A. Problem und Ziel
Aktuell zeigt sich, dass die Anwendung der AVV auf HBCD-haltige Wärmedämmstoffe zu erheblichen Problemen bei der Entsorgung führt, insbesondere bei kleinen und mittelständischen Bau-, Abbruch- und Dachdeckerbetrieben. Durch die Änderung der Verordnung soll eine "eins zu eins" Übernahme der Vorgaben für die Einstufung von HBCD entsprechend des Beschlusses (2014/955/EU) der Kommission vom 18. Dezember 2014 erfolgen, um ein rechtssicheres, bundeseinheitliches Vorgehen zur Entsorgung von HBCDhaltigen Abfällen zu gewährleisten.
B. Lösung
Mit der Änderung wird der in Nummer 2.2.3 der Anlage zu § 2 Absatz 1 der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) enthaltene dynamische Verweis auf die POP-Verordnung um eine Ausnahmeregelung für Hexabromcyclododekan (HBCD/HBCDD) ergänzt.
C. Alternativen
Die Länder müssten individuelle Lösungen finden, um eine rechtssichere Entsorgung von HBCD-haltigen Abfällen zu gewährleisten.
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Bund und Ländern entstehen durch die Verordnung keine zusätzlichen Haushaltsausgaben.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für die Bürgerinnen und Bürger
Bürgerinnen und Bürgern entsteht durch die Verordnung kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Für die Wirtschaft wird der Erfüllungsaufwand voraussichtlich sinken, u.a., da die Kosten für die Entsorgung bei HBCD-haltigen Abfällen voraussichtlich zurückgehen werden, wenn diese nicht mehr als "gefährliche Abfälle" eingestuft sind.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Für die Verwaltung des Bundes und der Länder entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.
F. Weitere Kosten
Weitere Kosten oder Auswirkungen auf Einzelpreise oder das Verbraucherpreisniveau entstehen nicht.
Verordnungsantrag des Saarlandes
Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Verordnung über das Europäische Abfallverzeichnis (Abfallverzeichnis-Verordnung - AVV)
Die Ministerpräsidentin des Saarlandes
Saarbrücken, 9. Dezember 2016
An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Malu Dreyer
Sehr geehrte Frau Bundesratspräsidentin,
die Regierung des Saarlandes hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Verordnung über das Europäische Abfallverzeichnis (Abfallverzeichnis-Verordnung - AVV) mit dem Antrag zu übermitteln, die Vorlage für den Erlass einer Rechtsverordnung gemäß Artikel 80 Absatz 3 des Grundgesetzes der Bundesregierung zuzuleiten und zugleich zu beschließen, dass der Beschluss über die Zuleitung der Vorlage die Zustimmung des Bundesrates zum unmittelbaren Erlass einer solchen Rechtsverordnung gemäß Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes umfasst.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 952. Sitzung des Bundesrates am 16. Dezember 2016 mit dem Ziel der sofortigen Sachentscheidung zu setzen.
Mit freundlichen Grüßen
Annegret Kramp-Karrenbauer
Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Verordnung über das Europäische Abfallverzeichnis (Abfallverzeichnis-Verordnung - AVV) 1
Vom ...
Auf Grund des § 48 Satz 2 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes vom 24. Februar 2012 (BGBl. I S. 212), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 4. April 2016 (BGBl. I S. 569) geändert worden ist, verordnet die Bundesregierung nach Anhörung der beteiligten Kreise:
Artikel 1
Nummer 2.2.3 der Anlage zu § 2 Absatz 1 der Abfallverzeichnis-Verordnung vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3379), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 4. März 2016 (BGBl. I S. 382) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:
"2.2.3 Abfälle, bei denen mindestens eine der in Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 850/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über persistente organische Schadstoffe und zur Änderung der Richtlinie 79/117/EWG (ABl. L 158 vom 30. April 2004, S. 7), die zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 2016/460 der Kommission vom 30. März 2016 (ABl. L 80 vom 31. März 2016, S. 17) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung genannten Konzentrationsgrenzen für persistente organische Schadstoffe, mit Ausnahme von Hexabromcyclododekan, erreicht oder überschritten ist, werden als gefährlich eingestuft."
Artikel 2
Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Der Bundesrat hat zugestimmt.
Berlin, den 1) Diese Verordnung dient der Umsetzung der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Abfälle und zur Aufhebung bestimmter Richtlinien (ABl. L 312 vom 22.11.2008, S. 3; L 127 vom 26.5.2009, S. 24), die durch die Verordnung (EU) Nr. 1357/2014 vom 18. Dezember 2014 (ABl. L 365 vom 19.12.2014, S. 89) zur Ersetzung von Anhang III der Richtlinie 2008/98/EG geändert worden ist, und der Umsetzung des Beschlusses der Kommission vom 18. Dezember 2014 (ABl. L 370 vom 30.12.2014, S. 44) zur Änderung der Entscheidung 2000/532/EG über ein Abfallverzeichnis gemäß der Richtlinie 2008/98/EG des Europäischen Parlaments und des Rates.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
Aktuell zeigt sich, dass die Anwendung der AVV auf HBCD-haltige Wärmedämmstoffe zu erheblichen Problemen bei der Entsorgung führt, insbesondere bei kleinen und mittelständischen Bau-, Abbruch- und Dachdeckerbetrieben. Durch die Änderung der Verordnung soll eine "eins zu eins" Übernahme der Vorgaben für die Einstufung von HBCD entsprechend des Beschlusses (2014/955/EU) der Kommission vom 18. Dezember 2014 erfolgen, um ein rechtssicheres, bundeseinheitliches Vorgehen zur Entsorgung von HBCD-haltigen Abfällen zu gewährleisten.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1
Mit der Änderung wird der in Nummer 2.2.3 der Anlage zu § 2 Absatz 1 der Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) enthaltene dynamische Verweis auf die POP-Verordnung um eine Ausnahmeregelung für Hexabromcyclododekan (HBCD/HBCDD) ergänzt. Insoweit erfolgt eine "eins zu eins" Übernahme der Vorgaben für die Einstufung von HBCD entsprechend des Beschlusses (2014/955/EU) der Kommission vom 18. Dezember 2014.
Durch die europäische Verordnung (EG) Nr. 850/2004 über persistente organische Schadstoffe (EU-POP-Verordnung) werden Abfälle, die persistente organische Schadstoffe (POP) oberhalb bestimmter Konzentrationsgrenzen enthalten, besonderen Abfallbewirtschaftungsvorgaben unterworfen. D.h. für ihre Entsorgung sind, um eine dauerhafte Zerstörung der POP zu gewährleisten, nur eine beschränkte Auswahl von Entsorgungswegen zugelassen. Mit der Novelle der AVV sind solche Abfälle als "gefährliche Abfälle" einzustufen. Hintergrund dieser gegenüber den EU-rechtlichen Vorgaben schärferen Regelung war die Überlegung, dass nur dadurch die Überwachung der Regelungen zur Abfallbewirtschaftung sichergestellt werden kann.
Seit den 70er Jahren wurde Wärmedämmplatten aus Polystyrol (Styropor) HBCD als additives Flammschutzmittel zugesetzt. Im Mai 2013 wurde HBCD aufgrund seiner zwischenzeitlich identifizierten toxischen Eigenschaften in das Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe aufgenommen. Von HBCD-haltigen Dämmplatten, die fachgerecht in Gebäuden verbaut sind, gehen nach heutigem Kenntnisstand aber keine gesundheitlichen Gefahren aus.
Die im Stockholmer Übereinkommen gelisteten Verbindungen müssen in die EU-POPVerordnung übernommen werden. Auf europäischer Ebene werden Grenzwerte festgelegt, um diese POP aus dem Wertstoffkreislauf durch Zerstörung auszuschleusen. Im Bereich der Behandlung und Entsorgung POP-haltiger Abfälle gilt insbesondere Artikel 7 i.V.m. Anhang IV der EU-POP-VO. Hiernach sind Abfälle, deren POP-Gehalt größer oder gleich dem Grenzwert in Anhang IV ist, so zu beseitigen oder zu verwerten, dass der POP-Gehalt zerstört oder unumkehrbar umgewandelt wird2. In diesem Anhang wurde für HBCD dieser Grenzwert auf 1.000 mg/kg mit qualifizierter Mehrheit im Komitologieverfahren festgelegt. Dieser Grenzwert ist seit dem 30. September 2016 rechtswirksam.
Aktuell zeigt sich, dass die Anwendung dieser Regelung der AVV auf HBCD-haltige Wärmedämmstoffe für die Entsorgung eines solchen Massenabfalls zu erheblichen Problemen, insbesondere bei kleinen und mittelständischen Bau-, Abbruch- und Dachdeckerbetrieben führt. Für die bisher als nicht gefährlich eingestuften Abfälle brechen etablierte Entsorgungswege weg. Die Entwicklung neuer Wege ist nach Einschätzung aller Experten und der betroffenen Wirtschaft unkalkulierbar zeitaufwändig, beispielsweise weil Anlagenzulassungen in einem Genehmigungsverfahren nach Bundesimmissionsschutzrecht erweitert werden müssen. Die Regelung, mit der Deutschland über die Vorgaben der EU-POP-Verordnung hinausgeht, hat im Laufe des Monats Oktober zu erheblichen Entsorgungsschwierigkeiten von Abfällen geführt. Die Situation konzentriert sich dabei auf (potentiell) das Flammschutzmittel HBCD (Hexabromcyclododekan) enthaltende Dämmstoffe aus Polystyrol (dazu gehört auch der Markenname "Styropor").
Da HBCD organoleptisch nicht festzustellen ist und die verbauten Altbestände in der Regel auch keine Herstellerstempel oder Farbkennzeichnungen aufweisen, bleibt bei den erzeugten Abfällen, die Polystyrol umfassen, der Nachweis einer HBCD-Freiheit vielfach aus. Die gesamte Abfallmenge ist dann grundsätzlich als gefährlich anzusehen. Diese Situation wird - ohne Ergänzung des dynamischen Rechtsverweises - auch in den kommenden Jahren Bestand behalten und neben Privatpersonen und Unternehmen auch die Länder, Kreise und Städte finanziell betreffen.
In Teilen Deutschlands konnte mindestens im Oktober 2016 von einem Entsorgungsnotstand für die betroffenen Abfälle gesprochen werden. Diesem
Bei diesen Regelungen handelt es sich im Kern um Ausnahmen vom Vermischungsverbot für gefährliche Abfälle nach § 9 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG). Im Ergebnis können gemischte Bauabfälle mit einem geringen Anteil (potentiell) HBCD-haltiger-Dämmstoffe als nicht gefährliche Abfälle in dafür genehmigten Anlagen entsorgt werden. Ein Großteil von in 2 Dies ist bei Wärmedämmplatten nur durch energetische Verwertung in Müllverbrennungsanlagen (MVA) möglich.
der Praxis auftretenden Konstellationen ist mit diesen Regelungen aber noch nicht erfasst und konfrontiert derzeit speziell das Handwerk mit erheblichen Problemen.
Zusätzlich wird die eingetretene Situation, die bereits zusätzliche Kosten für die Durchführung des abfallrechtlichen Nachweisverfahrens zur Folge hat, durch teilweise unverhältnismäßige und ungerechtfertigte Preissteigerungen bei den Abfallentsorgern verschärft. Derzeit wird diese Preissteigerung den im Baubereich tätigen Handwerkern aufgelastet. Letztlich werden die Preise aber auf die einzelnen Abfallerzeuger rückwirken, also zum Großteil die einzelnen Bürgerinnen und Bürger.
Qualitativ hat sich bei den betroffenen Abfällen seit dem 30. September 2016 jedoch nichts geändert:
Nach wie vor ist die Verbrennung HBCD-haltiger Abfälle (auch EU-rechtlich) der richtige Entsorgungsweg. Diese kann durchaus in Hausmüllverbrennungsanlagen erfolgen. Auch vor dem Stichtag gelangte ein Großteil dieser Abfälle in die Verbrennung und wurde dort umweltgerecht entsorgt.
Aufgrund der festzustellenden unverhältnismäßigen Auswirkungen einer gegenüber dem EU-Recht uneingeschränkt verschärften Umsetzung, wird daher die bisherige Regelung um eine Ausnahmeregelung für HBCD ergänzt und insoweit diesbezüglich "eins zu eins" entsprechend der Anforderungen gemäß dem Beschluss der Kommission 2014/955/EU ersetzt. Diese Regelung führt insgesamt im Rahmen des Erfüllungsaufwandes zu einer deutlichen Entlastung von Bürgerinnen und Bürgern, der Verwaltung und insbesondere bei der Wirtschaft.
Zu Artikel 2
Ein Inkrafttreten der Verordnung zum frühestmöglichen Zeitpunkt ist erforderlich, um die sichere und ordnungsgemäße Entsorgung insbesondere von HBCD-haltigen Wärmedämmplatten zu gewährleisten