879. Sitzung des Bundesrates am 11. Februar 2011
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS), der Finanzausschuss (Fz), der Rechtsausschuss (R), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U), der Verkehrsausschuss (Vk), der Wirtschaftsausschuss (Wi) und der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung (Wo) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
Zur Vorlage allgemein
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Initiative der Kommission für eine Binnenmarktakte vom 27. Oktober 2010
- 2. und die mit der vorgelegten Mitteilung von der Kommission eingeleitete offene Konsultation mit der Möglichkeit, zur Neubelebung des Binnenmarkts und insbesondere zu den in diesem Dokument vorgeschlagenen 50 Maßnahmen Stellung zu nehmen.
- 3. Die Kommission stellt zutreffend fest, dass das Potenzial des Binnenmarkts noch nicht voll ausgeschöpft ist und eine Neubelebung des Binnenmarkts nur gelingen wird, wenn man das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in den Binnenmarkt wiedergewinnt.
- 4. Der Bundesrat begrüßt, dass [die soziale Dimension in der Europa-2020- Strategie Niederschlag gefunden hat und damit auch] die Vorschläge der Kommission auf dem Weg zu einer Binnenmarktakte vom Leitbild der sozialen Marktwirtschaft geprägt sind. Der Bundesrat bestätigt die Kommission in ihrer Auffassung, dass es auf diesem Weg zu einer Binnenmarktakte darum gehen wird, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und soziale Gerechtigkeit miteinander zu verbinden. Angesichts der bisherigen Erfolge, des noch unausgeschöpften Potenzials und neuer Herausforderungen, u.a. in Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise, hält der Bundesrat unverändert die Weiterentwicklung des Binnenmarkts für erforderlich.
- 5. Der Bundesrat begrüßt die Feststellung der Kommission, dass der Binnenmarkt kein Selbstzweck ist, sondern ein Instrument, das im Dienste der anderen Politiken steht.
- 6. Daraus folgt aus Sicht des Bundesrates, dass Binnenmarktfreiheiten keinen Vorrang vor sozialen Rechten haben. Der Bundesrat betont, dass im Zentrum der Politik der Mensch steht. (bei Annahme entfällt Ziffer 7)
- 7. Daraus folgt aus Sicht des Bundesrates, dass Binnenmarktfreiheiten mit sozialen Rechten im Einzelfall konkret gegeneinander abgewogen werden müssen.
- 8. Daher begrüßt er in diesem Zusammenhang auch die Aussage der Kommission, dass sich der Binnenmarkt auf alle Marktakteure stützen muss: Unternehmen, Verbraucher und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
- 9. Zu Recht hebt die Kommission die besondere Bedeutung der Kohäsionspolitik für die weitere Entwicklung des Binnenmarkts hervor. Die Kohäsionspolitik leistet zudem einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung der Europa-2020-Strategie. Der Bundesrat weist auf die gemeinsame Stellungnahme von Bund und Ländern zum Fünften Bericht der Kommission über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt hin. Danach muss die EU auch nach 2013 mit ihrer Strukturpolitik ein Angebot für alle Regionen bereithalten. Die EU-weite Förderung im Rahmen des Ziels "Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung" ist fortzuführen. Für Regionen, die derzeit im Rahmen des Ziels "Konvergenz" gefördert werden, deren Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner aber 75 Prozent des Unionsdurchschnitts übersteigt, müssen angemessene Übergangsregelungen vorgesehen werden. Die Mittel hierfür sollten im Ziel "Konvergenz" bereitgestellt werden. Die Förderung der grenzüberschreitenden, transnationalen und interregionalen Zusammenarbeit muss fortgeführt und [verstärkt] werden. Der Europäische Sozialfonds (ESF) muss auch weiterhin Bestandteil der Kohäsionspolitik bleiben.
- 10. Mehrere Vorschläge der Kommission sind mit Blick auf die Kompetenzverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten sowie mit Blick auf den Subsidiaritätsgrundsatz nicht unproblematisch. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die Vorschläge Nr. 7 (Weißbuch zur Verkehrspolitik), Nr. 11 (Plan für Energieeffizienz), Nr. 25 (Maßnahmenpaket zu Diensten von allgemeinem Interesse), Nr. 28 (Beschluss zur Festlegung eines Aktionsprogramms im Bereich der europäischen Funkfrequenzen) und Nr. 31 (Portabilität von Betriebsrenten). Die Kommission sollte die Kompetenzordnung und den Subsidiaritätsgrundsatz bei Erstellung der in Aussicht genommenen Rechtssetzungsvorschläge strikt beachten.
- 11. Bei der Regulierung sollte die Kommission nicht vorrangig auf Verordnungen zurückgreifen, sondern mit Blick auf den Subsidiaritätsgrundsatz und die Berücksichtigung von lokalen Gegebenheiten einer Regulierung durch Richtlinien den Vorzug geben. Die Kommission sollte darauf achten, dass der in Deutschland von Bund, Ländern und Kommunen in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich betriebene Bürokratieabbau nicht durch ein Mehr an europäischer Regulierung konterkariert wird.
Entsprechend den Vorschlägen im Monti-Bericht sollte das sogenannte 28. Regime über das europäische Gesellschaftsrecht hinaus auf weitere Bereiche ausgedehnt werden.
Zu den einzelnen Vorschlägen
Zu Vorschlag Nr. 1
- 12. Die Vorschläge zum Patent der EU sind ein wichtiger Schritt und sollten vorangetrieben werden. Daher begrüßt der Bundesrat, dass die Kommission am 14. Dezember 2010 einen Vorschlag für eine verstärkte Zusammenarbeit zur Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes in der EU vorgelegt hat. Es muss weiterhin Ziel sein, ein EU-Patent zur Verfügung zu stellen, das ohne Validierung in allen Mitgliedstaaten europaweit Geltung erlangt. Die Einheitlichkeit der Rechtsprechung muss auch unter den dezentralen Strukturen der vorgesehenen ersten Instanz der Patentgerichtsbarkeit gewahrt bleiben.
Zu Vorschlag Nr. 2
- 13. Der Bedarf an Zugang zu Online-Inhalten wächst in Europa weiterhin stark. Angebote scheitern aufgrund territorial begrenzter Rechte jedoch oft an den Grenzen der Mitgliedstaaten. Dadurch wird auch der Online-Zugang zu Wissen, Kulturgütern und anderen kreativen Inhalten erheblich behindert. Bei Werken, die durch Verwertungsgesellschaften oder vergleichbare Rechte-Agenten wahrgenommen werden, wäre eine Erleichterung der bestehenden komplexen Erfordernisse zur Rechteerklärung im Online-Bereich eine wichtige Grundvoraussetzung, um einen wirklichen digitalen Binnenmarkt zu realisieren, der das Potential der Online-Verbreitung wissensbasierter Inhalte voll ausschöpft. [Lizenzen sollten bei einer zumutbaren Anzahl von Verwertungsgesellschaften europaweit erworben werden können. Dabei sollten marktwirtschaftliche Prinzipien gelten und monopolistische Strukturen vermieden werden.] Außerhalb des Online-Bereichs ist ein Bedürfnis für eine europäische Lizenzierung dagegen nicht ersichtlich. Der Bundesrat verweist insoweit auf seine Stellungnahme vom 9. Juli 2010 (BR-Drucksache 306/10(B) ).
Zu Vorschlag Nr. 3
- 15. Robustes und konsequentes Vorgehen gegen Produkt- und Markenpiraterie ist unerlässlich. Daher unterstützt der Bundesrat den von der Kommission beabsichtigten Aktionsplan.
In diesem Zusammenhang sollte berücksichtigt werden, dass Produktfälscher in steigendem Maße kleine Mengen von Plagiaten über Paket- und Frachtdienste verschicken, um eine Beschlagnahme zu erschweren. Durch die Nutzung von B2B-Plattformen entfällt zudem das Bedürfnis nach einem Mittelsmann in Europa, so dass auch kleine und mittlere Mengen direkt den Endverbrauchermarkt erreichen. Auch solche Klein- und Kleinstmengen, die den privaten Konsum überschreiten, sollten unbürokratisch und kostengünstig beschlagnahmt werden können.
Zu Vorschlag Nr. 4
- 16. Die Dienstleistungsrichtlinie hat bislang vor allem Verwaltungsaufwand verursacht, ohne dass ein zusätzlicher Nutzen deutlich erkennbar geworden wäre. Nach den bisherigen Erfahrungen wird das Angebot der Einheitlichen Ansprechpartner noch sehr wenig in Anspruch genommen. Darüber hinaus kommt die Mehrzahl der Anfragen aus dem Inland. Eine unvoreingenommene Evaluierung des Erfolgs der Dienstleistungsrichtlinie ist daher zu begrüßen. Sofern sich im Rahmen der Evaluierung keine Erfolge [bzw. keine Entwicklung] bei der Förderung des europäischen Dienstleistungsmarkts zeigen, sollten weitere Maßnahmen, die mit erheblichem Verwaltungsaufwand verbunden wären, unterbleiben.
Zu Vorschlag Nr. 6
- 17. Der Bundesrat begrüßt, dass insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) besseren Zugang zur Normungsarbeit erhalten sollen. Auch das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN) unterstützt diesen Vorschlag. Bei allen Überlegungen sollte aber berücksichtigt werden, dass der Erfolg der europäischen Normung auf der dezentralen Struktur und auf dem Engagement der nationalen Normungsorganisationen in Deutschland finanziert über private Beiträge beruht. Eine Zentralisierung der Strukturen und ein höheres Maß an staatlicher Einflussnahme hätten negative Auswirkungen auf Akzeptanz und Leistungsfähigkeit des europäischen Normungssystems.
Im IKT-Bereich haben sich parallel zu den formal anerkannten Normungsorganisationen auf globaler Ebene neue Strukturen für die Entwicklung von Spezifikationen herausgebildet. Einige Foren und Konsortien haben sich zu globalen Organisationen entwickelt, die weltweit angewendete und implementierte IKT-Spezifikationen erstellen. Prominente Beispiele sind hier OASIS und W3C, die mit offenen und transparenten Prozessen operieren und ein breites Spektrum an globalen Mitgliedern aufweisen. Bei konkretem Bedarf und ausschließlich im IKT-Bereich sollte die Bezugnahme auf diese Spezifikationen aus Foren und Konsortien zum Zwecke der öffentlichen Beschaffung zugelassen werden.
Zu Vorschlag Nr. 8
- 18. Der Bundesrat unterstützt eine kohärente Behandlung der Energiequellen in der Energiebesteuerungsrichtlinie unabhängig von der Quelle der verbrauchten Energie. Jeder Ausstoß von CO₂ sollte durch die Erhebung eines einheitlichen Tarifs gleich behandelt werden. Dabei ist aber darauf zu achten, dass diese Maßnahmen nicht mit einer offenen oder verdeckten Steuererhöhung verbunden werden. Die Steuerlast für die Endkunden darf in der Summe nicht erhöht werden. Eine Doppelbelastung des Energieverbrauchs, der dem EU-Emissionshandel unterfällt, ist ebenfalls auszuschließen. Eine Änderung der Energiebesteuerungsrichtlinie darf nicht dazu führen, dass die bereits heute hohen Energiekosten in Europa noch stärker ansteigen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit von energieintensiven Unternehmen noch stärker belastet wird. In diesem Zusammenhang muss die Kommission kurzfristig den beihilferechtlichen Rahmen zur Strompreiskompensation nach Artikel 10a Absatz 6 der Emissionshandelsrichtlinie schaffen. Die energieintensive Industrie benötigt Planungs- und Investitionssicherheit für die gesamte Emissionshandelsperiode an ihren europäischen Standorten.
Zu den Abgaben auf Strom und Gas gehört auch die Konzessionsabgabe, die den Städten und Gemeinden zusteht. Ihr Aufkommen betrug im Jahr 2005 bundesweit mehr als 3,5 Mrd. Euro. Diese nicht unerhebliche kommunale Einnahmequelle darf durch Veränderungen im Steuersystem nicht verloren gehen bzw. reduziert werden.
Zu Vorschlag Nr. 11
- 19. Die Richtlinien für Energiedienstleistungen, zur Gebäudeenergieeffizienz und zur Beschaffung sauberer und energieeffizienter Fahrzeuge sehen bereits eine Vorreiterrolle der öffentlichen Hand vor. Im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten nehmen viele Gebietskörperschaften bereits heute auf freiwilliger Basis diese Vorreiterrolle aktiv wahr. Der Bundesrat bewertet eine weitergehende Indienstnahme der öffentlichen Hand durch entsprechende europarechtliche Vorgaben kritisch. Angesichts der Haushaltslage von Ländern und Kommunen sollten keine verpflichtenden erhöhten Standards bei der energetischen Sanierung öffentlicher Gebäude eingeführt werden. Vorrang vor ordnungspolitischen Zwangsvorgaben müssen Anreizprogramme und Förderansätze zur Aktivierung freiwilliger Maßnahmen haben.
Zu den Vorschlägen Nr. 12, 13 und 14
- 20. Gerade KMU finden im Vergleich zu Großunternehmen häufig schwierigere Rahmenbedingungen vor. Daher unterstützt der Bundesrat alle Vorschläge, die wie ein Aktionsplan zur Verbesserung des Zugangs von KMU zu den Kapitalmärkten oder vereinfachte Rechnungslegungsstandards geeignet sind, bessere Rahmenbedingungen für KMU zu schaffen und Bürokratielasten zu beseitigen. Die Kommission sollte bei ihren Bemühungen vor allem die Frühphasenfinanzierung von Start-ups und jungen Unternehmen (bis fünf Jahre nach Gründung) in den Blick nehmen. Hier besteht insbesondere im Hochtechnologie-Sektor ein nicht unerheblicher Bedarf. Der deutsche Mittelstand lehnt die Übernahme der internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) für KMU mit großer Mehrheit ab, weil dies die Änderung wichtiger nationaler gesellschaftsrechtlicher Regelungen, wie die Kapitalerhaltung und die Ausschüttungsbemessungsgrundlage, notwendig machen würde.
Dies wäre ein unverhältnismäßiger Eingriff in die nationalen Rechtsordnungen. Weiterhin wird eine erhebliche Zunahme des Aufwands bei der Rechnungslegung befürchtet.
- 21. Der Bundesrat teilt die Einschätzung der Kommission, dass der Binnenmarkt insbesondere günstige rechtliche Rahmenbedingungen für die Gründung und Entwicklung von KMU schaffen muss, wenn deren Wachstums- und Beschäftigungspotential ausgeschöpft werden soll.
Er bedauert deshalb, dass die Verabschiedung des Statuts der Europäischen Privatgesellschaft (EPG) keine Erwähnung bei den Vorschlägen der Kommission zur geplanten Binnenmarktakte gefunden hat. Die EPG würde zu einem wesentlich geringeren Zeit- und Kostenaufwand für die Gründung und Verwaltung ausländischer Tochtergesellschaften führen, eine Vereinfachung der unternehmensinternen Strukturen nach sich ziehen und einen beachtlichen Zugewinn an
Rechtssicherheit bedeuten. Hiervon würden insbesondere KMU profitieren, die zur Erleichterung geschäftlicher Aktivitäten in anderen Mitgliedstaaten dringend eine supranationale Rechtsform mit im Grundsatz einheitlichen Strukturmerkmalen benötigen.
Der Bundesrat spricht sich deshalb nachdrücklich dafür aus, dass die rasche Einführung der EPG als vordringliches Vorhaben in die Binnenmarktakte Eingang findet.
Bei der Umsetzung sind in jedem Fall tragende Strukturprinzipien des nationalen Gesellschafts-, Mitbestimmungs- und sonstigen Unternehmensrechts zu beachten.
Zu Vorschlag Nr. 17
- 22. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission die bestehenden vergaberechtlichen Regelungen bewertet und nach einer umfassenden Konsultation Legislativvorschläge für eine Vereinfachung und Modernisierung der europäischen Vergaberechtsvorschriften vorlegen will. Der Bundesrat erwartet, dass für diese Konsultation ausreichend Zeit zur Verfügung steht.
Die Einführung weiterer sogenannter "vergabefremder Kriterien" lehnt der Bundesrat ab. Das öffentliche Auftragswesen dient in erster Linie dem Zweck der Bedarfsdeckung der öffentlichen Auftraggeber und sollte nicht stärker als derzeit für die Unterstützung anderer Politiken herangezogen werden.
- 23. Sollte die Kommission doch entsprechende Gesetzgebungsvorschläge vorlegen, sollte die Unterstützung "anderer Politiken" ausschließlich produktbezogene Merkmale betreffen (z.B. niedrige Emissionen, geringer Energieverbrauch u. ä.). Weiterhin spricht sich der Bundesrat mit Blick auf die Entscheidung des EuGH vom 9. Juni 2009 (Rs C-480/06) zur Vergaberechtsfreiheit der interkommunalen Zusammenarbeit für eine eindeutige Klarstellung im Sekundärrecht aus.
Zu Vorschlag Nr. 18
- 24. Der Bundesrat wendet sich erneut gegen einen Legislativakt zur Vergabe von Konzessionen.(Bei Annahme entfällt Ziffer 25).
Die Vergabe von Baukonzessionen, die einen großen Teil der Öffentlich-Privaten-Partnerschaften ausmachen, ist bereits hinreichend im Gemeinschaftsrecht geregelt. Auch für Dienstleistungskonzessionen sind Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz bereits jetzt gewährleistet. Diese aus den Grundfreiheiten abgeleiteten Grundsätze sind nach der Rechtsprechung des EuGH auch hier zu beachten; dies reicht für diesen Bereich völlig aus. Dagegen birgt eine weitere europäische Regelung, die sich auch auf Dienstleistungskonzessionen erstreckt, die Gefahr zusätzlicher bürokratischer Vorgaben, die den flexiblen Einsatz dieses Instruments erschweren und insoweit auch die Attraktivität von Öffentlich-Privaten-Partnerschaften vermindern würde. Wie das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 18. Mai 2010 zu neuen Entwicklungen im öffentlichen Auftragswesen (2009/2175(INI)) ausdrücklich bekräftigt, sind Verzerrungen beim Funktionieren des Binnenmarkts im Zusammenhang mit der Vergabe von Konzessionen bisher nicht festgestellt worden. Es ist aus den Darlegungen der Kommission im Übrigen nicht erkennbar, inwieweit eine vergaberechtliche Reglementierung von Dienstleistungskonzessionen zusätzliche Wettbewerbsanreize schaffen könnte.
- 25. Der Bundesrat spricht sich erneut gegen einen Rechtsetzungsakt zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen aus (so zuletzt BR-Drucksache 846/09(B) ). In diesem Beschluss wurde die Auffassung des Bundesrates bekräftigt, dass keine zusätzlichen gemeinschaftsrechtlichen Regelungen zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen erforderlich seien. Es wurdegerade auch im Hinblick auf Öffentlich-Private Partnerschaften betont, dass die bestehenden vergaberechtlichen Regelungen für deren erfolgreiche Umsetzung ausreichten. Der Bundesrat erneuert seinen Appell an die Kommission, den Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten, Regionen und lokalen Gebietseinheiten nicht durch weitere legislative Eingriffe einzuschränken.
- 26. Sollte die Kommission dennoch einen Rechtsetzungsakt zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen vorlegen, sollte dieser größtmögliche Gestaltungs- und Verhandlungsspielräume für die Auftraggeber enthalten sowie die Besonderheiten und Belange einzelner Branchen und den Bereich der Daseinsvorsorge angemessen berücksichtigen. Die Schwellenwerte sollten deutlich über dem derzeit für Dienstleistungsaufträge geltenden Wert von 193 000 Euro bzw. 4,8 Mio. Euro für Bauaufträge und Baukonzessionen liegen. Grund hierfür ist die häufig lange Laufzeit und die aufgrund des Verwertungsrisikos des konzessionierten Unternehmens nur eingeschränkte Binnenmarktrelevanz.
Zu Vorschlag Nr. 19
- 27. Der Bundesrat unterstützt das Ziel der Kommission, im Interesse der grenzüberschreitend tätigen Unternehmen eine bessere Koordinierung der nationalen Steuerpolitiken zu erreichen. Er weist allerdings darauf hin, dass die EU nur Kompetenzen für eine Harmonisierung von indirekten, nicht aber von direkten Steuern hat.
Zu Vorschlag Nr. 20
- 28. Trotz zahlreicher Änderungen des EU-Mehrwertsteuerrechts sind die umsatzsteuerlichen Anforderungen für Unternehmen insbesondere bei grenzüberschreitender Geschäftstätigkeit kompliziert und unübersichtlich geblieben. Schwierigkeiten gibt es z.B. immer wieder bei den uneinheitlichen Lieferungs- und Leistungsorten und der damit zusammenhängenden Frage, welches Steuerrecht und welcher Steuersatz Anwendung finden. Daher begrüßt der Bundesrat, dass die Kommission ein Grünbuch zur Zukunft des Mehrwertsteuer-Systems der EU vorgelegt hat (KOM (2010) 695/4), um u.a. die Befolgungskosten zu verringern und das Mehrwertsteuer-System weniger anfällig für Steuerbetrug zu machen.
Zu Vorschlag Nr. 22
- 29. Der Bundesrat begrüßt den von der Kommission vorgesehenen Beschluss für eine gegenseitige Anerkennung der elektronischen Identifizierung und Authentifizierung auf der Grundlage von Online-Authentifizierungsdiensten sowie die Schaffung eines Rechtsrahmens für die grenzübergreifende Anerkennung und Interoperabilität elektronischer Authentifizierungssysteme. Die Kommission sollte möglichst kurzfristig Vorgaben beschließen und so ausgestalten, dass die bestehenden, national etablierten Wege der elektronischen Identifizierung und Authentifizierung wie beispielsweise das "Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach - EGVP" oder -Mail in Deutschland in ihrer Anwendung nicht beeinträchtigt werden.
Zu Vorschlag Nr. 25
- 30. Der Bundesrat wendet sich gegen ein Maßnahmenpaket zu Diensten von allgemeinem Interesse.(bei Annahme entfällt Ziffer 33).
Für Dienstleistungen von allgemeinem Interesse besteht keine Kompetenz der EU. Für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse wird in Artikel 14 AEUV ausdrücklich die Kompetenz der Mitgliedstaaten anerkannt, diese Dienste im Einklang mit den Verträgen zur Verfügung zu stellen, in Auftrag zu geben und zu finanzieren. In dem den Verträgen beigefügten Protokoll Nummer 26 über Dienste von allgemeinem Interesse ist zudem festgehalten, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen eines weiten Ermessensspielraums bestimmen, wie die Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse zur Verfügung zu stellen, in Auftrag zu geben und zu organisieren sind. Die Vielfalt der jeweiligen Dienstleistungen und ein hohes Niveau in Bezug auf Qualität, Sicherheit und Bezahlbarkeit, Gleichbehandlung und Förderung des universellen Zugangs und der Nutzerrechte nehmen hierbei einen besonderen Stellenwert ein. Initiativen der Kommission im Kontext der Erbringung öffentlicher Dienstleistungen einschließlich sozialer Dienstleistungen auf der jeweils geeigneten Ebene, mit klaren Finanzierungsregeln und von höchstmöglicher Qualität (vgl. Mitteilung KOM (2010) 608 endg. vom 27. Oktober 2010, Seite 25) fallen damit nach dem Verständnis des Bundesrates nicht in die Zuständigkeit der EU, sondern in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.
- 31. Der Bundesrat lehnt sowohl den Einsatz einer an die Behörden der Mitgliedstaaten gerichteten sogenannten "Toolbox", die es ermöglichen soll, lokale öffentliche Dienstleistungen von hoher Qualität zu erbringen, als auch Maßnahmen betreffend die Bewertung der Qualität der angebotenen Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse ab. Auch hier steht zu befürchten, dass die Kompetenz der Mitgliedstaaten ausgehöhlt wird. Im Vertrag von Lissabon wird das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen anerkannt. Vor allem im Interesse der Kommunen ist daher darauf zu achten, dass die Kommission die neue Regelungskompetenz der EU für Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse nicht zu Steuerungszwecken einsetzt und versucht, für den sensiblen Bereich der Daseinsvorsorge eigene Qualitäts- und Sozialstandards einzuführen. Die Daseinsvorsorge muss im Entscheidungsbereich der Kommunen verbleiben. Nur so kann auch dem Subsidiaritätsgedanken Rechnung getragen werden. Der ehemalige EU-Kommissar für Wettbewerb, Mario Monti, unterstützt diese Haltung nach Auffassung des Bundesrates in seinem Bericht "Eine neue Strategie für den Binnenmarkt im Dienste der Wirtschaft und Gesellschaft in Europa" vom 10. Mai 2010, indem er betont, dass es primär Sache der Mitgliedstaaten sei, Qualität und Umfang von sozialen und lokalen öffentlichen Dienstleistungen festzulegen. Diese Leistungen werden auch durch die Mitgliedstaaten finanziert und sind Teil der nationalen Identität.(bei Annahme entfällt Ziffer 34).
- 32. Auch die in der Mitteilung KOM (2010) 608 endg. vom 27. Oktober 2010 angesprochene flächendeckende Versorgung mit Dienstleistungen und Universaldienstleistungen fällt in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, die diese Dienstleistungen von allgemeinem (wirtschaftlichen) Interesse eigenständig zur Verfügung stellen und organisieren. Einer Ausdehnung der Tätigkeit der EU auf der Grundlage von Artikel 14 AEUV ist auch vor dem Hintergrund des Subsidiaritätsprinzips zu widersprechen.(bei Annahme entfällt Ziffer 33).
- 33. Der Bundesrat fordert die Kommission auf, bei einem Maßnahmenpaket zu Diensten von allgemeinem Interesse auf der Grundlage der durch den Vertrag von Lissabon neu gefassten geteilten Zuständigkeit die Erfordernisse der sozialen Dienste umfassend zu berücksichtigen und den Subsidiaritätsgrundsatz zu achten. Insbesondere ist den Besonderheiten sozialer Dienste gebührend Rechnung zu tragen, die nicht zuletzt aus dem vielfachen Einsatz Ehrenamtlicher folgen.
Der Bundesrat weist darauf hin, dass Artikel 14 AEUV durch das Protokoll Nr. 26 zum Vertrag von Lissabon ergänzt wird, das die Bedeutung der Dienste von allgemeinem Interesse hervorhebt. Dieses hält in Artikel 1 insoweit die wichtige Rolle und den weiten Ermessensspielraum der nationalen, regionalen und lokalen Behörden fest. Dabei sind diese Dienste den Nutzern so gut wie möglich zur Verfügung zu stellen, wobei ein hohes Niveau in Bezug auf Qualität, Sicherheit und Bezahlbarkeit, Gleichbehandlung und Förderung des universellen Zugangs und der Nutzungsrechte zu gewährleisten ist. Aufgrund der lediglich geteilten Gesetzgebungskompetenz der EU nach Artikel 14 Satz 2 AEUV ist ausdrücklich klargestellt, dass die Mitgliedstaaten weiterhin solche Dienste zur Verfügung stellen, in Auftrag geben und finanzieren dürfen.(entfällt bei Annahme von Ziffer 30 oder Ziffer 32).
- 34. Vor diesem Hintergrund betont der Bundesrat, dass die Einführung einer umfassenden und unter Umständen verbindlichen "Toolbox" für Behörden zur Abdeckung sämtlicher erheblicher "Probleme" (d.h. Finanzierung, öffentliche Auftragsvergabe, Verwaltungszusammenarbeit) sowie als Grundlage für die Bewertung der Qualität der Dienstleistungen und für einen sektoralen und transnationalen Vergleich diesen Vorgaben nicht entspricht.(entfällt bei Annahme von Ziffer 31).
- 35. Der Bundesrat bittet zu beachten, dass insbesondere die sozialen Dienstleistungen sehr unterschiedlich ausgestaltet sind. Zum Beispiel könnte ein einheitlicher Rahmen zu Qualitätskriterien für Personal und Helfer das freiwillige soziale Engagement vielfach zum Erliegen bringen, sobald die Anforderungen nicht oder nur mit einem erheblichen finanziellen Aufwand erfüllt werden können.
Zu Vorschlag Nr. 26
- 36. Im Kontext der Vorschläge für ein starkes und nachhaltiges Wachstum kommt dem Verkehrssektor eine bedeutende Rolle zu. Der Bundesrat hebt hervor, dass bei der Überarbeitung der Struktur und Ausrichtung des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) und mithin bei Auswahl und Fokus auf bestimmte Korridore im Rahmen der künftigen TEN-V-Politik die Klimaschutzziele der Gemeinschaft ebenso wie das übergeordnete Nachhaltigkeitsziel noch stärker als bisher Berücksichtigung finden sollten.
- 37. Der Bundesrat betont, dass sich bei der konkreten Ausgestaltung des "Kernnetzes" des TEN-V die wichtige Rolle der Seehäfen und ihrer Hinterlandverbindungen für den ökonomischen, ökologischen und sozialen Zusammenhalt der Gemeinschaft vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsziele deutlich im TEN-V wiederfinden sollte.
- 38. Zur Absicherung einer nachhaltigen, effizienten, umweltverträglichen und möglichst preisgünstigen sowie hochfrequenten Versorgung der europäischen Regionen sollte dabei insbesondere die Verbesserung (Aus- und Neubaumaßnahmen, technische Ausrüstung, Interoperabilität) der bestehenden Seehafenhinterlandverbindungen, speziell der Verkehrsträger Schiene und Binnenwasserstraße, Priorität erhalten. Im Sinne der Nachhaltigkeit gilt es, insbesondere die Hinterlandanbindungen europäischer Seehäfen zu stärken, wobei Priorität im Zu- und Ablauf die Verkehrsträger Schiene und Binnenwasserstraße genießen müssen (vgl. BR-Drucksache 130/09(B) , Ziffer 8).
- 39. Die Ansätze für Ko-Finanzierungsmaßnahmen von Verkehrsinfrastruktur im Rahmen der TEN-V-Haushaltslinie sollten durch eine entsprechende Gewichtung hinsichtlich der zu berücksichtigenden Verkehrsträger vor allem mit Blick auf das übergeordnete Nachhaltigkeitsziel insoweit auch eine klare Priorität für nachhaltige Verkehrsträger, insbesondere die Schiene, erkennen lassen.
- 40. Der Bundesrat hält den von der Kommission erwogenen Gesamtrahmen für die Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur für noch nicht ausgereift. Der Bundesrat begrüßt und unterstützt im Übrigen Anstrengungen der Kommission, die Transparenz der gemeinschaftlichen Finanzierungsgrundlage des TEN-V, der verschiedenen Finanzierungsinstrumente sowie ihrer Kombinationen deutlich zu erhöhen.
Zu Vorschlag Nr. 27
- 41. Der Bundesrat begrüßt den Aufbau eines voll funktionsfähigen Energiebinnenmarkts. Die bestehenden Energieinfrastrukturen müssen modernisiert und europaweit besser vernetzt werden. Denn der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien führt dazu, dass die vorhandenen Infrastrukturen den Anforderungen nicht mehr in jeder Hinsicht gerecht werden. Der erforderliche Aus- und Umbau der Energienetze ist auf die Akzeptanz der Bevölkerung und der betroffenen Gebietskörperschaften angewiesen. Diese sind daher in angemessener Weise in den Planungsprozess einzubeziehen.
Die dezentrale Verantwortung und Produktion von Energie ist ein wichtiger Stabilitätsfaktor für die Energiemärkte. Zudem können durch die dezentralen Strukturen monopolartige Strukturen von Großversorgern aufgebrochen und ein echter Wettbewerb erzielt werden. In Deutschland ist in diesem Zusammenhang vor allem die Rolle der kommunalen Stadtwerke hervorzuheben. Diesen Zusammenhängen muss die Kommission in ihren angekündigten Mitteilungen zu den Prioritäten der Energieinfrastruktur Rechnung tragen.
Zu den Vorschlägen Nr. 29 und 30
- 42. Ein erfolgreicher Binnenmarkt setzt die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger voraus. [Der Bundesrat erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass bereits die Binnenmarktrevision(2007) das Ziel einer sozialeren Ausgestaltung des Binnenmarkts definiert hatte.] Der Bundesrat sieht es deshalb als Fortschritt an, dass die Kommission im Vorfeld der Ausarbeitung sämtlicher den Binnenmarkt betreffender Legislativvorschläge zukünftig {auch} eine eingehende soziale Folgenabschätzung vornehmen möchte mit dem Ziel, einen Konsens über die den Binnenmarkt stärkende Wirkung einer Maßnahme zu finden und ihre soziale Verträglichkeit sicherzustellen.
Weiterhin begrüßt der Bundesrat die Absicht der Kommission, im Jahr 2011 einen Legislativvorschlag anzunehmen, der auf eine bessere Umsetzung der Entsenderichtlinie abzielt, indem in die Richtlinie eine klärende Bestimmung zur Ausübung der sozialen Grundrechte im Kontext der wirtschaftlichen Freiheiten des Binnenmarkts aufgenommen oder die Richtlinie entsprechend ergänzt wird.
- 43. Nationale Sozialgesetzgebung und Arbeitsbeziehungen müssen geschützt werden, sofern diese nicht diskriminierend sind. Arbeitskämpfe, die ihren Ursprung in wirtschaftlichen Konflikten haben, müssen im Kontext der Ausübung der sozialen Grundrechte bewertet werden. Erforderlich ist ein wirksames Rechtsinstrument, das die nationalen Arbeitsnormen und Arbeitsbeziehungen einschließlich der wichtigen Rolle der Tarifverhandlungen in den Mitgliedstaaten bewahrt und den Grundsatz der Gleichbehandlung stärkt.
- 44. Im Rahmen der Revision der Entsenderichtlinie muss insbesondere klargestellt werden, dass
- - die Entsenderichtlinie lediglich Mindestbedingungen und Instrumente zur Festlegung von Mindestbedingungen für entsandte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer regelt und die Mitgliedstaaten darüber hinausgehende günstigere Arbeitsbedingungen festlegen dürfen.
- - Arbeitsverhältnisse, die nur für die Entsendung begründet oder die von ausländischen Dienstleistungserbringern mit Beschäftigten im Zielland abgeschlossen werden, dem Arbeits- und Sozialrecht des Ziellandes unterliegen.
Zu Vorschlag Nr. 31
- 45. Im Hinblick auf die Ankündigung der Kommission, die Richtlinie über die Tätigkeiten und die Beaufsichtigung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (Pensionsfonds) zu überprüfen, nimmt der Bundesrat Bezug auf die ausführliche Stellungnahme des Bundesrates zum Grünbuch der Kommission zu den Rentensystemen (BR-Drucksache 419/10(B) ). Er erwartet, dass die Kommission mit Augenmaß vorgeht und die Besonderheiten der Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung achtet. Die Kosten für die Unternehmen müssen sich in Grenzen halten und dürfen diese zusätzliche Säule der Altersvorsorge nicht gefährden. Der Bundesrat weist darauf hin, dass für die betriebliche Altersversorgung in Deutschland bereits jetzt ein hohes Maß an Sicherheit gewährleistet ist. Bei einer Überprüfung der Pensionsfondsrichtlinie müssen daher die Besonderheiten der betrieblichen Altersvorsorge (Subsidiaritätshaftung bzw. Nachschusspflicht des Arbeitgebers, Beiträge zur Insolvenzsicherung) berücksichtigt werden. Diese haben sich auch in der aktuellen Finanzkrise bewährt.
Hinsichtlich der Planungen zu weiteren Vorschlägen zur Beseitigung angeblicher Hindernisse, mit denen sich mobile Arbeitnehmer bei der Planung ihres Ruhestands konfrontiert sehen, weist der Bundesrat erneut darauf hin, dass die Verantwortung für die national unterschiedlich ausgestalteten Vorsorgesysteme allein bei den Mitgliedstaaten liegt und die Vorrechte der Sozialpartner nicht in Frage gestellt werden dürfen. Die Eigenständigkeit und die Vielfalt der bestehenden Alterssicherungssysteme der Mitgliedstaaten müssen gewahrt bleiben.
- 46. In diesem Zusammenhang erinnert der Bundesrat an seine kritische Haltung gegenüber Initiativen auf EU-Ebene zur Portabilität. Zwar mag ein schnellerer Erwerb von unverfallbaren Betriebsrentenansprüchen die Mobilität von Arbeitnehmern erhöhen; es ist aber zu befürchten, dass Arbeitgeber, die diese Anwartschaften auch bei einem Weggang des Arbeitnehmers vom Unternehmen garantieren müssten, unter diesen Rahmenbedingungen seltener Betriebsrenten versprechen.
Zu Vorschlag Nr. 32
- 47. Infolge der zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtung im Binnenmarkt nimmt die Zahl grenzüberschreitender industrieller Umstrukturierungen zu. Das stellt alle Beteiligten, besonders aber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie die betroffenen Regionen, vor Probleme, da die Anwendbarkeit nationalen Rechts und nationaler Instrumente im grenzüberschreitenden Kontext eingeschränkt ist. Der Bundesrat begrüßt daher die Initiative der Kommission, eine Konsultation der Sozialpartner mit dem Ziel einzuleiten, einen europäischen Rahmen für die Antizipation industrieller Umstrukturierungen auszuarbeiten. Der Bundesrat betont die Rolle der Sozialpartner bei der Antizipation struktureller Veränderungen im Bereich des Sozial- und Arbeitsrechts und dem sich abzeichnenden Beschäftigungs- und Qualifizierungsbedarf.
Zu Vorschlag Nr. 33
- 48. Der Bundesrat begrüßt den Vorschlag der Kommission, die bestehende Richtlinie 2005/36/EG vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen einer Überprüfung zu unterziehen. Es ist zu prüfen, ob Anerkennungsverfahren beschleunigt und ob weitere Berufe im sektoralen Teil der Richtlinie geregelt werden können, um zu einem schnelleren, automatischen Anerkennungsverfahren zu kommen. Damit wird die Mobilität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern deutlich erleichtert. Die geltende Richtlinie ermöglicht die Durchführung eines Anerkennungsverfahrens. Sie erfasst die sogenannten reglementierten Berufe. Daneben gelten in einem speziellen gemeinschaftlichen Rechtsakt geregelte Vorgaben für bestimmte Berufe. Hier wäre eine einheitliche Richtlinie wünschenswert. Der Bundesrat weist darauf hin, dass bei den derzeit auf Bundesebene in Verhandlungen stehenden Änderungen im Berufsanerkennungsrecht die möglichen Vorgaben einer neuen Anerkennungsrichtlinie vorab berücksichtigt und die Verhandlungen auf europäischer Ebene so geführt werden sollten, dass erneute Rechtsänderungen nicht erforderlich werden.
Zu Vorschlag Nr. 36
- 49. Viele Unternehmen sind beispielsweise aus ihrer Tradition heraus im starken Maße sozial engagiert. Zur Unterstützung dieser Unternehmen bei der Durchführung von innovativen Unternehmensprojekten gibt es bereits verschiedene Initiativen auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene. Die Förderung solcher Entwicklungen darf jedoch nicht dazu führen, dass zusätzliche Bürokratie sowie letztlich willkürliche politische Begünstigungen von bestimmten Unternehmen bzw. Unternehmenszwecken geschaffen werden.
- 50. Die Einführung von "Ethiklabels" birgt die Gefahr, dass Unternehmen, die ein solches Label nicht besitzen, unter den Generalverdacht gestellt werden, unethisch zu handeln. Ein solcher verzerrter Eindruck muss unbedingt vermieden werden. Insbesondere im Hinblick auf die Vorgaben für die öffentliche Auftragsvergabe ist dieser Prozess kritisch zu beobachten.(bei Annahme entfällt Ziffer 51).
- 51. Dabei wird keine Notwendigkeit für die Einführung neuer Ethik-Labels gesehen. Stattdessen sollten vorhandene Labels überprüft und harmonisiert werden. Um Transparenz und Vergleichbarkeit herzustellen und die Glaubwürdigkeit der Labels zu erhöhen, müssen Fragen nach den Auswahlkriterien, nach der eindeutigen Abgrenzung und nach der Überwachung beantwortet werden.
Zu Vorschlag Nr. 43
- 52. Die Absicht der Kommission, die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste zu ändern, wird vom Bundesrat begrüßt. Damit wird die Chance eröffnet, eine größere Rechtssicherheit zu erlangen.
Zu Vorschlag Nr. 44
- 53. Der Bundesrat hält eine weitere Ausdehnung der Mechanismen der Dienstleistungsrichtlinie derzeit für nicht notwendig. In der Praxis führt die permanente Berichtspflicht der Behörden zu zusätzlichem Bürokratieaufwand, welcher in einem weit überwiegenden Teil der Fälle als reiner Formalismus ohne positiven Effekt bleibt. So sind Kommunen in Deutschland gezwungen, jede Regelung bis hin zu Friedhofssatzungen einer aufwändigen Kontrolle zu unterziehen. Dieser Aufwand wäre gerechtfertigt, wenn begründete Sorge bestünde, dass erhebliche Beschränkungen der freien Betätigung im Binnenmarkt vorliegen. Das ist allerdings zumeist nicht der Fall. Vielmehr werden auf die bloße Möglichkeit und weitgehend theoretische Gefahr von Binnenmarktbeschränkungen hin neue bürokratische Belastungen für kommunale Verwaltungen eingeführt. Ein neues richtlinienspezifisches Berichts- und Kontrollsystem, welches neben der Kommunalaufsicht existiert, ist nach Auffassung des Bundesrates daher nicht erforderlich.
Zu Vorschlag Nr. 45
- 54. Der Bundesrat begrüßt einen Ausbau des Binnenmarktinformationssystems. Eine effiziente Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie wie auch anderer europäischer Rechtsetzungsakte erfordert zusehends eine effiziente europaweite Zusammenarbeit der Verwaltungen. Allerdings müssen der Aufwand, insbesondere der Einarbeitungsaufwand, und die tatsächlichen Fallzahlen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Daher sollte vor einer Ausweitung des Binnenmarktinformationssystems auf andere Bereiche sorgfältig geprüft werden, wie viele grenzüberschreitende Auskunftsersuchen es in diesen Bereichen gibt.
Zu Vorschlag Nr. 46
- 55. Alternative Verfahren zur Streitbeilegung stellen eine sinnvolle Ergänzung der gerichtlichen Verfahren dar.
- 56. Vor dem Hintergrund, dass in der EU ein dichtes Netz an gesetzlichen Vorgaben, Genehmigungsverfahren und behördlichen Überprüfungen besteht, lehnt der Bundesrat die Einführung von EU-Sammelklagen nach amerikanischem Vorbild allerdings ab.
Direktzuleitung der Stellungnahme
- 57. Der Bundesrat übermittelt die Stellungnahme direkt an die Kommission.