Der Bundesrat hat in seiner 992. Sitzung am 3. Juli 2020 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 1 (§ 1 Absatz 2 Nummer 4 Buchstabe c FreizügG/EU)
In Artikel 1 Nummer 1 § 1 Absatz 2 Nummer 4 ist Buchstabe c wie folgt zu ändern:
- a) Die Wörter "nicht unter Nummer 2 fällt und" sind zu streichen.
- b) Die Wörter "nicht verheiratet" sind durch die Wörter "weder verheiratet noch eine Lebenspartnerschaft im Sinne der Nummer 2" zu ersetzen.
Begründung:
Der Gesetzentwurf sieht vor, keine Mehrfachnachzüge zu Unionsbürgern auf Grundlage des § 3a FreizügG/EU zu ermöglichen. Dies gelingt bislang nicht in vollem Umfang. So schließt die bisherige Formulierung nur aus, dass zeitgleich
- - mehrere Lebensgemeinschaften im Sinne des § 1 Absatz 2 Nummer 4 Buchstabe c FreizügG/EU-E oder
- - Ehe und Lebensgemeinschaft im Sinne des § 1 Absatz 2 Nummer 4 Buchstabe c FreizügG/EU-E bestehen und zum Nachzug berechtigen. Offen gelassen würde damit allerdings die Möglichkeit, dass ein Berechtigter nach § 1 Absatz 2 Nummer 4 Buchstabe c FreizügG/EU-E neben einer Lebensgemeinschaft zeitgleich (auch) eine Lebenspartnerschaft im Sinne des § 1 Absatz 2 Nummer 2 FreizügG/EU-E zu einer anderen Person führen kann. Das FreizügG/EU differenziert hier ausdrücklich zwischen dem Begriff der "Gemeinschaft", der in § 1 Absatz 2 Nummer 4 Buchstabe c FreizügG/EU gewählt wurde, sowie der "Partnerschaft", auf den in § 1 Absatz 2 Nummer 2 FreizügG/EU abgestellt wird. Die neue Formulierung bezieht auch diese Konstellation ein.
2. Zu Artikel 1 Nummer 11 (§ 11 Absatz 14 FreizügG/EU)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die vorgesehene Neuregelung der Anknüpfung der Leistungsberechtigung von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern an das Bestehen eines Aufenthaltstitels zu überprüfen. Dabei sollte insbesondere die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und vieler Sozialgerichte berücksichtigt werden, die über die Konstruktion der "fiktiven Prüfung" des Aufenthaltsrechts Unionbürgerinnen und Unionsbürger Leistungen zugesprochen hat, wenn sie einen objektiven Aufenthaltsgrund hatten. Es erscheint sinnvoll, diese Möglichkeit zu erhalten.
Begründung:
Die im Gesetzesentwurf vorgesehene Regelung würde bedeuten, dass Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, die einen objektiven Aufenthaltsgrund hätten, von Leistungen ausgeschlossen wären. Dies stünde im Widerspruch zur Rechtsprechung: Die bisherige Ausschlussregelung erfordert demnach bei Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern regelmäßig eine "fiktive Prüfung" des Grundes oder der Gründe ihrer Aufenthaltsberechtigung. Bei einem fiktiven Aufenthaltsrecht besteht nach Auffassung der Sozialgerichtsbarkeit (so etwa das Bundessozialgericht im Urteil vom 30. Januar 2013, Az.: B 4 AS 054/12 (PDF) R) ein Anspruch auf Leistungen nach SGB II und SGB XII, da ein anderes Aufenthaltsrecht als etwa das zum "Zweck der Arbeitssuche" (§ 7 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 SGB II) zu bejahen sei, sodass die Leistungsausschlüsse nicht anwendbar sind. Es erscheint sinnvoll, diese in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze im Rahmen der Gesetzgebung zu berücksichtigen.