912. Sitzung des Bundesrates am 5. Juli 2013
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV), der Rechtsausschuss und (R) der Verkehrsausschuss (Vk) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
Zum Verordnungsvorschlag allgemein
- 1. Der Bundesrat unterstützt das Ziel der Kommission, eine bessere Durchsetzung der Fluggastrechte zu erreichen, indem zum einen wesentliche Grundsätze und implizite Rechte geklärt werden, die in der Vergangenheit Anlass für zahlreiche Streitigkeiten zwischen Luftfahrtunternehmen und Fluggästen waren, und zum anderen die Durchsetzungsmaßnahmen auf nationaler Ebene verstärkt und besser koordiniert werden.
- 2. Der Bundesrat begrüßt daher die Initiative der Kommission, eine europaweit einheitliche Auslegung der EU-Vorschriften über Passagierrechte und ihre einheitliche und wirksame Durchsetzung sicherzustellen und damit einen europäischen Schutzstandard für die Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.
- 3. Der Bundesrat unterstützt das Bestreben der Kommission, Lücken und Unklarheiten der bestehenden Regelungen über die Rechte von Fluggästen bei Nichtbeförderung, Annullierung und großer Verspätung zu beseitigen. [Rechtstechnische Verbesserungen, die zu mehr Rechtsklarheit führen, liegen im Interesse der Verbraucherinnen und Verbraucher und entlasten die Gerichte.]
- 4. Der Bundesrat stellt jedoch nach Einbeziehung der gerichtlichen Praxis fest, dass der Verordnungsvorschlag in einigen Punkten geändert werden müsste, damit das Ziel der Kommission, die Beseitigung von Lücken und Unklarheiten der geltenden europäischen Regelungen, erreicht wird. Einige Regelungen sind unklar formuliert, andere wirken sich offensichtlich zum Nachteil der Fluggäste aus. Dem Ziel, durch geänderte Formulierungen Auslegungsprobleme zu vermeiden und Rechtssicherheit zu schaffen, wird der Kommissionsvorschlag noch nicht in allen Punkten gerecht.
- 5. Der Bundesrat hält daher einige Klarstellungen und Änderungen für erforderlich.
- 6. Die vorgeschlagenen Regelungen müssen außerdem im Sinne einer Stärkung der Rechte von Verbraucherinnen und Verbraucher verbessert werden.
- 7. Der Bundesrat lehnt jede Absenkung des Verbraucherschutzniveaus gegenüber der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (EG-Fluggastrechteverordnung) und der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 vom 9. Oktober 1997 (ABl. L 285 vom 17. Oktober 1997, S. 1; geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 889/2002 vom 13. Mai 2002, ABl. L 140 vom 30. Mai 2002, S. 2) ab.
- 8. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich für eine Überarbeitung folgender Regelungen einzusetzen:
- 9. Aus Sicht des Bundesrates sollte die Änderung der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 dazu genutzt werden, Beförderungsverträge über Flugreisen mit Ausgangsflughafen in der EU vollständig in den Anwendungsbereich der Verordnung einzubeziehen und damit unabhängig vom Sitz des jeweils ausführenden Luftfahrtunternehmens auch Störungen zu erfassen, die sich bei einem Anschlussflug zwischen einem außerhalb der Union gelegenen Umsteigeflughafen und dem Endziel ergeben können. Der Verordnungsvorschlag der Kommission schließt mit der in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e zu Artikel 2 Buchstabe n der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vorgeschlagenen Definition des Begriffs "Flug" die Anwendbarkeit der Verordnung und damit einen effektiven Schutz der Fluggäste aus, wenn es bei einem Anschlussflug zwischen einem Umsteigeflughafen außerhalb der EU und dem Endziel zur Annullierung oder zu erheblichen Verspätungen kommt und das den Anschlussflug ausführende Luftfahrtunternehmen nicht in der EU ansässig ist oder das Endziel außerhalb der Union liegt. Dieser Ausschluss von Fluggastrechten wird zumindest dann als nicht angemessen angesehen, wenn es sich um einen einheitlichen Beförderungsvertrag handelt, bei dem entweder beide Flüge von demselben Luftfahrtunternehmen ausgeführt werden oder die beteiligten Luftfahrtunternehmen zum Beispiel im Rahmen des sogenannten Code-Sharing miteinander kooperieren.
- 10. Die Zahl der Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der EG-Fluggastrechteverordnung hat zugenommen. Die wesentlichen Streitpunkte dieser Verfahren sind Klagen auf Ausgleichszahlungen nach Artikel 7 der Verordnung bei Flugverspätungen von mehr als 3 Stunden. Selbst nach der EuGH-Entscheidung vom 23. Oktober 2012 gibt es noch immer Fluggesellschaften, die Ausgleichszahlungen wegen Verspätungen grundsätzlich ablehnen. Der Bundesrat begrüßt, dass die Verordnung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH reformiert und im Interesse der Rechtssicherheit und Streitvermeidung ein in der Verordnung geregelter Ausgleichsanspruch für große Verspätungen geschaffen werden soll. Allerdings ist der vorgeschlagene Artikel 6 Absatz 2 der EG-Fluggastrechteverordnung, der auf Artikel 7 verweist, zu kompliziert ausgestaltet. Die Differenzierungen nach Absatz 2 Buchstaben a bis c überzeugen nicht. Hier sollte eine klarere und stringentere Lösung gefunden werden.
- 11. Die Vorschrift normiert einen Ausgleichsanspruch für Fluggäste, die von großen Verspätungen betroffen sind. Hintergrund dieser Neuregelung ist das Urteil des EuGH in zwei verbundenen Rechtssachen (EuGH, Urteil vom 19. November 2009 - C-402/07, C-432/07). Darin legte der EuGH Artikel 5, 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 dahingehend aus, dass Fluggäste verspäteter Flüge im Hinblick auf die Anwendung des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden und somit einen Ausgleichsanspruch geltend machen können, wenn sie wegen eines verspäteten Fluges einen Zeitverlust von drei Stunden oder mehr haben. Die Neuregelung sieht allerdings vor, dass für alle Reisen innerhalb der EU die einen Ausgleichsanspruch begründende Verspätungsdauer von drei auf fünf Stunden erhöht wird. Zur Begründung wird angeführt, dass so Flugannullierungen vermieden werden könnten, die den Fluggästen in der Regel größere Unannehmlichkeiten bereiten würden. Auch zählt die Regelung zu den Maßnahmen, durch die diejenigen Aspekte der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 abgemildert werden sollen, die den Luftfahrtunternehmen die größten Kosten verursachen.
In seinem Urteil hat der EuGH darauf abgestellt, dass sich die Situation der Fluggäste verspäteter Flüge kaum von derjenigen der Fluggäste annullierter Flüge, die entsprechend Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer iii der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 anderweitig befördert werden und denen die Annullierung des Fluges erst beim Eintreffen auf dem Flugplatz mitgeteilt werden kann, unterscheidet. Eine unterschiedliche Behandlung dieser beiden Fluggastgruppen könne offensichtlich durch keine objektive Erwägung gerechtfertigt werden. Da die von den Fluggästen im Fall einer Annullierung und einer Verspätung erlittenen Schäden einander entsprächen, könnten die Fluggäste verspäteter Flüge und die annullierter Flüge nicht unterschiedlich behandelt werden, ohne dass gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen würde.
Angesichts dieser Rechtsprechung begegnet die vorgeschlagene Neuregelung erheblichen Bedenken. Denn der Verordnungsvorschlag belässt es bei der bisherigen Regelung der Ausgleichsansprüche von Fluggästen, deren Flug annulliert wurde, und insbesondere bei der Regelung des Artikels 5 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer iii der Verordnung (EG) Nr. 261/2004, auf die der EuGH in seinem zitierten Urteil maßgeblich abgestellt hat. Die vorgeschlagene Neuregelung führt also zu einer Ungleichbehandlung der Fluggäste annullierter Flüge, die anderweitig befördert werden und denen die Annullierung des Fluges erst beim Eintreffen auf dem Flugplatz mitgeteilt werden kann, und der Fluggäste, deren Flugzeug eine Verspätung von drei bis fünf Stunden hat. Nach der Entscheidung des EuGH kann eine solche unterschiedliche Behandlung jedoch durch keine objektive Erwägung gerechtfertigt werden und verstößt gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Im Übrigen dürfte auch nicht die Befürchtung der Kommission zutreffen, dass es andernfalls zu Flugannullierungen kommen würde, die nicht im Interesse der Fluggäste sein dürften. Denn bei den Flugannullierungen sind die Luftfahrtunternehmen, insbesondere in den Fällen des Artikels 5 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer iii der Verordnung (EG) Nr. 261/2004, zu Ausgleichszahlungen verpflichtet, die sie finanziell als besonders belastend darstellen. Sie dürften also schon im eigenen Interesse Flüge nicht vorschnell annullieren.
- 12. Fluggäste müssen vollständig informiert werden, wenn es bei gebuchten Flügen zu Störungen kommt. Dazu gehört auch eine Information über den Grund der Annullierung, Verspätung oder Nichtbeförderung, damit die Fluggäste besser beu teilen können, ob ein "außergewöhnlicher Umstand" vorliegt, auf den sich das Luftfahrtunternehmen später unter Umständen beruft. Anderweitige Beförderungsmöglichkeiten zum Zielort müssen klar kommuniziert werden. Es darf nicht bei der für das Luftfahrtunternehmen kostengünstigeren Hotelunterbringung bis zum nächsten planmäßigen Flug desselben Unternehmens bleiben, wenn ein wesentlich früherer Weiterflug mit einer anderen Fluggesellschaft angeboten werden könnte.
Artikel 14 Absatz 5 ist insoweit unzureichend. Bei einem sanktionsbewehrten Anspruch auf vollständige Informationen könnten Verbraucherinnen und Verbraucher auch die Chancen und Risiken einer Klage besser einschätzen, was letztlich die Gerichte entlasten würde.
- 13. Fluggästen sollte auf dem Rückflug die Beförderung nicht deshalb verweigert werden dürfen, weil sie den Hinflug nicht angetreten haben. Sie sollten Flüge abweichend von der gebuchten Flugabfolge in Anspruch nehmen können. Erwägungsgrund 7, die Ausführungen der Kommission unter 3.3.1.1 der Begründung und Artikel 4 Absatz 4 in Verbindung mit Absatz 3 Satz 2 enthalten insoweit widersprüchliche Aussagen. Das in Erwägungsgrund 7 dargestellte, verbraucherschützende Regelungsziel kommt in Artikel 4 nicht hinreichend klar zum Ausdruck und droht überdies, durch AGB-Klauseln unterlaufen zu werden. Das ist aus Sicht des Bundesrates nicht akzeptabel.
- 14. Der Bundesrat stellt fest, dass folgende Änderungen der EG-Fluggastrechteverordnung eine Verschlechterung der Rechtsposition von Fluggästen darstellen:
Anders als nach dem derzeit geltenden Wortlaut soll ein Fluggast, der bei Nichtbeförderung eine "anderweitige Beförderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt" wählt, Unterstützungsleistungen gemäß Artikel 9 erst dann erhalten, wenn die Abflugzeit mindestens zwei Stunden nach der ursprünglichen Abflugzeit liegt (Änderung des Artikels 4 Absatz 3).
Auf der Grundlage des geltenden Rechts und der Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urteil vom 19. November 2009, Az.: C-402/07, C-432/07; EuGH, Urteil vom 23. Oktober 2012, Az.: C-581/10, C-629/10) steht Fluggästen ab einer Verspätung von drei Stunden wie bei der Annullierung ein finanzieller Ausgleich zu. Nach dem Kommissionsvorschlag soll dem Fluggast ein Ausgleichsanspruch (pauschale Ausgleichszahlung) gemäß Artikel 7 Absatz 1 künftig erst zustehen, wenn sich der Flug um mindestens fünf Stunden verspätet. Abhängig von der Entfernung des Endziels kann sogar eine Verspätung von bis zu zwölf Stunden erforderlich sein, damit der Ausgleichsanspruch besteht (Artikel 6 Absatz 1 und Absatz 2 in der vorgeschlagenen Neufassung).
Während es bislang keine Obergrenze für die zu übernehmenden Kosten der Hotelunterbringung gibt, muss das Luftfahrtunternehmen nach dem Kommissionsvorschlag bei Annullierung oder erheblicher Flugverspätung die Kosten für die unter bestimmten Voraussetzungen geschuldete Hotelunterbringung nur noch bis 100 Euro übernehmen (Artikel 9 Absatz 4 in der vorgeschlagenen Neufassung).
- 15. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass keine Beschränkung der Unterbringungspflicht gemäß Artikel 1 Absatz 9 Buchstabe b in Artikel 9 Absatz 5 erfolgen sollte. Auch bei einer Flugentfernung unter 250 km und einer kleinen Kapazität des Luftfahrtzeugs bedarf es einer Betreuungsleistung für die Fluggäste, wenn zum Beispiel ein nächtlicher Aufenthalt erforderlich wird. Eine Begründung für die Beschränkung in Bezug auf die räumliche Nähe und die Größe des Flugzeugs ist aus Verbrauchersicht nicht zu erkennen.
- 16. Befremdlich erscheint auch, dass die Pflicht zur Hotelunterbringung gemäß dem vorgeschlagenen Artikel 9 Absatz 5 von der Flugzeuggröße abhängen soll, denn auf die Größe des eingesetzten Flugzeugs hat der Fluggast keinen Einfluss.
Detailanmerkungen zu den Änderungen der Verordnung (EG) Nr. 261/2004:
- 17. Das Verhältnis von Ansprüchen nach der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zu Ansprüchen nach dem Pauschalreiserecht erscheint noch klärungsbedürftig.
- 18. Der Bundesrat hält eine Klarstellung in Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe c zu Artikel 3 Absatz 6 für erforderlich, dass der Ausschluss einer Kumulierung von Ansprüchen aus der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 und der Richtlinie 90/314/EWG den Fluggast nicht daran hindert, zur Wahrung seiner Rechte und mit Blick auf die mögliche Insolvenz eines Anspruchsgegners seine Forderungen wegen einer Annullierung oder Verspätung der Flugreise nebeneinander gegen das Luftfahrtunternehmen und den Reiseveranstalter geltend zu machen.
- 19. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission in Artikel 1 Absatz 5 eine ausdrückliche Regelung über Ausgleichszahlungen bei großen Verspätungen vorschlägt.
- 20. Im vorgeschlagenen Artikel 6 Absatz 2 soll für den Ausgleichsanspruch des Fluggasts bei großen Verspätungen auf Artikel 7 verwiesen werden, dessen bisheriger Absatz 1 nur marginal verändert wird.
Artikel 6 Absatz 2 Buchstaben a bis c legen jedoch andere Verspätungszeiträume und Entfernungen fest als Artikel 7. Zudem scheint außer Acht gelassen worden zu sein, dass Flüge von mehr als 6 000 km auch als Flüge innerhalb der EU angesehen werden müssen, wenn sie beispielsweise französische Departments in Übersee betreffen. Diese Konstellation scheint von Artikel 6 Absatz 2 nicht erfasst zu sein.
- 21. Der Bundesrat beobachtet die Absenkung des Verbraucherschutzniveaus gegenüber der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 und der Verordnung (EG) Nr. 2027/97, insbesondere die Erhöhung der Verspätungsdauer für den Anspruch der Fluggäste auf Entschädigung von 3 auf 5 Stunden, mit großer Sorge. Die Notwendigkeit einer Staffelung der Entschädigungszeiten in drei Zonen erscheint ebenfalls nicht zielführend.
- 22. Er hält die vorgesehenen zeitlichen Schwellen von fünf, neun und zwölf Stunden für zu hoch.
- 23. Die vorgeschlagene Regelung bleibt hinter der Rechtsprechung des EuGH zurück, der Fluggästen bereits ab einer Verspätung von drei Stunden Ausgleichsansprüche zubilligt. Gerade bei kürzeren Flugstrecken und termingebundenen Flugreisen zu beruflichen Zwecken kann bereits eine zwei- bis dreistündige Verspätung zu erheblichen Schäden des Fluggastes führen und den Wert der Reiseleistung in einem Maße mindern, dass ein finanzieller Ausgleich nach Artikel 7 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 geboten ist. Die von der Kommission vorgeschlagenen Schwellenwerte bilden für die Luftfahrtunternehmen außerdem keinen Anreiz, ihre Leistungen zu verbessern.
- 24. Der Bundesrat fordert daher die Beibehaltung der Entschädigung bei einer Verspätung von drei Stunden bei Kurz- und Mittelstrecken sowie innerhalb der EU.
- 25. Der Bundesrat erkennt auch einen Anpassungsbedarf insbesondere bei Flügen nach bzw. aus Drittländern sowie Langstrecken mit einer Entfernung von über 3 500 km an und schlägt eine Erhöhung der Verspätungszeit in diesen Fällen auf sechs Stunden vor.
- 26. Daher sollte der Artikel 1 Absatz 5 zu Artikel 6 Absatz 2 (Verspätungen und Entschädigung) nach Auffassung des Bundesrates dahingehend geändert werden, dass die Fluggäste gegenüber dem ausführenden Luftfahrtunternehmen einen Ausgleichsanspruch gemäß Artikel 7 haben, wenn sie ihr Endziel
- - bei allen Reisen innerhalb der EU sowie Reisen nach/aus Drittländern über eine Entfernung bis 3 500 km nicht früher als drei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit erreichen;
- - bei Reisen nach/aus Drittländern über eine Entfernung über 3 500 km nicht früher als sechs Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit erreichen.
- 27. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die in Artikel 1 Absatz 5 zu Artikel 6 Absatz 1 Ziffer iii vorgesehene Schwelle einer fünfstündigen Verspätung für das Recht des Fluggastes, vom Vertrag gemäß Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zurückzutreten, vor allem bei kürzeren Flugstrecken zu hoch angesetzt ist. Der Fluggast muss bereits bei einer absehbaren Verspätung von zwei oder drei Stunden die Möglichkeit haben, ohne finanziellen Schaden eine alternative Beförderung zu wählen und vom Vertrag zurückzutreten. Außerdem sollten dem Fluggast bei großen Verspätungen alle Unterstützungsleistungen nach Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 einschließlich des Rechts auf anderweitige Beförderung zum Zielort gewährt werden. Die Beschränkung auf das Rücktrittsrecht nach Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 261/2004, wie im Verordnungsvorschlag vorgesehen, ist nicht interessengerecht.
- 28. Im Rahmen des Artikels 1 Absatz 5 ist für die Frage, ob Fluggästen gegenüber dem ausführenden Luftfahrtunternehmen bei großen Verspätungen ein Ausgleichsanspruch zusteht, auf den Endzielort und nicht auf den Abflugort abzustellen. Danach müsste eine Fluggesellschaft, die ihre Passagiere am Endziel verspätet aussteigen lässt, eine Ausgleichszahlung auch dann vornehmen, wenn die Fluggäste von einem anderen vertraglich eingebundenen Luftfahrtunternehmen bereits mit Verspätung zum Umsteigepunkt transportiert wurden. Dies könnte die praktische Durchführung so genannter Interline-Abkommen zwischen Luftfahrtunternehmen gefährden, weil diese grundsätzlich bestrebt sind, das Risiko der Einbringbarkeit etwaiger Regressforderungen gegen einen Vertragspartner zu vermeiden. Ob allerdings die Regelung des Artikels 1 Absatz 5 in solchen Fällen Anwendung findet, ist angesichts der weiteren Regelung des Artikels 1 Absatz 6, wonach der Fluggast bei einem verpassten Anschlussflug einen Ausgleichsanspruch gegen das Luftfahrtunternehmen des Zubringerfluges haben soll, nicht klar festgelegt.
- 29. Häufig wird von Luftfahrtunternehmen gegen die Inanspruchnahme durch den Fluggast eingewandt, eine Verspätung oder Annullierung beruhe auf "außergewöhnlichen Umständen" im Sinne der Verordnung. Anhang 1, in dem die in Artikel 2 Buchstabe m enthaltene Begriffsbestimmung der "außergewöhnlichen Umstände" anhand von Beispielen konkretisiert werden soll, überzeugt indes nicht. Die Liste enthält teilweise widersprüchliche Formulierungen. Generell lässt die Formulierung des Anhangs 1 offen, ob es sich um Regelbeispiele handelt (wofür die Bezeichnung als "nicht erschöpfende Liste" sprechen könnte) oder um einen Katalog bindender Tatbestandsmerkmale, bei deren Vorliegen stets von außergewöhnlichen Umständen auszugehen ist (dafür dürfte das Wort "sind" sprechen). Daher sind neue Auslegungsprobleme zu erwarten. Die Bestimmung des Begriffs "außergewöhnliche Umstände" ist im Übrigen schon durch die bisherige Rechtsprechung hinreichend konkretisiert. Die Erweiterung der Liste durch die Kommission erscheint bedenklich.
- 30. Die Wertung der in Anhang 1 Absatz 1 Ziffer ii angesprochenen "technischen Probleme" als "außergewöhnliche Umstände" wird absehbar zu Auslegungsschwierigkeiten führen. Jedenfalls dieser Punkt sollte gestrichen und die Gesamtkonzeption überarbeitet werden.
- 31. Die in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e enthaltene Definition der "außergewöhnliche[n] Umstände" bringt nicht die erforderliche Klarheit. Nach der im Anhang aufgeführten Liste sollen insbesondere technische Probleme nur dann als außergewöhnliche Umstände akzeptiert werden, wenn sie nicht Teil des normalen Luftfahrzeugbetriebs sind. Dadurch entstehen erhebliche Auslegungsunsicherheiten. Aus Sicht des Bundesrates ist eine Klarstellung erforderlich.
- 32. Der Bundesrat befürchtet, dass die in Anhang 1 Absatz 1 Ziffer ii und Absatz 2 Ziffer i vorgeschlagene Abgrenzung zwischen als außergewöhnlich anzusehenden und nicht als außergewöhnlich anzusehenden technischen Problemen nicht die erforderliche Klarheit bringt und auch nicht immer zu einer interessengerechten Risikoverteilung führt.
- 33. Bei Absatz 1 Ziffer ii und Absatz 2 Ziffer i stellt sich die Frage, ob jeder Fehler während eines Fluges als "außergewöhnlicher Umstand" anzusehen ist oder ob zwischen technischen Fehlern, die noch während des Rollvorgangs bemerkt werden, und während des Fluges in der Luft auftretenden Fehlern unterschieden werden muss.
- 34. Das Luftfahrtunternehmen hat dafür zu sorgen, dass sich die eingesetzten Luftfahrzeuge in einem einwandfreien Zustand befinden. Daher kann es keine Rolle spielen, ob ein technischer Mangel bei einer routinemäßigen Kontrolle oder während des Fluges festgestellt wird.
- 35. Die Rechtsfolgen einer Nichteinhaltung der neuen Dreimonatsfrist für Beschwerden eines Fluggasts gegen Luftfahrtunternehmen (Artikel 16a Absatz 2 in der vorgeschlagenen Neufassung) sind unklar. Die Erwähnung von Forderungen und Beschwerden in der Artikelüberschrift und in Absatz 1 lassen Zweifel aufkommen, ob die Geltendmachung von Ansprüchen ebenfalls unter Absatz 2 fällt mit der Folge, dass nicht innerhalb von drei Monaten im Wege einer "Beschwerde" geltend gemachte Ansprüche verfallen.
Aufgrund der vorgeschlagenen Formulierungen liegt die Auslegung nahe, dass auch künftig keine einheitlichen Fristen für die Durchsetzung von Ansprüchen gelten werden. Offen bleibt, ob für den Anwendungsbereich der Verordnung eine analoge Anwendung der in Artikel 35 Absatz 1 des Montrealer Übereinkommens verankerten Ausschlussfristen in Betracht kommt. Eine europaweit einheitliche Ausschlussfrist von zwei Jahren für die Geltendmachung von Ansprüchen oder für die Erhebung von Klagen wie beim Montrealer Übereinkommen hätte den Vorteil, dass Probleme eines Fluges sich zeitnah klären ließen, die Beweisaufnahme im Interesse aller Beteiligten erleichtert würde und die Fluggäste sich leicht Klarheit darüber verschaffen könnten, in welchen Zeiträumen sie ihre Ansprüche gerichtlich geltend machen müssen. Die Frist müsste an objektiv überprüfbare Kriterien, beispielsweise die Daten des betroffenen Fluges, anknüpfen. Verstünde man hingegen die Dreimonatsfrist des neuen Artikels 16a Absatz 2 als Ausschlussfrist für die gerichtliche Geltendmachung, wäre diese Frist deutlich zu kurz.
Die Einführung einer einheitlichen, für Rechtssicherheit sorgenden objektiven Verjährungsfrist für Ansprüche nach der EG-Fluggastrechteverordnung erscheint auch angesichts der positiven Erfahrungen mit § 651g BGB und mit den Regelungen für Bahnreisende gerechtfertigt.
- 36. Der vorgeschlagene neue Artikel 4 Absatz 4 der EG-Fluggastrechteverordnung (Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe b des Verordnungsvorschlags) ist unklar formuliert. Das in Erwägungsgrund 7 des Verordnungsvorschlags mitgeteilte Regelungsziel, dass Fluggästen auf dem Rückflug die Beförderung nicht deshalb verweigert werden darf, weil sie den Hinflug nicht angetreten haben, kommt im Wortlaut der Regelung nicht klar zum Ausdruck. Zudem stehen Erwägungsgrund 7 die relativierenden Ausführungen der Kommission unter 3.3.1.1. der Begründung gegenüber. Dort ist nur von einem "Teilverbot der 'NoShow'-Politik" die Rede.
- 37. Fluggästen sollte auf dem Rückflug die Beförderung nicht deshalb verweigert werden dürfen, weil sie den Hinflug nicht angetreten haben. Sie sollten Flüge abweichend von der gebuchten Flugabfolge in Anspruch nehmen können. Diese Praxis wird bislang von Fluglinien unter Hinweis auf ihre Geschäftsbedingungen und Kalkulationsgrundlagen abgelehnt. Erwägungsgrund 7 verbietet diese Praxis nicht eindeutig. Nach der Verweisung von Artikel 4 Absatz 4 auf Absatz 3 Satz 2 erscheint denkbar, ist aber nicht zu akzeptieren, dass Luftfahrtunternehmen einen Fluggast, der den Hinflug - aus welchen Gründen auch immer - nicht genutzt hat, gegen seinen Willen und entschädigungslos auf einen bis zu zwei Stunden späteren Rückflug umbuchen.
Artikel 4 Absatz 4 der EG-Fluggastrechteverordnung muss deshalb neu formuliert und sorgfältig mit Erwägungsgrund 7 abgestimmt werden.
Die "entsprechende Anwendung" der Absätze 1 bis 3 des Artikels 4 der EG-Fluggastrechteverordnung bei Nichtinanspruchnahme des Hinflugs erscheint nicht sinnvoll. Die Auslegung könnte ergeben, dass Fluggästen bei Nichtinanspruchnahme eines Hinflugs die Teilnahme am Rückflug selbst dann verweigert werden kann, wenn noch Plätze im Flugzeug frei sind. Die "entsprechende Anwendung" der für die Überbuchung konzipierten Regelungen könnte außerdem bedeuten, dass das Luftfahrtunternehmen den Fluggast auch bei Nichtinanspruchnahme des Hinflugs zum "freiwilligen" Verzicht auf den Rückflug bewegen darf und dafür lediglich eine nicht näher definierte Gegenleistung sowie die Unterstützungsleistung nach Artikel 8 anbieten muss. Weigert sich der Fluggast, dieses Angebot anzunehmen und "freiwillig" auf den Rückflug zu verzichten, könnte aus der entsprechenden Anwendung des Absatzes 2 folgen, dass das Luftfahrtunternehmen dem Fluggast den Rückflug verweigern darf. Überdies könnte die entsprechende Anwendung des Absatzes 3 bedeuten, dass der Fluggast für den bezahlten, aber verweigerten Rückflug im Wesentlichen nur die in Artikel 7 Absatz 1 genannte Ausgleichszahlung erhält. Es ist zu befürchten, dass Luftfahrtunternehmen die zumindest unklare Rechtsposition des Fluggasts bei Nichtinanspruchnahme des Hinflugs ausnutzen werden. Die Regelung wird zu zahlreichen neuen Streitigkeiten führen.
Unter 3.3.1.1. der Begründung führt die Kommission aus, dass es Luftfahrtunternehmen nach wie vor gestattet sein soll, für die "Flugabfolge" besondere Regeln festzulegen. Das in Erwägungsgrund 7 dargestellte, verbraucherschützende Regelungsziel droht daher durch AGB-Klauseln unterlaufen zu werden.
- 38. Die geplante Neufassung des Artikels 6 der EG-Fluggastrechteverordnung könnte bei Buchung mehrerer Flüge in zeitlicher Abfolge bei unterschiedlichen Luftfahrtunternehmen über einen Dritten (Reiseveranstalter) zu Problemen führen, wenn eine geringe Verspätung eines Fluges eine "Große Verspätung" der Reise auslöst und die Reise- und Flughafenumstiegszeiten vertraglich schlecht aufeinander abgestimmt sind.
- 39. Der vorgeschlagene Artikel 6a der EG-Fluggastrechteverordnung lässt offen, ob die Rechtsfolgen auch dann gelten, wenn ein Flug wegen Annullierung eines vorausgegangenen Fluges versäumt wird. Falls die Begriffe "Flugplanänderung" und "Annullierung" gleichzuse zen sind, sollte das klargestellt werden.
- 40. Der Bundesrat bittet, die Aufnahme einer Regelung in die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 zu prüfen, die dem Fluggast allgemein bei wesentlichen Flugplanänderungen ein Rücktrittsrecht gewährt. Die in Artikel 1 Absatz 5 zu Artikel 6 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vorgeschlagene Regelung betrifft lediglich den Fall einer Flugplanänderung, die zu einer verspäteten Ankunft führt. Allerdings kann auch eine Vorverlegung der Abflugzeit für den Fluggast mit erheblichen Unannehmlichkeiten und beispielsweise im Falle einer dadurch notwendig werdenden Übernachtung mit finanziellen Nachteilen verbunden sein. Außerdem sollte das Rücktrittsrecht unabhängig davon bestehen, innerhalb welcher Frist das Luftfahrtunternehmen einseitig den Flugplan ändert.
- 41. Der Bundesrat hält die in Artikel 1 Absatz 5 zu Artikel 6 Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 vorgesehene zeitliche Schwelle von fünf Stunden, ab der das Luftfahrtunternehmen bei Verzögerungen auf der Rollbahn den Fluggästen ein Aussteigen aus dem Flugzeug ermöglichen muss, für unzumutbar. Insbesondere bei kürzeren Flügen sollte die Höchstdauer nicht mehr als zwei bis drei Stunden betragen.
- 42. Beim geänderten Artikel 7 Abs. 1 der EG-Fluggastrechteverordnung ist klarzustellen, ob der Begriff "Endziel" sich nunmehr auf das endgültige Ziel der Reise oder das Ziel eines Einzelflugs innerhalb der "Reise" bezieht.
- 43. Der neugefasste Artikel 7 Absatz 5 der EG-Fluggastrechteverordnung, der einen vertraglichen Verzicht auf Ausgleichsansprüche zulässt, widerspricht Artikel 15 der EG-Fluggastrechteverordnung. Das Wort "freiwillig" vor "Vereinbarung" erscheint verfehlt, denn Vereinbarungen, die unter Zwang geschlossen werden, sind nicht ohne weiteres wirksam.
- 44. Fluggäste können eine anderweitige Beförderung mit einem anderen Luftfahrtunternehmen oder einem anderen Verkehrsträger nach Artikel 1 Absatz 8 verlangen, wobei das andere Luftfahrtunternehmen oder das andere Verkehrsunternehmen dem vertraglichen Luftfahrtunternehmen keinen höheren Preis in Rechnung stellen darf als den von ihren eigenen Passagieren in den vorangegangenen drei Monaten für vergleichbare Dienste gezahlten Durchschnittspreis. Dabei bliebe der ursprünglich vereinbarte Flugticketpreis jedoch unberücksichtigt, so dass erhebliche zusätzliche und ggf. unverhältnismäßige Kosten für das vertragliche Luftfahrtunternehmen entstehen können.
- 45. Der Bundesrat sieht die Gefahr, dass das bei Annullierung vorgesehene Recht auf anderweitige Beförderung zum Endziel leerläuft, wenn gemäß dem Vorschlag in Artikel 1 Absatz 8 zu Artikel 8 Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 der Anspruch unter dem Vorbehalt steht, dass das Luftfahrtunternehmen nicht in der Lage ist, den Fluggast innerhalb von zwölf Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit an das Endziel zu bringen. Die Schwelle von zwölf Stunden ist insbesondere bei kürzeren Flugstrecken zu hoch angesetzt, um dem Interesse des Fluggastes gerecht zu werden, seinen Zielort so schnell wie möglich zu erreichen. Der Fluggast muss bei einem Ausfall des planmäßigen Fluges zumindest bei kürzeren Flügen bereits bei einer absehbaren Verspätung von zwei oder drei Stunden die grundsätzliche Möglichkeit haben, ohne finanzielle Nachteile auf einen anderen Anbieter oder ein anderes Verkehrsmittel wie beispielsweise die Bahn umzusteigen.
- 46. Der Bundesrat begrüßt die gemäß Artikel 1 Absatz 11 in Artikel 11 Absatz 3 vorgesehenen Ausnahmen von den Beschränkungen in Artikel 9 Absatz 4 und 5 für Personen mit eingeschränkter Mobilität, ihre Begleitpersonen, Kinder ohne Begleitung, Schwangere oder Personen mit speziellen medizinischen Bedürfnissen. Allerdings wird die als notwendig vorgesehene Unterrichtung über die speziellen Bedürfnisse 48 Stunden vor dem planmäßigen Abflug zu weiteren Auslegungsproblemen und praktischen Schwierigkeiten führen. Es ist zum einen nicht klar, wie die Unterrichtung erfolgen und wie die Beweislast verteilt sein soll. Zum anderen wäre es unzumutbar, wenn die genannten Personenkreise ohne weitergehende Betreuungsleistungen auskommen müssten, wenn (angeblich) keine Unterrichtung stattgefunden hat. Der Bundesrat ist daher der Auffassung, dass diese Unterrichtungspflicht als Voraussetzung für den Anspruch gestrichen werden sollte.
- 47. Die geplante Änderung der Fluggastrechteverordnung sollte zum Anlass genommen werden, auch Artikel 12 Absatz 1 Satz 2 der Verordnung klarer zu formulieren. Insbesondere die Formulierung, wonach eine Ausgleichsleistung auf weitergehende Schadensersatzansprüche angerechnet werden "kann", sollte eindeutig gefasst werden. Des Weiteren bedarf nach wie vor der Klarstellung, ob Schadensersatzleistungen auf Ausgleichsleistungen angerechnet werden.
- 48. Die gemäß Artikel 1 Absatz 13 in Artikel 14 Absatz 5 vorgesehene Informationspflicht ist nach Auffassung des Bundesrates nicht verbraucherfreundlich ausgestaltet und sollte überdacht werden. Es ist für Fluggäste unverständlich, wenn sie erst 30 Minuten nach der planmäßigen Abflugzeit über die Lage informiert werden. Für die Luftfahrtunternehmen ist es zumutbar und umsetzbar, die Fluggäste bereits 30 Minuten vor der geplanten Abflugzeit zu informieren. Zudem darf diese Information nicht, wie im Vorschlag vorgesehen, an das Vorhandensein der Kontaktinformationen des Fluggastes gebunden sein. Es ist fraglich, was für Informationspflichten in den Fällen bestehen, in denen die Fluggäste einer Übermittlung der Daten nach Artikel 14 Absatz 6 nicht zugestimmt haben und ob Informationen kurz vor der geplanten Abflugzeit den Fluggast nicht eher erreichen, wenn diese am Abflugort/-steig verbreitet werden anstatt über die Kontakte des Fluggastes.
- 49. Ein wichtiger Aspekt sollte die Herstellung von größerer Akzeptanz der Regelungen sein, um Streit zu vermeiden und die Bereitschaft der Parteien zu außergerichtlichen Kompromissen zu erhöhen. Die Akzeptanz könnte dadurch erhöht werden, dass sich die verschuldensunabhängig zu leistende Ausgleichszahlung für Flugverspätungen am gezahlten Flugpreis als Obergrenze orientiert. Dem Fluggast bliebe unbenommen, bei vom Luftfahrtunternehmen verschuldeten Leistungsstörungen weitergehende vertragliche Schadensersatzansprüche geltend zu machen.
- 50. Der Bundesrat hält die in Artikel 1 Absatz 14 und 15 zu Artikel 16 bzw. 16a getroffenen konkreten Festlegungen zur Durchsetzung der Fluggastrechte und zur außergerichtlichen Streitbeilegung für sinnvoll und zielführend. [Allerdings sollte beim neugefassten Artikel 16 der EG-Fluggastrechteverordnung klargestellt werden, ob und wie die "Durchsetzungsstelle" in Konkurrenz zu den Zivilgerichten tritt und welcher verwaltungs- oder ordnungsstrafrechtlichen Natur die Maßnahmen sind, die sie ergreifen darf.]
- 51. Dem Verordnungsvorschlag ist nicht zu entnehmen, welche Übergangs- oder Rückwirkungsregelungen gelten sollen. Flüge, die kurz vor oder kurz nach dem Inkrafttreten stattfinden werden, ziehen nach Artikel 3 unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich. Wegen der im Vergleich zur heutigen Rechtslage geringeren Ausgleichszahlungen sind Auslegungs- und Anwendungsprobleme zu erwarten.
- 52. Die neue Definition des "Luftfahrtunternehmens" in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe a ist im Hinblick auf "verbundene Luftfahrtunternehmen" klarstellungsbedürftig.
- 53. Es erscheint zwar sinnvoll, zu regeln, wann ein Flug beginnt oder endet. Allerdings dürften die in Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe e unter Buchstaben u, v und w vorgesehenen Definitionen im Widerspruch zur Entscheidung des EuGH vom 9. Juli 2009 (C-204/8, Randnummer 40) stehen. Eine Klarstellung in den Erwägungsgründen, inwieweit die Gerichte auf die Entscheidung noch zurückgreifen können oder müssen, wäre hilfreich.
- 54. Manche Luftfahrtunternehmen ersetzen gebuchte Flüge teilweise durch Bahnfahrten. Die Neufassung des Artikels 3 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 (Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe b des Kommissionsvorschlags) lässt offen, ob mit einem Eisenbahnunternehmen durchgeführte Teile eines Fluges zusätzlich zu Entschädigungen nach der Eisenbahnverordnung führen können und ob und in welcher Weise solche Entschädigungsansprüche nach Artikel 12 der Verordnung angerechnet werden müssen.
Detailanmerkungen zu den Änderungen der Verordnung (EG) Nr. 2027/97:
- 55. Zur Änderung des Artikels 6e Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 2027/97 ist anzumerken, dass die Erforderlichkeit eines Rechtsanspruchs auf Transport von Musikinstrumenten als Kabinengepäck sich nicht erschließt (Ziffer 3.3.3. der Begründung und Erwägungsgrund 29 seien insoweit unergiebig) und die Regelung unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zusätzliche Fragen aufwirft. Wenn beispielsweise einem Fluggast die Mitnahme eines Musikinstruments, eines vergleichbaren Gutes oder eines Tiers und damit die Beförderung als solche verweigert wird, könnte sich die Frage nach der Anwendbarkeit des Artikels 4 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 stellen.
Direktzuleitung an die Kommission
- 56. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.