Der Bundesrat hat in seiner 879. Sitzung am 11. Februar 2011 die aus der Anlage ersichtliche Entschließung gefasst.
Anlage
Entschließung des Bundesrates zur Änderung des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes
Der Bundesrat möge beschließen:
- 1. Der Bundesrat nimmt mit Sorge zur Kenntnis, dass trotz intensiver Bemühungen der Länder und der Wasserversorger zur Sensibilisierung der Schifffahrt weiterhin an einigen Rheinmessstationen Schadstoffwellen festgestellt werden, die von den Fachbehörden auf Einträge aus der Schifffahrt zurückgeführt werden. Stoffeinträge, die z.B. durch die Entgasung von Tankschiffen und die Einleitung von Waschwässern aus Ladetanks und -räumen und verunreinigtem Ballastwasser von Schiffen verursacht werden, können neben ökologischen Problemen im Rhein und anderen schiffbaren Gewässern auch zu Problemen bei der Trinkwasseraufbereitung führen.
- 2. Die Verursacher können in der Regel nicht mehr festgestellt werden, da die Daten über die Schiffsbewegung nach derzeitiger Rechtslage von den Wasser- und Schifffahrtsämtern im Melde- und Informationssystem Binnenschifffahrt (MIB) unmittelbar nach Aufgabenerledigung, d.h. wenige Stunden nachdem das Schiff den Gewässerabschnitt verlassen hat, zu löschen sind.
- 3. Gerade mit Blick darauf, dass die Schifffahrt als umweltverträglicher Verkehrsträger weiter gestärkt werden soll, müssen die Rahmenbedingungen so gesetzt werden, dass durch die Schifffahrt verursachte und vermeidbare Gewässerbelastungen nicht mehr erfolgen.
- 4. Der Bundesrat fordert deshalb die Bundesregierung auf, kurzfristig einen Entwurf zur Anpassung des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes vorzulegen, der eine angemessene Speicherfrist für die im MIB vorgehaltenen Daten vorsieht, um im Einzelfall die Ermittlung eines Verursachers einer Schadstoffwelle zu ermöglichen. Der Bundesrat sieht keine Unvereinbarkeit mit verfassungsrechtlichen Anforderungen, da die Datenspeicherung ausschließlich zweckgebunden dem Ziel der Ermittlung des Verursachers einer Schadstoffwelle dient. Die Daten sollen nur bei bestehendem Anfangsverdacht einer Straftat gemäß § 324 StGB - angestoßen durch gewässerseitige Messwerte- und nur im erforderlichen Umfang an die zuständige Wasserschutzpolizei übermittelt werden. Die gesetzliche Speicherfrist ist auf die Dauer zu beschränken, die in der Regel benötigt wird, um nach der Feststellung einer Schadstoffwelle die Daten über die Schiffsbewegungen bei den Wasser- und Schifffahrtsämtern zu erfragen.
Begründung:
Der Rhein ist wichtige Ressource für die Trinkwasserversorgung von mehreren Millionen Menschen und darüber hinaus ein wichtiges Ökosystem. Zur Minderung der Schadstoffbelastung des Rheins wird, insbesondere seitens der Kommunen und der Industrie, Wesentliches geleistet. Die Wasserqualität des Rheins ist zunehmend besser geworden. Eine sichere Trinkwassergewinnung aus dem Rhein ist grundsätzlich möglich. Es sind bereits beachtenswerte Erfolge bei der Wiederansiedlung von Lachs und Maifisch erzielt worden.
Diese Erfolge dürfen nicht in Frage gestellt werden. Deshalb führen die Messstationen am Rhein eine intensive Überwachung der Gewässergüte durch. Im vergangenen Jahr sind an den nordrheinwestfälischen Messstationen bis zum 30. November 2010 insgesamt 17 schiffsbürtige Belastungswellen festgestellt worden.
Die bis dahin höchste Schadstoffkonzentration wurde am 20. Oktober 2010 mit 140 ^g/l 1,2-Dichlorethan an der Messstation Kleve-Bimmen festgestellt. Bei Dichlorethan handelt es sich um einen toxischen und krebserzeugenden Stoff. Die Schadstoffwelle entspricht nach überschlägiger Rechnung des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen einer Fracht von drei Tonnen.
In wenigen Fällen gingen solche Schadstoffwellen auf unfallbedingte oder illegale Einleitungen von landseitigen Anlagen zurück. Diese konnten durchweg schnell lokalisiert werden. Von den Umweltschutzbehörden wird in eigener Zuständigkeit das Notwendige veranlasst, damit Wiederholungsfälle vermieden werden; gegebenenfalls wird die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.
Die deutliche Mehrzahl der Fälle, auch die oben beschriebene Belastung des Rheins mit Dichlorethan, wird von den Fachleuten der Umweltbehörden wie von der Wasserschutzpolizei auf Einleitungen von Schiffen zurückgeführt. Gerade die Tankschiffe, die Gefahrgüter auf dem Rhein transportieren, müssen vor Aufnahme neuer Ladung vollständig entleert sein. Die vollständige Entleerung der Laderäume dauert manchmal mehrere Stunden in Abhängigkeit vom Schiffstyp und den baulichen und technischen Gegebenheiten. Offensichtlich erfolgt die Entleerung vielfach illegal während der Fahrt.
Hierauf ist in den letzten zwei Jahren durch verschiedene Aktivitäten der Binnenschifffahrtsverbände, der Wasserversorger und des Landes Nordrhein-Westfalen sowie im Rahmen von Kontrollen durch die Wasserschutzpolizei hingewiesen worden. Diese Aktivitäten sind vermutlich der Grund dafür, dass wie nachfolgende Tabelle zeigt die Zahl der Schadstoffwellen leicht zurückgegangen ist.
Meldungen | 2008 | 2009 | Bis 30.11.2010 |
schiffsbürtig (insgesamt) | 37 | 30 | 17 |
Landseitig (insgesamt) | 12 | 5 | 5 |
Die Tabelle zeigt aber auch, dass weiterhin schiffsseitige gewässerrelevante Einträge in den Rhein erfolgen. Dieses Verhalten stellt ein strafrechtlich relevantes Verhalten dar. Obwohl das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen die Rhein-Wasserqualität kontinuierlich überwacht und alle außergewöhnlichen Schadstoffwellen unverzüglich an die Wasserschutzpolizei und andere weiterleitet, ist die Aufklärungsquote aber annähernd gleich Null. Ein Grund dafür ist die Tatsache, dass zwischen dem vermeintlichen Verursacher, der Einleitungsstelle und der Stoffanalyse in vielen Fällen keine gerichtsfeste Verknüpfung hergestellt werden konnte. Die Hemmschwelle, die die Schiffsführer von einer umweltgefährdenden Einleitung Abstand nehmen lässt, ist entsprechend niedrig.
Eine Verbesserung wäre leicht zu erreichen, wenn zwischen den Daten der Gewässerüberwachung und den Daten über Schiffsbewegungen einschließlich der transportierten Gefahrgüter eine Verbindung hergestellt werden könnte.
Daten über Schiffsbewegungen werden nach dem Schifffahrtsrecht zwar von den Wasser- und Schifffahrtsämtern im MIB erfasst, müssen aber auf Basis des geltenden Rechts nach wenigen Stunden, d.h. nachdem das Schiff den entsprechenden Gewässerabschnitt verlassen hat, wieder gelöscht werden.
Dies ist deshalb der Fall, weil bislang eine Rechtsvorschrift, die die Speicherung der Daten anordnet oder erlaubt, fehlt und eine Datenspeicherung derzeit den allgemeinen Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes widerspricht.
Die Rechtsvorschrift kann durch Änderung des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes geschaffen werden.