Der Bundesrat hat in seiner 831. Sitzung am 9. März 2007 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat nimmt die im Verordnungsvorschlag enthaltenen Elemente zur Reform der gemeinsamen Marktorganisation für Obst und Gemüse im Wesentlichen zustimmend zur Kenntnis, da die grundlegenden Aspekte
- - Vereinfachung der Marktorganisation,
- - Rechtssicherheit,
- - Wettbewerbsneutralität und
- - Interessen der Erzeugerorganisationen angemessen berücksichtigt werden.
Der Bundesrat begrüßt den Vorschlag insbesondere deshalb grundsätzlich, da er am bewährten System der Förderung von Erzeugerorganisationen festhält und überfällige Änderungen bei den Verarbeitungsbeihilfen vorsieht. In diesem Zusammenhang begrüßt der Bundesrat ausdrücklich die vorgesehene Aufhebung der Sonderregelungen für OGS-Genehmigungen und die damit verbundene Entbürokratisierung.
Es bleiben jedoch darüber hinausgehende Anliegen offen, die in den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene zu berücksichtigen sind:
- 2. Hinsichtlich der Festlegung und Kontrolle von Vermarktungsnormen für Obst und Gemüse bedauert der Bundesrat, dass der Vorschlag keine konkreten Vereinfachungsvorschläge enthält, sondern vielmehr beide Punkte offen lässt und künftig allein dem Kommissionsrecht unterstellt. Auf Grund der politischen Bedeutung von Marktregelungen und -eingriffen wird eine vollständige Verlagerung der Entscheidungsbefugnisse zu Vermarktungsnormen in das Kommissionsrecht abgelehnt.
Zudem bedarf es einer deutlichen Klarstellung, dass es sowohl bei der Festlegung als auch der Kontrolle dieser Normen zu einer erheblichen Vereinfachung, z.B. durch Einführung einer Rahmennorm auch für Speisekartoffeln, und Verweis auf anderweitig bestehende, produktspezifische Normen, z.B. UN ECE, bei einer gleichzeitig stärkeren Selbstverantwortung der Obst- und Gemüsewirtschaft kommen muss.
Aus Sicht des Bundesrates stellt eine einfache und produktübergreifende Rahmen-Vermarktungsnorm, die alle Obst- und Gemüsearten sowie Speisekartoffeln umfasst, eine optimale Lösung dar. Die grundsätzliche Entscheidung für eine solche Rahmen-Vermarktungsnorm sollte in die Ratsverordnung aufgenommen und nicht nur im Kommissionsrecht umgesetzt werden.
- 3. Der Bundesrat begrüßt die vorgeschlagene Flexibilisierung der Förderung von Erzeugerorganisationen und die damit einhergehende Stärkung ihrer Position in der Vermarktungskette. Er weist aber darauf hin, dass die Regelungen ausreichend klar formuliert sein müssen, um Auslegungsprobleme hinsichtlich der ordnungsgemäßen Verwendung der Betriebsfondsmittel und die damit verbundenen Anlastungsrisiken für die Länder zu minimieren. Dies betrifft z.B. die Vorgaben des Artikels 8 Abs. 3 für Investitionen und die damit ggf. verbundenen Umweltbelastungen.
- 4. Wenn die Produktkategorien für Erzeugerorganisationen abgeschafft werden, sollte die Entscheidung, ob, in welcher Form und in welchem Umfang Erzeugerorganisationen für ein Produkt zugelassen werden können, dem Mitgliedstaat überlassen werden (fakultative Ausgestaltung). Bestrebungen, die Bündelungsfunktion der Erzeugerorganisationen zu schwächen, werden abgelehnt. Allerdings kann in Regionen mit hohem Spezialisierungsgrad die Gründung einer Erzeugerorganisation für ein Erzeugnis sinnvoll sein.
- 5. Es ist eine Klarstellung anzustreben, wonach Mitglieder einer Erzeugerorganisation verpflichtet sind, für die Erzeugnisse, auf die sich die Anerkennung als Erzeugerorganisation bezieht, ihre gesamte Erzeugung über diese zu vermarkten, soweit nicht Ausnahmen von der Andienungspflicht, insbesondere anteilige Direktvermarktung, Vermarktung geringfügiger Erzeugnisse, Vermarktung von nicht über die Erzeugerorganisation gehandelten Erzeugnissen (Artikel 3 Abs. 2 Unterabsatz 2 des Verordnungsvorschlags), eine anderweitige Vermarktung zulassen.
- 6. Erzeugnisse, die nicht von der Erzeugerorganisation gehandelt werden, können nach der derzeitigen Fassung nur über eine andere Erzeugerorganisation gehandelt werden. Diese Vorschrift hat in der Vergangenheit in Deutschland zu Problemen geführt. Im Falle "nicht gehandelter" Erzeugnisse, insbesondere bei Verarbeitungserzeugnissen, sollte daher bei Zustimmung der Erzeugerorganisation auch die direkte Vermarktung zugelassen werden.
- 7. Im Hinblick auf ein marktorientiertes Angebot der Erzeugerorganisationen sollte auch Zuckermais in den Geltungsbereich der gemeinsamen Marktorganisation für Obst und Gemüse aufgenommen werden.
- 8. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, dafür Sorge zu tragen, dass Artikel 4 um Übergangsbestimmungen auch für derzeit vorläufig anerkannte Erzeugergruppierungen zum Erreichen der endgültigen Anerkennung ergänzt wird.
- 9. Die Ratsverordnung sollte um eine Regelung ergänzt werden, die in Fällen von transnationalen Erzeugerorganisationen die betroffenen Mitgliedstaaten zur gegenseitigen Amtshilfe verpflichtet.
- 10. Die Vorgabe, dass sich mindestens 20 % der Gesamtausgaben im Rahmen eines operationellen Programms auf Maßnahmen zur Förderung des Einsatzes umweltfreundlicher Techniken durch die angeschlossenen Erzeuger beziehen müssen (Artikel 11 Abs. 1 des Verordnungsvorschlags), sollte dahingehend modifiziert werden, dass dieser Mindestanteil durch umweltfreundliche Maßnahmen in der Erzeugung, Aufbereitung und Vermarktung einschließlich Logistik sowie durch Maßnahmen im Verbraucherschutz (z.B. Kontrolle der Einhaltung der Rückstandshöchstmengen) erfüllt werden kann.
- 11. Die derzeitigen Instrumente der Marktordnung Obst und Gemüse bieten bereits gute Möglichkeiten, Risiken zu minimieren. Gleichzeitig ist eine verstärkte Ausrichtung am Markt auch im Sektor Obst und Gemüse ein erklärtes Ziel. Die Einführung neuer "Krisenmanagementsysteme" stößt daher auf Vorbehalte. Grundlegende Voraussetzung für eine mögliche Einbeziehung von Krisenmanagement-Instrumenten in das Operationelle Programm ist die Erfüllung der Kriterien der Wettbewerbsneutralität, WTO-Kompatibilität und Haushaltsneutralität mit degressiver Ausgestaltung.
- 12. Die beihilfefähige Fläche in der Betriebsprämienregelung sollte nicht nur um die mit Obst- und Gemüsedauerkulturen bepflanzte Fläche (einschließlich Obstgärten und Speisekartoffelflächen), sondern auch um Flächen mit Anbau von Baumschulkulturen erweitert werden. Diese sind in Artikel 2 Buchstabe c der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 der Kommission vom 21. April 2004 mit Durchführungsbestimmungen zur Betriebsprämienregelung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe bereits als Dauerkulturen im Sinne dieser Verordnung und für Titel III der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 definiert.
- 13. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Regelungen der Richtlinie 2001/112/EG entsprechend Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 primär dem Schutz der Verbraucherinteressen vor Praktiken des Betrugs oder Täuschung und der Verfälschung von Lebensmitteln sowie allen sonstigen Praktiken, die den Verbraucher irreführen können, dienen. Dementsprechend wird die Einbindung dieser Regelungen in das Marktordnungsrecht abgelehnt; sie ist auch aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung als lebensmittelrechtliche Bestimmungen zu erhalten.
Fruchtsäfte und die weiteren Erzeugnisse der Richtlinie 2001/112/EG unterliegen als Lebensmittel vollständig den lebensmittelrechtlichen Bestimmungen, z.B. der Basis-Verordnung, der Pestizidrückstände-Höchstgehalts-Verordnung (EG) Nr. 396/2005 und der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 über die amtlichen Kontrollen im Bereich Lebens- und Futtermittelsicherheit. Die Aufteilung der Vorschriften für die Fruchtsäfte auf zwei Rechtsgebiete führt unnötigerweise in den Mitgliedstaaten zur Überwachung in zwei Kontrollsystemen. Auch für die Rechtsanwender wird die Situation erschwert, wenn die Regelungen zu verbindlich vorgegebenen Verkehrsbezeichnungen in einem anderen Rechtsgebiet, nämlich dem Marktordnungsrecht, niedergelegt werden. Für den Verbraucher bleiben die vorgeschriebenen Verkehrsbezeichnungen die wichtigste Informationsquelle über die Zusammensetzung und Herstellungsverfahren dieser Produkte, die in der zurückliegenden Zeit als bedeutender Bestandteil einer gesunden Ernährung, insbesondere für Kinder, allseits hervorgehoben wurden. Eine Einbindung der Vorschriften zur Verkehrsbezeichnung, Zusammensetzung und zu den Herstellungsverfahren in das dem Schutz der Verbraucher auch vor Täuschung und Irreführung dienende Lebensmittelrecht wird der Bedeutung jener Lebensmittel eher gerecht.
- 14. Die Form des vorliegenden Vorschlags erscheint durch die Verweise auf weiterhin existierende Verordnungen kompliziert. Im Hinblick auf eine Vereinfachung der Rechtsetzung sollten die bisherigen Verordnungen vollständig in den neuen Verordnungstext einbezogen und aufgehoben werden.
- 15. Der Bundesrat weist noch einmal darauf hin, dass er die bereits durch wiederholt gefasste Beschlüsse, zuletzt am 8. Juli 2005 (BR-Drucksache 543/05(B) ) und am 22. September 2006 (BR-Drucksache 477/06(B) ) geforderte nationale Kofinanzierung der Direktbeihilfen, die in Deutschland vollständig und dauerhaft vom Bund sicherzustellen ist, für eine sinnvolle Option zur Sicherung der Finanzierbarkeit der Gemeinsamen Agrarpolitik in der erweiterten Union hält. Eine Belastung der Länderhaushalte durch eine nationale Kofinanzierung in Deutschland lehnt der Bundesrat ab.