Antrag der Länder Rheinland-Pfalz, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein, Thüringen
Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG)
Punkt 2 der 830. Sitzung des Bundesrates am 16. Februar 2007
Der Bundesrat möge zu dem Gesetz folgende Entschließung fassen:
I. Der Bundesrat stellt fest:
1. Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung soll sichergestellt werden, dass auch in Zukunft das Gesundheitswesen leistungsfähig, solidarisch und finanzierbar bleibt. Der mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz eingeleitete Weg wird hinsichtlich der
- Erweiterung der Wahl- und Entscheidungsmöglichkeiten der Versicherten,
- der Intensivierung des Wettbewerbs um Qualität und Wirtschaftlichkeit sowohl zwischen den Kassen als auch den Leistungserbringern und
- der Verbesserung der Transparenz von Angeboten, Leistungen und Abrechnungen
fortgesetzt.
2. Durch die Einführung einer Pflicht zur Versicherung wird erreicht, dass künftig niemand in Deutschland ohne Krankenversicherungsschutz ist. Krankheit soll nicht zu einem Armutsrisiko werden. Dies ist ein entscheidender Beitrag zur Stärkung der sozialen Sicherheit.
3. Dort, wo es medizinisch notwendig ist, werden Leistungen zielgerichtet ausgebaut, z.B. bei der palliativmedizinischen Versorgung von Schwerstkranken, bei der häuslichen Krankenpflege für Pflegebedürftige und Behinderte sowie bei der Rehabilitation.
4. Mit der Einführung eines Gesundheitsfonds sowie durch die vielfältigen neuen Vertragsfreiheiten der Kassen für besondere Versorgungsformen, z.B. integrierte Versorgung, Hausarzttarife, sowie zusätzliche Wahltarife können die Kassen den Versicherten bessere und zielgenauere Versorgungsangebote machen und zugleich ihre Ausgabenstrukturen verbessern.
5. Mit der Einführung des Gesundheitsfonds ab 2009 wird das Finanzierungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung auf eine vollkommen neue Basis gestellt. Alle Krankenkassen bekommen aus dem Gesundheitsfonds die gleichen Mittelzuweisungen, die durch risikoadjustierte Risikozu- und -abschläge ergänzt werden. Die zahlreichen Gutachten, die in den letzten Monaten vorgelegt wurden, lassen eine gewisse Vorhersage der Auswirkungen des Gesundheitsfonds zu. Insoweit ist zu befürworten, dass mit der im Gesetz vorgesehenen Übergangsregelung (Konvergenzphase) die Auswirkungen für die Partner im Gesundheitswesen insbesondere die ambulant tätigen Ärztinnen und Ärzte vor Ort begrenzt und kalkulierbar werden. Zudem wird begrüßt, dass die Bundesregierung noch vor Inkrafttreten des Fonds ein Gutachten über dessen Auswirkungen erstellen wird. Hier ist ebenso wie bei der Rechtsverordnung zur Festlegung der Übergangsregelungen zur Einführung des Gesundheitsfonds die Beteiligung der Länder zwingend erforderlich.
6. Mit der schrittweisen Erhöhung der Zahlungen des Bundes an die gesetzlichen Krankenkassen werden Weichen für eine gerechtere und beschäftigungsfreundliche Finanzierung gesamtgesellschaftlicher Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung gestellt.
7. Sparbeiträge einzelner Leistungsbereiche wurden nach Forderungen des Bundesrates auf ein vertretbares Maß reduziert. Damit wurde ein sinnvoller Kompromiss zwischen den notwendigen Einsparzielen und den Belastungen der Leistungserbringer gefunden. Die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Gesundheitsleistungen bleibt gewährleistet.
8. Mit dem Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung wird die Budgetierung der ärztlichen Honorare beendet und ab dem 1. Januar 2009 eine neue vereinfachte Vertragsgebührenordnung eingeführt. Durch diese sollen auch die bestehenden Verwerfungen zwischen den Vergütungen in den alten und neuen Ländern, sofern diese nicht auf regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur beruhen, ausgeglichen werden. Die Ausgabensteigerung aufgrund erhöhter Krankheitshäufigkeit der Versicherten (Morbiditätsrisiko) wird auf die Kassen verlagert. Zentrales Ziel der neuen Vertragsgebührenordnung ist die leistungsgerechte Vergütung ärztlicher Leistungen. Um die Unterversorgung insbesondere in den neuen Ländern auch schon vor Einführung einer neuen ärztlichen Vergütung wirksam abzubauen, können zwischen den Kassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen Sicherstellungszuschläge in unterversorgten Regionen oder Gebieten mit drohender Unterversorgung in erforderlicher Höhe zu Lasten der Kassen vereinbart werden.
9. Das Gesundheitssystem wird auf allen Ebenen neu strukturiert, wettbewerblicher ausgerichtet und transparenter gestaltet. So werden die Vertragsfreiheiten der gesetzlichen Kassen, aber auch der Leistungserbringer im Bereich der besonderen Versorgungsformen, der Integrationsversorgung und der hausarztzentrierten Versorgung erweitert. Daneben wird der Wettbewerb bei den Hilfsmitteln durch die Möglichkeit zur Ausschreibung und im Bereich der Arzneimittelversorgung durch Verbesserung der Rahmenbedingungen für Preisverhandlungen zwischen pharmazeutischen Unternehmen und Kassen intensiviert. Die Einführung einer Kosten-Nutzen-Bewertung soll Anreize zur Entwicklung innovativer Medikamente setzen.
10. Künftig erhalten Versicherte der privaten Krankenversicherung mehr Wahlmöglichkeiten als bisher. Die Alterungsrückstellungen in der privaten Krankenversicherung glätten den Anstieg der individuellen Prämiensteigerungen eines Versicherten im Lebensverlauf. Dass Versicherte die von ihnen aufgebaute und finanzierte Altersrückstellung bei Kündigung und Wechsel des Unternehmens bisher nicht mitnehmen konnten, hat den Wettbewerb in der privaten Krankenversicherung stark eingeschränkt.
11. Nach dem Wortlaut des § 116b SGB V erfolgt die Zulassung eines Krankenhauses zur Erbringung der in der Vorschrift genannten ambulanten Leistungen durch die Länder unter Berücksichtigung der vertragsärztlichen Versorgungssituation. Die Krankenhäuser erhalten so neue Handlungsspielräume bei der ambulanten Erbringung hochspezialisierter Leistungen. Sie werden im Bereich der Prüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen von unnötiger Bürokratie entlastet.
II. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf,
1. die mit den Umstrukturierungen verbundenen Auswirkungen vor allem auf die medizinische Versorgung und den Bereich der Ermessens- und Satzungsleistungen der Krankenkassen sorgfältig zu beobachten und zu analysieren;
2. die Entwicklung der Krankenhausversorgung im Hinblick auf die Kostenbelastungen der Krankenhäuser zu beobachten und zu analysieren und gegebenenfalls im Rahmen der geplanten Neuordnung des ordnungspolitischen Rahmens ab 2009 gemeinsam mit den Ländern geeignete Schritte zur Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen und zugleich effizienten Versorgung auch in der Zukunft zu unternehmen;
3. im Rahmen der weiteren Überlegungen zur Zukunft der Krankenhausversorgung zusätzliche Belastungen der Krankenhäuser zu vermeiden, die die Versorgung der Bevölkerung gefährden könnte;
4. Erkenntnisse über die Praktikabilität der Regelungen beim Entlassmanagement, insbesondere an der Schnittstelle von Krankenhaus und Pflege, zügig auszuwerten, damit gegebene Umsetzungsprobleme noch im Rahmen der Reform der sozialen Pflegeversicherung gelöst werden können;
5. achtzehn Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung über die Erfahrungen der Spitzenverbände der Krankenkassen bei der Festsetzung der Erstattungshöchstbeträge und die Auswirkungen auf die pharmazeutischen Unternehmen zu berichten;
6. zu prüfen, wie die neue Regelung über die Weiterverwendung von Betäubungsmitteln in Hospizen und Altersheimen (§ 5b Abs. 4 BtMVV) auf die Leistungserbringer der spezialisierten ambulanten Palliativversorgung (§ 37b Abs. 1 SGB V) ausgedehnt werden kann. Dabei sind die Sicherheit des Betäubungsmittelverkehrs, die Qualität der Betäubungsmittel hinsichtlich ihrer Lagerung und Verwendung sowie die medizinischen Grundsätze der Betäubungsmittelverschreibung zu gewährleisten;
7. die Auswirkungen der Regelung zur Teilnahme an den Gesundheits- und Früherkennungsuntersuchungen sorgfältig zu beobachten und unter Berücksichtigung der Erkenntnisse, soweit erforderlich, weitere Maßnahmen zur Effektivierung und Effizienz dieser Maßnahmen einzuleiten;
8. für den Fall, dass der Bewertungsausschuss der Verpflichtung, mit Wirkung zum 1. April 2007 die belegärztlichen Leistungen neu zu bewerten, nicht nachkommt, bis zum 1. Juli 2007 eine gesetzliche Regelung zur angemessenen Vergütung belegärztlicher Leistungen im DRG-System einzubringen;
9. die Situation in der vertragsärztlichen Versorgung sorgfältig zu beobachten und zu prüfen, ob über die beschlossenen Maßnahmen im Vertragsarztrechtsänderungsgesetz und im GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz hinaus und gegebenenfalls bereits vor der Einführung des neuen Vergütungssystems weitere Schritte zur Erhöhung der Attraktivität des Arztberufes und zur Vermeidung einer drohenden Unterversorgung erforderlich sind, sowie bis zum 31. Dezember 2009 zu prüfen, ob die nicht gerechtfertigten Unterschiede in der vertragsärztlichen Vergütung zwischen den neuen und den alten Ländern ausgeglichen sind, um gegebenenfalls gesetzgeberisch einzugreifen;
10. die Finanzperspektive der landwirtschaftlichen Krankenversicherung zu prüfen, deren gesamtgesellschaftliche Aufgaben im Zusammenhang mit der Bewältigung des Strukturwandels in der Landwirtschaft bei der Frage der stärkeren Steuerfinanzierung besonderer Beachtung bedürfen;
11. die Wirkungen der mit der schrittweisen Einführung der Portabilität der Alterungsrückstellungen im Umfang des neuen Basistarifs verbundenen Ausweitung der Wahl- und Wechselmöglichkeiten der privat Krankenversicherten nach einem angemessenen Zeitraum zu evaluieren;
12. sofern notwendig, gemeinsam mit den Ländern durch geeignete flankierende Maßnahmen sicherzustellen, dass die primär in der Verantwortung der Krankenkassen liegende solidarische Entschuldung aller Krankenkassen durch die jeweilige Kassenart bis zur Einführung des Gesundheitsfonds gewährleistet wird;
13. das in § 171b SGB V vorgesehene Gesetz zur näheren Regelung der Insolvenzfähigkeit aller Krankenkassen sowie zu dem damit verbundenen Entfallen der Haftung der Länder nach der Insolvenzordnung spätestens zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesundheitsfonds und den weiteren damit in Zusammenhang stehenden Regelungen wie die solidarische Finanzierung der Altersrückstellungen für die DO-Angestellten der Kassen in enger Abstimmung mit den Ländern zu erarbeiten und bis zum 31. Dezember 2007 vorzulegen. Dieses Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates. Es ist hierbei sicherzustellen, dass bei der Herstellung der Insolvenzfähigkeit der Belastungsfähigkeit einzelner Krankenkassen Rechnung getragen wird;
14. konsequent nachzusteuern, wenn sich zeigt, dass einzelne Regelungen des GKV-WSG nicht ihre erwartete Wirkung entfalten oder die Akteure im Gesundheitswesen Umsetzungsprobleme in der Praxis auf die gesetzlichen Vorgaben zurückführen können, zum Beispiel bei der Überwindung von Schnittstellen zwischen den Sektoren, im Bereich der Organisationsreform oder bei Wettbewerb gestaltenden Regelungen.