Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments über die Zukunft der Strategie von Lissabon im Hinblick auf die Gleichstellung der Geschlechter

Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 0948 - vom 16. Februar 2006. Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 19. Januar 2006 angenommen.

Entschließung des Europäischen Parlaments über die Zukunft der Strategie von Lissabon im Hinblick auf die Gleichstellung der Geschlechter (2004/2219(INI))

Das Europäische Parlament,


1 ABl. C 269 vom 16.10.1995, S. 146.
2 ABl. C 59 vom 23.2.2001, S. 258.
3 ABl. C 102 E vom 28.4.2004, S. 492.
4 ABl. C 97 E vom 22.4.2004, S. 566.
5 ABl. C 61 E vom 10.3.2004, S. 384.

A. in der Erwägung, dass sich der Europäische Rat auf seiner Tagung in Lissabon auf strategische Ziele geeinigt hat, die die Union zum dynamischsten und wettbewerbsfähigsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt machen sollen, der fähig ist, dauerhaftes Wirtschaftswachstum, sozialen Zusammenhalt und Verringerung von Armut zu erzielen; ferner in der Erwägung, dass der Europäische Rat von Göteborg vom 15. und 16. Juni 2001 die Strategie von Lissabon mit einer Strategie für nachhaltige Entwicklung kombiniert und die drei ergänzenden Pfeiler der Strategie von Lissabon anerkannt hat, nämlich den wirtschaftlichen, den sozialen und den ökologischen Pfeiler,

B. in der Erwägung, dass in Lissabon eine klare Verpflichtung zur Erzielung der Vollbeschäftigung bis 2010 einschließlich einer besseren Qualität der Arbeitsplätze, eines größeren sozialen Zusammenhalts und einer besseren sozialen Integration eingegangen wurde,

C. in der Erwägung, dass die soziale Integration im Rahmen der Strategie von Lissabon insbesondere Frauen und ihr Bedürfnis nach uneingeschränkter Beteiligung an allen Aspekten des Lebens betrifft; ferner in der Erwägung, dass die integrative Gesellschaft auf Gleichheit, Solidarität, Freiheit, nachhaltiger Entwicklung und Gerechtigkeit mit Zugang zu Rechten, Ressourcen, Waren, Dienstleistungen, Informationen und Chancen basiert

D. in der Erwägung, dass nach der Halbzeitbewertung der Strategie von Lissabon die Ziele stärker auf Wachstum und Beschäftigung ausgerichtet sind und eine neue Form des Regierens vorgesehen ist,

E. in der Erwägung, dass es angesichts der offenkundigen Verbindung zwischen der Aktionsplattform von Peking und der Strategie von Lissabon unbedingt notwendig ist, das Produktionspotential der gesamten europäischen Erwerbsbevölkerung als Schlüssel zur Verwirklichung der Gesamtziele der Strategien von Peking und Lissabon zu nutzen

F. in der Erwägung, dass durch die Strategie von Lissabon gemeinsame Indikatoren und Ziele eingeführt worden sind, die eine regelmäßige Bewertung erfordern, um die erzielten Fortschritte und die noch zu bewältigenden Herausforderungen besser ermitteln zu können,

G. in der Erwägung, dass der Europäische Rat auf seiner Tagung in Lissabon das Ziel festgelegt hat, bis zum Jahr 2010 eine Beschäftigungsquote von 60% für Frauen zu erreichen und dass er auf seiner Tagung in Stockholm für Ende 2005 ein Zwischenziel, nämlich eine Beschäftigungsquote von 57% für die Frauen, sowie ein Ziel von 55% für alle männlichen und weiblichen älteren Arbeitnehmer hinzugefügt hat,

H. in der Erwägung, dass die Beschäftigungsquote der Frauen leicht gestiegen ist und im Jahre 2003 in der erweiterten Europäischen Union 55,1% erreicht hat, dass sich aber der Anstieg seitdem verlangsamt hat und die Beschäftigungsquote älterer Frauen nach wie vor besonders niedrig ist, was insbesondere daran liegt, dass eine Vielzahl von ihnen ihre Berufstätigkeit aufgegeben hat, um Familienpflichten wahrzunehmen, was sich negativ auf ihre Renten- und Versicherungsansprüche auswirkt und sie stärker dem Armutsrisiko aussetzt,

I. in der Erwägung, dass es sich bei den für Frauen geschaffenen neuen Arbeitsplätzen in der Regel um prekäre und schlecht bezahlte Stellen handelt,

J. in der Erwägung, dass Schätzungen der Kommission zufolge für die erweiterte EU der 25 etwa 22 Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden müssen, um die allgemeinen Beschäftigungsziele von Lissabon zu erreichen,

K. in der Erwägung, dass das Armutsrisiko und das Risiko der sozialen Ausgrenzung, das besonders für Frauen gestiegen ist, eng mit der Langzeitarbeitslosigkeit und mit unbezahlten Tätigkeiten zusammenhängt, die in erster Linie von Frauen übernommen werden,

L. unter Hinweis darauf, dass die Rentenansprüche der Frauen wegen ihrer eingeschränkten Beteiligung am Arbeitsmarkt viel niedriger sind als die der Männer und dass einige Mitgliedstaaten ihre Systeme anpassen, indem sie Rentenansprüche für Zeiten der Kinderbetreuung und der Betreuung von pflegebedürftigen oder behinderten Personen gewähren,

M. in der Erwägung, dass, obwohl die tatsächliche und verantwortungsvolle Integration der Zuwanderer in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft einer der wesentlichen Faktoren für die Erreichung der Ziele von Lissabon ist, die Geschlechterperspektive im Rahmen der Integrationspolitiken praktisch nicht berücksichtigt und dadurch die vollständige Nutzung des Potentials der weiblichen Zuwanderer auf dem Arbeitsmarkt verhindert wird,

N. in der Erwägung, dass es aufgrund des weltweiten Konjunkturrückgangs und der demographischen Herausforderung, mit der die Europäische Union konfrontiert ist, notwendig ist, das Potential der weiblichen Arbeitskräfte so gut wie möglich zu nutzen,

O. in der Erwägung, dass es nach wie vor zahlreiche Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern gibt, vor allem im Zusammenhang mit dem Lohngefälle, dem Zugang zum und Vorankommen auf dem Arbeitsmarkt, der postuniversitären Bildung und dem lebenslangen Lernen sowie den Rentenansprüchen,

P. in der Erwägung, dass in der erweiterten Europäischen Union das durchschnittliche Lohngefälle 15% beträgt, aber je nach Land bis zu 33% ausmachen kann; ferner in der Erwägung, dass in den letzten 30 Jahren praktisch keine Fortschritte hinsichtlich der Umsetzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für gleiche Arbeit erzielt wurden und dass die Reduzierung dieses Gefälles ein Mittel ist, um die Arbeit für die Frauen attraktiver zu machen, was zur Erhöhung ihrer Beschäftigungsquote und zur uneingeschränkten Nutzung der Investitionen in das Humankapital beitragen wird,

Q. unter Hinweis darauf, dass die Förderung von Unternehmertum und Selbständigkeit im Mittelpunkt der europäischen Beschäftigungsstrategie steht, wobei die statistischen Daten zeigen, dass der Frauenanteil unter den Selbständigen 28% beträgt und gerade einmal 2,5% der Unternehmerinnen (gegenüber 8% der Unternehmer) Mitarbeiter beschäftigen R. in der Erwägung, dass das Bildungsniveau der Frauen in zunehmendem Maße über dem der Männer liegt (58% der Hochschulabsolventen und 41% der Promovierten sind Frauen); ferner in der Erwägung, dass immer mehr Frauen eine Weiterbildung absolvieren und dass es immer mehr diplomierte, gebildete und qualifizierte Frauen gibt die sich jedoch beim Zugang zur Beschäftigung nach wie vor vor größere Probleme gestellt sehen und auch in den Bereichen Beförderung und Arbeitsentgelt diskriminiert werden,

S. in der Erwägung, dass Bildung und lebenslanges Lernen zur Entfaltung von Frauen und Männern beitragen und ihnen angesichts der Herausforderungen der Wissensgesellschaft die Anpassungsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt ermöglichen,

T. in der Erwägung, dass die Bildungs- und Berufsausbildungssysteme in den meisten europäischen Ländern eine außerordentlich niedrige Beteiligung von Frauen an Ausbildungsgängen im Bereich neue Technologien, Information und Kommunikation aufweisen (unter 20%), was dazu führt, dass der Anteil der Frauen, die ein eigenes Unternehmen gründen, sowie der Frauen in verantwortungsvollen Positionen in diesem Bereich noch geringer ist, was ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Arbeitsmarkt beeinträchtigt U. in der Erwägung, dass der Europäische Rat auf seiner Tagung in Lissabon die Bedeutung der Verbesserung der Chancengleichheit in allen Bereichen, insbesondere durch die Sicherstellung der Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben, anerkannt und auf seiner Tagung in Barcelona als Zielvorgabe für 2010 festgelegt hat, dass für mindestens 90% der Kinder zwischen drei Jahren und dem Schulpflichtalter und für mindestens 33% der Kinder unter drei Jahren sowohl in den Städten als auch auf dem Land Betreuungsplätze zur Verfügung gestellt werden sollen,

V. in der Erwägung, dass es, weil es in den Mitgliedstaaten keine ausreichenden Daten und Statistiken über die Bereitstellung von Betreuungsplätzen für Kinder und pflegebedürftige Personen gibt, schwierig ist, die Durchführung der fraglichen Maßnahmen zu beurteilen,

W. in der Erwägung, dass hinsichtlich wesentlicher Fragen, die die Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben betreffen, zwischen den Mitgliedstaaten große Unterschiede sowohl bei den Grundprinzipien als auch bei deren Anwendung bestehen, so zum Beispiel beim Elternurlaub (übertragbares Recht oder nicht, Dauer), beim Mutterschaftsurlaub, beim bezahlten oder unbezahlten Urlaub usw., was bei der Erfassung und Prüfung der einschlägigen Rechte auf europäischer Ebene sowie beim Austausch bewährter Praktiken zu Unklarheiten führt,

X. in der Erwägung, dass die Arbeitszeitgestaltung zur Verbesserung der Qualität der Arbeitsplätze von Frauen beitragen und die Vereinbarkeit von Berufs- und Familienleben erleichtern kann; im Bedauern darüber, dass neue und flexible Arbeitsformen wie die Telearbeit oder die Teilzeitarbeit hauptsächlich von Frauen genutzt werden,

Y. unter Hinweis darauf, dass durchschnittlich 30,4% der Frauen im Vergleich zu nur 6,6% der Männer teilzeitbeschäftigt sind, wobei sich der Unterschied seit 1998 leicht vergrößert hat,

Z. in der Erwägung, dass die zugunsten der Frauen getroffenen Maßnahmen auch Auswirkungen auf die Männer haben und dass die Männer einen positiven Beitrag zur Bekämpfung von Stereotypen betreffend die Familie leisten können,

AA. in der Erwägung, dass sich die Zusammenarbeit bei der Verwirklichung der Ziele von Lissabon bisher im Wesentlichen auf eine Zusammenarbeit zwischen nationalen Regierungen beschränkt hat und dass, damit die Geschlechterdimension wirksam berücksichtigt wird, die gesamte Zivilgesellschaft, die Bildungs- und Forschungseinrichtungen, die Sozialpartner, die Unternehmen und die Verwaltungen aufgerufen sind, gemeinsame Anstrengungen zu unternehmen,

AB. in der Erwägung, dass zahlreiche Arbeitsplätze in der Europäischen Union, insbesondere im Bereich der häuslichen Hilfe (Betreuung von Kindern sowie von alten Menschen, Kranken oder Behinderten), im medizinischsozialen Bereich, im Hotel- und Gaststättengewerbe (Horeca) sowie in der Landwirtschaft, bei Arbeitsuchenden aus den Mitgliedstaaten kein Interesse finden und, sei es aufgrund des Lohnniveaus, eines prekären Status oder eines Verlusts an sozialem Ansehen, mit Arbeitskräften aus Drittländern besetzt werden,

AC. in der Erwägung, dass sein für die Rechte der Frau und die Gleichstellung der Geschlechter zuständiger Ausschuss bei der Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern und der Berücksichtigung der Geschlechterdimension bei der Verwirklichung der Ziele von Lissabon eine wichtige Rolle spielt,