833. Sitzung des Bundesrates am 11. Mai 2007
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Agrarausschuss (A), der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U), der Wirtschaftsausschuss (Wi) und der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung (Wo) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
Zur Vorlage insgesamt
- 1. Der Verordnungsvorschlag ist Teil des Maßnahmepakets der Kommission vom 14. Februar 2007 zur Verbesserung des Binnenmarkts für die Vermarktung von Produkten aufgrund der Revision des "New Approach" (Neues Konzept): KOM (2007) 53 endg., KOM (2007) 37 endg., KOM (2007) 36 endg.
- 2. Das neue Konzept (New Approach) für das Inverkehrbringen von Produkten im europäischen Binnenmarkt hat sich als Erfolgsgeschichte für den freien Warenverkehr erwiesen. Allerdings bedingt seine unvollständige und uneinheitliche Anwendung und Kontrolle in den Mitgliedstaaten, dass das neue Konzept immer noch eher dem freien Warenverkehr als dem Schutz und der Sicherheit von Personen verpflichtet gilt.
- 3. Mit diesem Verordnungsvorschlag sollen in Kapitel II die Organisation und Durchführung der Akkreditierung von Konformitätsbewertungsstellen, die für den Gemeinschaftsmarkt bestimmte Stoffe, Zubereitungen oder sonstige Produkte bewerten, geregelt werden.
- 4. Dabei bleibt unberücksichtigt, ob derartige Stoffe, Zubereitungen oder Produkte be- oder verarbeitet wurden oder nicht. Außerdem soll die Verordnung einen Rahmen für die Marktüberwachung und die Kontrolle von Produkten aus Drittstaaten bilden, damit sichergestellt wird, dass Stoffe, Zubereitungen und be- oder verarbeitete Produkte, die in Gemeinschaftsvorschriften zur Harmonisierung der Bedingungen für die Vermarktung von Produkten geregelt sind (nachstehend als "Harmonisierungsrechtsvorschriften der Gemeinschaft" bezeichnet), ein hohes Schutzniveau in Bezug auf öffentliche Interessen wie Gesundheit und Sicherheit im Allgemeinen, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Verbraucherschutz, Umweltschutz und -sicherheit aufweisen.
- 5. Der Bundesrat erkennt die Notwendigkeit an, zur Gewährleistung des freien Warenverkehrs [im Dienstleistungssektor] unter Berücksichtigung der anerkannten Schutzinteressen, gemeinschaftliche Regelungen zur Akkreditierung zu erlassen.
- 6. Der Bundesrat begrüßt daher grundsätzlich die Anstrengungen der EU zur Harmonisierung des Akkreditierungswesens im Binnenmarkt, durch die eine höhere Wirtschaftlichkeit und internationale Akzeptanz der Akkreditierungen erreicht werden sollen. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung darauf zu achten, dass diese Ziele erreicht, die Systemkosten tatsächlich gesenkt und bürokratische Regelungen auf ein Mindestmaß verringert werden.
- 7. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission, dass die Akkreditierung von benannten Stellen und die Marktüberwachung in Europa einen einheitlichen Rechtsrahmen benötigen, und begrüßt daher den von der Kommission vorgelegten Vorschlag über die Vorschriften zur Akkreditierung von benannten Stellen und zur Marktüberwachung im Zusammenhang mit der Vermarktung von Produkten. Ausdrücklich begrüßt wird auch die in dem Verordnungsvorschlag erfolgte Einbindung von ICSMS (internetsupported information and communication system for the pan-European market surveillance of technical products) in die Marktüberwachung.
- 8. Er sieht allerdings einige Punkte des Verordnungsvorschlags kritisch.
- 9. Mit den im vorgelegten Vorschlag enthaltenen Maßnahmen zur Vereinheitlichung der Marktüberwachung lassen sich die vorgegebenen Ziele noch nicht in allen Punkten erreichen. Daher bedarf es weiterer gemeinsamer Anstrengungen.
- 10. Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, in den weiteren Beratungen mit der Kommission auf eine Überarbeitung der Vorlage hinzuwirken, um
- - die Belastungen der produzierenden Unternehmen und des Handels möglichst gering zu halten und
- - den Mitgliedstaaten die Möglichkeiten einzuräumen, innerhalb von Rahmenvorgaben die Tiefe und Intensität der Marktüberwachung weitestgehend selbst organisieren und gestalten zu können.
- 11. Dem GS-Zeichen kommt neben seiner gesetzlich vorgesehenen Rolle eine hohe Bedeutung als Qualitätszeichen und Differenzierungsmerkmal der deutschen Wirtschaft im internationalen Wettbewerb zu. Die Bundesregierung wird deshalb gebeten, sich dafür einzusetzen, dass das GS- sowie weitere nationale oder internationale Qualitätszeichen weiterhin eingesetzt werden können.
- 12. In diesem Zusammenhang hält der Bundesrat eine Klarstellung zum Geltungsbereich für erforderlich
- 13. und bittet daher die Bundesregierung, sich im Rahmen der weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene dafür einzusetzen, dass folgende Punkte berücksichtigt werden:
- 14. Im derzeitigen Verordnungsvorschlag sind die Ausnahmen vom Geltungsbereich präzise und anscheinend abschließend genannt, wo hingegen der eigentliche Geltungsbereich in Artikel 1 Abs. 1 nur sehr allgemein umrissen ist, siehe z.B. "unabhängig vom Rechtsstatus"; "sonstige Produkte"; "unabhängig davon, ob derartige Stoffe ... verarbeitet wurden oder nicht". Ein derart umfassend breiter Anwendungsbereich erscheint allerdings nicht hinnehmbar.
Eine abschließend klar regelnde Positivliste würde der Problematik am ehesten abhelfen, zumindest muss aber präzise und unmissverständlich definiert sein, welche Regelungsgegenstände, z.B. im Agrarbereich, aber auch in den anderen Sektoren/Fachgebieten berührt sind und sein werden, das heißt:
In den Artikeln 1, 3 und 13 muss der Geltungsbereich des Verordnungsvorschlags präzisiert werden.
Hierbei sind Kosmetika und Bedarfsgegenstände (im Sinne des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuchs), Produkte des ökologischen Landbaus sowie die Produkte der Marktorganisation im Agrarbereich aus dem gesamten Anwendungsbereich herauszunehmen, da es hierzu bereits funktionierende Systeme bzw. harmonisierte Regelungen gibt.
- 15. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass die Richtlinie 89/106/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte (Bauproduktenrichtlinie) vom 21. Dezember 1988 (ABl. EG (Nr. ) L 40 S. 12), geändert durch Artikel 4 der Richtlinie 93/68/EWG des Rates vom 22. Juli 1993 (ABl. EG (Nr. ) L 220 S. 1), aus dem Anwendungsbereich des Verordnungsvorschlags ausgenommen wird.
Der Verordnungsvorschlag erfasst 22 Industriesektoren, darunter auch die Bauprodukte, die bisher europarechtlich ausschließlich sektoral durch die Richtlinie 89/106/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte (Bauproduktenrichtlinie) vom 21. Dezember 1988 (ABl. EG (Nr. ) L 40 S. 12), geändert durch Artikel 4 der Richtlinie 93/68/EWG des Rates vom 22. Juli 1993 (ABl. EG (Nr. ) L 220 S. 1) geregelt sind.
Die geplante Rechtsverordnung trägt den Besonderheiten des Bauproduktensektors unzureichend Rechnung. Sie ist auf Endprodukte angelegt, während Bauprodukte Zwischenprodukte sind, die in das Endprodukt "Bauwerk" eingehen, das Gegenstand der Anforderungen der Richtlinie ist [- ein Mauerstein ist kein Toaster]. Deshalb passen insbesondere die vorgesehenen Instrumente einer flächendeckenden Marktüberwachung nicht auf Bauprodukte.
- 16. [Wo]
Die Einführung einer solchen Marktüberwachung erfordert die Schaffung einer umfangreichen, nicht finanzierbaren neuen Bürokratie; sie bedeutet die Sozialisierung der von den Herstellern zu tragenden Verantwortung für die Qualitätssicherung der Bauprodukte zu Lasten der Steuerzahler.
Zu Kapitel II
- 17. Die Ausdehnung des Geltungsbereichs der Regelungen zur Akkreditierung auf den nichtharmonisierten Bereich hat den Vorteil, dass damit übergreifend eine einheitliche Rechtsgrundlage für zukünftige Anwendungen geschaffen wird, jedoch besteht das Risiko einer Überregulierung. Die Bundesregierung wird deshalb gebeten, sich dafür einzusetzen,
- - dass durch Anschlussregelungen keine unnötige Bürokratie geschaffen wird, durch die insbesondere KMU über das erforderliche Maß hinaus belastet werden und
- - dass durch unflexible Regelungen der Markteintritt innovativer Produkte nicht unnötig erschwert wird.
- 18. Kapitel II gilt nach Artikel 3 Abs. 1, unabhängig vom Rechtsstatus der akkreditierenden Stelle, bei obligatorischen oder freiwilligen Akkreditierungen zur Begutachtung der Kompetenz von Konformitätsbewertungsstellen, die die Konformität von Stoffen, Zubereitungen oder sonstigen Produkten bewerten, unabhängig davon, ob derartige Stoffe, Zubereitungen oder Produkte be- oder verarbeitet wurden oder nicht.
Der Geltungsbereich von Kapitel II scheint sich also nach dem Wortlaut von Artikel 3 Abs. 1 nur auf die Akkreditierung von Stellen zur Konformitätsbewertung im Produktbereich (Stoffe, Zubereitungen oder sonstige Produkte) zu erstrecken.
Unklar in diesem Zusammenhang sind jedoch der Erwägungsgrund 10 und Artikel 3 Abs. 3, wonach dieses Kapitel nicht für Fälle gilt, die durch die Verordnung (EG) Nr. 761/2001 (Verordnung über die freiwillige Beteiligung von Organisationen an einem Gemeinschaftssystem für das Umweltmanagement und die Umweltbetriebsprüfung (EMAS)) geregelt sind.
Da die EMAS-Verordnung keine Produktregelung darstellt, erscheint diese Ausnahmeregelung als überflüssig, es sei denn, dass der Geltungsbereich vielleicht doch über Produktregelungen hinausgeht. Deshalb ist folgende Klarstellung zum Geltungsbereich von Kapitel II erforderlich:
- - Die Vorschriften des Rechtsakts in Kapitel II sollen nur für die Akkreditierung von Konformitätsbewertungsstellen gelten, die für den Gemeinschaftsmarkt bestimmte Stoffe, Zubereitungen und sonstige Produkte bewerten; dementsprechend sind die Begriffe "Konformitätsbewertung" und "Stoffe, Zubereitungen und sonstige Produkte" in Artikel 2 zu definieren.
- - Entsprechend soll auch klargestellt werden, dass die Verordnung keine Anwendung auf den behördlichen Vollzug der Mitgliedstaaten außerhalb des Produktbereichs finden soll.
- 19. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der Bereich der Medizinprodukte-Richtlinien von den Regelungen zur Akkreditierung und Notifizierung ausgenommen werden muss. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich bei den weiteren Verhandlungen dafür einzusetzen, dass die Richtlinie 90/385/EWG, die Richtlinie 93/42/EWG und die Richtlinie 98/79/EG aus dem Geltungsbereich des Kapitels II Akkreditierung herausgenommen werden.
- - Der Regelungsbereich der Medizinprodukte-Richtlinien umfasst eine Produktpalette, die sich durch ein besonders hohes Schutzniveau für Patienten und Anwender auszeichnen muss. Dieses hohe Schutzniveau soll nach Willen der Kommission beibehalten werden. Daher ist eine Herausnahme des Medizinproduktebereichs von den vorgesehenen Regelungen zur Akkreditierung vorzunehmen. Die Vermutungswirkung von harmonisierten Normen für zu benennende Stellen ist im Medizinproduktebereich nicht geeignet, da die einschlägigen Normen nicht ausreichen. Auch bei Erfüllung der Normen wäre nicht sichergestellt, dass die fraglichen benannten Stellen tatsächlich über die ausreichende medizinproduktespezifische Fachkompetenz verfügen. Die vorgeschlagene Regelung würde die zuständige Akkreditierungsstelle jedoch dazu verpflichten, unabhängig von einem Nachweis der erforderlichen Fachkompetenz eine Konformitätsbewertungsstelle als benannte Stelle zu akkreditieren.
- - Im Geltungsbereich der Verordnung werden u. a.
- -- die Richtlinie 2002/98/EG zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Gewinnung, Testung, Verarbeitung und Verteilung von menschlichem Blut und Blutbestandteilen sowie
- -- die Richtlinie 2004/23/EG zur Festlegung von Qualitäts- und Sicherheitsstandards für die Spende, Beschaffung, Testung, Verarbeitung, Konservierung, Lagerung und Verteilung von menschlichen Geweben und Zellen
herausgenommen. Würden die Medizinprodukte-Richtlinien, insbesondere
- -- die Richtlinie 90/385/EWG über aktive implantierbare medizinische Geräte,
- -- die Richtlinie 93/42/EWG über Medizinprodukte oder
- -- die Richtlinie 98/79/EG über Invitro-Diagnositka
im Regelungsbereich der Verordnung im Kapitel II Akkreditierung verbleiben, käme es zu uneinheitlichen Vorgaben innerhalb des Systems trotz vergleichbarer Risiken und einem vergleichbaren Schutzniveau. Dies gilt beispielsweise für Hochrisiko Invitro-Diagnostika wie HIV-Tests, die unter anderem in Blutspendeeinrichtungen zur Freigabe von Pools eingesetzt werden; diese Pools werden dann zu Blutprodukten verarbeitet.
- - Darüber hinaus hat die derzeitige Kooperation der jeweiligen nationalen Behörden in der Notified Bodies Operations Group (NBOG) sich als sachgerecht und effektiv erwiesen. Diese Arbeitsweise sollte gestärkt werden und nicht durch Regelungen wie beispielsweise der "EA" (European Co-operation for Accreditation) konterkariert werden. Die geplante Funktion der "EA" ist im Medizinproduktebereich weder zielführend noch sachgerecht.
- - Dem besonderen Schutzbedürfnis von Patienten sollte daher entsprechend Artikel 13 Abs. 3 Buchstabe e, d und f auch im Kapitel II Akkreditierung entsprochen werden.
- 20. Bei der Akkreditierung liegen sowohl Bundeszuständigkeiten (z.B. im Bereich Telekommunikation durch die Bundesnetzagentur) als auch Länderzuständigkeiten vor (z.B. Bereiche Geräte- und Produktsicherheit und Medizinprodukte).
- 21. Soweit die Akkreditierung/Zulassung von Kontrolleinrichtungen (amtliche oder private Konformitätsbewertungsstellen) in Deutschland in die Zuständigkeit der Länder fallen, haben diese im geregelten Bereich sektorspezifisch ausgerichtete zentrale Akkreditierungsstellen eingerichtet (Staatliche Akkreditierungsstelle Hannover (AKS), Staatliche Anerkennungsstelle der Lebensmittelüberwachung, Wiesbaden (SAL), Deutsches Institut für Bautechnik, Berlin (DIBt), Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten, Bonn (ZLG) und Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik, München (ZLS)). Diese bestehenden staatlichen Akkreditierungsstellen decken mit wenigen Ausnahmen (z.B. Telekommunikation durch Bundesnetzagentur) den Regelungsbereich des Verordnungsvorschlags bereits jetzt schon umfassend, fachkompetent und interessensneutral ab. Durch den Ausbau (z.B. Verbund) vorhandener Kooperationsstrukturen auf Länderebene kann vereinheitlichtes Verwaltungshandeln sichergestellt, die Ressortzuständigkeit bei der fachlichen Durchführung erhalten und die Abgabe von Zuständigkeiten der Länder vermieden werden.
- 22. Eine einzige Akkreditierungsstelle würde daher in der festgelegten Struktur im Widerspruch zum Grundgesetz stehen.
- 23. Die Bundesregierung wird gebeten, sich dafür einzusetzen, dass neben einer nationalen Akkreditierungsstelle auch ein nationales Akkreditierungssystem möglich ist, das den föderalen Gegebenheiten in Deutschland besser entspricht.
- 24. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, darauf hinzuwirken, dass der Wortlaut "eine einzige nationale Akkreditierungsstelle" in Artikel 4 Abs. 1 des Verordnungsvorschlags durch eine geeignete Formulierung wie z.B. ["eine nationale Akkreditierungsstruktur" oder "ein nationales Akkreditierungssystem"] oder {"ein amtliches Akkreditierungssystem"} ersetzt wird.
- 25. Ferner stellt der Bundesrat fest, dass er das Subsidiaritätsprinzip verletzt sieht, wenn mit dem Verordnungsvorschlag in die interne Organisationshoheit der Mitgliedstaaten eingegriffen und hier z.B. die föderale Struktur in Deutschland missachtet wird.
- 26. Die vorgesehenen Regelungen zur Akkreditierung (nur eine nationale Akkreditierungsstelle je Mitgliedstaat) zerschlagen in Deutschland insbesondere auf dem Bauproduktensektor gewachsene und bewährte Strukturen; sie widerspricht dem Subsidiaritätsprinzip.
- 27. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung darüber hinaus auf, darauf hinzuwirken, dass die Angabe "EA" in Artikel 12 des Verordnungsvorschlags durch die Formulierung "eine geeignete europäische Stelle" ersetzt wird.
- 28. Der Verordnungsvorschlag sieht als Organ staatlichen Handelns auf europäischer Ebene die Europäische Kooperation für Akkreditierung "EA" vor, die behördliches Handeln beaufsichtigen, ggf. den Mitgliedstaaten die Kompetenz entziehen oder über fachliche Regelsetzung das Verwaltungshandeln in den Mitgliedstaaten steuern soll.
- 29. Die "EA" ist eine private Organisation [nach niederländischem Recht]. Sie hat u. a. [private] (vertragliche) Anerkennungsverpflichtungen auch außerhalb der EU.
- 30. Die Akkreditierung geschieht nach Artikel 4 des Verordnungsvorschlags im öffentlichen Auftrag. Eine private Organisation kann behördliches Handeln nicht beaufsichtigen und auch nicht über die Entwicklung und Aufrechterhaltung der Akkreditierungstätigkeit die Aufgaben der Mitgliedstaaten steuern.
- 31. Im Übrigen werden mit der "EA" einem Verein niederländischen Rechts mit unklarer Struktur Befugnisse eingeräumt, die weitreichende wirtschaftliche Folgen für die Mitgliedstaaten haben können.
- 32. Eine derartige Aufgabenzuweisung an eine private Stelle ist daher mehr als bedenklich und kann nach Auffassung des Bundesrates nicht akzeptiert werden. Die in dem Verordnungsvorschlag für die private "EA" vorgesehene Aufgabenwahrnehmung muss daher durch eine amtliche Einrichtung erfolgen. Zum Beispiel müsste die "EA" in eine amtliche Einrichtung (z.B. Agentur) umgewandelt werden.
Darüber hinaus wird eine Zwangsmitgliedschaft in einer privaten Organisation, der Europäischen Kooperation für Akkreditierung, abgelehnt.
- 33. Da der "EA" derzeit die geeignete rechtliche Struktur fehlt, es aber nicht ausgeschlossen werden soll, dass sie durch Umstrukturierung dazu in der Lage sein wird, sollte dies auch in der Verordnung durch entsprechende Formulierung zum Ausdruck kommen. Der Ausschuss nach Artikel 5 der Richtlinie 98/34/EG, in dem die Mitgliedstaaten vertreten sind, kann dann über die Eignung von "EA" mitentscheiden.
Zu Kapitel III
- 34. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung ferner, folgende Sachverhalte zu klären bzw. in die Beratungen einzubringen:
- 35. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die Bestrebungen der EU zur Harmonisierung der Marktüberwachung, da eine in allen Mitgliedstaaten nach den gleichen Grundsätzen aufgebaute und durchgeführte Marktüberwachung wesentlich zur Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt beiträgt. Er weist allerdings darauf hin, dass die Neuordnung der Marktüberwachung nicht zu zusätzlichen finanziellen Belastungen für die Länder führen darf.
- 36. Der Geltungsbereich der angestrebten horizontalen Regelung zur Marktüberwachung ist sehr umfassend und voraussichtlich aus wirtschaftlichen und fachlichen Gründen nicht in allen Sektoren einheitlich umsetzbar. Die Bundesregierung wird gebeten, sich dafür einzusetzen, dass in der anstehenden Regelung in ausreichendem Maße Öffnungsklauseln für Sektoren vorgesehen werden, in denen abweichende Regelungen erforderlich sind.
- 37. Der Rechtsrahmen für die Marktüberwachung ist in dem Verordnungsvorschlag im Vergleich zu anderen Richtlinien, wie z.B. der Produktsicherheitsrichtlinie 2001/95/EG und der Maschinenrichtlinie 2006/42/EG, unterschiedlich geregelt. Zu klären wäre das rechtliche Verhältnis der vorgesehenen Verordnung (z.B. Artikel 18 und 19) zu Einzelrichtlinien, aber auch, für welchen Regelungsbereich der Produktsicherheitsrichtlinie der Verordnungsvorschlag gilt. Zwar gilt Kapitel III des Verordnungsvorschlags nach Artikel 13 Abs. 2 nicht für Verbraucherprodukte, es verbleibt jedoch ein Ausschnitt aus der Produktsicherheitsrichtlinie im Anwendungsbereich des Verordnungsvorschlags (sonst müsste die Produktsicherheitsrichtlinie unter Artikel 13 Abs. 3 aufgeführt sein).
Der Bundesrat hält es nicht für sachdienlich, bei der Marktüberwachung zwischen Verbraucherprodukten und Arbeitsmitteln zu unterscheiden. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass
- - für die Marktüberwachung einheitliche Regelungen analog den in Deutschland geltenden Vorschriften des Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes geschaffen werden,
- - aus Gründen der Rechtsklarheit die tatsächliche Anpassung der Einzelrichtlinien sofort und nicht später, wie im Begleitpapier zum Verordnungsvorschlag vorgesehen, erfolgt,
- - der Geltungsbereich der Verordnung eindeutig festgelegt wird.
Zu Artikel 16 Abs. 3
- 38. Nach Artikel 16 Abs. 3 stellen die Mitgliedstaaten u. a. sicher, dass die Marktüberwachungsbehörden über die erforderlichen Befugnisse verfügen.
Die Bundesregierung wird gebeten, sich dafür einzusetzen, dass analog zu den Regelungen in der Produktsicherheitsrichtlinie die Befugnisse festgelegt werden.
Zu Artikel 17 Abs. 1
- 39. Nach Artikel 17 Abs. 1 des Verordnungsvorschlags müssen die Marktüberwachungsbehörden ihre Kontrollen auf der Grundlage einer repräsentativen Stichprobe durchführen. Die Bundesregierung wird gebeten, sich [weiterhin] dafür einzusetzen, dass das Wort "repräsentative" gestrichen wird. Der aus der mathematischen Statistik bzw. aus der statistischen Qualitätskontrolle stammende Begriff "repräsentative Stichprobe" ist im Zusammenhang mit Marktüberwachungsmaßnahmen nicht zielführend. Eine alle in der Praxis der Marktüberwachung auftretenden Fälle gleichermaßen vollständig umfassende Definition ist kaum möglich und wäre sehr umfangreich. Es muss daher den Marktüberwachungsbehörden nach Bewertung der Merkmale des Einzelfalls überlassen bleiben, ob sie Schlussfolgerungen aus der Prüfung eines Exemplars eines Produkts oder aus einer größeren Stichprobe ableiten.
(bei Annahme entfällt Ziffer 40) - 40. In Artikel 17 Abs. 1 wird festgelegt, dass die Marktüberwachungsbehörden ihre Kontrollen auf der Grundlage einer "repräsentativen Stichprobe" durchführen.
Die Bundesregierung wird gebeten zu klären, was unter einer "repräsentativen Stichprobe" zu verstehen ist. Ggf. ist der Begriff in Artikel 2 zu erläutern.
Der Bundesrat hat die Sorge, dass statistische Vorgaben in die rechtlichen Regelungen Eingang finden und finanzielle Aufwendungen erforderlich machen, die den bisherigen Rahmen weit überschreiten und möglicherweise auch die Inverkehrbringer durch eine entsprechende Zahl von Proben erheblich belasten.
Zu Artikel 17 Abs. 2
- 41. Voraussetzung für ein Tätigwerden der Marktüberwachungsbehörden ist nach Artikel 17 Abs. 2 das Vorliegen einer "Gefahr", nach Artikel 18 das Vorliegen einer "ernsten Gefahr".
Die Bundesregierung wird aus Klarstellungsgründen gebeten, sich dafür einzusetzen, dass die Voraussetzung konkretisiert und auch auf die Richtlinienkonformität (Übereinstimmung der Produkte mit den sich aus den Richtlinien ergebenden Sicherheitsanforderungen) abgestellt wird und nicht nur auf die "ernste Gefahr".
- 42. In Artikel 17 Abs. 2 wird ferner festgelegt, dass die Marktüberwachungsbehörden "geeignete Maßnahmen" treffen, um die Benutzer von Produkten zu warnen, die sie für gefährlich erachten. Da der Verordnungsvorschlag zum Ziel hat, einen Rahmen festzulegen, muss klargestellt werden, ob diese Formulierung bedingt, dass eine Warnung durch die Marktüberwachungsbehörde selbst erfolgen muss und keine entsprechende Anordnung, z.B. an den Hersteller, ergehen kann.
Die Bundesregierung wird gebeten, sich für eine entsprechende Konkretisierung der Verordnung einzusetzen.
Zu Artikeln 18 und 19
- 43. Artikel 18 fordert bei einer "ernsten Gefahr", dass die Produkte zurückgerufen oder vom Markt genommen werden bzw. ihre Bereitstellung auf dem Markt untersagt wird.
Nach Artikel 19 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass jede gemäß den jeweiligen Harmonisierungsrechtsvorschriften ergriffene Maßnahme zur Beschränkung der Bereitstellung eines Produkts, zur Rücknahme vom Markt oder zum Rückruf eine Begründung erhalten muss.
Die Bundesregierung wird gebeten zu klären, welcher Zusammenhang zwischen Artikel 18 und 19 besteht. Da die Maßnahmen nach Artikel 18 auch begründet werden müssen, ist eine Zusammenfassung dieser beiden Vorschriften in Erwägung zu ziehen.
Zu den Schlussbestimmungen
- 44. Nach Einschätzung des Bundesrates kommen auf die Länder durch die Bestimmungen des Verordnungsvorschlags erhebliche neue Belastungen zu. Die Bundesregierung wird gebeten, sich dafür einzusetzen, dass nicht durch Leitlinien (vgl. Artikel 34 des Verordnungsvorschlags), durch die unbestimmte Rechtsbegriffe interpretiert werden, weitere Belastungen erwachsen.