A. Problem und Ziel
- Im Bundesgebiet besteht ein zunehmend größeres Angebot an Schulen mit einem Bildungs- und Betreuungsangebot am Nachmittag. Eine Vielzahl dieser Standorte hält ein Angebot zur Mittagsverpflegung vor, das auf freiwilliger Basis genutzt wird.
- Bundesweit besuchen über 1,1 Millionen Schülerinnen und Schüler ein Ganztagsschulangebot, das auch die Möglichkeit zur Mittagsverpflegung bietet.
- Es zeigt sich zunehmend, dass die im Rahmen des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - vorgesehenen monatlichen Regelleistungen nicht ausreichen, um das Mittagessen für Schülerinnen und Schüler, die ein derartiges Ganztagsschulangebot nutzen oder nutzen möchten, bezahlen zu können.
- Mit den Regelleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 20 SGB II (für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen) und § 28 SGB II (für nicht erwerbsfähige Angehörige) wird pauschal der gesamte Bedarf für den Lebensunterhalt abgedeckt mit Ausnahme der Kosten für Unterkunft und Heizung gemäß § 22 SGB II sowie bestimmter Sonderbedarfe gemäß § 21 SGB II (z.B. Mehrbedarfszuschläge für werdende Mütter, Alleinerziehende, behinderte Menschen, Erstausstattung für Bekleidung und Wohnung, Kosten für mehrtägige Klassenfahrten nach schulrechtlichen Vorschriften). Zu dem über die Pauschale abgedeckten Lebensunterhaltsbedarf gehören insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben.
- Der in der Regelleistung für das Mittagessen enthaltene Anteil kann zurzeit mit einem Betrag von 0,97 € täglich für Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahrs und von 1,29 € täglich für Kinder ab Vollendung des 14. Lebensjahrs beziffert werden.
- Die Preise für das Mittagessen liegen an den Ganztagsschulen und an den Schulen mit einem Bildungs- und Betreuungsangebot am Nachmittag im Saarland im Schnitt bei etwa 2,40 €. Die Essenspreise der Ganztagsschulen im Bundesgebiet werden sich ebenfalls in dieser Höhe bewegen.
- Dies führt dazu, dass Kinder aus sozial schwachen Familien die Ganztagsschulen oft erst gar nicht besuchen und ihnen das Bildungsangebot nicht zugute kommt, bzw. sie an der Mittagsverpflegung nicht teilnehmen mit der Folge, dass für diese Kinder keine Gewähr für ein geregeltes Mittagessen gegeben ist und die Gefahr der sozialen Ausgrenzung besteht.
- Es wird eine bundesweit einheitliche Lösung angestrebt. Nur eine solche kann einen Beitrag zur Chancengleichheit der betroffenen Kinder sowohl im Verhältnis zu Kindern wohlhabenderer Familien als auch im Verhältnis zu Betroffenen in anderen Bundesländern leisten.
B. Lösung
- Änderung des § 21 und § 28 SGB II, indem ein neuer Mehrbedarfstatbestand geschaffen wird sowohl im Rahmen der Regelung über das für nicht erwerbsfähige Angehörige eines Arbeitsuchenden auszuzahlende Sozialgeld als auch im Rahmen der Regelleistung für erwerbsfähige Angehörige der Bedarfsgemeinschaft. Die Rechtsänderung gewährleistet, dass die für die Mittagsverpflegung eines Kindes von Leistungsempfängern der Grundsicherung im Rahmen eines Ganztagsschulangebots erforderlichen finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden.
- Der Mehrbedarfstatbestand wird nur anerkannt unter der Voraussetzung, dass eine Schülerin/ein Schüler das Ganztagsschulangebot und die dortige Mittagsverpflegung auch tatsächlich nutzt und nicht mittags zu Hause verpflegt wird.
- Der Mehrbedarf kann angesichts der bundesweit unterschiedlichen Preise für die tägliche Mittagsverpflegung im Rahmen von Ganztagsschulangeboten nicht einheitlich für das ganze Bundesgebiet beziffert werden. Bei der Frage der Angemessenheit der Höhe des Mehrbedarfs ist der tatsächliche Preis für die Mittagsverpflegung in dem jeweiligen Angebot maßgeblich. Als Mehrbedarf kann nur der Betrag gelten, der nicht durch den oben dargestellten, in der Regelleistung für das Mittagessen enthaltenden Anteil abgedeckt ist. Der zusätzlich zur Verfügung gestellte Betrag wird pauschaliert gewährt.
- Um zu gewährleisten, dass der durch die Schaffung des Mehrbedarfstatbestands zur Verfügung gestellte Betrag nicht beim Leistungsempfänger der Grundsicherung verbleibt, sondern im Interesse des Kindes auch für die Mittagsverpflegung im Rahmen des Ganztagsschulangebots verwandt wird, wird der Mehrbedarf zuzüglich des Anteils an der Regelleistung wie er bisher schon für die Mittagsverpflegung des Kindes vorgesehen ist, unmittelbar an den Schulträger bzw. den Träger der Mittagsverpflegung gezahlt.
- Die verfahrensmäßige Abwicklung obliegt dem jeweiligen Träger der Grundsicherung.
C. Alternativen
- Im Rahmen der Zielsetzung keine.
D. Finanzielle Auswirkungen der öffentlichen Haushalte
- 1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Es ist davon auszugehen, dass bundesweit über 1,1 Millionen Schülerinnen und Schüler ein Ganztagsschulangebot besuchen, das auch ein Angebot zur Mittagsverpflegung vorhält. Die Preise für die Mittagsverpflegung variieren; im Durchschnitt wird von dem im Saarland festzustellenden Durchschnittspreis von etwa 2,40 € ausgegangen.
Bei schätzungsweise 15 % aller Schülerinnen und Schüler bundesweit wird der Lebensunterhalt durch Leistungen der Grundsicherung nach SGB II gedeckt.
Es ist somit bundesweit von bis zu 165.000 Schülerinnen und Schülern auszugehen die die Mittagsverpflegung einer Ganztagseinrichtung nutzen oder nutzen möchten, deren Erziehungsberechtigte jedoch den hierfür erforderlichen Betrag nicht aufbringen können. Hierbei ist von einem durchschnittlichen Fehlbetrag von etwa 1,40 € pro Kind pro Schultag auszugehen.
- 2. Vollzugsaufwand
Die Einführung des Mehrbedarfstatbestands führt zu einem überschaubaren Verwaltungsaufwand der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Die den Mehrbedarf begründenden Umstände sind relativ einfach durch einen Beleg über die Nutzung des Verpflegungsangebots einer Ganztagseinrichtung nachzuweisen, wobei davon auszugehen ist, dass der zusätzlich zur Verfügung zu stellende monatliche Betrag über einen längeren Zeitraum gleich bleiben kann, indem im Rahmen der Angemessenheit geringfügige monatliche Abweichungen pauschal berücksichtigt werden können.
E. Sonstige Kosten
- Keine.
Gesetzesantrag des Saarlandes
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
Der Ministerpräsident des Saarlandes Saarbrücken, den 16. Januar 2007
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Harald Ringstorff
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Regierung des Saarlandes hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage mit Begründung beigefügten
- Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
mit dem Antrag zuzuleiten, seine Einbringung beim Deutschen Bundestag gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes zu beschließen.
Ich bitte, gemäß § 36 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Bundesrates die Beratung des Gesetzentwurfs in den Ausschüssen zu veranlassen.
Mit freundlichen Grüßen
Peter Müller
Anlage
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
Vom ...
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrats das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung der Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II)
Das Zweite Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706), wird wie folgt geändert:
- 1. § 21 wird wie folgt geändert:
- a) Nach Abs. 4 wird folgender Abs. 5 eingefügt:
(5) Schülerinnen und Schüler, die im Rahmen von Ganztagsschulangeboten an der dort angebotenen Mittagsverpflegung teilnehmen, erhalten einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Die Auszahlung des Mehrbedarfs erfolgt unmittelbar an den Träger der Mittagsverpflegung im Rahmen des Ganztagsschulangebots.
Gleiches gilt für die Auszahlung des Anteils der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 Satz 2, der für die tägliche Mittagsverpflegung vorgesehen ist."
- b) Die Absätze 5 und 6 werden Absätze 6 und 7.
- a) Nach Abs. 4 wird folgender Abs. 5 eingefügt:
- 2. § 28 Abs. 1 Satz 2 wird wie folgt geändert:
- a) In Nummer 4 wird nach dem Wort "besteht" der Punkt durch ein Semikolon ersetzt.
- b) Folgende Nummer 5 wird angefügt:
"5. Für Schülerinnen und Schüler, die im Rahmen von Ganztagsschulangeboten an der dort angebotenen Mittagsverpflegung teilnehmen, gilt § 21 Abs. 5 Satz 1 und 2 entsprechend; § 21 Abs. 5 Satz 3 gilt entsprechend bezüglich der Regelleistung nach Abs. 1 Satz 2 Nr. 1."
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am ... in Kraft.
Begründung
:Zu Artikel 1 Nummer 1 a):
Im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erwerbsfähiger Personen wird ein neuer Mehrbedarfstatbestand geschaffen. Zudem wird gesetzlich festgelegt dass die Zahlung dieses Mehrbedarfs sowie des Anteils an der Regelleistung, wie er bereits für die Mittagsverpflegung vorgesehen ist, nur direkt an den Träger der Mittagsverpflegung im Rahmen des Ganztagsschulangebots erfolgt.
Zu Artikel 1 Nummer 1 b):
Folgeänderung aus Artikel 1 Nummer 1 a).
Zu Artikel 1 Nummer 2 a):Redaktionelle Änderung,da eine zusätzliche Nummer 5 eingefügt wird.
Zu Artikel 1 Nummer 2 b):
Parallele Regelung zu Artikel 1 Nummer 1 a) im Rahmen des Sozialgelds.
Zu Artikel 2:
Regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.