische Zugänglichmachung kommt insbesondere die Aufnahme auf handelsübliche Tonträger (z.B. Kassetten) in Betracht. In mündlicher Form können die Dokumente dem Betroffenen unmittelbar oder telefonisch vorgelesen werden. Als geeignet ist jede Form anzusehen, die die berechtigte Person zügig in die Lage versetzt, den Inhalt des Dokuments wahrzunehmen.

Zu Absatz 2:

Die Vorschrift präzisiert den Begriff der schriftlichen Form. Je nach den individuellen Fähigkeiten der berechtigten Person kann für die schriftliche Form eine Übertragung in Blindenschrift erforderlich sein, es kann aber unter Beachtung des Grades der Sehbehinderung auch eine normalschriftliche Ausfertigung in Großdruck ausreichend sein. In diesem Fall sind die in Satz 2 genannten Anforderungen an die Sicherstellung der individuellen Wahrnehmbarkeit zu beachten.

Zu Absatz 3:

Die Vorschrift präzisiert den Begriff der elektronischen Form. Bei der Übermittlung eines elektronischen Dokuments sind die dem jeweiligen Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen zur Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit zu treffen.

Zu § 4 (Umfang des Anspruchs) Zu Absatz 1:

Die Verfahrensordnungen sichern die prozessualen Rechte blinder und sehbehinderter Personen uneingeschränkt, die Wahrnehmung dieser Rechte ist für diese Personen jedoch mit zum Teil erheblichen Schwierigkeiten verbunden. Diese Zugangsbarriere soll durch § 4 Abs. 1 so weit wie möglich herabgesetzt oder beseitigt werden. Eine blinde oder sehbehinderte Person kann deshalb die Zugänglichmachung zur Wahrung ihrer Rechte im Verfahren immer dann verlangen, wenn ihr dadurch der Zugang zu den ihr zugestellten oder formlos mitgeteilten Dokumenten erleichtert und sie damit wenigstens annähernd in die Lage versetzt wird, die ein nicht behinderter Verfahrensbeteiligter inne hat. Die Vorschrift ist daher im Interesse der behinderten Personen weit auszulegen. Der Anspruch auf Zugänglichmachung wird insbesondere auch nicht durch eine rechtswirksame Vertretung, sei es durch einen Prozessbevollmächtigten, einen Verteidiger, einen Beistand oder einen Betreuer, ausgeschlossen.

Zu Absatz 2:

Die Verpflichtung zur Zugänglichmachung besteht nicht von Amts wegen, sondern nur auf Verlangen der blinden oder sehbehinderten Person. Damit diese von ihrem Recht möglichst umfassend Gebrauch machen kann, werden die in § 1 Abs. 3 bestimmten Stellen verpflichtet, eine am Verfahren beteiligte blinde oder sehbehinderte Person auf ihren Anspruch auf Zugänglichmachung hinzuweisen.

Wird die berechtigte Person durch einen Prozessbevollmächtigten, einen Verteidiger oder einen Beistand (nicht gemeint ist damit der zu einer rechtswirksamen Vertretung nicht berechtigte Beistand i.S.d. § 90 der Zivilprozessordnung [ZPO], sondern z.B. der Beistand i.S.d. § 53a ZPO) rechtswirksam vertreten oder ist für sie ein Betreuer bestellt, so sind die Rechte der berechtigten Person gegenüber der verpflichteten Stelle durch den Vertreter oder Betreuer wahrzunehmen.

Zu Absatz 3:

Das Verlangen auf Zugänglichmachung ist in jedem Abschnitt des Verfahrens zulässig. Eine bestimmte Form ist dafür nicht vorgesehen. Das Verlangen auf Zugänglichmachung ist aktenkundig zu machen und im weiteren Verfahren von Amts wegen zu beachten, insbesondere auch durch das Rechtsmittelgericht. Ein Anspruch auf Berücksichtigung von Amts wegen in allen künftigen oder parallel stattfindenden Verfahren besteht nicht.

Zu § 5 (Mitwirkung der berechtigten Person)

Die Zugänglichmachung von Dokumenten setzt die aktive Mitwirkung der blinden oder sehbehinderten Person voraus. Diese ist deshalb verpflichtet, rechtzeitig mitzuteilen, welche Formen der Zugänglichmachung für sie überhaupt in Frage kommen und ob und über welche technischen Möglichkeiten des Empfangs sie verfügt, damit die gebotene und die Besonderheiten, des Einzelfalls berücksichtigende Form der Zugänglichmachung eingeleitet werden kann. Die Zugänglichmachung auf elektronischem Wege setzt voraus, dass die berechtigte Person diese Form der Zugänglichmachung verlangt und der Stelle, die die Übermittlung in dieser Form ausführt, die technischen Voraussetzungen mitteilt, über die sie verfügt.

Zu § 6 (Ausführung der Zugänglichmachung)

Es entspricht der Intention des § 191a GVG, der blinden oder sehbehinderten Person zuzubilligen, selbst die Form der Zugänglichmachung auszuwählen, die sie in die Lage versetzt, den Inhalt der ihr zugestellten oder formlos mitgeteilten Dokumente zu erfassen. Die nach § 1 Abs. 3 zuständige Stelle muss deshalb dem Verlangen der berechtigten Person entsprechen und die Zugänglichmachung in der geforderten Form ausführen. Eine Ersetzungsbefugnis seitens der verpflichteten Stelle besteht nicht.

Zu § 7 (Zeitpunkt der Zugänglichmachung)

Die Vorschrift dient dem Interessenausgleich zwischen der blinden oder sehbehinderten Person einerseits sowie den übrigen Verfahrensbeteiligten andererseits. Für Dokumente, die einer blinden oder sehbehinderten Person im gerichtlichen Verfahren zuzustellen sind, gelten die Zustellungsvorschriften der §§ 166 bis 195 der Zivilprozessordnung und im Falle der formlosen Mitteilung sowie der Zustellung im behördlichen Bußgeldverfahren die einschlägigen Vorschriften der jeweiligen Prozessordnungen ohne Einschränkungen, sie bleiben von dieser Verordnung unberührt. Durch eine möglichst zeitgleiche Zugänglichmachung des Dokumentes soll es der berechtigten Person jedoch erleichtert werden, ihre prozessualen Rechte wirksam wahrzunehmen. Dieser. Normzweck kann in den Hintergrund treten, wenn die in jedem Einzelfall gebotene Güter- und Interessenabwägung ergibt, dass die mit der Zugänglichmachung verbundene zeitliche Verzögerung nicht hinnehmbar ist, was z.B. bei Gefahr im Verzug anzunehmen sein kann oder wenn der Verfahrenszweck es erfordert. Die Folgen einer unverschuldeten Fristversäumnis seitens der berechtigten Person können ggf. im Rahmen der Bestimmung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand korrigiert werden.

Zu § 8 (Organisation)

Um den mit der Zugänglichmachung im Einzelfall verbundenen organisatorischen Aufwand - zu reduzieren, stellt die Vorschrift klar, dass die nach § 1 Abs. 3 verpflichtete Stelle die technische Ausführung der Übertragung des Dokuments in eine Form, die die berechtigte Person wahrnehmen kann (also z.B. die der Übertragung eines in Normalschrift vorliegenden Schriftstücks in Blindenschrift) und die Übermittlung des Dokuments an die berechtigte Person einer anderen Stelle übertragen kann. Möglich ist die generelle Übertragung der genannten Aufgaben auf eine zentrale Stelle (z.B. auf ein bestimmtes Gericht oder eine zentrale Bußgeldstelle) für ein gesamtes Bundesland. § 11 des. Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) ist dabei zu beachten.

Zu § 9 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten der Verordnung.

Die Verordnung soll am ersten Tag des dritten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats in Kraft treten, um den verpflichteten Stellen die notwenige Zeit für die technisch-organisatorische Vorbereitung der Zugänglichmachung einzuräumen.