Unterrichtung durch die Bundesregierung
Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2009/71/Euratom des Rates über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen - Vorlage eines Entwurfs nach Artikel 31 Euratom-Vertrag zur Stellungnahme durch den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss - COM (2013) 343 final

Übermittelt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie am 20. Juni 2013 gemäß § 2 des Gesetzes über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12. März 1993 (BGBl. I S. 313), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 22. September 2009 (BGBl. I S. 3031).

Das Europäische Parlament wird an den Beratungen beteiligt.

Hinweis: vgl.
Drucksache 949/08 (PDF) = AE-Nr. 080912,
Drucksache 611/12 (PDF) = AE-Nr. 120796 und AE-Nr. 110964

Brüssel, den 13.6.2013 COM (2013) 343 final

Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2009/71/Euratom des Rates über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen
Vorlage eines Entwurfs nach Artikel 31 Euratom-Vertrag zur Stellungnahme durch den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss

{SWD(2013) 199 final}
{SWD(2013) 200 final}
{SWD(2013) 201 final}

Begründung

1. Hintergrund des Vorschlags

1.1. Allgemeiner Kontext

Der Unfall im Kernkraftwerk (KKW) Fukushima Daiichi im Jahr 2011 hatte erhebliche ökologische, ökonomische und gesellschaftliche Schäden sowie Befürchtungen in Bezug auf mögliche Auswirkungen auf die Gesundheit der betroffenen Bevölkerung in Japan zur Folge. Der Unfall wurde zwar durch ein Erdbeben und einen Tsunami von enormem Umfang ausgelöst, die Untersuchung der Unfallursachen hat jedoch eine Reihe vorhersehbarer Faktoren zutage gefördert, deren Zusammenwirken zu dem katastrophalen Ergebnis beitrug. Die Analyse des Nuklearunfalls von Fukushima zeigte bedeutende und wiederholt auftretende technische Probleme sowie anhaltendes institutionelles Fehlverhalten auf, wie sie auch in den Bewertungen nach den Unfällen von Three Mile Island Tschernobyl vor Jahrzehnten bereits festgestellt wurden. Dieser jüngste Nuklearunfall hat das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Sicherheit der Kernenergie erneut beeinträchtigt, und dies in einer Zeit, in der die Nutzung der Kernenergie als eine Möglichkeit zur nachhaltigen Bewältigung des weltweiten Energiebedarfs erörtert wird.

Durch den Nuklearunfall von Fukushima richtete sich die Aufmerksamkeit erneut auf die überragende Bedeutung der Gewährleistung einer äußerst robusten nuklearen Sicherheit in der EU und weltweit.

Auf die Kernenergie entfallen fast 30 % der gesamten Stromerzeugung in der EU und rund zwei Drittel der kohlenstoffarm erzeugten Elektrizität. Die EU verfügt über 132 in Betrieb befindliche Reaktoren, d.h. über rund ein Drittel der 437 weltweit betriebenen Kernkraftwerke. Viele der KKW in der EU wurden vor dreißig bis vierzig Jahren gebaut; ihre Auslegung und Sicherheitsbestimmungen wurden seither ständig aktualisiert.

Die nukleare Sicherheit ist für die EU und ihre Bürger von höchster Bedeutung. Die Auswirkungen von Nuklearunfällen machen an nationalen Grenzen nicht Halt und können potenziell schädliche Konsequenzen für die Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung sowie weitreichende wirtschaftliche Auswirkungen haben. Es ist daher von entscheidender Bedeutung für Gesellschaft und Wirtschaft, das Risiko eines nuklearen Unfalls in einem EU-Mitgliedstaat so gering wie möglich zu halten, indem hohe Standards im Bereich der nuklearen Sicherheit angewandt werden und eine gute behördliche Aufsicht gewährleistet wird.

Die EU reagierte sofort auf den Nuklearunfall von Fukushima.

Auf der Grundlage eines Mandats des Europäischen Rates vom 24. und 25. März 20111 leitete die Europäische Kommission gemeinsam mit der Gruppe der europäischen Regulierungsbehörden für nukleare Sicherheit (ENSREG) EU-weit umfassende Risiko- und Sicherheitsbewertungen in Kernkraftwerken ("Stresstests") ein. Die Stresstests wurden definiert als gezielte Neubewertung der Sicherheitsmargen der KKW vor dem Hintergrund der Ereignisse in Fukushima. Dabei ging es um extreme natürliche Ereignisse, die die Sicherheitsfunktionen der Kraftwerke beeinträchtigen können. Alle vierzehn EU-Mitgliedstaaten, in denen Kernkraftwerke in Betrieb sind2, sowie Litauen3 nahmen an den Bewertungen teil. Die Schweiz, die Ukraine und Kroatien nahmen an den EU-Stresstests und den Peer Reviews uneingeschränkt teil, andere Nachbarländer (z.B. die Türkei, Belarus und Armenien) sagten die Anwendung derselben Methoden zu, jedoch unter Zugrundelegung eines anderen Zeitplans. Die Stresstests begannen 2011 mit Selbstbewertungen der Betreiber kerntechnischer Anlagen und der Ausarbeitung der einzelstaatlichen Berichte durch die nationalen Regulierungsbehörden. Erste Ergebnisse wurden in Form einer Mitteilung der Kommission zum Zwischenbericht über die Stresstests4 im November 2011 vorgelegt, und von Januar bis April 2012 wurde eine umfassende EU-weite Peer Review durchgeführt. Das ENSREG-Gremium für die gegenseitige Überprüfung ("ENSREG Peer Review Board")5 legte einen zusammenfassenden Bericht vor, der von ENSREG gebilligt wurde. Ferner einigte sich ENSREG auf einen Aktionsplan6 zur Begleitung der Umsetzung der Empfehlungen der Peer Review. Im Oktober 2012 veröffentlichte die Kommission eine Mitteilung zum Abschlussbericht über die Stresstests7. Im Einklang mit den Vorgaben des ENSREG-Aktionsplans wurden nationale Aktionspläne8 auf der Grundlage der Lehren aus dem Fukushima-Unfall und der Empfehlungen der Stresstest-Peer-Review ausgearbeitet und im Rahmen eines Workshops im April 2013 in Bezug auf Inhalt und Stand der Durchführung überprüft. Der zusammenfassende Bericht über den Workshop soll 2013 anlässlich der zweiten ENSREG-Konferenz über nukleare Sicherheit in Europa9 präsentiert werden. Außerdem wird die Kommission zur Gewährleistung angemessener Folgemaßnahmen zu den Stresstests in enger Zusammenarbeit mit ENSREG einen konsolidierten Bericht über den Stand der Durchführung der Stresstest-Empfehlungen erstellen. Dieser soll im Juni 2014 veröffentlicht und an den Europäischen Rat weitergeleitet werden.

Im legislativen Bereich hat die Europäische Kommission im März 2011 das klare Mandat des Europäischen Rates erhalten, "den bestehenden Rahmen der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Sicherheit kerntechnischer Anlagen" zu überprüfen und alle erforderlichen Verbesserungen vorzuschlagen.

Das Europäische Parlament hat ebenfalls eine Überarbeitung der Rechtsvorschriften unterstützt. Laut der Entschließung aus dem Jahr 2011 zum Thema "Energieinfrastrukturprioritäten bis 2020 und danach"10 hält das Parlament "künftige Rechtsetzungsinitiativen zur Schaffung eines gemeinsamen Rechtsrahmens über die nukleare Sicherheit für ausgesprochen wichtig, damit die Sicherheitsnormen in Europa kontinuierlich verbessert werden können". Darüber hinaus forderte das Europäische Parlament in seiner Entschließung aus dem Jahr 2011 zum Arbeitsprogramm der Kommission für 1211 "eine dringliche Revision der Richtlinie über nukleare Sicherheit, um sie zu verschärfen, insbesondere durch Berücksichtigung der Ergebnisse der "Stresstests" im Anschluss an den Zwischenfall in Fukushima". Laut einer jüngeren Entschließung des Parlaments zu Risiko- und Sicherheitsbewertungen ("Stresstests") (2013)12 soll die Überarbeitung der Richtlinie "mit Ehrgeiz betrieben werden" und weitreichende Verbesserungen in Bereichen wie "Sicherheitsverfahren und -konzepte - insbesondere durch die Festlegung und Umsetzung verpflichtender Standards für die nukleare Sicherheit, die in technischer, rechtlicher und betrieblicher Hinsicht den neusten Verfahren in der EU entsprechen - sowie im Hinblick auf die Rolle und die Mittel der Nuklearaufsichtsbehörden" ermöglichen sowie "insbesondere die Unabhängigkeit, Offenheit und Transparenz dieser Behörden sowie auch die Überwachung und gegenseitige Überprüfung stärken".

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss befürwortet im Rahmen seiner Stellungnahme(2012) zu der Mitteilung der Kommission zum Abschlussbericht über die Stresstests13 "das ehrgeizige Unterfangen der Kommission, die Richtlinie über nukleare Sicherheit zu überarbeiten".

Auf der Grundlage des Mandats des Europäischen Rates und der Forderungen anderer EU-Organe und -Einrichtungen hat die Kommission einen umfassenden Prozess der Analyse und Einholung von Meinungen begonnen, um geeignete Bereiche und Mechanismen für legislative Maßnahmen zu ermitteln. Dieser Prozess beinhaltete auch eine öffentliche Konsultation im Internet (Dezember 2011 bis Februar 2012), die durch einen breiten Dialog mit den Interessenträgern ergänzt wurde.

Die Mitteilungen zu den Stresstests der Jahre 2011 und 2012 enthalten Angaben über die möglichen Bereiche, in denen die Rechtsvorschriften verbessert werden könnten. In diesem Zusammenhang werden mit Verweis auf die bestehende Richtlinie 2009/71/Euratom des Rates über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen 14 (nachstehend "Richtlinie über nukleare Sicherheit") in der jüngsten Mitteilung die Bereiche sicherheitstechnische Verfahren und Rahmenbedingungen, Rolle und Mittel der Regulierungsbehörden, Offenheit und Transparenz sowie Überwachung und Überprüfung angesprochen.

Darüber hinaus erstellten die Dienststellen der Kommission 2012 auf der Grundlage einer breiten Palette von Informationsquellen eine Folgenabschätzung, bei der die Entwicklungen auf EU- und internationaler Ebene im Nuklearbereich im Anschluss an Fukushima berücksichtigt wurden.

Auf dieser Basis wurde der Entwurf eines Vorschlags für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie über nukleare Sicherheit ausgearbeitet, zu dem auch Anregungen und Sachverstand der in Artikel 31 des Euratom-Vertrags vorgesehenen Gruppe wissenschaftlicher Sachverständiger sowie eine umfassende Konsultation der in der ENSREG vereinten hochrangigen Vertreter der nationalen Nuklearaufsichtsbehörden beitrugen.

1.2. Begründung und Zielsetzung

Die derzeitige Richtlinie über nukleare Sicherheit stellte einen wichtigen Fortschritt dar. Da jedoch der nuklearen Sicherheit das Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung zugrunde liegt und somit u.a. den Erkenntnissen aus dem Nuklearunfall von Fukushima und den anschließenden Stresstests Rechnung getragen werden sollte, musste überprüft werden, ob die geltenden Bestimmungen ausreichen.

Der Unfall von Fukushima hat gezeigt, dass allgemein bekannte Erkenntnisse aus Unfällen, die vor Jahrzehnten stattgefunden haben, von Teilen der Nuklearindustrie nicht freiwillig berücksichtigt und von den Regulierungsbehörden nicht in ausreichendem Maße durchgesetzt wurden, und dies selbst in einem Land wie Japan, bei dem man von besonders hohen Standards in der Industrie und bei der nuklearen Sicherheit ausging. Die technischen und organisatorischen Fragen, die sich aus der Analyse dieses Unfalls ergeben, sind daher allgemein relevant.

In Europa haben die Stresstests bestätigt, dass es weiterhin Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die umfassende und transparente Ermittlung und Bewältigung der wichtigsten Sicherheitsfragen gibt. Ferner haben die Stresstests deutlich gezeigt, welche Vorteile Mechanismen zur Zusammenarbeit und Koordinierung zwischen allen Parteien mit Zuständigkeiten im Bereich der nuklearen Sicherheit haben (z.B. Peer Reviews).

Außerdem wurde bei den öffentlichen Veranstaltungen im Rahmen der Stresstests gefordert, die Tests auf die Notfallvorsorge und -bekämpfung auszudehnen.

Die Kommission hält es daher für angebracht, die Richtlinie über nukleare Sicherheit durch technische Verbesserungen und die Einbeziehung allgemeinerer Sicherheitsfragen wie Governance, Transparenz sowie anlageninterne Notfallvorsorge und -bekämpfung anzupassen, zu stärken und zu ergänzen.

Die vorgeschlagenen Änderungen zielen auf eine Stärkung des Rechtsrahmens für die nukleare Sicherheit in der EU ab, insbesondere durch

1.3. Bestehende Rechtsvorschriften der EU im Bereich der nuklearen Sicherheit

Nachdem der Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache 029/9915 die inhärente Verbindung zwischen Strahlenschutz und nuklearer Sicherheit und damit die Zuständigkeit der Europäischen Atomgemeinschaft, Rechtsvorschriften auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheit zu erlassen, anerkannt hat, ist die Richtlinie über nukleare Sicherheit das erste rechtsverbindliche EU-weite Instrument in diesem Bereich16. Durch die Richtlinie wird ein rechtsverbindlicher Rahmen geschaffen, der sich auf anerkannte Grundsätze und Verpflichtungen der wichtigsten internationalen Instrumente stützt, nämlich des Übereinkommens über nukleare Sicherheit17 und der sicherheitstechnischen Grundsätze (Safety Fundamentals)18 der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO).

1.4. Kohärenz mit anderen Politikbereichen

Da die Euratom-Richtlinie über nukleare Sicherheit letztlich auf den Schutz der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren ionisierender Strahlung abzielt, besteht in erster Linie eine Verbindung zu den Euratom-Rechtsvorschriften für den Strahlenschutz, deren wichtigster Rechtsakt die Richtlinie über grundlegende Sicherheitsnormen ist19. Die Arbeitskräfte und die Bevölkerung können nur vor den Gefahren ionisierender Strahlung geschützt werden, wenn die potenziell schädlichen Strahlenquellen unter Kontrolle sind.

Die nukleare Sicherheit ist ebenfalls von größter Bedeutung für Katastrophenvorsorge, -schutz und -bewältigung in den Mitgliedstaaten generell. Es besteht daher ein enger Zusammenhang zwischen der Richtlinie über nukleare Sicherheit und dem Katastrophenschutzverfahren20 der Union, das den Rahmen für die Zusammenarbeit der EU in diesem Bereich vorgibt, auch bei der Reaktion auf radiologische Notfälle innerhalb und außerhalb der Union.

2. Ergebnisse der Konsultation der interessierten Kreise und der Folgenabschätzungen

2.1. Konsultation der interessierten Kreise

In dem Zeitraum nach dem Nuklearunfall von Fukushima hat die Kommission einen umfassenden und transparenten Dialog mit den verschiedenen Interessenträgern und der Öffentlichkeit eingeleitet und u.a. eine offene Konsultation über das Internet (im Einklang mit ihren Mindeststandards für die Konsultation21) organisiert.

Im Rahmen der Online-Konsultation, in der um Beiträge zu Bereichen gebeten wurde, in denen der vorhandene Euratom-Rechtsrahmen für die nukleare Sicherheit ausgebaut werden sollte, gingen Antworten von Nuklearaufsichtsbehörden, sonstigen Behörden, Unternehmen, nicht staatlichen Organisationen und Einzelpersonen ein. Diese Konsultation bot Einblicke in ein breites Spektrum von Meinungen von Interessenträgern. Insgesamt zeigt das Ergebnis, dass mehr als 90 % der Befragten einen Euratom-Rahmen für nukleare Sicherheit, der gemeinsame Regeln für die EU-Mitgliedstaaten vorgibt, für wichtig halten und 76 % der Auffassung sind, dass die geltenden Rechtsvorschriften für die nukleare Sicherheit gestärkt werden müssen.

Der Kommission wurden Stellungnahmen verschiedener Interessenträger, z.B. von Nuklearaufsichtsbehörden, sonstigen Behörden, einzelnen Unternehmen, Industrieverbänden und nicht staatlichen Organisationen übermittelt, auch auf schriftlichem Wege und anlässlich von Sitzungen. Darüber hinaus hat die Kommission gemeinsam mit ENSREG Konferenzen und öffentliche Debatten mit unterschiedlichen Interessenträgern - einschließlich nicht staatlicher Organisationen - organisiert, bei denen es um den Prozess sowie die Zwischen- und Endergebnisse der Stresstests ging bzw. geht22.

Die europäischen Sozialpartner im Ausschuss für den sozialen Dialog im Elektrizitätssektor wurden ebenfalls konsultiert. In ihrer Antwort haben die Sozialpartner die Rolle eines Euratom-Rechtsrahmens für die nukleare Sicherheit bei der Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Mitgliedstaaten unterstrichen.

Eine besondere Rolle hat ENSREG, denn sie ist ein einzigartiges Zentrum für Fachwissen und vereint hochrangige Vertreter der zuständigen nationalen Regulierungsbehörden aller Mitgliedstaaten der EU, sowohl der Staaten, die Kernenergie nutzen, als auch der Staaten ohne Kernenergie. Ein ausführlicher Beitrag der ENSREG wurde berücksichtigt.

Schließlich konsultierte die Kommission im Rahmen des Verfahrens nach dem Euratom-Vertrag die in Artikel 31 genannte Gruppe wissenschaftlicher Sachverständiger. In ihrer Stellungnahme begrüßten die Sachverständigen den Vorschlag der Kommission zur Änderung der Richtlinie über nukleare Sicherheit und machten mehrere Vorschläge zur Stärkung der Verknüpfung mit den Strahlenschutzvorschriften.

2.2. Folgenabschätzung

Im Jahr 2012 wurde eine Folgenabschätzung erstellt. Darin werden die Herausforderungen der Gewährleistung eines ausreichenden Niveaus der nuklearen Sicherheit in der EU analysiert und es werden die allgemeinen und spezifischen Ziele für eine bessere Verhütung und Eindämmung von nuklearen Unfällen formuliert. Eine Reihe von politischen Optionen wurden vorgeschlagen und analysiert (von der Beibehaltung des Status quo bis hin zu tiefgreifenden Reformen). Jede Option wurde im Hinblick auf die erwarteten sicherheitsrelevanten, wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Auswirkungen geprüft.

3. Rechtliche Aspekte des Vorschlags

3.1. Rechtsgrundlage

Alle legislativen Änderungen sollten auf dem Ansatz der derzeit geltenden Richtlinie über nukleare Sicherheit auf- und diesen ausbauen. Die Rechtsgrundlage bilden daher nach wie vor die Artikel 31 und 32 des Euratom-Vertrags.

3.2. Subsidiarität und Verhältnismässigkeit

Der Vorschlag zielt auf eine zusätzliche Stärkung der Rolle und der Unabhängigkeit der zuständigen Regulierungsbehörden ab, denn es steht außer Frage, dass nur starke Regulierungsbehörden, die über alle erforderlichen Befugnisse und die entsprechenden Unabhängigkeitsgarantien verfügen, den Betrieb kerntechnischer Anlagen in der EU überwachen und einen sicheren Betrieb gewährleisten können. Eine enge Zusammenarbeit und der Informationsaustausch zwischen den Regulierungsbehörden wird wegen der potenziellen grenzüberschreitenden Auswirkungen eines nuklearen Unfalls unterstützt.

Angesichts der weitreichenden Auswirkungen eines Nuklearunfalls und insbesondere des öffentlichen Informationsbedarfs in einem solchen Fall ist ein EU-weiter Ansatz in Transparenzfragen unbedingt notwendig. Dadurch kann gewährleistet werden, dass die Öffentlichkeit unabhängig von Landesgrenzen über alle relevanten Fragen der nuklearen Sicherheit angemessen unterrichtet wird. Die bisherigen Bestimmungen der Richtlinie werden in diesem Sinne geändert.

In Europa haben die Stresstests bestätigt, dass es nicht nur weiterhin Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die umfassende und transparente Ermittlung und Bewältigung der wichtigsten Sicherheitsprobleme gibt, sondern dass grundlegende Unterschiede im Hinblick auf das Sicherheitsniveau weiterbestehen. Daher wird die Richtlinie über nukleare Sicherheit dahingehend verstärkt, dass eine Reihe gemeinsamer Ziele aufgenommen werden, durch die das Vorgehen im Bereich der nuklearen Sicherheit in der EU harmonisiert werden soll. Darüber hinaus haben die Erfahrungen aus dem Nuklearunfall von Fukushima und die wertvollen Erkenntnisse aus den Stresstests deutlich gezeigt, dass der Austausch von Informationen und Peer Reviews für die wirksame und kontinuierliche Anwendung jedes Sicherheitssystems unerlässlich sind.

Der vorgeschlagene Rechtsakt geht entsprechend dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht über das für die gesetzten Ziele erforderliche Maß hinaus. Ferner ist unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Situationen in den Mitgliedstaaten ein flexibler und verhältnismäßiger Ansatz in Bezug auf die Anwendbarkeit vorgesehen. Es wird ein Mechanismus zur gemeinsamen Entwicklung EU-weiter technischer Leitlinien durch die Mitgliedstaaten vorgesehen, wobei besonders auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geachtet und auf das Wissen und die praktische Erfahrung der Sachverständigen der Regulierungsbehörden zurückgegriffen wird.

Die Anwendbarkeit und der Umfang, in dem Bestimmungen des Vorschlags angewendet werden müssen, sind abhängig von der Art der kerntechnischen Anlage. Daher sollten die Mitgliedstaaten bei der Anwendung dieser Bestimmungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgen und von den mit den jeweiligen Arten kerntechnischer Anlagen verbundenen Risiken ausgehen.

3.3. Rechtliche Aspekte

Mit dem Vorschlag werden neue Bestimmungen in die Richtlinie über nukleare Sicherheit aufgenommen bzw. bestehende Bestimmungen gestärkt; übergeordnetes Ziel ist die kontinuierliche Verbesserung der nuklearen Sicherheit und ihrer Regulierung auf EU-Ebene. Spezifische Informationen über die wichtigsten vorgeschlagenen Änderungen der Richtlinie über nukleare Sicherheit sind nachstehend aufgeführt.

Ziele

Artikel 1 wird durch ein neues Ziel ergänzt: Radioaktive Freisetzungen in allen Phasen des Lebenszyklus kerntechnischer Anlagen (Standortwahl, Auslegung, Bau, Inbetriebnahme, Betrieb, Stilllegung) sollen vermieden werden.

Begriffsbestimmungen

In Artikel 3 werden neue Begriffsbestimmungen für die in den neuen Vorschriften verwendeten Begriffe eingeführt (u.a. "Unfall", "außergewöhnliches Ereignis", "Auslegungsbasis", "Auslegungsstörfall", "auslegungsüberschreitender Unfall", "periodische Sicherheitsüberprüfung"). Diese Begriffsbestimmungen sind mit der internationalen Terminologie (IAEA Safety Glossary) abgestimmt.

Gesetzes-, Vollzugs- und Organisationsrahmen

Artikel 4 wurde geändert, um die wichtigsten Elemente des nationalen Rechtsrahmens genauer zu fassen. Es ist beispielsweise festgelegt, dass die in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a genannten nationalen sicherheitstechnischen Anforderungen sämtliche Phasen des Lebenszyklus kerntechnischer Anlagen abdecken.

Zuständige Regulierungsbehörde (tatsächliche Unabhängigkeit, Regulierungsfunktion)

Die Richtlinie über nukleare Sicherheit enthält nur minimale Bestimmungen zur Stützung der Unabhängigkeit der zuständigen nationalen Regulierungsbehörde (Artikel 5 Absatz 2). Diese Bestimmungen werden im Einklang mit den jüngsten internationalen Leitlinien23 verschärft, indem strenge und effektive Benchmarkkriterien und Anforderungen festgelegt werden, um die tatsächliche Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden zu gewährleisten.

Zu den neuen Anforderungen gehören die Gewährleistung einer tatsächlichen Unabhängigkeit bei der Entscheidungsfindung sowie eigene angemessene Mittelzuweisungen und Autonomie bei der Verwendung der Mittel; außerdem werden klare Vorschriften für die Ernennung und die Entlassung von Personal, die Vermeidung und Beilegung von Interessenkonflikten und die Mitarbeiterzahl aufgenommen (wobei die Mitarbeiter über die erforderliche Qualifikation, Erfahrung und Sachkenntnis verfügen müssen).

Die Richtlinie über nukleare Sicherheit enthält eine allgemeine Aufzählung der wichtigsten Zuständigkeiten der zuständigen Regulierungsbehörde in Artikel 5 Absatz 2. Im Rahmen der Änderung werden diese Bestimmungen weiter ausgeführt, um sicherzustellen, dass die Regulierungsbehörden über die entsprechenden Befugnisse verfügen, um ihre Aufsichtsfunktion wirkungsvoll wahrzunehmen. Daher wird die Hauptaufgabe der zuständigen Regulierungsbehörde, die Festlegung nationaler Anforderungen an die nukleare Sicherheit, in die bestehende Aufzählung von Regulierungsbefugnissen aufgenommen.

Transparenz

Die bisherigen Bestimmungen des Artikels 8 der Richtlinie über nukleare Sicherheit beschränken sich auf allgemeine Anforderungen an die Unterrichtung der Öffentlichkeit. Darüber hinaus enthält dieser Artikel keine entsprechenden Verpflichtungen für den Genehmigungsinhaber, der die Hauptverantwortung für die nukleare Sicherheit trägt. Um diesen Mangel zu beheben, werden mit der Änderung die bestehenden Bestimmungen erweitert und präzisiert. So müssen nun sowohl die zuständige Regulierungsbehörde als auch der Genehmigungsinhaber eine Transparenzstrategie erstellen, die die Bereitstellung von Informationen unter normalen Betriebsbedingungen kerntechnischer Anlagen und die Kommunikation bei einem Unfall oder einem außergewöhnlichen Ereignis berücksichtigt. Die Rolle der Öffentlichkeit wird durch die Vorschrift, dass diese effektiv an der Genehmigung kerntechnischer Anlagen zu beteiligen ist, in vollem Umfang anerkannt. Kürzlich organisierte Veranstaltungen zum Austausch mit Sachverständigen 24 in diesem Bereich haben bestätigt, dass die Öffentlichkeit eine sehr wichtige Rolle spielen kann, wenn sie effektiv an der Beschlussfassung beteiligt ist, und dass ihre Standpunkte berücksichtigt werden sollten; hier ist dem Übereinkommen von Århus25 Rechnung zu tragen.

Ziele im Bereich der nuklearen Sicherheit

Die geltende Richtlinie über nukleare Sicherheit enthält keine besonderen Vorschriften für die verschiedenen Phasen des Lebenszyklus kerntechnischer Anlagen. Aus diesem Grund werden beispielsweise die Risikoarten der bei der Analyse des Fukushima-Unfalls und den anschließenden Stresstests festgestellten Probleme in der geltenden Richtlinie nicht ausreichend benannt und angegangen, u.a.:

Im Einklang mit dem Grundsatz der kontinuierlichen Verbesserung der nuklearen Sicherheit werden durch die Änderung allgemeine Sicherheitsziele für kerntechnische Anlagen (Artikel 8a) eingeführt, die die Fortschritte auf der Ebene der WENRA bei der Entwicklung von Sicherheitszielen für neue KKW widerspiegeln.

Zur Erreichung dieser hohen Sicherheitsziele werden für verschiedene Phasen des Lebenszyklus kerntechnischer Anlagen detailliertere Vorschriften festgelegt (Artikel 8b).

Darüber hinaus werden methodische Anforderungen an Standortwahl, Auslegung, Bau, Inbetriebnahme, Betrieb und Stilllegung kerntechnischer Anlagen in Artikel 8c niedergelegt, um eine einheitliche Anwendung zu unterstützen.

Dieser Ansatz bietet eine gewisse Flexibilität für die nationalen Rechtsrahmen, indem ehrgeizige Ziele festgelegt werden, die dann durch einzelstaatliche Rechtsvorschriften im Einklang mit dem Grundsatz der kontinuierlichen Verbesserung der nuklearen Sicherheit verwirklicht werden müssen. So können die Mitgliedstaaten zwischen den verfügbaren technischen Lösungen für die Modernisierung ihrer kerntechnischen Anlagen wählen, wenn sie deren Sicherheitsmängel auf der Grundlage der Lehren aus schweren Unfällen beheben wollen (die Möglichkeit, bei einem Unfall den Druck im Reaktorbehälter gefahrlos abzulassen, kann z.B. durch mit Filtern ausgestattete Abluftsysteme geschaffen werden).

Anlageninterne Notfallvorsorge und -bekämpfung

Die Änderung enthält Bestimmungen für die anlageninterne Notfallvorsorge und -bekämpfung; die geltende Richtlinie sieht solche Maßnahmen nicht vor. Die neuen Bestimmungen umfassen Angaben zur Planung und zu organisatorischen Vorkehrungen, die der Genehmigungsinhaber zu treffen hat (Artikel 8d). Eine neue Anforderung ist zum Beispiel die Vorschrift, dass am Standort kerntechnischer Anlagen ein Notfallbekämpfungszentrum vorzusehen ist, das hinreichend vor den Einwirkungen externer Ereignisse und schwerer Unfälle (auch radiologischer Ereignisse/Unfälle) geschützt und mit der notwendigen Ausrüstung zur Eindämmung der Auswirkungen schwerer Unfälle ausgestattet ist.

Peer Reviews

Die bisherigen Bestimmungen der Richtlinie über nukleare Sicherheit (Artikel 9 Absatz 3) sehen eine regelmäßige Selbstbewertung des nationalen Rahmens der Mitgliedstaaten und ihrer zuständigen Regulierungsbehörden vor, außerdem müssen internationale Experten zur Prüfung relevanter Teile dieses Rahmens eingeladen werden. Dieses Konzept wird durch den Vorschlag nicht geändert (siehe Artikel 8e Absatz 1).

Die Änderung enthält neue Bestimmungen in Bezug auf Selbstbewertungen und Peer Reviews kerntechnischer Anlagen zu einzelnen Themen der nuklearen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten gemeinsam und in enger Abstimmung mit der Kommission aus dem gesamten Lebenszyklus kerntechnischer Anlagen ausgewählt werden (ein Beispiel wäre das oben genannte Ablassen des Drucks im Reaktorsicherheitsbehälter bei einem schweren Unfall, um eine Wasserstoffexplosion zu vermeiden). Sollten sich die Mitgliedstaaten nicht auf mindestens ein Thema einigen können, wählt die Europäische Kommission den Gegenstand der Peer Reviews. Außerdem hat jeder Mitgliedstaat eine Methodik für die Umsetzung der technischen Empfehlungen festzulegen, die sich aus dem Peer-Review-Prozess ergeben. Sollte die Kommission erhebliche Abweichungen oder Verzögerungen bei der Umsetzung der technischen Empfehlungen der Peer Reviews feststellen, sollte sie die zuständigen Regulierungsbehörden nicht betroffener Mitgliedstaaten auffordern, einen Kontrollbesuch zu organisieren und durchzuführen, um sich ein vollständiges Bild der Situation zu machen, und den betreffenden Mitgliedstaat über mögliche Maßnahmen zur Behebung etwaiger festgestellter Mängel unterrichten.

Bei einem Unfall mit Auswirkungen außerhalb des Standorts sollte eine spezielle Peer Review stattfinden.

Diese neuen verbindlichen und regelmäßig durchzuführenden EU-Peer-Reviews (Artikel 8e Absätze 2 bis 5) dienen der Überprüfung der Einhaltung der Sicherheitsziele auf technischem Gebiet in den einzelnen Mitgliedstaaten.

Diese neuen Bestimmungen zum System der Peer Reviews lassen die Vorschriften für Vertragsverletzungsverfahren unberührt, die in den Artikeln 258, 259 und 260 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) niedergelegt sind und zur Anwendung kommen, wenn ein Mitgliedstaat einer Verpflichtung aus den Verträgen nicht nachkommt.

Angemessene Durchführung der geänderten Richtlinie

Mit dem Änderungsvorschlag wird anerkannt, dass die Anwendbarkeit und der Umfang, in dem die Bestimmungen der geänderten Richtlinie angewendet werden müssen, abhängig sind von der Art der kerntechnischen Anlage. Daher sollten die Mitgliedstaaten bei der Anwendung dieser Bestimmungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgen und von den Risiken ausgehen, die mit der jeweiligen Art der von ihnen geplanten oder betriebenen kerntechnischen Anlagen verbunden sind.

Berichterstattung über die konkrete Durchführung der geänderten Richtlinie

Die Bestimmungen der Richtlinie über nukleare Sicherheit zur Berichterstattung werden durch diesen Vorschlag nicht geändert, so dass die Mitgliedstaaten nach wie vor am 22. Juli 2014 den ersten Bericht über die Durchführung der bestehenden Bestimmungen der Richtlinie vorlegen müssen. Zum Zeitpunkt der zweiten Berichterstattung über die Durchführung (22. Juli 2017) ist jedoch über die Durchführung der Richtlinie in der Fassung des vorliegenden Vorschlags Bericht zu erstatten.

4. Auswirkungen auf den Haushalt

Der Vorschlag hat keine Auswirkungen auf den EU-Haushalt.

5. ERLÄUTERNDE Dokumente

Gemäß der Gemeinsamen Politischen Erklärung der Mitgliedstaaten und der Kommission zu erläuternden Dokumenten vom 28. September 2011 haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, in begründeten Fällen zusätzlich zur Mitteilung ihrer Umsetzungsmaßnahmen ein oder mehrere Dokumente zu übermitteln, in denen der Zusammenhang zwischen den Bestandteilen einer Richtlinie und den entsprechenden Teilen nationaler Umsetzungsinstrumente erläutert wird.

Im Zusammenhang mit dieser Richtlinie erachtet die Kommission die Übermittlung solcher Unterlagen aus folgenden Gründen als gerechtfertigt:

- Komplexität der Umsetzung der geänderten Richtlinie über nukleare Sicherheit auf nationaler Ebene

Die bisherigen Bestimmungen der Richtlinie über nukleare Sicherheit werden durch diesen Vorschlag erheblich verschärft; außerdem werden neue substanzielle Bestimmungen in mehreren Bereichen aufgenommen. Die Komplexität der Umsetzung der geänderten Richtlinie ist daher vor allem darauf zurückzuführen, dass zahlreiche Aspekte abgedeckt sind: Sie enthält u.a. Vorschriften zum nationalen Rahmen für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen, zur Rolle und Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden, zu den Verpflichtungen der Genehmigungsinhaber, zu Qualifikationen auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheit, zur Transparenz in diesem Bereich, zu technischen Zielen und Anforderungen im Zusammenhang mit der nuklearen Sicherheit kerntechnischer Anlagen, zur anlageninternen Notfallvorsorge und -bekämpfung sowie zu nationalen Überprüfungen kerntechnischer Anlagen und den damit verbundenen thematischen Peer Reviews. Darüber hinaus enthält die Richtlinie Auflagen für verschiedene Einrichtungen der Mitgliedstaaten und für private Akteure.

Die Umsetzung der Verpflichtungen, die sich aus der geänderten Fassung der Richtlinie ergeben, dürfte daher auf nationaler Ebene kompliziert sein. Die bestehenden Bestimmungen der Richtlinie über nukleare Sicherheit wurden im Allgemeinen durch jeweils mehrere nationale Umsetzungsmaßnahmen umgesetzt, in einigen Fällen sogar durch mehr als 15 Umsetzungsmaßnahmen. Es kann berechtigterweise davon ausgegangen werden, dass die Anzahl der mitgeteilten Umsetzungsmaßnahmen aufgrund der neuen Bestimmungen, die durch diesen Vorschlag in die Richtlinie aufgenommen werden, steigen wird. Darüber hinaus werden aufgrund des besonderen Charakters der nuklearen Sicherheit unterschiedliche Umsetzungsmaßnahmen verwendet und der Kommission notifiziert (Gesetze, Regierungserlasse und Ministerialerlässe, Anweisungen und Entscheidungen der nationalen Nuklearaufsichtsbehörden).

Daher erscheint es unter diesen Umständen selbstverständlich, dass Dokumente vorgelegt werden sollten, die das Verhältnis zwischen den Bestimmungen der geänderten Richtlinie über nukleare Sicherheit und den entsprechenden Teilen der nationalen Umsetzungsmaßnahmen erläutern.

- Bereits bestehende einzelstaatliche Rechtsvorschriften

In einigen Mitgliedstaaten gibt es bereits Rechtsvorschriften zu den Themen der Änderungen des vorliegenden Vorschlags. Zur Umsetzung der geänderten Richtlinie dürften daher sowohl Änderungen an den bestehenden nationalen Rechtsvorschriften vorgenommen als auch neue Rechtsvorschriften erlassen werden. In einer solchen Situation sind erläuternde Dokumente erforderlich, um ein klares und umfassendes Bild der Umsetzung zu erhalten.

- Rahmenrichtlinie

Die vorgeschlagenen Änderungen stellen keine grundlegende Änderung des "Rahmencharakters" der Richtlinie über nukleare Sicherheit dar. Die geänderte Richtlinie beinhaltet weiterhin allgemeine Grundsätze und Anforderungen.

Es ist wichtig, dass die Kommission - auch im Hinblick auf ihre Überwachung der Umsetzung und Anwendung - weiß, durch welche nationalen Bestimmungen die allgemeinen Grundsätze und Anforderungen der geänderten Richtlinie umgesetzt werden. So werden mit dem Vorschlag allgemeine Sicherheitsziele und -anforderungen für alle Arten kerntechnischer Anlagen eingeführt, die sehr weit gefasst sind. Es ist für die Kommission und die Bürger von größter Bedeutung, ermitteln zu können, wie sie auf nationaler Ebene umgesetzt werden.

Grundsatz der Verhältnismässigkeit

Die Verpflichtung zur Vorlage erläuternder Dokumente kann eine zusätzliche administrative Belastung für die Mitgliedstaaten schaffen. Diese Belastung ist jedoch nicht unverhältnismäßig, wenn man die Ziele der geänderten Richtlinie über nukleare Sicherheit und die Komplexität ihres Gegenstands in Betracht zieht. Darüber hinaus muss die Kommission die ordnungsgemäße Umsetzung wirksam überprüfen können. Es existieren angesichts der wahrscheinlich sehr komplizierten Umsetzung auf nationaler Ebene durch neue und/oder geänderte Rechtsvorschriften keine weniger aufwändigen Maßnahmen im Hinblick auf eine wirksame Überprüfung. Einige Mitgliedstaaten haben der Kommission bereits nützliche erläuternde Dokumente über ihre Maßnahmen zur Umsetzung der geltenden Euratom-Rechtsvorschriften (bestehende Richtlinie über nukleare Sicherheit, sonstige Rechtsvorschriften) übermittelt.

Entwurf
Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2009/71/Euratom des Rates über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen

Vorlage eines Entwurfs nach Artikel 31 Euratom-Vertrag zur Stellungnahme durch den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss

DER Rat der Europäischen Union - gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft, insbesondere auf die Artikel 31 und 32, auf Vorschlag der Europäischen Kommission, der nach Stellungnahme der Gruppe der vom Ausschuss für Wissenschaft und Technik bestellten wissenschaftlichen Sachverständigen der Mitgliedstaaten ausgearbeitet worden ist, nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments, nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses, in Erwägung nachstehender Gründe:

HAT folgende Richtlinie Erlassen:

Artikel 1

Die Richtlinie 2009/71/Euratom wird wie folgt geändert:

(1) Kapitel 1 erhält folgende Überschrift:

"Ziele, Geltungsbereich und Begriffsbestimmungen"

(2) Artikel 1 wird folgender Buchstabe c angefügt:

"c) zu gewährleisten, dass die Mitgliedstaaten geeignete innerstaatliche Vorkehrungen treffen, damit kerntechnische Anlagen so ausgelegt, gebaut, in Betrieb genommen, betrieben und stillgelegt werden und ihr Standort so gewählt ist, dass unzulässige Freisetzungen von Radioaktivität vermieden werden."

(3) Artikel 2 wird wie folgt geändert:

(a) Absatz 1 erhält folgende Fassung:

"1. Diese Richtlinie gilt für alle zivilen kerntechnischen Anlagen, die einer in Artikel 3 Absatz 4 definierten Genehmigung unterliegen, und für alle Phasen, auf die sich die Genehmigung erstreckt."(b) Absatz 3 erhält folgende Fassung:

"3. Diese Richtlinie ergänzt die Grundnormen im Sinne des Artikels 30 des Vertrags in Bezug auf die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen und lässt die bestehenden Rechtsvorschriften der Gemeinschaft für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen, und insbesondere die Richtlinie 96/29/Euratom, unberührt".

(4) In Artikel 3 werden die folgenden Absätze 6 bis 17 angefügt:

(5) In Kapitel 2 wird nach der Überschrift "Verpflichtungen" der folgende Titel eingefügt:

"Abschnitt 1
Allgemeine Verpflichtungen".

(6) Artikel 4 Absatz 1 wird wie folgt geändert:

(a) Der einleitende Teil erhält folgende Fassung:

"1. Die Mitgliedstaaten schaffen einen nationalen Gesetzes-, Vollzugs- und Organisationsrahmen (nachstehend "nationaler Rahmen" genannt) für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen, der die Zuweisung der Verantwortlichkeiten regelt und für die Koordinierung zwischen den zuständigen staatlichen Stellen sorgt. Der nationale Rahmen sieht insbesondere Folgendes vor:"(b) Buchstabe a erhält folgende Fassung:

"a) "nationale Vorkehrungen für die nukleare Sicherheit, die sich auf alle Phasen des Lebenszyklus kerntechnischer Anlagen gemäß Artikel 3 Absatz 4 erstrecken;"(c) Buchstabe b erhält folgende Fassung:

"b) ein Genehmigungssystem und das Verbot des Betriebs kerntechnischer Anlagen ohne Genehmigung;"(d) Buchstabe c erhält folgende Fassung:

"c) ein System der Aufsicht für die nukleare Sicherheit;"

(7) Artikel 5 Absätze 2 und 3 erhalten folgende Fassung:

(8) Artikel 6 wird wie folgt geändert:

(9) Die Artikel 7 und 8 erhalten folgende Fassung:

"Artikel 7
Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheit

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der nationale Rahmen Vorkehrungen für die Aus- und Fortbildung vorschreibt, die alle Beteiligten für ihr Personal, das mit Aufgaben im Bereich der nuklearen Sicherheit kerntechnischer Anlagen und der anlageninternen Notfallvorsorge und -bekämpfung betraut ist, treffen müssen, damit auf dem neuesten Stand befindliche, gegenseitig anerkannte Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheit aufgebaut, erhalten und ausgebaut werden.

Artikel 8
Transparenz

(10) Nach Artikel 8 wird folgender Abschnitt 2 eingefügt:

"Abschnitt 2
Besondere Verpflichtungen

Artikel 8a
Sicherheitsziel für kerntechnische Anlagen

Artikel 8b
Umsetzung des Sicherheitsziels für kerntechnische Anlagen

Im Hinblick auf die Erreichung des in Artikel 8a genannten sicherheitstechnischen Ziels stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der nationale Rahmen verlangt, dass

Artikel 8c
Methodik für Standortwahl, Auslegung, Bau, Inbetriebnahme, Betrieb und Stilllegung kerntechnischer Anlagen

Artikel 8d
Anlageninterne Notfallvorsorge und -bekämpfung

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der nationale Rahmen verlangt, dass der Genehmigungsinhaber unter Aufsicht der zuständigen Regulierungsbehörde

(11) Nach Kapitel 2 wird folgendes Kapitel 2a eingefügt:

"Kapitel 2a
PEER REVIEWS und Leitlinien

Artikel 8e
Peer Reviews

Artikel 8f
Leitlinien für die Verbesserung der nuklearen Sicherheit

Auf der Grundlage der Ergebnisse der Peer Reviews gemäß Artikel 8e Absatz 2 und der sich daraus ergebenden technischen Empfehlungen sowie im Einklang mit den Grundsätzen der Transparenz und der kontinuierlichen Verbesserung der nuklearen Sicherheit arbeiten die Mitgliedstaaten mit Unterstützung der zuständigen Regulierungsbehörden gemeinsam Leitlinien zu den spezifischen Themen im Sinne von Artikel 8e Absatz 2 Buchstabe a aus.".

(12) Nach Kapitel 2a wird folgende Überschrift angefügt:

"Kapitel 2b
Allgemeine Bestimmungen"

(13) Artikel 9 Absatz 3 wird gestrichen.

(14) Folgender Artikel 9a wird nach Artikel 9 eingefügt:

"Artikel 9a
Sanktionen

Die Mitgliedstaaten legen fest, welche Sanktionen bei einem Verstoß gegen die innerstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie zu verhängen sind, und treffen die zu deren Durchsetzung erforderlichen Maßnahmen. Die vorgesehenen Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission diese Vorschriften spätestens [Datum einfügen - dieses Datum muss der in Artikel 2 dieses Vorschlags angegebenen Umsetzungsfrist entsprechen] mit und melden ihr spätere Änderungen unverzüglich."

(15) In Artikel 10 wird nach Absatz 1 folgender Absatz 1a eingefügt:

"1a Die Verpflichtungen zur Umsetzung und Durchführung der Artikel 6, 8a, 8b, 8c, 8d und 9a gelten nicht für Irland, Luxemburg, Malta und Zypern, es sei denn, sie beschließen, eine Tätigkeit im Zusammenhang mit kerntechnischen Anlagen aufzunehmen, die Gegenstand einer Genehmigung unter ihrer Rechtshoheit ist."

Artikel 2

Artikel 3

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Artikel 4

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu Brüssel am
Im Namen des Rates
Der Präsident