909. Sitzung des Bundesrates am 3. Mai 2013
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU) und der Verkehrsausschuss (Vk) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt den Vorschlag der Kommission, den am 15. Dezember 2012 in Kraft getretenen "Recast" des ersten EU-Eisenbahnpakets weiterzuentwickeln und die intramodale Wettbewerbssituation auf den Schienenpersonenverkehrsmärkten zu verbessern.
- 2. Der Bundesrat sieht zwei Schlüsselfaktoren, damit sich die Wettbewerbssituation auf den Schienenpersonenverkehrsmärkten in der EU weiterentwickeln kann: Zum einen eine Liberalisierung des Marktzugangs, zum anderen eine leistungsfähige Infrastruktur, die zu angemessenen Preisen diskriminierungsfrei genutzt werden kann. Bei der Liberalisierung des Marktzugangs für Schienenpersonenverkehrsanbieter bestehen in Deutschland wenig Defizite. Umso mehr sorgt sich der Bundesrat um ein leistungsfähiges, d.h. störungsfreies, sorgsam unterhaltenes Schienennetz, das allen Marktteilnehmern ohne jede Beschränkung zur Nutzung zu einem angemessenen Preis offensteht.
- 3. Hier ist der Bundesrat der Ansicht, dass die von der Kommission vorgeschlagene institutionelle Trennung des Infrastrukturbetreibers von jeglichem Eisenbahnunternehmen nach Artikel 1 Nummer 3 des Vorschlags zwar ein Weg ist, um diesem Ziel näher zu kommen, hierfür aber - bei Beibehaltung konzernorganisatorischer Strukturen - durchaus auch andere geeignete Möglichkeiten in Form einer wirksamen Regulierung des Eisenbahnsektors bestehen; der Bundesrat verweist hierzu auf seine Stellungnahme vom 23. November 2012 zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Regulierung im Eisenbahnbereich (BR-Drucksache 559/12(B) ).
- 4. Hier ist der Bundesrat der Ansicht, dass die von der Kommission vorgeschlagene stärkere Trennung des Infrastrukturbetreibers von Eisenbahnunternehmen nach Artikel 1 Nummer 3 betreffend den Artikel 7 und Nummer 4 betreffend den neuen Artikel 7a zur Richtlinie 2012/34/EU grundsätzlich geeignet ist, um diesem Ziel näher zu kommen.
- 5. Der Bundesrat begrüßt die Prüfvorschrift des Artikels 1 Nummer 9 des Vorschlags. Diese Regelung erlaubt es, innerhalb der Frist bis zum 31. Dezember 2024 auch zu überprüfen, ob die Regulierung des Eisenbahnsektors in gleichem Maße wie die institutionelle Trennung die Vorhaltung einer leistungsfähigen Eisenbahninfrastruktur und ihre diskriminierungsfreie Nutzung zu einem angemessenen Preis gewährleistet.
- 6. Der Bundesrat begrüßt ferner die Entscheidung der Kommission, die Bestimmungen der Richtlinie 2012/34/EU für kleinere und mittlere Infrastrukturbetreiber nach deren Artikel 2 unangetastet zu lassen, um insbesondere den Mitgliedstaaten sachgerechte Lösungen zu ermöglichen. Der Bundesrat bittet bereits jetzt die Bundesregierung, bei der Umsetzung dieser Bestimmungen insbesondere von den den Mitgliedstaaten eröffneten Möglichkeiten so weit wie möglich Gebrauch zu machen, damit so besonders auf den regionalen Schienenverkehrsmärkten effizient, flexibel und kostengünstig agiert werden kann. Der Bundesrat erinnert in diesem Zusammenhang an die mit der Verabschiedung des Eisenbahnneuordnungsgesetzes gefasste Entschließung des Deutschen Bundestages vom 2. Dezember 1993 (BT-Drucksache 012/6269), wonach dieser von der Bundesregierung als flankierende Maßnahme zur Bahnreform eine unverzügliche Überprüfung erwartet, wo in Gesetzen und Rechtsverordnungen des Bundes materiell konstitutive Bestimmungen enthalten sind, deren Anwendung bei den Bahnen unverhältnismäßig großen Aufwand verursacht, ohne dass diesem ein gleichwertiger Nutzen gegenübersteht. Diese Prüfung sollte gewährleisten, dass den deutschen Bahnen im Infrastrukturbereich keine Lasten auferlegt werden, die ihre Wettbewerbsfähigkeit mit anderen Verkehrsträgern gefährden. Nach Auffassung des Deutschen Bundestages war die Überprüfung dieser Bestimmungen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Ergebnisse der Bahnen von ähnlich hoher Dringlichkeit wie die Bahnreform selbst. Diese die Bahnreform begleitende Zielsetzung wirkt grundsätzlich weiter fort und gilt entsprechend für das Eintreten der Bundesregierung bei der Fortentwicklung unionsrechtlicher Vorschriften und deren Umsetzung im nationalen Recht.
- 7. Der Bundesrat begrüßt zwar die Regelung in Artikel 1 Nummer 4 des Vorschlags, dass Einnahmen des Infrastrukturbetreibers ausschließlich für dessen Geschäftsbetrieb verwendet werden müssen. Jedoch sollen nach dem Vorschlag Dividenden an den Endeigentümer des vertikal integrierten Unternehmens weiterhin ausgezahlt werden dürfen. Dazu spricht sich der Bundesrat zum einen dafür aus, dass Gewinnabführungen künftig unzulässig sind (siehe Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Regulierung im Eisenbahnbereich, (BR-Drucksache 559/12(B) , Ziffer 27). Sofern zum anderen jedoch - abgesehen von einer kompletten Ergebnisabführung - noch eine Dividendenzahlung möglich bleiben kann, sollte aber deren Umfang geregelt werden. Dividendenzahlungen, die einer Ergebnisabführung gleichkommen, oder sonst exorbitant sind, sollten unzulässig sein, "angemessene" Dividendenzahlungen dagegen zulässig. Der Bundesrat schlägt daher vor, das Verbot von Gewinnabführungen im Text noch ausdrücklicher zum Ausdruck kommen zu lassen, z.B. durch einen Satz 2: "Gewinn- bzw. Ergebnisabführungen im Ganzen sind nicht zulässig." Des Weiteren sollte vor das Wort "Dividenden" das Wort "angemessene" eingefügt werden. Der Bundesrat ersucht die Bundesregierung, auf solche wichtigen Präzisierungen hinzuwirken.
- 8. Der Bundesrat ersucht die Bundesregierung ferner, auf die Streichung des Artikels 1 Nummer 4 des Vorschlags hinzuwirken. Diese Regelung ist aus mehreren Gründen nicht angemessen: Wenn kein Antrag auf Prüfung der Unabhängigkeit gestellt wurde oder die Kommission über den Antrag noch nicht entschieden hat, sollten - wie auch sonst üblich - noch keine Sanktionen greifen. Es ist unverhältnismäßig, dass der Verdacht eines Regelverstoßes durch einen der Mitgliedstaaten ausreichen soll, um die Zugangsrechte der integrierten Unternehmen zu begrenzen. Vielmehr ist alleine die Kommission die zuständige Stelle zur Überprüfung, und es muss eine wirksame Entscheidung vorliegen. Bei mangelnder Auskunft ist es ausreichend, dass die Kommission die im Vertragsverletzungsverfahren üblichen Instrumentarien ergreifen kann. Der sofortige Ausschluss vom Markt auf Verdacht würde das Unternehmen vorschnell bestrafen und so im Endergebnis dem Wettbewerb schaden.
- 9. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bezüglich Artikel 1 Nummer 4 des Vorschlags auf Aufklärung und Klarstellung hinzuwirken. Danach soll das neu zu schaffende Netzwerk der Infrastrukturbetreiber gemeinsame Benchmarks für die Effizienz der Infrastruktur setzen und die Kommission Maßnahmen zur Sicherung der Kohärenz des Benchmarkings ergreifen dürfen. Man sollte hier klarstellen, dass die Mitgliedstaaten und die Infrastrukturbetreiber außerhalb bereits bestehender Harmonisierung weiterhin in eigener Entscheidung die Prioritäten für die Qualität der Infrastruktur in ihrem Hoheitsgebiet setzen dürfen. Es sollte ihnen unbenommen bleiben, mehr Gewicht auf ein Qualitätsziel zulasten eines anderen zu legen. Dies gilt insbesondere für Benchmarks, die nicht einstimmig beschlossen wurden. Auch die Kommission soll nicht zu einer solchen zwingenden Vereinheitlichung verpflichten, sondern nur auf die Einheitlichkeit des Verfahrens hinwirken dürfen.
- 10. Der Bundesrat hält die Regelungen des neuen Artikels 1 Nummer 7 des Vorschlags für eine Öffnung der Märkte für Schienenpersonenverkehrsdienste mit dem Ziel, den Wettbewerbsdruck auf den inländischen Märkten zu erhöhen, für nicht ausreichend. Neben der Bestimmung der Möglichkeit, gemeinsame Informations- und integrierte Fahrscheinsysteme einzurichten, sollten die Eisenbahnunternehmen auch verpflichtet werden können, beim Vertrieb von Fahrscheinen öffentlicher Eisenbahnunternehmen zu kooperieren. Er ersucht die Bundesregierung, auf eine solche Präzisierung hinzuwirken.
- 11. Des Weiteren möchte der Bundesrat auf einen redaktionellen Fehler hinweisen. Zunächst muss in Artikel 1 Nummer 4 des Vorschlags ein Schreibfehler bei "Buchstabe c" vorliegen, dies gibt keinen Sinn. Der Bundesrat empfiehlt eine Aufklärung bzw. Berichtigung.
B
- 12. Der Finanzausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.