Übermittelt vom Bundesministerium der Finanzen am 13. Mai 2004 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (BGBl. I 1993 S. 313 ff.).
Die Vorlage ist von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften am 3. Mai 2004 dem
Generalsekretär/Hohen Vertreter des Rates der Europäischen Union übermittelt worden.
Hinweis: vgl.
Drucksache 749/97 = AE-Nr. 972839 und AE-Nr. 984173
1. Die Entwicklung der Öffentlich-Privaten Partnerschaft: Feststellungen und Herausforderungen
1.1. Was ist unter einer öffentlichprivaten Partnerschaft zu verstehen?
- 1. Für den Begriff der öffentlichprivaten Partnerschaft ("ÖPP") gibt es keine gemeinschaftsweit geltende Definition. Der Terminus bezieht sich im Allgemeinen auf Formen der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Stellen und Privatunternehmen zwecks Finanzierung, Bau, Renovierung, Betrieb oder Unterhalt einer Infrastruktur oder die Bereitstellung einer Dienstleistung.
- 2. Charakteristisch für ÖPP-Projekte sind nachstehende Elemente:
- - Die Projektbeziehung, die eine Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und dem privaten Partner in vielerlei Hinsicht umfasst, ist langfristig angelegt.
- - Die Finanzierung eines Projekts wird zum Teil von der Privatwirtschaft getragen, manchmal über komplizierte Konstruktionen, an denen verschiedene Akteure beteiligt sind. Eine solche private Finanzierung kann jedoch durch öffentliche Mittel manchmal beträchtlich ergänzt werden.
- - Der Wirtschaftsteilnehmer, der sich an verschiedenen Phasen des Projekts (Konzeption, Durchführung, Inbetriebnahme, Finanzierung) beteiligt, spielt eine wichtige Rolle. Der öffentliche Partner konzentriert sich im Wesentlichen auf die Bestimmung der Ziele im Sinne des öffentlichen Interesses, der Qualität der angebotenen Dienstleistungen oder der Preispolitik und wacht über die Einhaltung dieser Ziele.
- - Es besteht Risikoteilung; auf den privaten Partner werden Risiken transferiert, die herkömmlicherweise der öffentliche Sektor trägt. Eine ÖPP bedeutet jedoch nicht unbedingt, dass der private Partner sämtliche oder den größten Teil der mit dem Projekt verbundenen Risiken zu tragen hat. Die Teilung des Risikos wird von Fall zu Fall genau festgelegt und hängt im Einzelnen von der Fähigkeit der Beteiligten ab, diese zu beurteilen, zu kontrollieren und zu beherrschen.
- 3. In den vergangenen zehn Jahren wurden in vielen Zuständigkeitsbereichen der öffentlichen Hand ÖPP eingegangen. Die verstärkte Nutzung von ÖPP ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Den Mitgliedstaaten kommt diese Form der Zusammenarbeit angesichts der haushaltspolitischen Sachzwänge entgegen, da dem öffentlichen Sektor Finanzmittel aus der Privatwirtschaft zufließen. Ein weiterer Grund ist der Wille, das Knowhow und die Arbeitsmethoden des Privatsektors stärker im öffentlichen Leben zu nutzen. Die Zunahme von ÖPP spiegelt im Übrigen eine allgemeinere Entwicklung hinsichtlich der Rolle des Staates in der Wirtschaft wider: Der Staat nimmt Abstand von seiner Funktion als direkter Akteur und geht zu Organisation, Regulierung und Controlling über.
- 4. Die öffentlichen Stellen der Mitgliedstaaten greifen häufig auf ÖPP zurück, um Infrastrukturprojekte insbesondere in den Bereichen Verkehr, öffentliche Gesundheit, Bildung und öffentliche Sicherheit durchzuführen. Auf europäischer Ebene hat man erkannt, dass ÖPP zur Verwirklichung der transeuropäischen Verkehrsnetze beitragen können, die - insbesondere aufgrund unzureichender Investitionen - stark im Rückstand sind.1 Im Rahmen seiner Initiative für mehr Wachstum hat der Rat eine Reihe von Maßnahmen gebilligt, durch die die Investitionen in Infrastrukturprojekte des transeuropäischen Netzes sowie in Innovation, Forschung und Entwicklung insbesondere durch die Einrichtung von ÖPP gesteigert werden sollen.2
- 5. Es ist zwar richtig, dass die Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor mikroökonomische Vorteile bringen kann, wodurch sich ein Projekt mit einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis unter gleichzeitiger Wahrung der öffentlichen Belange realisieren lässt, allerdings sollten ÖPP nicht als Patentlösung für den von Haushaltszwängen geplagten öffentlichen Sektor dargestellt werden.3 Die Erfahrung zeigt, dass für jedes einzelne Projekt bewertet werden muss, ob diese Art der Partnerschaft einen tatsächlichen Zusatznutzen gegenüber anderen Möglichkeiten bringt, wie etwa der klassischen Vergabe eines öffentlichen Auftrages.4
- 6. Mit Interesse stellt die Kommission im Übrigen fest, dass einige Mitgliedstaaten und Beitrittsländer Instrumente zur Koordinierung und Förderung von ÖPP geschaffen haben, durch die unter anderem bewährte ÖPP-Verfahren in diesen Ländern oder auf europäischer Ebene verbreitet werden sollen. Diese Instrumente (wie z.B. die einschlägigen Task forces im Vereinigten Königreich und Italien) sollen durch die Verbreitung der einschlägigen Erfahrungen dazu beitragen, die Nutzer hinsichtlich der verschiedenen Formen von ÖPP sowie der unterschiedlichen Verfahrensabschnitte zu beraten, egal ob es sich um die konzeptionelle Phase handelt, um die Modalitäten der Auswahl des privaten Partners, eine bessere Risikoverteilung, die angemessene Wahl der Vertragsbestimmungen oder sogar die Einbeziehung von EU-Finanzierungsmitteln.
- 7. Die staatlichen Stellen nutzen außerdem die Strukturen der Partnerschaft mit dem Privatsektor zur Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen, insbesondere auf lokaler Ebene. So werden öffentliche Dienstleistungen in den Bereichen Abfallwirtschaft, Wasserversorgung oder Energieversorgung immer häufiger öffentlichen, privaten oder gemischtwirtschaftlichen Unternehmen übertragen. Im Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse wird in diesem Zusammenhang daran erinnert, dass eine staatliche Stelle, die die Bereitstellung einer Dienstleistung einem Dritten übertragen will, sich an die Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen halten muss, auch wenn die betreffende Dienstleistung als Leistung von allgemeinem Interesse eingestuft wird.1 Im Übrigen hat das Europäische Parlament anerkannt, dass die Einhaltung dieser Regeln "ein wirksames Instrument zur Vermeidung unzweckmäßiger Wettbewerbsbeschränkungen sein kann, das gleichzeitig der öffentlichen Hand erlaubt, die Bedingungen hinsichtlich Qualität, Verfügbarkeit, Sozialstandards und Umweltauflagen selbst zu definieren und zu kontrollieren".2
- 1 Vgl. die Mitteilung der Kommission vom 23. April 2003 "Ausbau des transeuropäischen Verkehrsnetzes: Neue Formen der Finanzierung - Interoperable elektronische Mautsysteme", KOM (2003) 132, und den Bericht der hochrangigen Gruppe für das transeuropäische Verkehrsnetz vom 27. Juni 2003.
- 2 Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Europäischer Rat (Brüssel) vom 12. Dezember 2003.
- 3 Eurostat, das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften, hat am 11. Februar 2004 (vgl Pressemitteilung STAT/04/18) eine Entscheidung in der Frage getroffen, wie Verträge staatlicher Einheiten, die im Rahmen von Partnerschaften mit nichtstaatlichen Einheiten abgeschlossen werden, in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen zu verbuchen sind. In der Entscheidung werden die Auswirkungen auf das Defizit bzw. den Überschuss des Staates und den öffentlichen Schuldenstand dargelegt. Eurostat empfiehlt, Vermögenswerte, die Gegenstand einer öffentlichprivaten Partnerschaft sind, nicht als Vermögenswerte des Staates zu klassifizieren und folglich nicht in der Bilanz des Sektors Staat zu verbuchen, wenn die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind: 1. der Private Partner trägt das Baurisiko, und 2. der Private Partner trägt mindestens entweder das Ausfallrisiko oder das Nachfragerisiko.
- 4 Vgl. die Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament "Öffentliche Finanzen in der WWU - 2003", veröffentlicht in European Economy Nr. 3/2003 (KOM (2003) 283 endg.).
1.2 Der Binnenmarkt als Herausforderung, die Weiterentwicklung von ÖPP auf der Basis effektiven Wettbewerbs und rechtlicher Klarheit zu gewährleisten6
- 8. In diesem Grünbuch werden ÖPP unter dem Blickwinkel der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen betrachtet. Im Gemeinschaftsrecht gibt es kein besonderes System für ÖPP. Also muss jede vertragliche oder unilaterale Maßnahme, mit der eine öffentliche Stelle die Ausübung einer Wirtschaftstätigkeit einem Dritten überträgt, vor dem Hintergrund der Regelungen und Grundsätze betrachtet werden, die sich aus dem EG-Vertrag ergeben insbesondere in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit (Artikel 43 und 49 EG-Vertrag).3 Hierzu zählen vor allem der Grundsatz der Transparenz, der Gleichbehandlung, der Verhältnismäßigkeit und der gegenseitigen Anerkennung.4 Für Fälle, die in den Anwendungsbereich der Richtlinien über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge fallen gelten zudem detaillierte Bestimmungen.5
Diese Richtlinien wollen "die Interessen der in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmer schützen die den in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen öffentlichen Auftraggebern Waren oder Dienstleistungen anbieten möchten, und zu diesem Zweck die Gefahr einer Bevorzugung einheimischer Bieter bei einer Auftragsvergabe und zugleich die Möglichkeit ausschließen, dass ein öffentlicher Auftraggeber sich von anderen als wirtschaftlichen Überlegungen leiten lässt".1 Die einzelnen Bestimmungen dieser Richtlinien gelten jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen und betreffen hauptsächlich die Vertragsabschlussphase.
- 1 KOM (2003) 270 endg. Text des Grünbuchs und der Beiträge dazu: http://europa.eu.int/comm.secretariat_general/services_general_interest .
- 2 Entschließung des Europäischen Parlaments zu dem Grünbuch der Kommission zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, verabschiedet am 14. Januar 2004.
- 3 Das Binnenmarktrecht einschließlich der Vorschriften und Grundsätze für öffentliche Aufträge und Konzessionen gilt für jede Wirtschaftstätigkeit, also für jede Tätigkeit, die darin besteht, Dienstleistungen, Waren oder Arbeiten auf einem Markt anzubieten, auch wenn diese Dienstleistungen, Waren oder Arbeiten dazu dienen, einen "öffentlichen Dienst" gemäß der entsprechenden Definition eines Mitgliedstaates zu gewährleisten.
- 4 Vgl. Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht, ABl. C 121 vom 29. April 2000.
- 5 Das heißt die Richtlinien 92/50/EWG, 93/36/EWG, 93/37/EWG und 93/38/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge, über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge und zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor. Die Richtlinien werden ersetzt durch die Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge sowie die Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung und der Postdienste, die in Kürze im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden. Der [vorläufige] Text der neuen Richtlinien ist einzusehen unter der Internetadresse http://www.europarl.eu.int/code/concluded/default_2003_en.htm .
- 6 Außerdem kann die Einrichtung einer ÖPP in bestimmten Sektoren, insbesondere im Transportwesen, spezifischen sektoralen Rechtsvorschriften unterliegen. Vgl. die Verordnung (EWG) Nr. 2408/92 des Rates vom 23. Juli 1992 über den Zugang von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu Strecken des innergemeinschaftlichen Flugverkehrs;
Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates vom 7. Dezember 1992 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage);
Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 des Rates vom 26. Juni 1969 über das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs, geändert durch Verordnung (EWG) Nr. 1893/91 sowie geänderter Vorschlag für eine Verordnung des
- 9. Welche Rechtsvorschriften für die Auswahl eines privaten Partners gelten, hängt zunächst einmal von der Art der vertraglichen Beziehung ab, die diesen an die Vergabestelle bindet.2 Dem abgeleiteten Gemeinschaftsrecht zufolge gilt jeder entgeltliche schriftliche Vertrag zwischen einer Vergabestelle und einem Akteur als "öffentlicher Bau- oder Dienstleistungsauftrag", sofern er die Ausführung von Bauarbeiten, die Errichtung eines Bauwerks oder die Bereitstellung einer Dienstleistung zum Gegenstand hat. Der Begriff "Konzession" wird als Vertrag definiert der von einem öffentlichen Auftrag nur insoweit abweicht, als die Gegenleistung für die Arbeiten oder die Dienstleistungen entweder nur in dem Recht zur Nutzung des Bauwerks bzw. der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht.
- 10. Die Elemente dieser Begriffsbestimmungen sind dem Gerichtshof zufolge so auszulegen dass die praktische Wirksamkeit der fraglichen Richtlinie nicht beeinträchtigt wird.3 Die formellen Anforderungen an den Vertragsbegriff im nationalen Recht können beispielsweise nicht dazu verwendet werden, die praktische Wirksamkeit der Richtlinie aufzuheben. Gleichermaßen erfordert der Entgeltcharakter des in Rede stehenden Vertrags nicht unbedingt die direkte Zahlung eines Preises durch den öffentlichen Partner; das Entgelt kann auch in wirtschaftlichen Gegenleistungen zugunsten des privaten Partners bestehen.
- 11. Verträge über öffentliche Bau- oder Dienstleistungsaufträge, die als vorrangig gelten4 unterliegen den einzelnen Bestimmungen der Gemeinschaftsrichtlinien. Für Baukonzessionen und öffentliche Dienstleistungsaufträge, die nicht als prioritär eingestuft sind, gelten lediglich vereinzelte Vorschriften des abgeleiteten Rechts.
Dann gibt es noch bestimmte Vorhaben, insbesondere Dienstleistungskonzessionen, für die das abgeleitete Recht keinerlei Rechtsgrundlage liefert. Gleiches gilt im Übrigen für Aufträge, die durch eine unilaterale Maßnahme erteilt werden.
- 12. Der für die Auswahl des privaten Partners geltende Rechtsrahmen ist daher gemeinschaftlich auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlichem Umfang koordiniert worden, was auf nationaler Ebene weiterhin eine große Vielfalt von Ansätzen zulässt, auch wenn jedes Vorhaben, das die Erteilung eines Auftrags an einen Dritten beinhaltet, auf Mindestgrundsätzen beruhen muss, die sich aus den Artikeln 43 bis 49 EG-Vertrag ergeben.
- Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit Anforderungen des öffentlichen Dienstes und der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge für den Personenverkehr auf der Schiene, der Straße und auf Binnenschifffahrtswegen (KOM (2002) 107 endg.).
- 1 Urteil des Gerichtshofes in den verbundenen Rechtssachen C-285/99 und C-286/99, Impresa Lombardini g. ANAS, vom 27. November 2001, Randnummer 36; ebenso Rechtssache C-380/98, University of Cambridge, Slg. I-8035, sowie Rechtssache C-19/00, SIAC construction, Slg. I-7725.
- 2 Bei ÖPP-Vereinbarungen sind in erster Linie nationale, regionale oder lokale Behörden die öffentlichen Partner. Partner können auch öffentlichrechtliche Einrichtungen sein, die zur Erfüllung eines öffentlichen Auftrags unter staatlicher Aufsicht gegründet wurden, oder Betreiberunternehmen netzgebundener Wirtschaftszweige. Zur Vereinfachung werden all diese Stellen in dem Grünbuch als "Vergabestelle" bezeichnet. Dieser Begriff beinhaltet also die "öffentlichen Auftraggeber" im Sinne der Richtlinien 92/50/EWG, 93/36/EWG, 93/37/EWG et 2004/18/EG sowie die Auftraggeber "staatliche Behörden" und "öffentliche Unternehmen" im Sinne der Richtlinien 93/38/EWG und 2004/17/EG.
- 3 Urteil des Gerichtshofes vom 12. Juli 2001 in der Rechtssache C-399/98, Scala, Slg. I-5409, insbesondere die Randnummern 53-55.
- 4 Diejenigen, die in Anhang IA der Richtlinie 92/50/EWG oder in Anhang XVIA der Richtlinie 93/38/EWG aufgeführt sind.
- 13. Die Kommission hat im Bereich des öffentlichen Vergaberechts bereits auf die Verbreitung von ÖPP reagiert. Im Jahr 2000 hat sie eine Mitteilung zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht1 veröffentlicht; darin hat sie auf der Grundlage der sich aus dem EG-Vertrag ergebenden Regeln und Grundsätze sowie des geltenden abgeleiteten Rechts den Begriff der Konzession im Gemeinschaftsrecht umrissen, ferner die Verpflichtungen, die den öffentlichen Stellen bei der Auswahl der Wirtschaftsteilnehmer obliegen, denen die Konzessionen gewährt werden. Darüber hinaus wird durch die neuen Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates zur Modernisierung und Vereinfachung des gemeinschaftlichen Rechtsrahmens ein innovatives Vergabeverfahren eingeführt, das eigens auf die Vergabe "besonders komplexer Aufträge" und somit auf bestimmte Formen von ÖPP zugeschnitten ist. Dieses neue Verfahren, das als "wettbewerblicher Dialog" bezeichnet wird, ermöglicht den öffentlichen Stellen, mit den Bewerberunternehmen Gespräche zu führen, um die am besten geeigneten Lösungen zu ermitteln.
- 14. Dennoch vertreten einige Interessenträger die Auffassung, dass die Gemeinschaftsregeln für die Auswahl von Unternehmen für eine ÖPP sowie die Auswirkungen dieser Regeln auf die Vertragsbeziehungen innerhalb der Partnerschaft nicht klar genug und zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten uneinheitlich sind. Diese Situation würde die Akteure in der Gemeinschaft verunsichern und könnte damit die Schaffung und das Gelingen von ÖPP behindern und die Finanzierung wichtiger Infrastrukturmaßnahmen und die Bereitstellung qualitativ hochwertiger öffentlicher Dienstleistungen vereiteln.
- 15. Das Europäische Parlament hat die Kommission aufgefordert zu prüfen, ob ein Richtlinienvorschlag zur einheitlichen Regulierung von Konzessionen und anderen Formen von ÖPP möglich ist.2 Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hält eine gesetzgeberische Maßnahme für geboten.3
- 16. In diesem Zusammenhang kündigte die Kommission im Rahmen ihrer Binnenmarktstrategie 2003-20064 an, ein Grünbuch zu ÖPP und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen zu veröffentlichen und so eine Diskussion darüber anzustoßen, wie sich ÖPP am besten auf der Basis effektiven Wettbewerbs und rechtlicher Klarheit weiterentwickeln können. Die Veröffentlichung eines Grünbuchs gehört auch zu den Maßnahmen, die im Rahmen der europäischen Wachstumsinitiative1 vorgesehen sind. Schließlich entspricht sie damit auch einer Reihe von Forderungen, die bei der öffentlichen Konsultation über das Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse erhoben wurden.2
- 1 Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht, ABl. C 121 vom 29. April 2000.
- 2 Stellungnahme des Europäischen Parlaments in erster Lesung zum Vorschlag der Kommission KOM (2002) 275 vom 10. Mai 2002.
- 3 Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, ABl. C 14 vom 16.1.2002, Berichterstatter Herr Levaux, Ziffer 4.1.3, und Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, ABl. C 193 vom 10.7.2001, Berichterstatter Herr B. Green, Ziffer 3.5.
- 4 Binnenmarktstrategie - Vorrangige Aufgaben 2003-2006, KOM (2003) 238 endg.
1.3. Ziel und Struktur des Grünbuchs
- 17. Mit dem Grünbuch soll eine Diskussion über die Anwendung des Gemeinschaftsrechts für öffentliche Aufträge und Konzessionen auf ÖPP angestoßen werden. Dabei soll es im Wesentlichen um die Regeln gehen, die nach der Entscheidung gelten, eine Aufgabe an einen Dritten zu übertragen. Es geht hier also um die Phase nach der wirtschaftlichen und organisatorischen Entscheidung einer lokalen oder nationalen Stelle und nicht um eine allgemeine Bewertung der Frage, ob die Bereitstellung von Dienstleistungen der öffentlichen Hand ausgelagert werden soll oder nicht; diese Entscheidung liegt im Ermessen der betreffenden staatlichen Stellen. Die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen nehmen keinen Einfluss auf die Entscheidung der Mitgliedstaaten, eine öffentliche Dienstleistung selbst zu erbringen oder sie Dritten zu übertragen.
- 18. Genauer gesagt wird mit diesem Grünbuch der Zweck verfolgt, die Tragweite der Gemeinschaftsregeln zu erläutern, die für die Phase der Auswahl des privaten Partners und für die sich daran anschließende Phase gelten; gegebenenfalls bestehende Unsicherheiten sollen ermittelt werden, ferner soll analysiert werden, ob der Gemeinschaftsrahmen den Herausforderungen und spezifischen Merkmalen von ÖPP gerecht wird. Für etwaige Gemeinschaftsmaßnahmen werden Denkanstöße geliefert. Da mit dem Grünbuch eine Konsultation eröffnet werden soll, enthält es noch keine fertigen Lösungen. Es gibt sehr vielfältige Instrumente, mit denen die Öffnung der ÖPP für den Wettbewerb unter klaren rechtlichen Rahmenbedingungen verbessert werden kann: gemeinschaftliche Rechtsakte, Mitteilungen zu Auslegungsfragen, Maßnahmen zur besseren Koordinierung der nationalen Praktiken oder Austausch bewährter Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten.
- 19. Das Grünbuch konzentriert sich also auf Fragen in Zusammenhang mit den Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen; in anderen Bereichen hat die Kommission bereits Maßnahmen zur Ausschaltung von Hemmfaktoren für ÖPP eingeleitet. So wurde vor kurzem klargestellt, wie Verträge öffentlicher Stellen im Rahmen von Partnerschaften mit privaten Rechtsträgern in den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen buchungstechnisch zu behandeln sind.3
Außerdem wird die Einführung des Statuts der Europäischen Gesellschaft die Einrichtung transeuropäischer ÖPP vereinfachen.4
- 1 Mitteilung der Kommission "Eine europäische Wachstumsinitiative: Investitionen in Netze und Wissen für Wachstum und Beschäftigung", KOM (2003) 690 endg. vom 11. November 2003. Der Europäische Rat hat diesen Bericht auf seiner Tagung am 12. Dezember 2003 in Brüssel gebilligt.
- 2 Vgl. Bericht über die Ergebnisse der Konsultationen über das Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse, vgl. Fußnote 5.
- 3 Vgl. Fußnote 3.
- 4 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 des Rates vom 8. Oktober 2001.
- 20. Zur Analyse dieses Grünbuchs sind zwei ÖPP-Formen zu unterscheiden:
- - ÖPP auf Vertragsbasis, bei denen die Partnerschaft zwischen öffentlichem und privatem Sektor nur auf vertraglichen Beziehungen basiert;
- - institutionalisierte ÖPP, bei denen die Zusammenarbeit zwischen öffentlichem und privatem Sektor innerhalb eines eigenständigen Rechtssubjekts erfolgt.
Dieser Unterscheidung liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die vielfältigen ÖPP-Formen, die in den verschiedenen Mitgliedstaaten anzutreffen sind, zwei übergeordneten Modellen zugeordnet werden können. Beide werfen spezifische Fragen der Anwendung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen auf, die in den nachstehenden Kapiteln separat behandelt werden.1
2. ÖPP auf Vertragsbasis vor dem Hintergrund der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen
- 21. Der Begriff "ÖPP auf Vertragsbasis" bezeichnet eine Partnerschaft, die sich ausschließlich auf vertragliche Beziehungen zwischen den verschiedenen Akteuren stützt. Er steht für unterschiedliche Konstruktionen, mit denen eine oder mehrere mehr oder weniger umfangreiche Aufgaben einem privaten Partner übertragen werden hierzu gehören Konzeption, Finanzierung, Ausführung, Renovierung oder Nutzung eines Bauwerks oder die Bereitstellung einer Dienstleistung.
- 22. Merkmal eines der bekanntesten Modelle, das häufig als "Konzessionsmodell"2 bezeichnet wird, ist die direkte Verbindung zwischen dem privaten Partner und dem Endnutzer: der private Partner stellt der Öffentlichkeit "an Stelle" des öffentlichen Partners, aber unter dessen Aufsicht eine Dienstleistung bereit. Ein weiteres Merkmal ist die Art der Vergütung des Auftragnehmers: die Dienstleistungsempfänger zahlen Gebühren, die gegebenenfalls durch Beihilfen der öffentlichen Stellen ergänzt werden.
- 23. Bei anderen Konstruktionen hat der private Partner die Aufgabe, eine Infrastruktur für die öffentliche Verwaltung aufzubauen und zu betreiben (beispielsweise eine Schule, ein Krankenhaus, eine Strafanstalt, eine Verkehrsinfrastruktur). Typischste Ausprägungsform dieses Modells ist die PFI.3 Hier werden keine Gebühren beim Nutzer des Bauwerks oder der Dienstleistung erhoben; stattdessen erhält der private Partner regelmäßige Zahlungen vom öffentlichen Partner. Diese Zahlungen können eine feste Höhe haben, sie können aber auch variabel berechnet werden, je nach Verfügbarkeit des Bauwerks oder der entsprechenden Dienstleistungen oder auch nach der Nutzungsfrequenz. 1
- 1. Welche Formen von ÖPP auf Vertragsbasis sind Ihnen bekannt? Gibt es in Ihrem Land spezifische (gesetzliche oder andere) Rahmenbedingungen für derartige Konstruktionen?
- 1 Die Unterscheidung berücksichtigt nicht die Rechtsmerkmale dieser institutionellen oder vertraglichen Konstruktionen im nationalen Recht und sagt nichts über ihre gemeinschaftsrechtliche Einstufung aus. Zweck der nachstehenden Analyse ist daher lediglich, die gewöhnlich als ÖPP eingestuften Konstruktionen voneinander zu unterscheiden; sie soll die später zu treffende Entscheidung unterstützen, welche gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen gelten sollen.
- 2 Es sei daran erinnert, dass die Einstufung nach einzelstaatlichem Recht oder durch die Vertragsparteien keinerlei Einfluss auf die rechtliche Einstufung dieser Verträge im Hinblick auf die Anwendung des Gemeinschaftsrechts über öffentliche Aufträge und Konzessionen hat.
- 3 Die Abkürzung PFI steht für Private Finance Initiative, ein Programm der britischen Regierung, das die Modernisierung öffentlicher Infrastruktur mittels privater Finanzierung ermöglicht. Dasselbe Modell findet in anderen Mitgliedstaaten Anwendung, manchmal mit beträchtlichen Varianten. Beispielsweise ist in Anlehnung daran das deutsche "Betreibermodell" entstanden.
2.1. Auswahl des privaten Partners
2.1.1. Partnerschaft auf Vertragsbasis: als öffentlicher Auftrag eingestufte Beauftragung
- 24. Die Regelung der Vergabe öffentlicher Bauarbeiten oder von als prioritär eingestuften öffentlichen Dienstleistungen2 ergibt sich aus den Bestimmungen der Gemeinschaftsrichtlinien, in denen ausführliche Regeln, insbesondere in Bezug auf Bekanntmachung und Teilnahme, festgelegt sind. Wenn es sich bei der öffentlichen Stelle um einen öffentlichen Auftraggeber handelt, der im Anwendungsbereich der klassischen Richtlinien3 tätig ist, kann er normalerweise zwecks Auswahl seines privaten Partners zwischen dem offenen und dem nichtoffenen Verfahren wählen.
Ausnahmsweise kann unter bestimmten Bedingungen auch das Verhandlungsverfahren gewählt werden. In diesem Zusammenhang möchte die Kommission daran erinnern, dass der Anwendungsbereich der in Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie 93/37/EWG vorgesehenen Ausnahmeregelung beschränkt ist; darin ist die Inanspruchnahme des Verhandlungsverfahrens vorgesehen, wenn es sich bei dem Auftrag "um Arbeiten handelt, die ihrer Natur nach oder wegen der damit verbundenen Risiken eine vorherige globale Preisgestaltung nicht zulassen". Die Ausnahmeregelung gilt ausschließlich für Sonderfälle, in denen die Art oder der Umfang der Arbeiten von vornherein unwägbar ist;4 Sie ist jedoch nicht für Fälle gedacht in denen andere Unwägbarkeiten auftreten, etwa Probleme mit der vorherigen Preisfestlegung aufgrund der Tatsache, dass die rechtliche und finanztechnische Konstruktion sehr komplex ist.
- 25. Seit dem Erlass der Richtlinie 2004/18/EG kann ein neues Verfahren, der so genannte wettbewerbliche Dialog, bei der Vergabe von besonders komplizierten Aufträgen gewählt werden.5 Das Verfahren des wettbewerblichen Dialogs wird eingeschlagen wenn der öffentliche Auftraggeber objektiv nicht in der Lage ist, die für seinen Auftrag und seine Ziele geeigneten technischen Mittel zu bestimmen, oder wenn er objektiv nicht in der Lage ist, ein Projekt rechtlich und/oder finanztechnisch zu konzipieren. Das neue Verfahren erlaubt den Vergabestellen, mit den Bewerbern in einen Dialog einzutreten, in dem es um die Ausarbeitung bedarfsgerechter Lösungen geht. Abschließend werden die Bewerber aufgefordert, ihr endgültiges Angebot auf der Grundlage der Dialog ermittelten Lösung(en) zu unterbreiten. Diese Angebote müssen sämtliche für die Ausführung des Projekts geforderten und notwendigen Elemente enthalten. Die Vergabestellen bewerten die Angebote auf der Grundlage der zuvor festgelegten Zuschlagskriterien. Der Bieter, der das wirtschaftlich günstigste Angebot unterbreitet hat, kann dazu aufgefordert werden, bestimmte Aspekte seines Angebots zu erläutern oder die darin eingegangenen Verpflichtungen zu bestätigen;
Voraussetzung hierfür ist, dass die wesentlichen Elemente des Angebots oder der Ausschreibung dadurch nicht verändert werden, der Wettbewerb nicht verfälscht wird oder Diskriminierungen entstehen.
- 1 Vgl. die "virtuelle Maut" im Rahmen von Autobahnprojekten insbesondere im Vereinigten Königreich, Portugal, Spanien und Finnland.
- 2 Also diejenigen, die in Anhang IA der Richtlinie 92/50/EWG und in Anhang XVIA der Richtlinie 93/38/EWG aufgeführt sind.
- 3 Also den Richtlinien 93/37/EWG, 92/50/EWG et 2004/18/EG.
- 4 Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Arbeiten in einer geologisch instabilen oder einer archäologischen Zone stattfinden und ihr Umfang daher zu Beginn des Verfahrens nicht vorhersehbar ist. Eine ähnliche Ausnahmeregelung ist in Artikel 11 Absatz 2 der Richtlinie 92/50/EWG sowie in Artikel 30 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2004/18/EG vorgesehen.
- 5 Artikel 29 der Richtlinie 2004/18/EG.
- 26. Das Verfahren des wettbewerblichen Dialogs dürfte gewährleisten, dass die Erörterung sämtlicher Auftragsaspekte mit den Bewerbern im Verlauf der Definitionsphase ausreichend flexibel verlaufen kann, wobei darauf zu achten ist, dass diese Gespräche unter Wahrung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung geführt und die im EG-Vertrag verankerten Rechte der Wirtschaftsteilnehmer nicht gefährdet werden. Das Verfahren gründet auf dem Gedanken, dass strukturierte Auswahlmethoden auf jeden Fall beibehalten werden müssen da sie Objektivität und Integrität des Verfahrens zur Auswahl eines Akteurs garantieren. Dies gewährleistet eine verantwortungsvolle Nutzung der Steuergelder, mindert die Risiken intransparenter Praktiken und stärkt die Rechtssicherheit, die für die Verwirklichung derartiger Projekte unabdingbar ist.
- 27. Im Übrigen muss betont werden, dass es bei den neuen Richtlinien im Interesse der Vergabestellen liegt, technische Spezifikationen in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen zu formulieren. Neue Bestimmungen vergrößern nämlich den Spielraum der Vergabestellen, unabhängig vom eingeschlagenen Verfahren innovative Lösungen in der Vergabephase zu berücksichtigen.1
- 2. Nach Auffassung der Kommission wird die Umsetzung des wettbewerblichen Dialogs in einzelstaatliche Rechtsvorschriften den betroffenen Parteien ein Verfahren an die Hand geben, das sich ganz besonders für die Vergabe öffentlicher Aufträge in Zusammenhang mit der Einrichtung einer ÖPP auf Vertragsbasis eignet und gleichzeitig die Grundrechte der Wirtschaftsteilnehmer wahrt. Stimmen Sie dem zu? Falls nein, warum nicht?
- 3. Sehen Sie in Bezug auf diese Aufträge neben der Wahl des Vergabeverfahrens andere Punkte, die mit dem Gemeinschaftsrecht über öffentliche Aufträge in Konflikt stehen könnten? Wenn ja, nennen Sie diese und begründen Sie!
2.1.2. Partnerschaft auf Vertragsbasis: als Konzession eingestufte Beauftragung
- 28. Es gibt nur wenige Bestimmungen im abgeleiteten Recht für die Koordinierung der Vergabe von Aufträgen, die dem Gemeinschaftsrecht zufolge als Konzessionen gelten. Bei Baukonzessionen bestehen nur gewisse Verpflichtungen für die Bekanntmachung, durch die sichergestellt werden soll, dass die interessierten Wirtschaftsteilnehmer vorher zum Wettbewerb aufgerufen werden, sowie eine Verpflichtung in Bezug auf den Mindestzeitraum für die Annahme von Bewerbungen.2 Nach welchem Verfahren der private Partner daraufhin ausgewählt wird können die Vergabestellen frei entscheiden; sie müssen jedoch bei der Vergabe die sich aus dem EG-Vertrag ergebenden Grundsätze und Regeln uneingeschränkt wahren.
- 29. Die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen ist, abgesehen von der Geltung der Grundsätze der Artikel 43 bis 49 EG-Vertrag, nämlich Transparenz, Gleichbehandlung, Verhältnismäßigkeit und gegenseitige Anerkennung, nicht besonders geregelt.1 In seinem Urteil in der Rechtssache Telaustria hat der Gerichtshof Folgendes festgestellt: "Kraft dieser Verpflichtung zur Transparenz muss der Auftraggeber zugunsten potenzieller Bieter einen angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicherstellen, der den Dienstleistungsmarkt dem Wettbewerb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt wurden."2
- 30. Nach Auffassung der Kommission kann das sich aus den einschlägigen Bestimmungen des EG-Vertrags ergebende Vorgehen wie folgt zusammengefasst werden: Festlegung der Regeln für die Auswahl des privaten Partners; angemessene Bekanntmachung der Absicht der Konzessionserteilung und der Regeln für die Auswahl, damit die Unparteilichkeit während des gesamten Verfahrens kontrolliert werden kann; Aufruf der Wirtschaftsteilnehmer, die gegebenenfalls daran interessiert und/oder dazu in der Lage sind, die in Rede stehenden Aufgaben auszuführen, zur Teilnahme am Wettbewerb; Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung aller Teilnehmer während des gesamten Verfahrens; Vergabe auf der Grundlage objektiver Kriterien, die niemanden benachteiligen.
- 31. Das für die Erteilung von Konzessionen geltende Gemeinschaftsrecht ergibt sich somit im Wesentlichen aus allgemeinen Verpflichtungen, die keine Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten implizieren. Außerdem hegen nur sehr wenige Mitgliedstaaten den Wunsch, auf nationaler Ebene allgemeine oder ausführliche rechtliche Rahmenbedingungen für die Erteilung von Bau- oder Dienstleistungskonzessionen festzulegen, obgleich sie die Möglichkeit hätten.3 Daher wird die Auswahl eines Konzessionärs durch eine Vergabestelle zumeist von Fall zu Fall geregelt.
- 32. Diese Situation könnte für gemeinschaftsweit tätige Akteure problematisch sein. Die Tatsache, dass die einzelstaatlichen Vorschriften nicht koordiniert sind, könnte nämlich einer echten gemeinschaftsweiten Öffnung derartiger Vorhaben im Weg stehen. Darüber hinaus könnte die sich daraus ergebende Rechtsunsicherheit kostentreibend wirken.
- 33. Im Übrigen wurde von einigen Seiten geltend gemacht, dass die Zielsetzungen des Binnenmarktes in bestimmten Situationen aufs Spiel gesetzt werden könnten, wenn auf dem Markt kein effektiver Wettbewerb herrscht. Die Kommission möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass die Richtlinien über öffentliche Aufträge nicht nur die Transparenz der Verfahren und die Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer gewährleisten sollen, sondern auch sicherstellen sollen, dass eine Mindestzahl von Bewerbern zur Teilnahme an den verschiedenen Verfahren - offene oder nichtoffene Verfahren, Verhandlungsverfahren oder wettbewerblicher Dialog - aufgerufen wird.1
Es ist zu beurteilen, ob die wirksame Anwendung dieser Bestimmungen ausreicht oder ob weitere Maßnahmen erforderlich sind, um die Schaffung eines stärker vom Wettbewerb geprägten Umfelds zu erleichtern.
- 1 Obwohl die Kommission vorgeschlagen hatte, Dienstleistungskonzessionen in die Richtlinie 92/50/EWG einzubeziehen, hat der Rat im Verlauf des Rechtsetzungsverfahrens entschieden, sie vom Geltungsbereich auszunehmen.
- 2 Rechtssache C-324/98. Vgl. auch den Beschluss des Gerichtshofs vom 30. Mai 2002 in der Rechtssache C-358/00, Deutsche Bibliothek, Slg. I-4685. Diese Grundsätze gelten ebenfalls für andere staatliche Akte, durch die einem Dritten eine wirtschaftliche Leistung übertragen wird, beispielsweise für die Aufträge, die vom Geltungsbereich der Richtlinien ausgenommen sind, weil ihr Auftragswert unterhalb der Schwellen liegt, ab denen das abgeleitete Recht gilt (Beschluss des Gerichtshofs vom 3. Dezember 2001 in der Rechtssache C-59/00, Vestergaard, Slg. I-9505), oder für die so genannten nicht prioritären Dienstleistungen.
- 3 Spanien (Gesetz vom 23. Mai 2003 über Baukonzessionen), Italien (Merloni-Gesetz von 1994 in der geänderten Fassung) und Frankreich (Sapin-Gesetz von 1993) haben derartige Rechtsvorschriften erlassen.
- 34. Außerdem hat die Kommission im Zusammenhang mit den bereits eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahren festgestellt, dass es nicht immer einfach ist, von vornherein festzulegen, ob es sich bei dem ausgeschriebenen Vorhaben um einen öffentlichen Auftrag oder um eine Konzession handelt. Bei Verträgen, die zu Beginn des Verfahrens als Konzessionen eingestuft werden, kann im Verlauf des Verfahrens über die Teilung von Risiko und Nutzen verhandelt werden. Dabei kann sich herausstellen dass der Vertrag letzten Endes als "öffentlicher Auftrag" einzustufen ist. Eine Umstufung stellt häufig die Rechtmäßigkeit des von der Vergabestelle gewählten Vergabeverfahrens in Frage. Nach Auffassung der betroffenen Parteien belastet diese Rechtsunsicherheit die entsprechenden Vorhaben und beeinträchtigt in hohem Maße ihre Entwicklung.
- 35. In diesem Zusammenhang könnte die Kommission ergänzend zu den bereits bestehenden Texten über die Vergabe öffentlicher Aufträge einen Legislativvorschlag in Erwägung ziehen, durch den die Verfahren zur Erteilung von Konzessionen in der Europäischen Union koordiniert würden. Dann müssten ausführliche Bestimmungen für die Konzessionsvergabe festgelegt werden.
- 36. Außerdem müsste geprüft werden, ob objektive Gründe dagegen sprechen, die Erteilung von Konzessionen einem anderen als dem Regelwerk zu unterwerfen, das bereits für die Vergabe von ÖPP-Vorhaben auf Vertragsbasis besteht. Hier sei daran erinnert dass das Nutzungsrecht und seine natürlichen Folgen, nämlich der Transfer der mit der Nutzung verbundenen Risiken, das Kriterium zur Unterscheidung öffentlicher Aufträge von Konzessionen ist. Sollte sich bestätigen, dass bei der Vergabe bestimmter ÖPP-Vorhaben auf Vertragsbasis häufig Rechtsunsicherheit herrscht weil es schwierig ist, von vornherein über die Teilung der Nutzungsrisiken zwischen den Partnern zu befinden, könnte die Kommission in Erwägung ziehen, die Vergabe aller ÖPP-Vorhaben auf Vertragsbasis ein und demselben Vergabesystem zu unterwerfen, ob die Vorhaben nun als öffentliche Aufträge oder als Konzessionen eingestuft werden.
- 4. Haben Sie bereits einmal ein Verfahren zur Vergabe einer Konzession in der Europäischen Union organisiert, daran teilgenommen bzw. ein solches organisieren oder daran teilnehmen wollen? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
- 5. Halten Sie das derzeitige Gemeinschaftsrecht für präzise genug, um die konkrete und effektive Teilnahme von Gesellschaften oder Gruppierungen aus anderen Staaten an den Konzessionsvergabeverfahren sicherzustellen? Sind Sie der Ansicht, dass in dieser Hinsicht normalerweise ein tatsächlicher Wettbewerb herrscht?
- 6. Halten Sie einen Vorschlag für einen gemeinschaftlichen Rechtsakt zur Festlegung eines Verfahrensrahmens für die Konzessionsvergabe für wünschenswert?
- 7. Allgemeiner gefragt: Wenn Sie ein neues Gesetzgebungsvorhaben der Kommission für erforderlich halten, gibt es dann objektive Gründe dafür, in diesem Rechtsakt sämtliche ÖPP auf Vertragsbasis zu behandeln und sie ein und demselben Regelwerk für die Vergabe zu unterwerfen, ganz gleich ob die Vorhaben als öffentliche Aufträge oder als Konzessionen einzustufen sind?
2.2. Fragen in Zusammenhang mit der Auswahl eines Wirtschaftsteilnehmers im Rahmen einer privat initiierten ÖPP
- 37. Seit kurzem ist es in einigen Mitgliedstaaten möglich, dass der Privatsektor selbst die Initiative zu einem ÖPP-Vorhaben ergreift.1 In derartigen Fällen arbeiten die Wirtschaftsteilnehmer, gegebenenfalls auf Aufforderung der Verwaltung, einen ausführlichen Projektvorschlag aus, im Allgemeinen für ein Bauvorhaben oder den Betrieb einer Infrastruktur.
- 38. So kann bereits frühzeitig die Bereitschaft der Wirtschaftsteilnehmer zu Investitionen in bestimmte Projekte sondiert werden. Außerdem ist es für diese ein Anreiz, technisch innovative Lösungen zu entwickeln oder anzuwenden, die den besonderen Bedürfnissen der Vergabestelle gerecht werden.
- 39. Die Tatsache, dass ein öffentliches Vorhaben aus einer Privatinitiative hervorgeht, ändert nichts an der Natur der Verträge, die zwischen den Vergabestellen und den Wirtschaftsteilnehmern geschlossen werden. Handelt es sich um entgeltliche Verträge über Leistungen, die dem abgeleiteten Recht unterliegen, müssen sie entweder als öffentlicher Auftrag oder als Konzession das entsprechende Vergabeverfahren durchlaufen.
- 40. Daher ist darauf zu achten, dass diese Verfahren nicht dazu führen, dass den europäischen Wirtschaftsteilnehmern die in den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften über öffentliche Aufträge und Konzessionen festgeschriebenen Rechte vorenthalten werden. Vor allem muss nach Auffassung der Kommission - und das ist die Mindestanforderung - allen europäischen Akteuren der Zugang zu dieser Art von Vorhaben gewährleistet werden, insbesondere durch eine angemessene Bekanntmachung der Aufforderung zur Konzeption eines Projekts.
Will dann eine staatliche Stelle einen Projektvorschlag in die Tat umsetzen, muss sie unter allen potenziell an der Ausführung des ausgewählten Projekts interessierten Wirtschaftsteilnehmer einen Wettbewerb organisieren, der eine unparteiliche Auswahl gewährleistet.
- 1 In einigen Mitgliedstaaten gibt es einen eigenen Rahmen für Privatinitiativen (vgl. Merloni-Gesetz in Italien vom 18. November 1998 und in Spanien die Verordnung über die Dienstleistungen der Gebietskörperschaften von 1955 sowie das Gesetz 013/2003 über Baukonzessionen vom 23. Mai 2003). In anderen Mitgliedstaaten gibt es in der Praxis ebenfalls ÖPP in privater Initiative.
- 41. Um das System attraktiv zu gestalten, haben die Mitgliedstaaten zuweilen versucht, Anreize für Initiatoren einzuführen. Eine Belohnung kann beispielsweise so aussehen dass der Initiator eines Projekts für seine Initiative außerhalb des späteren Vergabeverfahrens entschädigt wird. Eine andere Möglichkeit ist, dem Initiator im Rahmen des Wettbewerbs um das ausgewählte Projekt bestimmte Vorteile einzuräumen. Diese Lösungen müssen daraufhin geprüft werden, ob die dem Projektinitiator gewährten Wettbewerbsvorteile nicht die Gleichbehandlung der Bewerber aushöhlen.
- 8. Ist Ihrer Erfahrung nach der Zugang der ausländischen Akteure zu privat initiierten ÖPP gewährleistet? Für den Fall, dass die Vergabestellen zur Initiative aufrufen, wird dieser Aufruf dann angemessen bekannt gemacht, so dass alle interessierten Akteure Kenntnis davon haben können? Wird für die Ausführung des ausgewählten Projekts ein Auswahlverfahren auf Basis eines effektiven Wettbewerbs organisiert?
- 9. Wie könnte Ihrer Auffassung nach die Entwicklung privat initiierter ÖPP in der Europäischen Union unter Wahrung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung und ohne Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot gewährleistet werden?
2.3. Die Phase nach der Auswahl des privaten Partners
- 42. Das abgeleitete Recht für öffentliche Aufträge und Konzessionen behandelt hauptsächlich die Phase der Auftragsvergabe. Für die Zeit nach der Auswahl eines privaten Partners hingegen bietet das abgeleitete Recht keine globale Grundlage. Die sich aus dem EG-Vertrag ergebenden Grundsätze der Gleichbehandlung und der Transparenz verbieten jedoch allgemein jegliche Intervention des öffentlichen Partners nach Auswahl eines privaten Partners, denn ein solches Eingreifen könnte die Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer erneut in Frage stellen.1
- 43. Die häufig komplizierte Natur der fraglichen Konstruktion, der Zeitabstand zwischen Auswahl des privaten Partners und Unterzeichnung des Vertrags, die relativ lange Projektdauer und schließlich die häufige Vergabe von Unteraufträgen lassen die Anwendung dieser Regeln und Grundsätze zu einer heiklen Angelegenheit werden.
Nachstehend werden zwei Aspekte näher betrachtet: ÖPP-Verträge und Unteraufträge
2.3.1. Vertraglicher Rahmen
- 44. Die Vertragsbestimmungen für die Ausführungsphase eines ÖPP-Vorhabens fallen in erster Linie unter einzelstaatliches Recht. Allerdings müssen bei der Formulierung der Vertragsklauseln auch die einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften und insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Transparenz berücksichtigt werden. Dies beinhaltet vor allem, dass die Bedingungen und Modalitäten für die Ausführung der Verträge klar aus den Vergabeunterlagen hervorgehen damit die verschiedenen Partnerschaftsbewerber sie gleich auslegen und bei der Ausarbeitung ihrer Angebote berücksichtigen. Außerdem dürfen diese Ausführungsbedingungen und -modalitäten weder direkt noch indirekt diskriminierend wirken oder die Dienstleistungs- und die Niederlassungsfreiheit ungerechtfertigt beeinträchtigen.1
- 1 Vgl. Rechtssache C-87/94, Kommission v. Belgien (Bus Wallons), Urteil vom 25. April 1994, Randnummer 54. Vgl. außerdem Rechtssache C-243/89, Kommission g. Dänemark (Storebaelt-Brücke), Urteil vom 22. Juni 1992.
- 45. Der Erfolg einer ÖPP hängt zu einem großen Teil davon ab, dass die vertraglichen Rahmenbedingungen für das Projekt möglichst umfassend sind und die für die Ausführung geltenden Elemente optimal festgelegt werden. In diesem Zusammenhang sind eine stichhaltige Bewertung und die optimale Teilung der Risiken zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor entsprechend der jeweiligen Fähigkeit zur Risikobeherrschung von entscheidender Bedeutung.
Wichtig erscheint auch, dass Mechanismen zur regelmäßigen Bewertung der Leistung des ÖPP-Auftragnehmers zur Verfügung gestellt werden. In diesem Rahmen gebietet der Grundsatz der Transparenz, dass die zur Bewertung und zur Risikoteilung wie auch zur Leistungsbeurteilung erforderlichen Elemente in den Vergabeunterlagen veröffentlicht werden, damit sie bei der Ausarbeitung der Angebote berücksichtigt werden können.
- 46. Im Übrigen muss sich der Zeitraum, in dem der private Partner eine Infrastruktur oder eine Dienstleistung betreibt bzw. bereitstellt, nach der Erfordernis richten, das wirtschaftliche und finanzielle Gleichgewicht des Projekts zu gewährleisten.
Insbesondere ist die Dauer der partnerschaftlichen Beziehungen so festzulegen, dass der freie Wettbewerb nur so weit eingeschränkt wird, wie es erforderlich ist, um die Amortisierung der Investitionen und eine angemessene Verzinsung des eingesetzten Kapitals sicherzustellen Eine übermäßig lange Laufzeit dürfte sich aufgrund der für den Binnenmarkt geltenden Grundsätze 2 oder der wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen des EG-Vertrags3 verbieten. Der Grundsatz der Transparenz verlangt ebenfalls dass die Elemente, auf die sich die Festlegung der Laufzeit stützt, in den Vergabeunterlagen veröffentlicht werden, damit die Bieter sie bei der Ausarbeitung ihres Angebots berücksichtigen können.
- 47. Da es sich um eine im Zeitverlauf erbrachte Leistung handelt, müssen sich die ÖPP-Beziehungen weiterentwickeln um sich an Veränderungen des makroökonomischen oder technischen Umfelds sowie an das öffentliche Interesse anzupassen. Allgemein steht das Gemeinschaftsrecht für öffentliche Aufträge der Möglichkeit nicht entgegen diese Entwicklungen zu berücksichtigen, sofern dies unter Wahrung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Transparenz geschieht. So können in die Vergabeunterlagen, die den Bietern oder Bewerbern im Auswahlverfahren übermittelt werden, Klauseln für die automatische Anpassung, etwa zur Preisindexierung, oder Vorkehrungen für eine Neufestlegung der erhobenen Gebühren aufgenommen werden. Außerdem können Revisionsklauseln vorgesehen werden darin müssen die Umstände und Bedingungen, unter denen die Vertragsbeziehungen angepasst werden können, präzise dargelegt sein. Allerdings müssen diese Klauseln immer so klar formuliert sein, dass die Wirtschaftsteilnehmer sie in der Phase der Partnerauswahl gleich auslegen.
- 1 Rechtssache C-19/00, SIAC Constructions, Urteil vom 18. Oktober 2001, Randnummern 41-45;
Rechtssache C-31/87, Gebroeders Beentjes v. Niederlande, Urteil vom 20. September 1988, Randnummern 29-37. Vgl. ebenfalls Artikel 26 der Richtlinie 2000/18/EG und Artikel 38 der Richtlinie 2000/17/EG.
- 2 Vgl. Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Gemeinschaftsrecht, insbesondere Ziffer 3.1.3.
- 3 Artikel 81, 82 und 86 Absatz 2 EG-Vertrag.
- 1 Rechtssache C-19/00, SIAC Constructions, Urteil vom 18. Oktober 2001, Randnummern 41-45;
- 48. Bei bestimmten Operationen behalten sich die Finanzinstitute das Recht vor, das Projektmanagement zu übernehmen oder einen neuen Projektmanager zu ernennen, wenn der Cash-Flow aus dem Projekt unterhalb ein bestimmtes Niveau fällt. Die Anwendung dieser so genannten Interventionsklauseln kann dazu führen, dass der private Partner ohne erneuten Wettbewerb ausgetauscht wird. Es muss daher besonders geprüft werden, ob ein derartiger Vorgang mit dem Gemeinschaftsrecht für öffentliche Aufträge und Konzessionen vereinbar ist.
- 49. Ganz allgemein stellen im Verlauf einer ÖPP vorgenommene Änderungen, die nicht von den Vertragsunterlagen gedeckt sind, den Grundsatz der Gleichbehandlung der Wirtschaftsteilnehmer in Frage.1 Diese nicht gedeckten Änderung sind nur dann annehmbar wenn sie durch ein unvorhersehbares Ereignis erforderlich werden oder aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind.2 Zudem ist jede inhaltliche Änderung in Bezug auf den Vertragsgegenstand selbst dem Abschluss eines neuen Vertrags gleichzusetzen, was einen erneuten Aufruf zum Wettbewerb impliziert.3
- 50. Schließlich sei auch daran erinnert, dass das abgeleitete Recht die Ausnahmesituationen nennt, in denen eine direkte Übertragung ohne Wettbewerb von ergänzenden Arbeiten oder Dienstleistungen zulässig ist, die nicht im ursprünglich vorgesehenen Projekt oder im zuerst abgeschlossenen Vertrag genannt waren.4 Diese Ausnahmen sind restriktiv auszulegen. Beispielsweise schließen sie nicht die Verlängerung einer bereits bestehenden Autobahnkonzession zur Deckung der Kosten für den Bau eines neuen Abschnitts ein. Die Praktik, "rentable" und "nicht rentable" Wirtschaftstätigkeiten auf einen einzigen Konzessionär zu vereinen, darf nicht dazu führen, dass eine neue Wirtschaftstätigkeit ohne Aufruf zum Wettbewerb einem bereits vorhandenen Konzessionär übertragen wird.
- 1 Vgl. Rechtssache C-337/98, Kommission v. Frankreich, Urteil vom 5. Oktober 2000, Randnummern 44 ff. Ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht stellen ebenfalls Änderungen im Verlauf der Vertragsabschlussphase nach der endgültigen Auswahl des Auftragnehmers dar. Die neuen Bestimmungen für den wettbewerblichen Dialog sehen hierzu vor, dass der ausgewählte Bieter lediglich "einzelne Aspekte seines Angebots (...) erläutern oder die in dem Angebot unternommenen Verpflichtungen (...) bestätigen" kann, "vorausgesetzt, dass dies nicht zur Änderung wesentlicher Elemente des Angebots oder der Ausschreibung, zur Wettbewerbsverzerrung oder zur Diskriminierung führt".
- 2 Artikel 46 des Vertrags.
- 3 Vgl. Rechtssache C-337/98, Kommission v. Frankreich, Urteil vom 5. Oktober 2000, Randnummern 44 ff. Die Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen stellt hierzu klar, dass die Verlängerung einer bestehenden Konzession über den ursprünglich festgelegten Zeitpunkt hinaus der Gewährung einer neuen Konzession zugunsten desselben Konzessionärs gleichgestellt ist.
- 4 Vgl. Artikel 11 Absatz 3 Buchstabe e der Richtlinie 92/50/EWG, Artikel 7 Absatz 3 Buchstabe d der Richtlinie 93/37/EWG und Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe f der Richtlinie 093/38/EWG. In der neuen Richtlinie 2004/18/EG ist eine ähnliche Ausnahme für Baukonzessionen vorgesehen, vgl. Artikel 61.
- 10. Welche Erfahrungen haben sie in der Phase im Anschluss an die Auswahl des privaten Partners im Rahmen von ÖPP auf Vertragsbasis gemacht?
- 11. Sind Ihnen Fälle bekannt, in denen die Ausführungsbedingungen, einschließlich der Klauseln zur Anpassung im Zeitverlauf, eine diskriminierende Wirkung entfalten konnten oder eine ungerechtfertigte Behinderung der Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit darstellten? Falls ja, bitte beschreiben Sie die Art der aufgetretenen Probleme!
- 12. Sind Ihnen Praktiken oder Mechanismen zur Bewertung von Angeboten bekannt, die eine diskriminierende Wirkung haben?
- 13. Sind Sie wie die Kommission der Auffassung, dass bestimmte Interventionsklauseln in Bezug auf die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung problematisch sein können? Sind Ihnen andere Typen von Klauseln bekannt, deren Anwendung zu ähnlichen Problemen führen kann?
- 14. Halten Sie es für erforderlich, dass bestimmte Aspekte der vertraglichen Rahmenbedingungen für ÖPP auf Gemeinschaftsebene geklärt werden? Falls ja, was sollte geklärt werden?
2.3.2. Die Vergabe von Unteraufträgen für bestimmte Aufgaben
- 51. Die Kommission hat die Erfahrung gemacht, dass die Anwendung der Regeln über die Vergabe von Unteraufträgen bei ÖPP-Konstruktionen bisweilen verunsichernd wirkt oder Fragen aufwirft. Von manchen wurde beispielsweise geltend gemacht, dass die Vertragsbeziehungen zwischen der Projektgesellschaft, die den Auftrag oder die Konzession übernimmt, und deren Teilhabern eine Reihe rechtlicher Fragen aufwerfen. Zur Erinnerung: Erfüllt die Projektgesellschaft einmal selbst die Rolle einer Vergabestelle, so muss sie ihre Aufträge oder Konzessionsverträge im Rahmen eines Wettbewerbs vergeben, ob diese nun an ihre eigenen Teilhaber gehen oder nicht. Anders darf es nur dann sein, wenn die Leistungen, die eine Projektgesellschaft ihren Teilhabern überträgt, vor der Bildung der Gesellschaft bereits vom öffentlichen Partner ausgeschrieben worden waren.1 Vergibt die Projektgesellschaft hingegen selbst keine Aufträge, steht es ihr im Prinzip frei, mit Dritten Verträge abzuschließen, ob es sich dabei um ihre eigenen Teilhaber handelt oder nicht. Ist die Projektgesellschaft "Inhaber einer Baukonzession", gelten ausnahmsweise bestimmte Bekanntmachungsregeln für die Vergabe von Bauaufträgen, die die Schwelle von 5 Mio. EUR überschreiten ; ausgenommen davon sind jedoch Aufträge, die an Unternehmen erteilt wurden, die sich zum Erhalt einer Konzession zusammengeschlossen haben, oder an Unternehmen, die mit diesen verbunden sind.2
- 52. Dem privaten Partner ist es grundsätzlich freigestellt, einen Teil oder die Gesamtheit eines öffentlichen Auftrags oder einer Konzession als Unterauftrag zu vergeben.
Allerdings kann im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge von den Bietern verlangt werden, dass sie in ihrem Angebot angeben, welchen Anteil des Auftrags sie als Unteraufträge an Dritte vergeben wollen.1 Für Baukonzessionen mit einem Wert von über 50 Mio. EUR kann die Vergabestelle den Konzessionär außerdem dazu verpflichten Unteraufträge mit einem Mindestwert von 30 % des Gesamtkonzessionswerts an Dritte zu vergeben.2
- 1 In Artikel 13 der Richtlinie 93/38/EWG ist eine Ausnahmeregelung vorgesehen, wenn ein netzbetreibender Auftraggeber Unteraufträge über Dienstleistungen an ein verbundenes Unternehmen vergibt. Artikel 23 der Richtlinie 2004/17/EG weitet diese Ausnahme auf Unterverträge über Lieferungen oder Bauarbeiten aus.
- 2 Vgl. Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie 93/37/EWG und Artikel 63 bis 65 der Richtlinie 2004/18/EG. Darin wird die erwähnte Schwelle auf 6 242 000 EUR festgelegt.
- 15. Sind Ihnen bei ÖPP-Konstruktionen besondere Probleme mit der Vergabe von Unteraufträgen bekannt? Welche?
- 16. Rechtfertigt die Existenz von ÖPP auf Vertragsbasis, die die Übertragung eine Aufgabenpakets an einen einzigen privaten Partner impliziert, ihrer Auffassung nach, dass ausführlichere Regeln für die Vergabe von Unteraufträgen eingeführt werden und/oder dass der Anwendungsbereich erweitert wird?
- 17. Halten Sie, allgemeiner gesprochen, eine ergänzende Initiative auf Gemeinschaftsebene zur Klärung oder Umgestaltung der Regeln für die Vergabe von Unteraufträgen für erforderlich?
3. Institutionalisierte ÖPP vor dem Hintergrund der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen
- 53. Im Sinne dieses Grünbuchs beinhalten institutionalisierte ÖPP die Einrichtung eines gemeinsam vom öffentlichen und vom privaten Partner unterhaltenen Wirtschaftsgebildes.3 Aufgabe dieses gemeinsamen Gebildes ist es dann, für die Bereitstellung eines Bauwerks oder einer Dienstleistung zugunsten der Öffentlichkeit zu sorgen. In den Mitgliedstaaten greifen die staatlichen Stellen zuweilen auf diese Strukturen zurück, insbesondere für öffentliche Dienstleistungen auf lokaler Ebene (beispielsweise Wasserversorgung oder Müllabfuhr).
- 54. Die direkte Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und dem privaten Partner in einem Rahmen mit eigener Rechtspersönlichkeit ermöglicht dem öffentlichen Partner eine weiterhin relativ starke Kontrolle über die Abläufe;
Anpassungen kann er im Laufe der Zeit den Umständen entsprechend durch seine Präsenz unter den Teilhabern und in den Entscheidungsgremien dieses gemeinsamen Wirtschaftsgebildes bewirken. Die Zusammenarbeit ermöglicht dem öffentlichen Partner außerdem, seine Erfahrungen mit der Bereitstellung der fraglichen Dienstleistung zu erweitern und sich gleichzeitig von einem privaten Partner unterstützen zu lassen.
- 55. Die Einrichtung einer institutionalisierten ÖPP kann entweder dadurch erfolgen, dass ein gemeinsam vom öffentlichen und vom privaten Sektor unterhaltenes Wirtschaftsgebilde geschaffen (3.1) oder dass die Kontrolle über ein bestehendes öffentliches Unternehmen vom privaten Sektor übernommen wird (3.2).
- 56. Die nachstehende Erörterung konzentriert sich einzig und allein auf Fragen der Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen, die sich auf institutionalisierte ÖPP beziehen. Für eine allgemeinere Diskussion der Wirkungen dieses Rechts bei der Einrichtung und Ausführung dieser ÖPP wird auf die vorigen Kapitel verwiesen.
- 1 Artikel 17 der Richtlinie 93/36/EWG, Artikel 20 der Richtlinie 93/37/EWG, Artikel 25 der Richtlinie 92/50/EWG und Artikel 27 der Richtlinie 093/38/EWG. Vgl. ebenfalls Artikel 25 der Richtlinie 2004/18/EG und Artikel 37 der Richtlinie 2004/17/EG.
- 2 Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 92/37/EWG . Vgl. ebenfalls Artikel 60 der Richtlinie 2004/18/EG.
- 3 Terminologie und Systeme der Mitgliedstaaten sind in diesem Bereich verschieden (z.B. Kooperationsmodell, PPP associatifs, Joint Ventures).
3.1. Einrichtung einer Partnerschaft durch die Gründung eines gemeinsamen Adhoc-Wirtschaftsgebildes des öffentlichen und des privaten Sektors1
- 57. Der Vorgang der Gründung eines Wirtschaftsgebildes mit gemischtem Kapital an sich wird nicht in den Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen behandelt. Allerdings muss sichergestellt werden, dass die sich aus dem EG-Vertrag ergebenden Regeln und Grundsätze (die allgemeinen Vertragsgrundsätze und in bestimmten Fällen die Richtlinienvorschriften) eingehalten werden, wenn es dann um die Übertragung von Aufgaben durch einen Akt geht, der als öffentlicher Auftrag oder als Konzession eingestuft werden kann.2
- 58. Die Wahl eines privaten Partners, der solche Aufgaben im Rahmen eines gemischtwirtschaftlichen Gebildes wahrnehmen soll, darf nicht ausschließlich auf dem Wert des zugeführten Kapitals oder auf seiner Erfahrung basieren, sondern muss die Merkmale seines - wirtschaftlich günstigsten - Angebots in Bezug auf die zu erbringende Leistung berücksichtigen. Gibt es keine klaren und objektiven Kriterien, nach denen ein öffentlicher Auftraggeber das wirtschaftlich günstigste Angebot auszuwählen hat, könnte die Kapitalzuführung einen Verstoß gegen die Vorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen darstellen.
- 59. Wenn es sich bei einem solchen Wirtschaftsgebilde um eine Modalität der Ausführung der einem privaten Partner vertraglich übertragenen Aufgabe handelt, gerät man bei seiner Gründung im Allgemeinen nicht mit dem geltenden Gemeinschaftsrecht in Konflikt. Die Bedingungen für die Gründung des Wirtschaftsgebildes müssen jedoch klar festgelegt sein, bevor die Aufgaben, die einem privaten Partner übertragen werden sollen, im Wettbewerb vergeben werden.3
- 60. Allerdings hat die Kommission festgestellt, dass es in einigen Mitgliedstaaten rechtlich möglich ist, dass gemischtwirtschaftliche Gebilde, an denen der öffentliche Sektor als Auftraggeber beteiligt ist, an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags oder einer Konzession teilnehmen, bevor ihre eigentliche Gründung überhaupt abgeschlossen ist. Unter dieser Hypothese besteht das Wirtschaftsgebilde erst endgültig, nachdem ihm der Auftrag auch tatsächlich erteilt wurde. In anderen Ländern werden in der Praxis die Phase der Gründung eines Wirtschaftsgebildes und die Vergabephase vermengt. Gegenstand des vom öffentlichen Auftraggeber eingeleiteten Verfahrens ist dann die Gründung eines gemischtwirtschaftlichen Gebildes, dem bestimmte Aufgaben übertragen werden.
- 1 Hier geht es um den Fall, dass Wirtschaftsgebilde im Rahmen einer spezifischen rechtlichen Konstruktion ex novo geschaffen werden. Nicht eigens behandelt werden hingegen die Fälle, in denen bereits bestehende gemischte Gebilde an Vergabeverfahren für öffentliche Aufträge oder Konzessionen teilnehmen, da diese Hypothese kaum Fragen zum geltenden Gemeinschaftsrecht aufwirft. Der Mischcharakter eines Wirtschaftsgebildes, das an einem Wettbewerb teilnimmt, beinhaltet keine Ausnahme von den geltenden Regelungen im Falle der Vergabe eines öffentlichen Auftrags oder einer Konzession. Nur dann, wenn das fragliche Gebilde die Merkmale einer "in house"-Einheit im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes in der Rechtssache Teckal aufweist, kann der Auftraggeber von den herkömmlichen Regelungen abweichen.
- 2 Es sei daran erinnert, dass die Grundsätze der Rechtsvorschriften über die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und von Konzessionen ebenfalls gelten, wenn die Vergabe eines Auftrags durch eine einseitige Maßnahme erfolgt (beispielsweise einen öffentlichen Rechtsakt).
- 3 Außerdem dürfen diese Bedingungen weder eine Diskriminierung beinhalten, noch eine nicht gerechtfertigte Behinderung der Dienstleistungs- oder Niederlassungsfreiheit darstellen oder in Bezug auf das angestrebte Ziel unverhältnismäßige Sachzwänge mit sich bringen.
- 61. Betrachtet man die Bestimmungen für öffentliche Aufträge und Konzessionen, so bieten diese Vorgehensweisen keine zufriedenstellende Lösung.1 Im erstgenannten Fall droht der effektive Wettbewerb durch eine privilegierte Position der sich bildenden Gesellschaft und damit des daran teilnehmenden privaten Partners verfälscht zu werden. Im zweiten Fall wirft das spezifische Verfahren zur Auswahl des privaten Partners zahlreiche Fragen auf. Einige Probleme hängen damit zusammen dass die öffentlichen Auftraggeber den Gegenstand des Auftrags oder der Konzession in diesem Rahmen ausreichend klar angeben müssen. Die Kommission hat häufig festgestellt, dass die einer Partnerstruktur übertragenen Aufgaben nicht klar festgelegt und sie in einigen Fällen noch nicht einmal vertraglich gedeckt waren.
Dies ist nicht nur im Hinblick auf die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung problematisch, sondern könnte auch die von der Vergabestelle anvisierten öffentlichen Ziele aufs Spiel setzen. Außerdem ist festzustellen, dass die Lebensdauer des gegründeten Wirtschaftsgebildes gewöhnlich nicht mit der Laufzeit des Auftrags oder der übertragenen Konzession übereinstimmt, was dann zur Verlängerung des Auftrags ohne echten Wettbewerb zu verleiten scheint. Dies läuft bisweilen darauf hinaus, dass die Aufgaben de facto für eine unbeschränkte Dauer vergeben werden.
- 62. Im Übrigen ist daran zu erinnern, dass bei der gemeinsamen Gründung solcher Wirtschaftsgebilde auf jeden Fall das Verbot der Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit im Allgemeinen und der Grundsatz des freien Kapitalverkehrs im Besonderen zu berücksichtigen ist.2So dürfen öffentlichen Auftraggebern aus ihrer Teilhaberposition in einem solchen Wirtschaftsgebilde normalerweise keine übermäßigen Privilegien erwachsen, die sich nicht auch aus einer normalen Anwendung des Gesellschaftsrechts ergeben hätten.3
- 63. Außerdem möchte die Kommission daran erinnern, dass die Beteiligung der Vergabestelle an einem gemischtwirtschaftlichen Gebilde, das nach Abschluss des Auswahlverfahrens zum Auftragnehmer wird, nicht als Rechtfertigung dafür dienen kann dass die Rechtsvorschriften über öffentliche Aufträge und Konzessionen bei der Auswahl des privaten Partners nicht berücksichtigt wurden. Die Geltung des Gemeinschaftsrechts über öffentliche Aufträge und Konzessionen hängt nämlich nicht davon ab, ob der Vertragspartner des öffentlichen Auftraggebers öffentlichen, privaten oder gemischtwirtschaftlichen Status hat. Wie der Gerichtshof dies in seinem Urteil in der Rechtssache Teckal bestätigte, gelten die Vorschriften, sobald ein öffentlicher Auftraggeber beschließt, eine Aufgabe einem Dritten, das heißt einer eigenständigen Rechtsperson, zu übertragen. Ein anderes Vorgehen kommt nur dann in Frage, wenn der öffentliche Auftraggeber über die in Rede stehende Rechtsperson eine Kontrolle ausübt, die der gleichkommt, die sie über ihre eigenen Dienststellen ausübt und wenn diese Rechtsperson ihre Wirtschaftstätigkeit im Wesentlichen mit der oder den Körperschaften abwickelt, die sie unterhält.1 Nur die Wirtschaftsgebilde, auf die beide Bedingungen zutreffen, können internen Einheiten des öffentlichen Auftraggebers gleichgestellt werden und können ohne Wettbewerb Aufträge erhalten.2
- 1 Bei der Konzeption oder der Konstruktion derartiger Operationen zeigt im übrigen die probeweise Anwendung der Standardformulare (diese enthalten die unabdingbaren Elementen für eine fundierte Wettbewerbssituation) wie schwierig es sein kann, eine angemessene Bekanntmachungsformel für die Vergabe von Aufträgen zu finden, die in den Geltungsbereich des Rechts für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen oder von Konzessionen fallen.
- 2 Die Beteiligung an einem neuen Unternehmen zur Knüpfung dauerhafter Wirtschaftsbeziehungen fällt unter die Bestimmungen des Artikel 56 über den freien Kapitalverkehr. Vgl. Anhang I der Richtlinie 88/361/EWG, die im Zusammenhang mit dem früheren Artikel 67 erlassen wurde, der die Arten von Operationen enthält, die als Kapitalbewegungen gelten.
- 3 Vgl. Urteile des Gerichtshofs vom 4. Juni 2002, Rechtssache C-367/98, Kommission v. Portugal, Slg. I-4731;
Rechtssache C-483/99, Kommission g. Frankreich, Slg. I-4781; und Urteile vom 13. Mai 2003, Rechtssache C-463-00, Kommission g. Spanien, Slg. I-4581;
Rechtssache C-98/01, Kommission v. Vereinigtes Königreich, Slg. I-4641. Zu den in diesem Rahmen möglichen Rechtfertigungsgründen vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 4. Juni 2002, Rechtssache C-503/99, Kommission g. Belgien, Slg. I-4809.
- 64. Schließlich sei noch daran erinnert, dass ein gemischtwirtschaftliches Gebilde in seiner Rolle als Vergabestelle auch dazu verpflichtet ist, die Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen einzuhalten, wenn es dem privaten Partner Aufgaben überträgt, die der öffentliche Auftraggeber vor Gründung des gemischtwirtschaftlichen Gebildes nicht ausgeschrieben hätte. Der private Partner darf aus seiner privilegierten Position in dem Wirtschaftsgebilde keinen Vorteil ziehen indem er sich bestimmte Aufgaben ohne vorherigen Wettbewerb vorbehält.
3.2. Übernahme der Kontrolle über ein öffentliches Unternehmen durch einen privaten Akteur
- 65. Die Einrichtung einer institutionalisierten ÖPP kann auch durch eine Änderung der Teilhaberschaft eines öffentlichen Unternehmens geschehen. Hier muss zunächst betont werden, dass der Übergang eines Unternehmens aus dem öffentlichen in den privaten Sektor eine wirtschaftspolitische Entscheidung ist, die als solche ausschließlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fällt.3
- 66. Dann ist daran zu erinnern, dass es an sich nicht Aufgabe der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge ist, Vorgänge zu regeln, bei denen es einfach darum geht, dass ein Geldgeber einem Unternehmen Mittel zufließen lässt, ob dieses Unternehmen nun öffentlich oder privat ist. Diese Vorgänge fallen in den Anwendungsbereich der Bestimmungen des EG-Vertrags über den freien Kapitalverkehr;4 dies impliziert insbesondere, dass die einzelstaatlichen Regelungen Investitionen aus anderen Mitgliedstaaten nicht behindern dürfen.5
- 67. Dagegen gelten die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit im Sinne von Artikel 43 EG-Vertrag, wenn eine staatliche Stelle beschließt, über eine Kapitaloperation einem Dritten eine Teilhaberschaft zu übertragen, die es diesem erlauben würde, einen gewissen Einfluss auf eine öffentliche Stelle auszuüben, die Wirtschaftsleistungen erbringt, die normalerweise unter staatlicher Verantwortung stehen.6
- 1 Rechtssache C-107/98, Teckal, Urteil vom 18. November 1999, Randnummer 50.
- 2 Der Gerichtshof wurde mit drei Fragen zur Vorabentscheidung befasst (Rechtssachen C-26/03, C-231/03 und C-458/03), in denen es um eine ergänzende Klärung der Reichweite der Kriterien geht mit denen das Bestehen einer "in house"-Beziehung festgestellt werde kann.
- 3 Dies ergibt sich aus dem Grundsatz der Neutralität des Vertrags gegenüber der Eigentumsordnung gemäß Artikel 295 EG-Vertrag.
- 4 Artikel 56 ff. EG-Vertrag.
- 5 Vgl. Mitteilung der Kommission über bestimmte rechtliche Aspekte von Investitionen innerhalb der EU, ABl. C 220 vom 19. Juli 1997, S. 15.
- 6 Vgl. in diesem Sinne das Urteil des Gerichtshofs vom 13. April 2000, Rechtssache C-251/98, Baars, Slg. I-2787.
- 68. Insbesondere gilt Folgendes: Wenn die Maßnahme, durch die die staatlichen Stellen einem Wirtschaftsteilnehmer einen gewissen Einfluss auf ein Unternehmen gewähren die Form einer Kapitalübertragung hat und wenn diese Übertragung zur Folge hat, dass dieser Wirtschaftsteilnehmer mit in das materielle Recht über öffentliche Aufträge fallenden Aufgaben betraut wird, die zuvor direkt oder indirekt von den staatlichen Stellen ausgeführt wurden, dann verlangen die Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit, dass die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung gewahrt werden, damit sichergestellt ist, dass jeder potenzielle Akteur gleichen Zugang zu der bis dahin öffentlichen Stellen vorbehaltenen Erbringung dieser Leistungen hat.
- 69. Zudem zeigt die Praxis, dass man sich vergewissern sollte, dass eine solche Kapitalübertragung in Wirklichkeit nicht als Deckmantel für die Übertragung von öffentlichen Aufträgen oder gar Konzessionen an einen privaten Partner dient. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn dem in Rede stehenden Wirtschaftsgebilde vor der Kapitalübertragung unmittelbar ohne Wettbewerb besondere Aufgaben übertragen werden, um die Kapitalübertragung attraktiv zu machen.
- 18. Welche Erfahrungen haben Sie mit der Einrichtung institutionalisierter ÖPP gemacht? Lassen Ihre Erfahrungen Sie zu der Schlussfolgerung gelangen, dass die gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen bei institutionalisierten ÖPP-Konstruktionen eingehalten werden? Falls nein, warum nicht?
- 19. Halten Sie eine Initiative auf Gemeinschaftsebene für erforderlich, um die Verpflichtungen zu klären oder zu vertiefen, die die öffentlichen Auftraggeber in Bezug auf den Wettbewerb zwischen potenziell an einem institutionalisierten ÖPP-Projekt interessierten Wirtschaftsteilnehmern haben? Falls ja, welche Aspekte halten Sie für besonders wichtig und welche Form sollte eine solche Initiative haben? Falls nein, warum nicht? Allgemein und unabhängig von den in diesem Grünbuch aufgeworfenen Fragen:
- 20. Welche Maßnahmen oder Verfahren behindern in der Europäischen Union die Einrichtung von ÖPP?
- 21. Kennen Sie andere ÖPP-Formen aus Drittländern? Kennen Sie aus Ihren Erfahrungen in solchen Ländern bewährte Verfahrensweisen, die auch für die EU beispielgebend sein könnten? Falls ja, welche?
- 22. Denken Sie dass es nützlich wäre, im Hinblick auf den großen Investitionsbedarf einzelner Mitgliedstaaten zum Erreichen einer sozialen und dauerhaften Entwicklung gemeinsam und in regelmäßigen Abständen über diese Fragen unter den betroffenen Akteuren nachzudenken und bewährte Verfahrensweisen auszutauschen? Sollte die Kommission nach Ihrer Auffassung ein derartiges Netzwerk aufbauen?
4. Schlussbemerkungen
- 70. Die Kommission ruft die interessierten Kreise dazu auf, ihre Kommentare zu den in diesem Grünbuch gestellten Fragen zu übermitteln. Die Antworten, Anmerkungen und Anregungen können an folgende Adresse gerichtet werden:
Europäische Kommission
Konsultation "Grünbuch zu öffentlichprivaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen"
C 100 2/005
B-1049 Brüssel
oder per E-Mail an :
MARKT-D1-PPP@cec.eu.intDie Beiträge müssen bis spätestens 30.07.04 an die Europäische Kommission abgesandt werden. Zur Information: Die elektronisch übermittelten Beiträge sowie die Angaben zur Person des Absenders werden auf der Website http://europa.eu.int/comm/internal_market veröffentlicht, es sei denn, der Absender hat sich ausdrücklich gegen eine solche Veröffentlichung ausgesprochen.
- 71. Unter anderem auf der Grundlage der eingegangenen Beiträge zieht die Kommission ihre Schlussfolgerungen und schlägt gegebenenfalls konkrete Anschlussmaßnahmen vor.