Eine europäische Strategie für gewerbliche Schutzrechte KOM (2008) 465 endg.; Ratsdok. 12267/08
Der Bundesrat hat in seiner 847. Sitzung am 19. September 2008 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass Europa starke gewerbliche Schutzrechte braucht, um seine Innovationen zu schützen und in der globalisierten wissensbestimmten Wirtschaft wettbewerbsfähig zu bleiben. Er begrüßt daher, dass die Kommission das Thema mit der vorliegenden Mitteilung offensiv im Sinne einer integrierten Strategie für gewerbliche Schutzrechte angeht. Der Bundesrat erinnert in diesem Zusammenhang an seine Stellungnahme vom 15. Februar 2008 zur Mitteilung zum Vorschlag für ein Lissabon-Programm der Gemeinschaft 2008 bis 2010 (BR-Drucksache 026/08(B) , insbesondere Ziffern 8 bis 12), sowie an seine Stellungnahme vom 11. Mai 2007 zur Mitteilung der Kommission: Vertiefung des Patentsystems in Europa (BR-Drucksache 244/07(B) ).
- 2. Der Bundesrat sieht in der Gewährleistung einer hohen Qualität der gewerblichen Schutzrechte, insbesondere von Patenten, eine entscheidende und unerlässliche Voraussetzung. Die Mitteilung weist zu Recht auf die Bedeutung der Aufrechterhaltung und Verbesserung der Patentqualität in Europa und die Vermeidung der Fehler einiger anderer Patentämter hin sowie auf die verschiedenen Maßnahmen des Europäischen Patentamts, die diesem Ziel dienen.
Ein strenger Maßstab für die Höhe des erforderlichen erfinderischen Schritts, die Vermeidung eines "Patentdickichts" und die Verhinderung von Patenterteilungen für Erfindungen, die nicht patentierbar sind, insbesondere im Bereich von Software und Geschäftsideen sowie im Bereich der belebten Natur, sind neben anderem zwingende Voraussetzungen für die Akzeptanz des gesamten Systems.
Der Bundesrat begrüßt es daher, dass die Kommission in ihrer Mitteilung der Qualität der gewerblichen Schutzrechte hohe Priorität einräumt, die Probleme benennt und eine Studie zur Patentqualität in Auftrag geben will.
- 3. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die in der Mitteilung befürwortete Verabschiedung der Richtlinie zur Änderung der Geschmacksmusterrichtlinie zur Liberalisierung des nachgelagerten Ersatzteilmarkts nicht die einzige Möglichkeit ist, für ein kohärenteres System im Binnenmarkt zu sorgen. Der Richtlinienvorschlag würde vielmehr im Widerspruch zum Ziel der Mitteilung den Schutz eines wichtigen gewerblichen Schutzrechts zurücknehmen. Wie der Bundesrat bereits in seiner Stellungnahme vom 5. November 2004 zum Richtlinienvorschlag (BR-Drucksache 702/04(B) ) ausgeführt hat, enthält dieser keine hinreichende Begründung für diesen Schritt.
- 4. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass eine effiziente, kostengünstige und zuverlässige europaweite Patentgerichtsbarkeit den Zugang zu Streitbeilegungsverfahren, insbesondere für KMU, verbessern würde. Der Bundesrat begrüßt in diesem Zusammenhang die Fortschritte bei der Diskussion über die Einführung einer Patentgerichtsbarkeit in Europa. Die derzeit vorliegenden Entwürfe greifen eine ganze Reihe von Forderungen auf, die der Bundesrat in den vergangenen Jahren erhoben hat. Unter anderem war es für den Bundesrat immer entscheidend, dass die Möglichkeit besteht, lokale Kammern des Eingangsgerichts in den Mitgliedstaaten einzurichten und eine Klage am Gericht des Verletzungsorts anhängig zu machen. Das gilt ebenso für die Einbindung der international anerkannten, großen Erfahrung der deutschen Patentgerichte durch Einrichtung einer dem hohen Fallaufkommen entsprechenden Zahl von lokalen Kammern in Deutschland von Anfang an.
Der Bundesrat begrüßt es, dass die Kommission untersuchen will, wie Mediation und Schlichtung im Rahmen der laufenden Arbeit an einem EU-weiten Patentgerichtsbarkeitssystem weiter gefördert und erleichtert werden können. Soweit in diese Prüfung die Gründung eines Schieds- und Schlichtungszentrums für Patentsachen auf europäischer Ebene einbezogen werden soll, sollte hier zunächst die Erforderlichkeit genau hinterfragt werden. Mediation und Schlichtung sollten primär eine Angelegenheit der Parteien und der regionalen und lokalen Eingangsgerichte sein.
- 5. Der Bundesrat hat wiederholt die Notwendigkeit betont, die Rechte des geistigen Eigentums wirksam durchzusetzen und Marken- und Produktpiraterie effektiv zu bekämpfen. Er begrüßt daher das Vorhaben der Kommission, einen neuen Aktionsplan für Maßnahmen des Zolls gegen die Marken- und Produktpiraterie zu entwickeln und insbesondere zusammen mit den chinesischen Zollbehörden einen gemeinsamen Aktionsplan auszuarbeiten sowie allgemein die Durchsetzung und Zusammenarbeit in Drittländern mit ausgeprägter Marken- und Produktpiraterie zu verbessern. Dies entspricht der Intention des Bundesrates in seiner Entschließung vom 15. Februar 2008 zum Schutz geistigen Eigentums gegenüber Drittstaaten (BR-Drucksache 034/08(B) ). Der Bundesrat begrüßt weiterhin das Vorhaben der Kommission, einen wirksamen Schutz und eine effektive Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums in bilateralen Handelsabkommen anzustreben und auf ein multilaterales Abkommen zur Bekämpfung der Marken- und Produktpiraterie hinzuarbeiten.
- 6. Der Bundesrat teilt die Auffassung, dass als ergänzende nichtlegislative Maßnahme insbesondere das Bewusstsein für die Bedeutung der Rechte des geistigen Eigentums geschärft werden muss. Dazu zählt die Kommission zu Recht die Verdeutlichung der durch Marken- und Produktpiraterie entstehenden Schäden, den Hinweis auf die mit gefälschten Waren verbundenen Gesundheits- und Sicherheitsrisiken, die Information über den Zusammenhang zwischen gefälschten Waren und kriminellen Organisationen und die Aufklärung und Sensibilisierung für die Bedeutung des Urheberrechts im Zusammenhang mit der freien Verfügbarkeit von Inhalten insbesondere im Internet. Der Bundesrat teilt die Auffassung, dass im Sinne dieser Bewusstseinsbildung ein klares staatliches Vorgehen bei der Verletzung der Rechte des geistigen Eigentums hilfreich ist.