Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes
(5. TKG-Änderungsgesetz - 5. TKGÄndG)

A. Problem und Ziel

Mit dem Ende 2016 in Kraft getretenen Gesetz zur Erleichterung des Ausbaus digitaler Hochgeschwindigkeitsnetze (DigiNetzG) wurde § 77i in das Telekommunikationsgesetz (TKG) eingeführt.

Danach besteht unter anderem im Rahmen von öffentlich (teil-)finanzierten Bauarbeiten die Pflicht, Telekommunikationsunternehmen die Verlegung von Breitbandinfrastrukturen im Rahmen der Bauarbeiten zu ermöglichen. So sollen insbesondere sektorübergreifende Synergien genutzt werden, wenn etwa bei der Verlegung von Abwasserkanälen ohnehin Tiefbauarbeiten durchgeführt werden müssen. Inzwischen wird aber vielfach ein Anspruch auf Mitverlegung geltend gemacht, wenn die Ausgangs-Tiefbauarbeiten ihrerseits dazu dienen, Breitbandinfrastrukturen auszurollen.

Wird die öffentliche (Teil-)Finanzierung im Rahmen eines Ausbaus von Telekommunikationsinfrastrukturen bejaht, entsteht für den Erstausbauenden die Pflicht, im Rahmen seiner Bauarbeiten zur Verlegung des Netzes anderen Telekommunikationsnetzbetreibern - und damit Wettbewerbern - zu gestatten, ihr Netz parallel im gleichen Graben zu verlegen.

Zur weiteren Unterstützung des flächendeckenden Breitbandausbaus setzen Bund und Länder inzwischen öffentliche Fördermittel in erheblichem Umfang ein. Im Falle von mit einer Zuwendung geförderten Breitbandausbauprojekten liegt der Hauptzweck der öffentlich (teil-)finanzierten Bauarbeiten in der Errichtung eines ersten Hochgeschwindigkeitsnetzes in nachweislich unterversorgten Gebieten. Wird in diesen Projekten ein Anspruch auf die Koordinierung von Bauarbeiten geltend gemacht, so kann es dazu führen, dass das Geschäftsmodell des ausbauenden Eigentümers oder Betreibers des Telekommunikationsnetzes trotz öffentlicher Förderung langfristig nicht mehr tragfähig ist. So entsteht Unsicherheit für potenzielle Nachfrager von öffentlicher Breitbandförderung, die zu einem Investitionsattentismus in Gigabitnetze gerade in ländlichen Räumen führen kann.

B. Lösung

Im Rahmen des Rechts auf Koordinierung von Bauarbeiten gemäß § 77i Absatz 3 TKG wird eine Unzumutbarkeitsprüfung eingeführt. Demnach können Anträge auf Koordinierung von Bauarbeiten dann unzumutbar sein, wenn die Koordinierung der Bauarbeiten dazu genutzt werden soll, ein bereits geplantes und öffentlich gefördertes Glasfasernetz mit weiteren Telekommunikationsinfrastrukturen zu überbauen. Gleichzeitig wird der Überbauschutz nur bei Vorliegen eines offenen und diskriminierungsfreien Netzzugangs gewährt und somit der Infrastrukturwettbewerb effizient ausgestaltet und Fehlanreize beseitigt.

C. Alternativen

Keine.

D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine.

E. Erfüllungsaufwand

E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger

Die Bürgerinnen und Bürger sind nicht von der Rechtsänderung betroffen.

E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Für die Wirtschaft wird es voraussichtlich zu keiner nennenswerten Entlastung kommen.

E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung

Die Erfüllungsaufwandsänderung für die Streitbeilegungsstelle nach § 77n TKG ist derzeit nicht quantifizierbar.

F. Weitere Kosten

Sonstige Kosten für die Wirtschaft, Kosten für soziale Sicherungssysteme, Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes (5. TKG-Änderungsgesetz - 5. TKGÄndG)

Bundesrepublik Deutschland
Berlin, 12. Oktober 2018
Die Bundeskanzlerin

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Regierenden Bürgermeister
Michael Müller

Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes (5. TKG-Änderungsgesetz - 5. TKGÄndG) mit Begründung und Vorblatt.

Federführend ist das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 23.11.18

Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes (5. TKG-Änderungsgesetz - 5. TKGÄndG)

Vom ...

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Telekommunikationsgesetzes

Dem § 77i Absatz 3 des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), das zuletzt durch Artikel 10 Absatz 12 des Gesetzes vom 30. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3618) geändert worden ist, wird folgender Satz angefügt:

"Anträge können insbesondere dann unzumutbar sein, soweit durch die zu koordinierenden Bauarbeiten ein geplantes öffentlich gefördertes Glasfasernetz, das einen diskriminierungsfreien, offenen Netzzugang zur Verfügung stellt, überbaut würde."

Artikel 2
Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Die Änderung verfolgt das Ziel, den grundsätzlich im Telekommunikationsmarkt erwünschten Infrastrukturwettbewerb effizient auszugestalten und Fehlanreize zu beseitigen.

Mit dem Ende 2016 in Kraft getretenen DigiNetzG wurden in Umsetzung der europäischen Kostensenkungsrichtlinie die Regeln zur Koordinierung von Bauarbeiten für den Breitbandausbau in das TKG eingeführt.

Danach besteht im Rahmen von öffentlich (teil-)finanzierten Bauarbeiten die Pflicht, Telekommunikationsunternehmen die Verlegung von Breitbandinfrastrukturen im Rahmen der Bauarbeiten zu ermöglichen. So sollen vor allem sektorübergreifende Synergien genutzt werden, wenn etwa bei der Verlegung von Abwasserkanälen ohnehin Tiefbauarbeiten durchgeführt werden müssen. Inzwischen wird aber vielfach ein Anspruch auf Mitverlegung von Breitbandinfrastrukturen geltend gemacht, wenn die Ausgangs-Tiefbauarbeiten ihrerseits dazu dienen, Telekommunikationsinfrastrukturen auszurollen.

Ein paralleler Ausbau von Telekommunikationsinfrastrukturen als Infrastrukturwettbewerb ist grundsätzlich erwünscht. Auch sollen grundsätzlich bei ganz oder teilweise öffentlich finanzierten Bauarbeiten mehrere Netzbetreiber sektorübergreifende Synergien heben können. Es muss jedoch sichergestellt werden, dass das Recht zur Koordinierung von Bauarbeiten nicht zu einem Investitionshemmnis des Ausbaus von Gigabitnetzen in unterversorgten Gebieten führt.

Wird eine Zuwendung zum erstmaligen Ausbau eines Glasfasernetzes in unterversorgten und für einen eigenwirtschaftlichen Ausbau durch Telekommunikationsnetzbetreiber unattraktiven Gebieten gewährt, kann eine Pflicht zur Koordinierung von Bauarbeiten zum Ausbau paralleler Telekommunikationsnetze die Wirtschaftlichkeit des geförderten Netzes im Infrastrukturwettbewerb beeinträchtigen oder sogar gefährden. Ausfälle bei Einnahmen aus direkt vermarkteten Anschlüssen können auf dem geförderten Netz dann nicht durch Einnahmen aus entsprechenden Vorleistungsprodukten für andere Telekommunikationsnetzbetreiber ausgeglichen werden.

Zudem unterliegt der Empfänger der öffentlichen Zuwendung umfangreichen Auflagen und Regelungen, während ein überbauender Telekommunikationsnetzbetreiber über die Koordinierung der Bauarbeiten letztlich an den durch öffentliche Förderung gesunkenen Baukosten und damit an dem auf diese Weise induzierten Einspareffekt anteilig partizipiert, ohne entsprechende Auflagen (z.B. einer Verpflichtung zum offenen Netzzugang) erfüllen zu müssen.

Durch den vorliegenden Entwurf werden diese Fehlanreize beim öffentlich geförderten Glasfaserausbau beseitigt.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Der Gesetzentwurf dient der effektiven Ausgestaltung des Infrastrukturwettbewerbs im Rahmen der Koordinierung von Bauarbeiten und der Beseitigung von Fehlanreizen beim öffentlich geförderten Glasfaserausbau.

Nach § 77i Absatz 3 Satz 1 muss einem Antrag auf Koordinierung von Bauarbeiten grundsätzlich stattgegeben werden, wenn dieser - neben der Erfüllung weiterer Merkmale - zumutbar ist. Satz 2 enthält besondere Merkmale, welche die Zumutbarkeit weiter ausgestalten. Der Gesetzentwurf ergänzt diese Regelungen mit einer Ausformung der Unzumutbarkeit eines Koordinierungsantrags.

So trägt die Koordination von öffentlich finanzierten Bauarbeiten weiterhin grundsätzlich dazu bei, dass sektorübergreifende Synergien für den Breitbandausbau genutzt werden. Sobald aber der Hauptzweck der ursprünglichen Baustelle in der Errichtung eines ersten Glasfasernetzes in nachweislich unterversorgten Gebieten liegt, kann die Verpflichtung zur Mitverlegung des Netzes des Wettbewerbers insgesamt zu einem Investitionshemmnis und zur wirtschaftlichen Benachteiligung des unmittelbar geförderten Telekommunikationsnetzes führen. Deshalb spricht der Regelungsentwurf explizit diesen Fall an und ermöglicht einen Überbauschutz, wenn die Koordinierung der Bauarbeiten dazu genutzt werden soll, ein bereits geplantes öffentlich gefördertes Glasfasernetz mit eigenen Telekommunikationsinfrastrukturen zu überbauen. Gleichzeitig wird der Überbauschutz nur bei Vorliegen eines offenen und diskriminierungsfreien Netzzugangs eröffnet, um den Koordinierungspetenten nicht vom Wettbewerb auszuschließen.

III. Alternativen

Keine.

IV. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich aus Artikel 73 Absatz 1 Nummer 7 zweite Variante und Artikel 87f Absatz 1 zweite Variante des Grundgesetzes.

V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Das Gesetz ist mit dem Recht der Europäischen Union, insbesondere mit den Vorgaben der Richtlinie 2014/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten des Ausbaus von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation (Kostensenkungsrichtlinie), und mit völkerrechtlichen Verträgen vereinbar.

Die vorgeschlagene Regelung setzt auf den Vorgaben des Artikels 5 Absatz 2 Satz 1 Kostensenkungsrichtlinie auf, wonach die Netzbetreiber zumutbaren Anträgen auf Baustellenkoordinierung stattzugeben haben, sofern die weiteren Bedingungen des Artikels 5 Absatz 2 Satz 2 erfüllt sind.

VI. Gesetzesfolgen

Der Gesetzentwurf stärkt die Investitionssicherheit in den geförderten Ausbau gigabitfähiger Netze, indem er das Recht auf Koordinierung von Bauarbeiten zwischen Wettbewerbern auf ein effektives und nachhaltiges Maß beschränkt. Durch die Möglichkeit eines Überbauschutzes im Rahmen von öffentlich (teil-)finanzierten Bauarbeiten von öffentlich geförderten Glasfasernetzen begünstigt er damit eine effektive und nachhaltige Verwendung öffentlicher Mittel und Ressourcen. Insgesamt wird dadurch der Ausbau von Glasfasernetzen in Deutschland und hieran anknüpfend auch die Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger am digitalen Leben und eine Angleichung der Lebensverhältnisse insgesamt gefördert.

1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung

Durch die Einfügung der Unzumutbarkeitsprüfung kann in den erfassten Fällen im Streitfall ein Verfahren bei der nationalen Streitbeilegungsstelle der Bundesnetzagentur entfallen, soweit diese Fälle nicht durch Streitbeilegungsverfahren über die Voraussetzungen der Unzumutbarkeit ersetzt werden. Insofern könnte der Gesetzentwurf zu einer Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sinne der Streitbeilegung beitragen.

2. Nachhaltigkeitsaspekte

Der Gesetzentwurf steht im Einklang mit den Zielen der Nachhaltigkeitsstrategie.

3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand

Keine. Durch die Beschränkung der Koordinierungspflichten im Rahmen von öffentlich (teil-)finanzierten Bauarbeiten zur Verlegung von öffentlich geförderten Glasfasernetzen unterstützt die Regelung die effektive und nachhaltige Verwendung der öffentlichen Haushaltsmittel.

4. Erfüllungsaufwand

4.1 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft

Durch die Klarstellung, wann ein Antrag als unzumutbar gelten kann, kann es zu einem Rückgang der Antragstellungen kommen. Sollte der antragstellende Eigentümer oder Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze schon im Vorfeld vermuten, dass der Antrag als unzumutbar eingestuft wird, wird aufgrund der geringen Aussicht auf Erfolg in einigen Fällen voraussichtlich von einer Antragstellung abgesehen. Aufgrund der ohnehin geringen jährlichen Fallzahl und der Pro-Fall-Kosten wird es jedoch voraussichtlich zu keiner nennenswerten Entlastung kommen.

Das Statistische Bundesamt wurde 2015 bereits mit der Abschätzung des Erfüllungsaufwands des DigiNetzG betraut. In dieser Schätzung wurde davon ausgegangen, dass pro Antrag ein Zeitaufwand von 310 Minuten entsteht. Bei einem durchschnittlichen Lohnsatz von 47,50 Euro pro Stunde (Wirtschaftszweig J - Information und Kommunikation), ergibt sich pro Antragstellung ein Erfüllungsaufwand in Höhe von rund 245 Euro.

Für die Schätzung des DigiNetzG wurde von jährlich 150 Anträgen auf Koordinierung ausgegangen. Es kann nicht abgeschätzt werden, um wie viel Prozent die Antragstellungen zurückgehen könnten.

4.2 Erfüllungsaufwand für die Verwaltung

Die Gesetzesänderung kann auch Auswirkungen auf die Streitbeilegungsstelle der Bundesnetzagentur haben, ist jedoch derzeit nicht quantifizierbar. Zum einen kann mit einem Rückgang der Antragstellungen nach § 77i Absatz 2 auch ein Rückgang der bei der Bundesnetzagentur zu bearbeitenden Streitfälle einhergehen. Zum anderen kann durch den neuen Versagungsgrund auch Mehraufwand entstehen, weil zu entscheiden sein wird, ob der neu geregelte Überbauschutz anwendbar ist.

Die genaue Entwicklung kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht abgeschätzt werden. Es ist möglich, dass sich die Entlastungen und die Mehrbelastungen nivellieren, sodass für die Verwaltung keine nennenswerte Erfüllungsaufwandsänderung entsteht. Andererseits kann es in der Summe auch zu einer Entlastung oder Mehrbelastung kommen. Aufgrund der geringen jährlichen Fallzahl ist anzunehmen, dass die Aufwandsänderung, falls vorhanden, nur geringfügig ausfallen wird.

5. Weitere Gesetzesfolgen

Keine.

VII. Befristung; Evaluierung

Die Ergänzung in § 77i Absatz 3 TKG erfolgt unbefristet. Eine Evaluierung wird im Zuge der regelmäßigen Anpassungen des TKG erfolgen.

B. Besonderer Teil

Die Ergänzung in § 77i Absatz 3 konkretisiert, unter welchen Bedingungen ein Antrag auf Koordinierung von Bauarbeiten nach § 77i Absatz 2 unzumutbar sein kann.

Nach § 77i Absatz 2 haben Eigentümer oder Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze das Recht, bei Eigentümern oder Betreibern öffentlicher Versorgungsnetze die Koordinierung von Bauarbeiten zu beantragen. Diesen Anträgen ist gemäß § 77i Absatz 3 Satz 1 dann zu transparenten und diskriminierungsfreien Bedingungen stattzugeben, wenn die Eigentümer oder Betreiber der öffentlichen Versorgungsnetze die ganz oder teilweise aus öffentlichen Mitteln finanzierten Bauarbeiten direkt oder indirekt ausführen.

Dieser Anspruch auf Koordinierung von Bauarbeiten unterliegt gesetzlichen Beschränkungen. Zum einen kann der Koordinierungsantrag gemäß § 77i Absatz 5 ganz oder teilweise abgelehnt werden, soweit von dem Antrag Teile einer kritischen Infrastruktur, insbesondere deren Informationstechnik, betroffen sind, die nachweislich besonders schutzbedürftig und für die Funktionsfähigkeit der kritischen Infrastruktur maßgeblich sind (Nummer 1), und der Betreiber des öffentlichen Versorgungsnetzes zur Koordinierung der Bauarbeiten unverhältnismäßige Maßnahmen ergreifen müsste, um die ihm durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes auferlegten Schutzpflichten zu erfüllen (Nummer 2). Zum anderen ist nach § 77i Absatz 3 Satz 1 nur zumutbaren Anträgen stattzugeben. Bislang wird der unbestimmte Rechtsbegriff der Zumutbarkeit in § 77i Absatz 3 Satz 2 dahingehend konkretisiert, in welchen Fällen insbesondere von einer Zumutbarkeit auszugehen ist.

Das Recht auf die Koordinierung von Bauarbeiten ist bald nach Inkrafttreten des Digi-NetzG auf praktische Schwierigkeiten gestoßen. Diese Schwierigkeiten betreffen die Frage, inwieweit das Recht auf Baustellenkoordinierung dazu genutzt werden darf, eigene Telekommunikationsinfrastrukturen parallel zu der mit den entsprechenden Bauarbeiten zu verlegenden öffentlich geförderten Telekommunikationsinfrastruktur zu verlegen.

Erfolgt in einem Gebiet ausweislich eines erfolgten Markterkundungsverfahrens kein Breitbandausbau auf privatwirtschaftlicher Basis, können Bund und Länder den Breitbandausbau fördern. Wird der Ausbau eines Netzes gefördert, sind die Bauarbeiten zum Ausbau des Netzes im Sinne des § 77i Absatz 3 öffentlich (teil-)finanziert. Somit entsteht die Situation, dass der Anspruch auf die Koordinierung von Bauarbeiten auch gegen die Betreiber von Telekommunikationsinfrastruktur - und damit gegen Wettbewerber der Koordinierungspetenten - geltend gemacht werden kann.

In der Praxis war bereits auch die als nationale Streitbeilegungsstelle eingerichtete Beschlusskammer der Bundesnetzagentur mit Fällen befasst, in denen im Rahmen des Ausbaus von Telekommunikationsnetzen Anträge auf Koordinierung von Bauarbeiten zum parallelen Ausbau des eigenen Netzes gestellt wurden.

Ein solches Szenario hat zur Folge, dass der geförderte Ausbau der erstausbauenden Infrastrukturbetreiber droht, unrentabel zu werden. Aggregiert man eine gegebene Fördersumme mit den geplanten Einnahmen aus den Endkundenverträgen, reduzieren sich aus Sicht des erstausbauenden Betreibers wegen Wegbrechens bzw. Wechsels der Anschlüsse auf den zweiten Betreiber die geplanten Einnahmen, so dass das Projekt insgesamt unrentabel wird. Somit entsteht nicht nur für ausbauende Netzbetreiber und Investoren ein ernsthaftes Hemmnis für den weiteren Ausbau von Glasfasernetzen. Auch die Kommunen könnten von weiteren Ausbauprojekten abgeschreckt werden, wenn sie befürchten müssten, wegen der drohenden Koordinierung keinen Betreiber für den Erstausbau zu finden. Denn der parallele Ausbau von Glasfasernetzen ist im Regelfall ökonomisch nicht effizient und erfolgt im Einzelfall aus rein (unternehmens-)strategischen Erwägungen. Dies gilt umso mehr, als es in Fördergebieten um solche Gebiete geht, in denen ausweislich des erfolgten Markterkundungsverfahrens kein Telekommunikationsnetzbetreiber eigenwirtschaftlich ausbaut. Erfolgt der nachfolgende Ausbau entgegen vorheriger Bekundungen im Rahmen des Markterkundungsverfahrens und damit aus rein strategischen Gründen und ermöglicht das geplante Glasfasernetz einen offenen Netzzugang für Wettbewerber, handelt es sich um eine Entwicklung, die vom europäischen Gesetzgeber in der Kostensenkungsrichtlinie nicht gewollt ist. Diese Entwicklung steht zudem in diametralem Gegensatz zu den Zielen des Koalitionsvertrages. Vor diesem Hintergrund bedarf es einer Korrektur und Klarstellung in Form der neuen Unzumutbarkeitsprüfung.

Die Regelung der Unzumutbarkeit ist beschränkt auf den Überbauschutz von Glasfasernetzen und unterstützt damit das Ziel des Koalitionsvertrages, den Netzinfrastrukturwechsel zur Glasfaser konsequent zu vollziehen. Glasfasernetze in diesem Sinne sind solche Glasfaserinfrastrukturen, die mindestens dem Ausbau von FttB- oder FttH-Netzen dienen.

Die Feststellung der Unzumutbarkeit erfolgt im Streitfall im Verwaltungsakt, den die als Streitbeilegungsstelle angerufene Bundesnetzagentur erlässt (§§ 77n Absatz 5 Satz 1 und § 132 Absatz 2 Satz 2 TKG), und erfordert eine Ermessensausübung, bei der alle Umstände des Einzelfalls sachgerecht einbezogen werden müssen.

Öffentlich gefördert ist ein geplantes Glasfasernetz ab dem Moment, in dem für den Bau des Netzes ein Zuwendungsbescheid bekanntgegeben wurde oder einem vorzeitigen Maßnahmenbeginn zugestimmt wurde. Dabei ist es nicht von Belang, ob die öffentliche Förderung durch den Bund, ein Land oder eine Kommune erfolgt. Das Vorliegen des Zuwendungsbescheides oder der Zustimmung zum vorzeitigen Maßnahmenbeginn ist jedoch erforderlich. Erst ab dem Vorliegen des Zuwendungsbescheides oder der entsprechenden Zustimmungserklärung darf der Zuwendungsempfänger tätig werden und ist eine Koordinierung von Bauarbeiten auch überhaupt erst möglich. Weiterhin gibt das Vorliegen eines Zuwendungsbescheides oder der Zustimmungserklärung als Voraussetzung genügend Rechtssicherheit für die zeitliche Anwendung der Unzumutbarkeitsprüfung. Werden die entsprechenden Strecken allerdings nicht durch Fördermittel, sondern auf anderem Wege (beispielsweise mittels Anliegerbeiträgen) finanziert, liegt keine öffentliche Förderung vor.

Öffentlich gefördert werden können auch rein privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen, an denen die öffentliche Hand beteiligt ist. So legt beispielsweise der Leitfaden zur Umsetzung der Richtlinie "Förderung zur Unterstützung des Breitbandausbaus in der Bundesrepublik Deutschland" (Förderrichtlinie) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 22.10.2015 - Version 6 v. 14.7.2017- in Punkt 4.3 fest, dass es bei der Frage der Begünstigung nicht auf die Eigentumsverhältnisse ankommt, so dass an geförderten Unternehmen auch kommunale Anteilseigner beteiligt sein können. Die Bauarbeiten zum Ausbau von Glasfasernetzen sind also nicht schon bereits aufgrund der Unternehmensbeteiligung der öffentlichen Hand am Telekommunikationsnetzbetreiber ganz oder teilweise aus öffentlichen Mitteln finanziert. Diese Telekommunikationsnetzbetreiber unterliegen daher nicht per se der Pflicht zur Koordinierung von Bauarbeiten. Von diesem Fall ist jedoch ein Ausbau von anderen Versorgungsnetzen als Telekommunikationsnetzen durch einen privatwirtschaftlich organisierten Netzbetreiber in öffentlicher Hand zu unterscheiden, soweit die Bauarbeiten der Ausfüllung eines öffentlichen Zwecks dienen. Insgesamt stellen bei Nichtvorliegen der Koordinierungspflicht die strikte Befolgung und Verankerung des Privatwirtschaftlichkeitsgebots im Rahmen privatwirtschaftlicher kommunaler Ausbautätigkeit und bei Vorliegen einer Koordinierungspflicht die Vorgaben zum diskriminierungsfreien und offenen Netzzugang als Voraussetzung der Unzumutbarkeit sicher, dass keine monopolähnlichen Gebietsstrukturen entstehen.

Die Angabe, dass die Koordinierung den Überbau eines geplanten Glasfasernetzes bewirken würde, ist erforderlich, da "Überbau" gemäß der Definition in § 3 Nummer 27a nur die "nachträgliche Dopplung von Telekommunikationsinfrastrukturen durch parallele Errichtung" ist. Das Netz, das in Gefahr steht, mittels der Koordinierung von Bauarbeiten überbaut zu werden, existiert aber noch nicht.

Der Überbau nach der Definition in § 3 Nummer 27a erfordert weiterhin, dass mit der parallelen Errichtung dasselbe Versorgungsgebiet erschlossen werden soll. Entscheidend ist hier nach Sinn und Zweck des Schutzes vor Überbau, dass mit dem mittels der Koordinierung zu verlegenden Netzes dieselben Endkundenanschlüsse versorgt werden sollen. Denn unrentabel wird der Ausbau durch den Umstand, dass dieselben Endkunden vom parallel errichteten Netz versorgt werden sollen und damit nicht mehr Erlöse beim erstausbauenden Betreiber generieren. Das bedeutet, dass bei Teilschnittmengen der Endkunden die nationale Streitbeilegungskammer im Einzelfall anhand der Quantität der Überschneidung und der Beeinträchtigung des Geschäftsmodells des Erstverlegenden entscheiden muss, ob der Überbauschutz angemessen ist. Sollen jedoch nachweislich andere Endkunden angebunden werden, greift die Überbaueinrede nicht. Diese Erwägungen folgen aus der Formulierung, dass die Koordinierung dann unzumutbar sein kann, soweit es sich um einen Überbau eines Glasfasernetzes handelt. Der Überbauschutz setzt wie der Versagungsgrund des § 77g Absatz 2 Nummer 7 weiterhin voraus, dass das geplante Glasfasernetz einen diskriminierungsfreien, offenen Netzzugang zur Verfügung stellt. In den Fällen eines geförderten Glasfasernetzes besteht ein diesem Kriterium entsprechender offener Netzzugang bereits aufgrund der zuwendungsrechtlichen Vorgaben. Die Eröffnung einer Unzumutbarkeitsprüfung als Ausnahme vom gesetzlichen Regelfall des Rechts auf Koordinierung der Bauarbeiten bedarf jedoch auch im Einzelfall zum einen der technischen Möglichkeit der Nutzung des offenen Netzzuganges als auch der Festsetzung eines diskriminierungsfreien, angemessenen und fairen Entgelts für den offenen Netzzugang. Beides unterliegt im Streitfall der Überprüfung durch die nationale Streitbeilegungsstelle.

Die freiwillige Gewährung der Koordinierung von Bauarbeiten bleibt weiterhin möglich. Dies stellt einen zusätzlichen Anreiz für Investitionen in offene Glasfasernetze dar.