895. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2012
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U), der Wirtschaftsausschuss (Wi) und der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung (Wo) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Zielsetzungen der EU-Novelle, das Vergaberecht zu vereinfachen und zu flexibilisieren und erkennt das Bemühen der Kommission um eine Modernisierung des öffentlichen Auftragswesens an. Gleichwohl hat der Bundesrat Vorbehalte gegen den vorgelegten Vorschlag für eine Konzessionsrichtlinie und nimmt insoweit Bezug auf seine Stellungnahme vom 12. Februar 2010 (vgl. BR-Drucksache 846/09(B) ), worin er an die Kommission appelliert, den Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten, Regionen und lokalen Gebietseinheiten nicht durch legislative Eingriffe einzuschränken, was insbesondere auf die im Hinblick zu den Dienstleistungskonzessionen gerichteten Regulierungsbestrebungen der Kommission bezogen ist.
- 2. Der Bundesrat vertritt weiterhin die Auffassung, dass kein Bedarf für einen Legislativakt zur Vergabe von Dienstleistungskonzessionen auf europäischer Ebene besteht. Diese Auffassung hat er zuletzt in seinen Stellungnahmen vom 11. Februar 2011 zur Binnenmarktakte (vgl. BR-Drucksache 698/10(B) ) und vom 2. März 2012 zur Konzessionsrichtlinie gemäß Artikel 12 Buchstabe b EUV (vgl. BR-Drucksache 874/11(B) ) deutlich zum Ausdruck gebracht. Auch das Europäische Parlament hält die geplante Richtlinie nicht für notwendig (vgl. Entschließung vom 25. Oktober 2011 zu der Modernisierung im Bereich des öffentlichen Auftragswesens, 2011/2048 (INI)). Die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen ist durch das bestehende Primärrecht der EU, insbesondere die aus den Grundfreiheiten abzuleitenden Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz sowie die ständige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hinreichend rechtssicher geregelt. Es besteht daher keine Notwendigkeit einer weiteren Verrechtlichung im Bereich der Konzessionen, die zu erhöhten bürokratischen Belastungen für öffentliche Auftraggeber und Unternehmen sowie deren bewährte organisatorische Handlungsspielräume führen würde. Dienstleistungskonzessionen weisen zudem nicht zuletzt wegen der auf langfristige Zusammenarbeit angelegten Verträge häufig komplexe Strukturen auf, die durch die jeweiligen Verhältnisse der Mitgliedstaaten geprägt sind. Bei der Ausgestaltung der Vertragsbeziehungen benötigen Auftraggeber und Auftragnehmer hinreichende Flexibilität. Der Richtlinienvorschlag enthält ein starres, bis ins einzelne gehendes Regelwerk, das diesen Anforderungen nicht gerecht wird und zudem weit über das hinausgeht, was bisher für Baukonzessionen geregelt ist.
- 3. Unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen des Bundesrates in BR-Drucksachen 698/10(B) und 232/11(B) wendet sich der Bundesrat erneut gegen einen Legislativakt zur Vergabe von Konzessionen. Für Dienstleistungskonzessionen sind Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz gewährleistet.
- 4. Eine Richtlinie über die Konzessionsvergabe ist auch unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung des Binnenmarkts nicht erforderlich. Die bei Dienstleistungskonzessionen übliche Übernahme des wesentlichen wirtschaftlichen Risikos durch den Auftragnehmer gewährleistet bereits eine an wettbewerblichen Kriterien ausgerichtete Vergabeentscheidung. Darüber hinaus sind die unionsrechtlichen Anforderungen an diskriminierungsfreie, offene und transparente Verfahren zur Erteilung von Dienstleistungskonzessionen bereits durch eine ständige, gefestigte Rechtsprechung der europäischen Gerichtsbarkeit eindeutig geklärt.
- 5. Die Kommission strebt mit dem Richtlinienvorschlag über die Konzessionsvergabe insbesondere die Erhöhung der Rechtssicherheit bei der Vergabe von Konzessionen sowie einen besseren Zugang zu den Konzessionsmärkten an. Der Bundesrat weist jedoch darauf hin, dass der vorliegende Vorschlag wenig geeignet ist, mehr Rechtssicherheit herbeizuführen, da Regelungsumfang und Regelungsdichte hoch sind, und die vorgeschlagenen Regelungen an vielen Stellen von Unklarheiten und Widersprüchen geprägt sind.
- 6. Der Bundesrat vertritt weiterhin die Auffassung, die er zuletzt mit Stellungnahme vom 11. Februar 2011 zur Binnenmarktakte (BR-Drucksache 698/10(B) ) deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass ein Bedarf für eine Regelung der Dienstleistungskonzessionen auf europäischer Ebene nicht besteht. Die Notwendigkeit für eine Konzessionsrichtlinie wird mit mangelnder Rechtssicherheit begründet. Nach Auffassung der EU habe diese Regelungslücke schwerwiegende Verzerrungen des Binnenmarkts zur Folge. Diese könnten nur durch eine Intervention der EU beseitigt werden. Weder die mangelnde Rechtssicherheit noch eine schwerwiegende Verzerrung des Binnenmarkts ist bislang ausreichend belegt. Auch das Europäische Parlament hat in seinen Entschließungen, zuletzt vom 25. Oktober 2011, darauf hingewiesen, dass derartige Verzerrungen bisher noch nicht festgestellt worden sind und dass ein Rechtsakt über Dienstleistungskonzessionen deshalb nicht erforderlich ist.
- 7. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass es auch für Baukonzessionen keiner eigenen Konzessionsrichtlinie bedarf.
- 8. Die Vergabe von Baukonzessionen ist hinreichend im Gemeinschaftsrecht geregelt.
- 9. Bisher war die Baukonzession in der Richtlinie 2004/18/EG geregelt; es ist nicht erforderlich, diese Systematik zu ändern. Eine eigene Richtlinie würde vielmehr zu einer weiteren Zersplitterung der Regelungen für das öffentliche Auftragswesen führen. Für eine Beibehaltung der bisherigen Systematik spricht auch, dass in dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Konzessionsvergabe (COM (2011) 897 final) viele Regelungen enthalten sind, die auch der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die öffentliche Auftragsvergabe (COM (2011) 896 final) beinhaltet.
- 10. Der Bundesrat kritisiert, dass der Richtlinienvorschlag den Begriff der Konzession nur unzureichend definiert. Die Kommission sollte eindeutig klarstellen, welche Vertragskonstellationen von ihr als "Konzession" betrachtet werden und welche Arten von Vertragsverhältnissen in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen sollen. Die in dem Vorschlag enthaltenen Regelungen sind diesbezüglich teilweise widersprüchlich; exemplarisch sei nur auf die fehlende eindeutige Abgrenzung zwischen Miet- und Pachtverträgen einerseits und Konzessionen andererseits hingewiesen. Nach Nummer 6 der Erwägungsgründe sollen Pachtverträge bei denen die Vergabestelle nur "allgemeine Bedingungen" für die Nutzung öffentlicher Bereiche oder Ressourcen festlegt, ohne bestimmte Arbeiten oder Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, nicht als Konzessionen gelten. Unklar bleibt, was unter "allgemeinen Bedingungen" zu verstehen ist und auf welche Verträge die vorgeschlagene Richtlinie demzufolge keine Anwendung findet. Neben vielen weiteren begrifflichen Unklarheiten des Richtlinienvorschlags würde dies in der Praxis vielfach zu erheblicher Rechtsunsicherheit bei der Anwendung der Vorschrift führen.
- 11. Vor diesem Hintergrund ist der Bundesrat der Auffassung, dass sich die Kommission darauf beschränken sollte, allenfalls eine die primärrechtlichen Vorgaben erläuternde Mitteilung zu veröffentlichen.
- 12. Der Bundesrat fordert, in Artikel 1 oder zumindest in den Erwägungsgründen klarzustellen, dass die Übertragung von Aufgaben und Zuständigkeiten von einer öffentlichen Stelle auf eine andere im Wege einer Organisationsmaßnahme nicht Gegenstand dieser Richtlinie ist. Dies ist als nationale Organisationsmaßnahme mangels Kompetenz einer europaweiten Regelung nicht zugänglich und enthält auch keine Elemente einer Auftragsvergabe.
- 13. Der Bundesrat fordert, in Artikel 2 Absatz 1 Nummer 7 ergänzend klarzustellen, dass es sich bei dem Recht eines Wirtschaftsteilnehmers, öffentliche Bereiche oder Ressourcen zu nutzen, nicht um eine Dienstleistung handelt.
Diese bereits in Erwägungsgrund 6 enthaltene Feststellung sollte auch in den Richtlinientext aufgenommen werden, um Zweifel daran zu vermeiden, dass insbesondere sogenannte Wegenutzungsverträge, die im Zusammenhang mit der Energie- und der Wasserwirtschaft üblich sind, nicht unter das Vergaberecht fallen.
- 14. Der Bundesrat spricht sich gegen jede Einbeziehung von Sektoren aus, die bereits durch bereichsspezifische Regelungen des Unionsrechts erfasst werden oder auf Grund von Entscheidungen des Unionsgesetzgebers bewusst nicht geregelt worden sind. Neben dem öffentlichen Personenverkehr betrifft dies vor allem den Energiesektor sowie die Abwasserentsorgung, die Wasserversorgung und die See- und Binnenhäfen. Innerhalb der Häfen und zwischen den europäischen Häfen funktioniert der Wettbewerb. Der vorliegende Richtlinienvorschlag schafft diesbezüglich keine zusätzlichen Gestaltungsspielräume, sondern engt die bestehenden unnötig ein. Für Hafenunternehmen setzt der funktionierende Wettbewerb schon heute wirkungsvolle Anreize, kontinuierlich in ihre Suprastrukturen zu investieren. Die Hafenwirtschaft ist permanent gefordert, sich in einem dynamischen internationalen Wettbewerbsumfeld zu behaupten. Es bedarf zur Förderung des Wettbewerbs daher keiner weiteren europäischen Regelungen, da diese die notwendigen nationalen und regionalen Handlungsspielräume für erfolgreiche Hafenstrategien beschränken würden. Der Bundesrat bedauert, dass es der Richtlinienvorschlag in dieser Hinsicht an Klarheit vermissen lässt und ersucht die Kommission im Interesse der Transparenz und Rechtssicherheit auf diesbezügliche Regelungen in einer allgemeinen Richtlinie über die Konzessionsvergabe ausdrücklich zu verzichten.
- 15. Dies gilt insbesondere auch bezogen auf die Elektrizitäts- und Erdgasbinnenmarktrichtlinien, aufgrund derer die Mitgliedstaaten bei der Konzessionsvergabe ein objektives, transparentes und nichtdiskriminierendes Verfahren sicherzustellen haben. Dies ist mit der jeweiligen Umsetzung im Energiewirtschaftsgesetz (vgl. § 46 EnWG) geschehen. Über diese Sektorenregelungen hinaus gehende Anforderungen für die Konzessionsvergabe sind zur Einhaltung der oben genannten Kriterien nicht erforderlich.
- 16. Die Wasserversorgung ist Aufgabe der Daseinsvorsorge. Die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen ist nach Artikel 17 der Sektoren-Richtlinie 2004/17/EG - auf die in der Begründung als Teil des Rechtsrahmens ausdrücklich Bezug genommen ist - vom Anwendungsbereich des Vergaberechts ausgenommen. Mithin existiert auch hier eine sektorenspezifische Regelung. Darüber hinaus gelten auch hier die primärrechtlichen Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz.
- 17. Der Bundesrat fordert daher, die Wasserversorgung in den Ausnahmekatalog des Artikels 8 Absatz 5 aufzunehmen. Der hohe und europaweit führende Qualitätsstandard des Trinkwassers in Deutschland ist in hohem Maße auf die von den Kommunen verantwortete Wasserversorgung zurückzuführen. Die Trinkwasserversorgung ist als wesentlicher Teil der Daseinsvorsorge nicht dem grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr zugänglich; bei einer europaweiten Ausschreibung stünde vielmehr zu befürchten, dass die Qualität dieser Versorgung zum Nachteil der Versorger signifikant sinkt.
- 18. Im Übrigen können die im Richtlinienvorschlag angeführten und als Rechtfertigung für die beabsichtigte Erweiterung des bestehenden Vergaberechts auf die Vergabe von Konzessionen (Bau- und Dienstleistungskonzessionen) herangezogenen Defizite insbesondere für folgende Bereiche nicht bestätigt werden:
- a) Elektrizität (Bereitstellung und Betrieb fester Netze, Einspeisung von Elektrizität in diese Netze),
- b) Gasnetze (Bereitstellung und Betrieb fester Netze, Einspeisung von Gas in diese Netze),
- c) Wasserversorgung,
- d) Wasserbauvorhaben sowie
- e) Abwasserbeseitigung oder -behandlung.
Der Bundesrat bittet auch deshalb die Bundesregierung, im weiteren Verfahren darauf hinzuwirken, dass die unter den Buchstaben a bis e genannten Bereiche vom Anwendungsbereich des Richtlinienvorschlags ausgenommen werden.
- 19. Der Bundesrat fordert, den Rettungsdienst in den Ausnahmekatalog des Artikels 8 Absatz 5 aufzunehmen. Der Rettungsdienst fällt unter die ausschließliche Zuständigkeit der Länder. Traditionell bedingt ist er im föderalen System sehr unterschiedlich geregelt. In einigen Ländern besteht zwischen Rettungsdienst und Katastrophenschutz eine logische und auch konzeptionell bedeutende und systembedingt unaufhebbare Bindung. Zur Wahrung der inneren Sicherheit ist der Erhalt dieses Verbundsystems zwingend notwendig. Dies lässt sich aber nur gewährleisten, wenn von einer generellen Ausschreibung des Rettungsdienstes auch bei bisher nicht ausschreibungspflichtigen Dienstleistungskonzessionen abgesehen wird. Die Aufrechterhaltung der Inneren Sicherheit durch Rettungsdienst und Katastrophenschutz ist eine Kernaufgabe der Daseinsvorsorge. Eine offene Ausschreibung unter dem Gesichtspunkt der Kostenminimierung und anderen vergaberechtlichen Aspekten würde dazu führen, dass die Schnittstelle zwischen Rettungsdienst und Katastrophenschutz ebenfalls kommerzialisiert würde. Im Ergebnis würde dies massive Qualitätsverluste mit sich bringen. Darüber hinaus würde auch das in Deutschland sehr bedeutende ehrenamtliche Element in diesem Verbundsystem des Bevölkerungsschutzes in Frage gestellt.
- 20. Der Wegfall des Ausnahmetatbestands für Geschäfte, die der Geld- oder Kapitalbeschaffung der öffentlichen Auftraggeber dienen, ist nicht nachvollziehbar. Die dem öffentlichen Auftragswesen zur Verfügung stehenden Vergabeverfahren sind nicht geeignet, auf kurzfristige Änderungen der Verhältnisse am Kapitalmarkt zu reagieren. Das in diesem Bereich erforderliche hohe Maß an Flexibilität wäre nicht gegeben. Der tägliche Geldhandel sowie Kreditaufnahmen müssen weiterhin ohne Ausschreibung möglich sein. Der Bundesrat lehnt daher die Regelung in Artikel 8 Nummer 5 Buchstabe d ab und fordert, den Artikel dahin gehend auszugestalten, dass Finanzdienstleistungen im Zusammenhang mit der Ausgabe, dem Verkauf, dem Ankauf oder der Übertragung von Wertpapieren oder anderen Finanzinstrumenten, insbesondere Geschäfte, die der Geld oder Kapitalbeschaffung der öffentlichen Auftraggeber dienen, oder anderen Finanzinstrumenten im Sinne der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie Dienstleistungen der Zentralbanken und mit der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität durchgeführte Transaktionen ausgenommen sind.< /li>
- 21. Der Bundesrat wendet sich dagegen, dass künftig die bisher ausgenommenen "Geschäfte, die der Geld- oder Kapitalbeschaffung der öffentlichen Auftraggeber dienen" in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen sollen, da in Artikel 8 des Richtlinienvorschlags kein entsprechender Ausschluss mehr vorgesehen ist. Damit fällt künftig zum Beispiel die Kreditaufnahme der Kommunen in den Anwendungsbereich der Richtlinie. Ein Ausschreibungsverfahren nach den Vorgaben der Richtlinie ist viel zu schwerfällig und langwierig, um auf die oft kurzfristigen Anforderungen und Bedarfe bei der Kapitalbeschaffung reagieren zu können.
- 22. Der Bundesrat hat keine Bedenken, dass Artikel 15 Absatz 3 in Satz 1 und in Buchstabe b des Satzes 2 die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu Inhouse-Vergaben bei gemeinsam durch mehrere öffentliche Auftraggeber ausgeübter Kontrolle wiedergibt.
Demgegenüber ergibt sich Buchstabe a des Artikels 15 Absatz 3 Satz 2 nicht aus der EuGH-Rechtsprechung; die dortige Regelung kann angesichts der unterschiedlichen gesellschaftsrechtlichen Konstruktionen zu Auslegungsschwierigkeiten führen und ist im Hinblick auf die klare Feststellung in Satz 1 Buchstabe a auch nicht erforderlich. Die in den Buchstaben c und d des Artikels 13 Absatz 3 Satz 2 geforderten Voraussetzungen für eine Nichtanwendbarkeit der Vergaberichtlinie sind nicht durch die Inhouse-Rechtsprechung des EuGH gedeckt. Diese spielen vielmehr nur eine Rolle für die Anwendbarkeit des Vergaberechts bei der in Artikel 15 Absatz 4 geregelten horizontalen, nichtinstitutionalisierten Zusammenarbeit öffentlicher Stellen, deren Voraussetzungen aus der Entscheidung des EuGH vom 9. Juni 2009 zum Fall der Stadtreinigung Hamburg (Az.: C-480/06) abgeleitet werden. Diese ungerechtfertigte Vermischung unterschiedlicher Anwendungsfälle im Richtlinienvorschlag führt zu einer Verschärfung der Inhouse-Kriterien.
Die Regelungen in den Buchstaben a, c und d des Artikels 15 Absatz 3 Satz 2 sind daher abzulehnen.
- 23. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission sich im Bereich der Inhouse-Vergabe und innerstaatlichen Kooperation, einschließlich der interkommunalen Zusammenarbeit, um eine Klarstellung im vorgeschlagenen Richtlinientext bemüht. Es ist jedoch abzulehnen, dass eine diesbezügliche Regelung über die bisher vom EuGH aufgestellten Rahmenbedingungen hinausgeht und zu einer weiteren Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten der öffentlichen Auftraggeber führt.
- 24. Der Bundesrat wendet sich gegen die Formulierung in Artikel 15 Absatz 4 Buchstabe a "... und umfasst wechselseitige Rechte und Pflichten der Parteien". Wenn die gemeinsame Wahrnehmung einer öffentlichen Aufgabe im Vordergrund steht, liegt schon keine Beschaffung vor. Hinsichtlich der Ausgestaltung muss den Kommunen ein großer Spielraum verbleiben, da die Fallgestaltungen sehr unterschiedlich sind. Auf die Wechselseitigkeit der Rechte und Pflichten darf daher nicht abgestellt werden.
- 25. Der Bundesrat fordert, zur Klarstellung in den Erwägungen darauf hinzuweisen, dass unter "privater Beteiligung" im Sinne des Artikels 15 nicht eine bloße private Rechtsform zu verstehen ist, sondern die Beteiligung von privatem Kapital.
- 26. Der Bundesrat wendet sich gegen die Laufzeitregelung in Artikel 16. Zum einen führt sie beispielsweise in der Frage, was unter einer angemessenen Rendite zu verstehen ist und welche Investitionen sich bei der Erbringung einer Dienstleistung amortisieren sollen, eher zu Rechtsunsicherheit. Zum anderen stellt sie eine unangemessene Einschränkung der Handlungsfreiheit der öffentlichen Auftraggeber dar. Gerade bei den unterschiedlichen Fallgestaltungen von Dienstleistungskonzessionen muss der öffentliche Auftraggeber auch andere Aspekte bei der Laufzeit berücksichtigen können als die reine Amortisation von Investitionen.
- 27. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Laufzeit der Konzessionen nicht auf den Zeitraum beschränkt werden darf, der zur Amortisation der von den Konzessionsnehmern getätigten Investitionen erforderlich ist.
- 28. Eine Beschränkung der Laufzeit kann dazu führen, dass die Investitionen so gestaltet werden, dass am Ende der Laufzeit kein nennenswerter wirtschaftlicher Restwert übrig bleibt; dies widerspräche auch den europäischen Zielen einer Nachhaltigkeit im Rahmen der Daseinsvorsorge. Überdies sind die Auftraggeber bei Beginn des Vergabeverfahrens kaum in der Lage, die erforderliche Laufzeit zuverlässig festzulegen, da sich der Umfang der Investitionsbereitschaft der Bieter erst aus deren Angeboten ergibt.
- 29. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass besondere Verfahrenserleichterungen nicht nur für soziale oder andere im Richtlinienvorschlag aufgeführte besondere Dienstleistungen, sondern für sämtliche in den bisherigen Vergaberichtlinien enthaltenen sogenannten "B"-Dienstleistungen möglich sein müssen.
- 30. Der Bundesrat lehnt es ab, bereits für Konzessionen mit einem Auftragswert ab 2,5 Millionen Euro eine nachträgliche Veröffentlichungspflicht entsprechend den Artikeln 27 und 28 des Richtlinienvorschlags festzuschreiben. Angesichts der längeren Laufzeiten werden viele Konzessionen im kommunalen Bereich den Schwellenwert von 2,5 Millionen Euro erreichen, ohne dass eine grenzüberschreitende Bedeutung derartiger Vereinbarungen gegeben wäre.
- 31. Diese Reglementierung zu Lasten kleinerer lokaler und regionaler Einheiten überschreitet die Kompetenzen der Kommission und verstößt gegen das Subsidiaritätsprinzip.
- 32. Der Bundesrat fordert daher Artikel 5 Absatz 2 und Artikel 27 Absatz 2 ersatzlos zu streichen.
- 33. Die Regelung, dass die technischen Spezifikationen so zu erstellen sind, "dass die Zugänglichkeitskriterien für Menschen mit Behinderung und des Designs für alle berücksichtigt werden", überdehnt die in Bezug genommenen Einzelermächtigungen aus dem AEUV bei weitem. Im Rahmen einer Richtlinie zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen ist es der EU verwehrt, zum Beispiel Regelungen zu Baugesetzen und Bauordnungen zu treffen. Einen solchen Eingriff in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten lehnt der Bundesrat ab. Artikel 32 Absatz 1 ist entsprechend zu ändern.
- 34. Der Bundesrat lehnt eine Verpflichtung der Auftraggeber zur effektiven Prüfung der von den Bietern beigebrachten Informationen und Nachweise zu den Zuschlagskriterien ab. Die sogenannte Wienstrom-Rechtsprechung des EuGH verlangt lediglich, dass die Zuschlagskriterien so formuliert sein müssen, dass sie überprüfbar sind. Eine lückenlose Kontrollpflicht ginge weit darüber hinaus und würde zu erheblichem Mehraufwand führen. Die Auftraggeber müssen sich grundsätzlich auf die Angaben der Bieter verlassen dürfen und einzelfallbezogen [bei Bedarf] über den jeweils angemessenen Umfang sowie die Tiefe der Kontrolle entscheiden können.
- 35. Der Bundesrat stellt nachdrücklich fest, dass Regelungen zum Verwaltungs- und Kontrollsystem nicht in die Organisationshoheit der Mitgliedstaaten eingreifen dürfen.
Die zwingende Schaffung einer nationalen Aufsichtsstelle, die in der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die öffentliche Auftragsvergabe (COM (2011) 896 final) definiert und die im Vorschlag einer Richtlinie über die Konzessionsvergabe (COM (2011) 897 final) mehrfach in Bezug genommen wird, entzieht sich mangels einschlägiger Einzelermächtigung einer EU-weiten Regelung.
- 36. Der Bundesrat wendet sich gegen die mit der in dem Richtlinienvorschlag verbundenen Zunahme an Bürokratie. Die in der Richtlinie insbesondere auch im Zusammenhang mit dem Ziel einer wirkungsvollen Bekämpfung von Korruption und Günstlingswirtschaft festgelegten Meldungen, Berichte und Statistiken sowie die Regelungsdichte bei Vorgaben zum Verfahren und die Ausdehnung der Regelungen zu Konzessionsvergaben auf den Sektorenbereich führen zu einem erhöhten Umfang an Bürokratie und nicht zu einem schlanken Vergaberecht. Insbesondere im Bereich der Korruptionsvermeidung liegt es außerdem im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten und in deren Organisationshoheit, durch welche Maßnahmen sie Korruption und Günstlingswirtschaft bekämpfen wollen.
- 37. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Initiative für eine eigenständige Vollregelung der Konzessionsvergabe im Hinblick auf die gleichzeitig vorgelegten Richtlinienvorschläge zu Sektorenaufträgen und zum öffentlichen Auftragswesen zahlreiche Doppelungen enthält, die zum einen den Besonderheiten der Konzessionsvergabe nicht gerecht werden und zum anderen die widerspruchslose und rechtssichere Anwendung in der Praxis ausgesprochen zu erschweren drohen. Der Bundesrat fordert die Kommission auf, diese Folgen in jedem Fall zu verhindern.
- 38. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.