Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung von Planungsvorhaben für die Innenentwicklung der Städte

Der Bundesrat hat in seiner 825. Sitzung am 22. September 2006 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nr. 8 (§ 13a Abs. 1 Satz 3 und 4 BauGB)

In Artikel 1 Nr. 8 sind in § 13a Abs. 1 die Sätze 3 und 4 durch folgenden Satz zu ersetzen:

Begründung:

Zu Nummern 1 und 2:

Die im Gesetzentwurf in Absatz 1 Satz 3 und 4 vorgesehenen beiden Ausnahmen vom beschleunigten Verfahren müssen durch weitere Ausnahmen ergänzt werden. Die Regelungen für das beschleunigte Verfahren sind nicht geeignet, die angemessene Berücksichtigung des Hochwasserschutzes und der Störfallvorsorge zu gewährleisten. Zur besseren Lesbarkeit werden die Ausnahmeregelungen (bisherige Sätze 3 und 4 sachlich unverändert) daher in einen neuen Satz 3 mit Aufzählung der Ausnahmetatbestände unter den Nummern 1 bis 3 umformuliert.

Zu Nummer 2 (Ergänzung Belange Hochwasserschutz):

Die komplexe Abwägung der Belange des Hochwasserschutzes kann in einem beschleunigten Verfahren nicht geleistet werden.

Insbesondere ist die Ermittlung von Überschwemmungsgefahren in weiten Teilen noch nicht abgeschlossen. Im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens kann sie auch nicht nachgeholt werden.

Hinzu kommt, dass nach § 31b Abs. 4 WHG ein grundsätzliches Verbot der Ausweisung von neuen Baugebieten in festgesetzten Überschwemmungsgebieten besteht. Die Ausweisung kommt nur unter restriktiven Voraussetzungen in Betracht, deren Bewertung nicht in einem beschleunigten Verfahren erfolgen kann, da sie unter anderem eine Beurteilung aller möglichen Alternativen sowie die Klärung umfangreicher wasserwirtschaftlicher Fragestellungen erfordert.

Zum Schutz der Öffentlichkeit sowie der Gemeinden vor Haftungsrisiken ist deshalb, soweit Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Belange des Hochwasserschutzes gegeben sind, ein beschleunigtes Verfahren zur Aufstellung eines Bebauungsplanes auszuschließen.

Zu Nummer 3:

Die Ausschlussgründe für das beschleunigte Verfahren werden um den Aspekt der Störfallvorsorge in der Umgebung von Betriebsbereichen im Sinne des § 3 Abs. 5a BImSchG (so genannte Seveso-II-Betriebe; Betriebe, die der Störfall-Verordnung unterliegen) ergänzt. Das ist erforderlich, da bei Planungen in der Nähe von Betriebsbereichen eine möglichst frühzeitige Einbindung der für die Umsetzung der Störfall-Verordnung zuständigen Immissionsschutzbehörde erfolgen sollte, insbesondere um unzulässige Planungen im Gefahrenbereich des Betriebs bereits z.B.ginn der Planung zu erkennen und auszuschließen.

Artikel 12 (Landuse planning) der Richtlinie 96/82/EG (so genannte Seveso-II-Richtlinie) fordert, bei der Flächenausweisung angemessene Abstände zwischen Seveso-II-Betrieben (mit großen Mengen an gefährlichen Stoffen) und sensiblen Gebieten (Wohnen, Freizeit, Krankenhäuser, öffentliche Nutzung etc.) einzuhalten. Dieses Gebot gilt sowohl für die Ansiedlung neuer und die Änderung vorhandener Betriebe als auch für Entwicklungen in deren Nachbarschaft.

Artikel 12 wurde im Wesentlichen im § 50 BImSchG (Planung) in deutsches Recht umgesetzt. Als Hilfsmittel für die Behörden haben die Störfall-Kommission und der Technische Ausschuss für Anlagensicherheit im vergangenen Jahr gemeinsam den Leitfaden "Empfehlungen für Abstände zwischen Betriebsbereichen nach der Störfall-Verordnung und schutzwürdigen Gebieten im Rahmen der Bauleitplanung - Umsetzung § 50 BImSchG" (SFK/TAA-GS-1) verabschiedet und veröffentlicht. Um die genannten Vorschriften und Empfehlungen angemessen zu berücksichtigen, ist eine frühzeitige und enge Zusammenarbeit und Konsultation zwischen den Bauplanungs- und Immissionsschutzbehörden erforderlich. Dies gilt auch für Planungen, die kleinere Flächen (weniger als 20000 Quadratmeter) betreffen. Auch der Bau einer einzelnen Diskothek oder einer großen Verkaufseinrichtung in unmittelbarer Nachbarschaft eines Seveso-II-Betriebes kann dem genannten Gebot der räumlichen Trennung widersprechen. Auf Grund der genannten europarechtlichen Vorgaben und der bereits in der Praxis aufgetretenen Problemfälle, u. a. bei Planungen zur Umnutzung alter Industriegebiete in der Nachbarschaft zu Seveso-II-Betrieben, wird die Ergänzung für notwendig gehalten, damit im Einzelfall eine frühzeitige und sachgerechte Entscheidung zu tolerierbaren Abständen unter Beteiligung aller Beteiligten (Planungs-, Immissionsschutz- und Katastrophenschutzbehörden, Betreiber, Investoren, ggf. Sachverständige) gefunden werden kann.

2. Zu Artikel 1 Nr. 8 ( § 13a Abs. 5 BauGB)

In Artikel 1 Nr. 8 ist in § 13a der Absatz 5 zu streichen.

Begründung

Die Regelung führt zu erheblichen Vollzugsproblemen und Investitionsunsicherheiten.

Die Regelung ist offenbar § 5 Abs. 4 BauGB-MaßnahmenG nachgebildet. Sie gilt aber nicht nur für Wohngebäude, sondern für jede Art von Bauvorhaben. Weiterhin wird statt einer Frist von drei Monaten eine Versagensfrist von nur noch einem Monat vorgesehen.

Da die vorgesehene Regelung in § 13a BauGB die Aufstellung und Änderung von Bebauungsplänen für alle Gebietsarten zulässt, muss möglicherweise die Zulässigkeit von umfangreicheren Gewerbebetrieben in Mischgebieten einschließlich der schwierigen Beurteilung nach § 15 BauNVO innerhalb eines Monats abgeschlossen sein. Selbst wenn eine Bauaufsichtsbehörde in der Lage sein sollte, diese Frist auch dann einzuhalten, wenn zur Beurteilung weitere Fachbehörden beteiligt werden müssen, so ist es jedenfalls kaum denkbar, alle anderen Anforderungen nach Bundes- und Landesrecht in dieser Zeit zu prüfen. Daher ist es erforderlich, die Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens in mehreren zeitlich versetzten Schritten zu prüfen, was nicht nur zu einem erhöhten Aufwand bei diesem Vorhaben, sondern insgesamt zu Verzögerungen auch bei anderen Investitionen führt.

§ 13a BauGB erlaubt auch die Aufstellung von einfachen Bebauungsplänen, die nur zu einem Teil über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Vorhaben entscheiden. Im Übrigen richtet sich die Zulässigkeit nach § 34 oder § 35 BauGB. Da sich auch dies aus § 30 BauGB ergibt, dürfte Absatz 5 auch die ergänzende Prüfung der Zulässigkeit nach §§ 34, 35 BauGB erfassen.

Es würde - soweit es sich um einen einfachen Bebauungsplan handelt - zu dem eigenartigen Ergebnis kommen, dass ein Bauantrag nach einem Monat nicht mehr aus planungsrechtlichen Gründen abgelehnt werden kann, die Gemeinde aber gleichwohl nach § 36 BauGB zwei Monate Zeit hätte, über die Erteilung des Einvernehmens zu entscheiden, da Absatz 5 nur den Fall erfasst, dass eine Ausnahme oder Befreiung erforderlich ist.

Da gerade bei den für die wirtschaftliche Entwicklung wichtigen gewerblichen Investitionen die Prüfung nicht innerhalb eines Monats in der erforderlichen Gründlichkeit abgeschlossen werden kann, ist absehbar, dass eine größere Zahl von Baugenehmigungen erteilt wird, bei denen der Behörde die Rechtswidrigkeit bereits bei der Erteilung bewusst ist. Da die Bauaufsichtsbehörden grundsätzlich für die Beachtung der öffentlichrechtlichen Vorschriften zu sorgen haben, werden sie regelmäßig verpflichtet sein, diese Genehmigungen unmittelbar nach ihrer Erteilung zurückzunehmen. Sollte eine Neuerteilung möglich sein, werden jedenfalls die Gesamtverfahrensdauer und die Verfahrenskosten deutlich höher sein.

Nimmt dagegen die Baugenehmigungsbehörde eine rechtswidrige Genehmigung nicht zurück, wird sie jedenfalls auf einen Nachbarwiderspruch hin aufzuheben sein, was ebenfalls die nötige Investitionssicherheit beeinträchtigt.

Wird im Rahmen der Prüfung die bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit rechtzeitig erkannt, besteht nicht mehr die Möglichkeit, das Vorhaben im Rahmen des laufenden Genehmigungsverfahrens durch Umplanung zulässig zu machen. Daher ist eine Ablehnung mit erneuter Einreichung des Antrags erforderlich, was zu deutlich längeren Gesamtgenehmigungsfristen führt.

Wegen der Vollzugsprobleme und der Nachteile für Investoren hat auch die Expertenkommission zur Novellierung des Baugesetzbuchs im Jahr 1995 empfohlen, die Regelungen des § 5 BauGB-MaßnahmenG nicht - auch nicht in abgewandelter Form - in das Dauerrecht zu übernehmen (Bericht Rn. 193).

3. Zu Artikel 1 Nr. 11 (§ 142 Abs. 3 Satz 3 und 4 BauGB), Nr. 13 (§ 162 Abs. 1 Satz 1 BauGB), Nr. 14 (§ 164 Abs. 1 BauGB), Nr. 17 (§ 235 Abs. 4 BauGB)

In Artikel 1 sind die Nummern 11, 13, 14 und 17 zu streichen.

Begründung:

Die zu streichenden Änderungsvorhaben betreffen Regelungen zur Befristung von Sanierungsverfahren.

4. Zu Artikel 1 Nr. 11a - neu - (§ 145 Abs. 1 Satz 3 - neu - BauGB)

In Artikel 1 ist nach Nummer 11 folgende Nummer einzufügen:

Begründung:

§ 145 Abs. 1 Satz 2 BauGB führt zu einer (verfahrensrechtlichen) Zuständigkeitskonzentration, das heißt, die Bauaufsichtsbehörde entscheidet - im Baugenehmigungsverfahren - über die Erteilung der sanierungsrechtlichen Genehmigung. Maßgebend ist somit die Regelverfahrensdauer des Baugenehmigungsverfahrens. Die bisherige Verweisung auf § 22 Abs. 5 Satz 2 bis 6 BauGB führt zu einer mit der Regelverfahrensdauer des Baugenehmigungsverfahrens nicht harmonisierten Verfahrensfrist für die Erteilung der sanierungsrechtlichen Genehmigung. Dies führt im Zweifel zur Trennung beider Verfahren, da das Baugenehmigungsverfahren bereits wegen der Zweimonatsfrist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB nicht in einem Monat abgeschlossen werden kann.

Die Trennung der sanierungsrechtlichen Genehmigung und der Baugenehmigung ist aus Sicht des Adressaten (Bauherrn) unsinnig, da von der sanierungsrechtlichen Genehmigung nur Gebrauch gemacht werden kann, wenn auch die Baugenehmigung erteilt wird.

Die vorgeschlagene Änderung stellt klar, dass die Bauaufsichtsbehörde bei der Entscheidung über die sanierungsrechtliche Genehmigung nicht der Monatsfrist nach § 22 Abs. 5 Satz 2 bis 5 BauGB unterliegt. Die Fälle, in denen über die sanierungsrechtliche Genehmigung - ohne Baugenehmigungsverfahren - durch die Gemeinde entschieden wird, bleiben von der Änderung unberührt.

Der neue Halbsatz 2 dient der Klarstellung, dass im Fall des § 145 Abs. 1 Satz 2 BauGB, bezogen auf die sanierungsrechtliche Genehmigung, die Einvernehmensfrist des § 36 Abs. 2 Satz 2 BauGB anzuwenden ist.

5. Zu Artikel 1 Nr. 12 Buchstabe b ( § 154 Abs. 2 BauGB)

Der Bundesrat ist der Auffassung, dass ein vereinfachtes Verfahren der Ausgleichsbetragsermittlung in Ergänzung der bestehenden Rechtslage zum § 154 Abs. 2 BauGB entwickelt werden sollte. Der Bundesrat bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren, hierzu einen neuen Regelungsvorschlag zu erarbeiten.

Begründung:

Eine Verfahrensvereinfachung zur Ausgleichsbetragsermittlung ist erforderlich. Die von der Bundesregierung in Artikel 1 Nr. 12 Buchstabe b vorgeschlagene Regelung für ein vereinfachtes Verfahren der Ausgleichsbetragsermittlung ist nicht geeignet, eine Verfahrensvereinfachung bei der Ausgleichsbetragsermittlung herbeizuführen. Die Auswirkungen von Änderungen im Verfahren sollten durch Beispielrechnungen und Planspiele untersucht werden.

Bei der Entwicklung einer neuen Regelung sollten insbesondere folgende Aspekte berücksichtigt werden:

6. Zu Artikel 1 Nr. 15 Buchstabe b (§ 214 Abs. 2a Satz 1 BauGB)

In Artikel 1 Nr. 15 Buchstabe b ist § 214 Abs. 2a Satz 1 zu streichen.

Begründung:

In Anbetracht dessen, dass in § 13a Abs. 1 Satz 1 nicht abschließend definiert ist, was unter einem "Bebauungsplan der Innenentwicklung" zu verstehen ist, ist eine derart weitgehende Unbeachtlichkeitsklausel nicht zu rechtfertigen. Sie leistet einer unangemessen weiten und großzügigen Auslegung des Begriffs der "Innenentwicklung" geradezu Vorschub mit unter Umständen gravierenden Folgen für Natur und Landschaft. Die unrichtige Beurteilung der Anwendungsvoraussetzung für einen vom Flächennutzungsplan abweichenden Bebauungsplan nach § 13a Abs. 2 Nr. 2, nämlich dass die geordnete städtebauliche Entwicklung nicht beeinträchtigt werden darf, soll zukünftig nicht mehr als verletzte Verfahrensvorschrift zur Rechtsunwirksamkeit des Bebauungsplans führen. Damit würde die Kernfunktion des Flächennutzungsplans, nämlich die geordnete städtebauliche Entwicklung unter Berücksichtigung der vielfältigen Nutzungs- und Schutzinteressen zu gewährleisten, aufgehoben. Schließlich ist es unangemessen, wenn gravierende Mängel in der Öffentlichkeitsbeteiligung, wie sie auch für beschleunigte Verfahren in § 13a Abs. 2 geregelt ist, bei der der Beurteilung der Rechtswirksamkeit eines in diesem Verfahren aufgestellten Bebauungsplans unbeachtlich bleiben sollen. Insgesamt unterstellen die Regelungen des § 214 Abs. 2a Satz 1, dass die Gemeinden in einem so großen und erheblichen Maß Verfahrens- und Formvorschriften verletzen, dass eine gesetzliche Freistellung von der Folge der Rechtsunwirksamkeit der hierbei zustande gekommenen Bebauungspläne erforderlich ist.

7. Zu Artikel 3 Nr. 1 Buchstabe b (§ 47 Abs. 2a VwGO),

Artikel 1 Nr. 10 Buchstabe a - neu - und Buchstabe b - neu - (§ 34 Abs. 3a Satz 1 Nr. 1 und Abs. 6 Satz 1 - neu - BauGB),

Artikel 1 Nr. 10a - neu - (§ 35 Abs. 6 Satz 5 - neu - BauGB)

Begründung:

Zu Buchstabe a:

Die in Artikel 3 Nr. 1 Buchstabe b des Gesetzentwurfs vorgesehene Präklusionsregelung für das Normenkontrollverfahren in § 47 Abs. 2a VwGO bezieht sich nur auf Normenkontrollanträge, die einen Bebauungsplan zum Gegenstand haben. Die Präklusionsregelung soll auch auf Normenkontrollanträge, die Innenbereichssatzungen nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauGB bzw. Außenbereichssatzungen zum Gegenstand haben, erstreckt werden. Die in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 47 Abs. 2 VwGO aufgeführten Gründe gelten für diese Satzungen entsprechend.

Zu Buchstabe b:

Mit der Änderung wird sichergestellt, dass auch bei der Beteiligung der Öffentlichkeit im Verfahren zur Aufstellung von Satzungen nach § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 und 3 BauGB bzw. § 35 Abs. 6 BauGB durch den neu aufgenommenen Verweis auf § 13 Abs. 3 Satz 3 BauGB (neu) die Hinweispflicht des § 3 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB (neu) entsprechend gilt.