Stellungnahme des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht

Der Bundesrat hat in seiner 954. Sitzung am 10. März 2017 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nummer 3 (§ 48 Absatz 1 Satz 2 AufenthG)

In Artikel 1 Nummer 3 § 48 Absatz 1 Satz 2 sind die Wörter "ihm die Ausreise nach § 10 Absatz 1 des Passgesetzes untersagt worden ist" durch die Wörter "die Voraussetzungen für eine Untersagung der Ausreise nach § 10 Absatz 1 des Passgesetzes vorliegen" zu ersetzen.

Begründung:

Nach der im Gesetzentwurf gewählten Formulierung wäre die Einziehung des ausländischen Ausweisdokuments durch die Ausländerbehörde bei so genannten Doppelstaatern erst möglich, wenn eine Ausreise von der Bundespolizei gemäß § 10 Absatz 1 PassG untersagt worden ist. Dies würde aber der Zielrichtung, auch bei diesem Personenkreis eine Ausreise wirksam zu verhindern, nicht gerecht werden. Die Einziehung des ausländischen Ausweisdokuments muss möglich sein, sobald durch die örtlichen Pass- und Ausweisbehörden Maßnahmen zur Ausreiseverhinderung verfügt worden sind (§§ 7, 8 PassG; § 6 Absatz 7, § 6a PAuswG), nicht erst, wenn die Bundespolizei anlässlich eines versuchten Grenzübertritts tätig geworden ist, und die Ausreise nach § 10 Absatz 1 PassG untersagt hat. Die Einziehung des ausländischen Passes durch die Ausländerbehörde muss daher schon umgesetzt werden können, wenn die Voraussetzungen vorliegen, die Ausreise nach § 10 Absatz 1 PassG zu untersagen, und nicht erst, wenn die Bundespolizei tatsächlich die Untersagung ausgesprochen hat.

2. Zu Artikel 1 Nummer 9

Begründung:

Bei der automatisierten Sicherheitsabfrage gemäß § 73 Absatz 2 und 3 AufenthG wird die Bundespolizei bislang nicht beteiligt. Eine Beteiligung des Bundeskriminalamtes ist zwar gesetzlich vorgesehen, erfolgt aber tatsächlich nicht. Die Landespolizei kann mangels Zugriffsrechten nur die Erkenntnisse der jeweiligen Landespolizei mitteilen.

Bezüglich der Erkenntnisse der Bundespolizei sieht die Landespolizei nur, ob ein Eintrag vorliegt. Ob es sich hierbei um Straftaten oder nur um eine erkennungsdienstliche Behandlung nach der Einreise handelt, kann die Landespolizei nicht erkennen.

Im automatisierten Beteiligungsverfahren gemäß § 73 Absatz 2 und 3 AufenthG kann der Ausländerbehörde daher nach geltendem Recht nicht detailliert mitgeteilt werden, ob Erkenntnisse der Bundespolizei vorliegen, die gegen die Erteilung eines Aufenthaltstitels sprechen.

3. Zu Artikel 1 Nummer 9a - neu - (§ 78a Absatz 5 Satz 2 AufenthG)

In Artikel 1 ist nach Nummer 9 folgende Nummer einzufügen:

Begründung:

Während auf dem Ankunftsnachweis gemäß § 63a Absatz 1 Satz 2 Nummer 16 AsylG die AZR-Nummer aufgebracht ist, fehlt sie nach geltendem Recht auf den Bescheinigungen über die Duldung (§ 60a Absatz 4 AufenthG) und die Aufenthaltsgestattung (§ 63 Absatz 5 AsylG). Ein sachlicher Grund hierfür ist nicht erkennbar.

Durch die Änderung von § 78a Absatz 5 Satz 2 AufenthG werden die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen, um auch auf die Bescheinigung über die Duldung künftig die AZR-Nummer aufzubringen. Durch den Verweis in § 63 Absatz 5 Satz 2 AsylG gilt dies auch für die Bescheinigung über die Aufenthaltsgestattung.

Durch die Änderung werden die Möglichkeiten einer eindeutigen Identifizierung von ausreisepflichtigen Ausländern und Asylbewerbern im Bundesgebiet durch die Verwaltungs- und Sicherheitsbehörden verbessert.

4. Zu Artikel 1 Nummer 11 Buchstabe a0 - neu - (§ 95 Absatz 1 Nummer 4 AufenthG), Buchstabe a1 - neu - (§ 95 Absatz 3 AufenthG)

Artikel 1 Nummer 11 ist wie folgt zu ändern:

a) Dem Buchstaben a ist folgender Buchstabe voranzustellen:

'a0) Absatz 1 Nummer 4 wird wie folgt gefasst:

"4. einer vollziehbaren Anordnung nach

b) Nach Buchstabe a ist folgender Buchstabe einzufügen:

Begründung:

Während für deutsche Staatsangehörige nach § 24 Absatz 2 PassG eine Versuchsstrafbarkeit im Falle einer Ausreise trotz (vollziehbaren) Passentzuges oder Ausreiseverbotes vorgesehen ist, fehlt eine solche für Zuwiderhandlungen gegen (vollziehbare) Ausreiseverbote nach § 46 Absatz 2 AufenthG (vergleiche § 95 Absatz 1 Nummer 4, Absatz 3 AufenthG). Damit kommt es zu Strafbarkeitslücken in Fällen, in denen der Ausländer kurz vor Grenzübertritt von staatlichen Stellen angetroffen wird. Nach überwiegender Auffassung (vergleiche OLG München, Urteil vom 16. September 2015 - 4 OLG 13 Ss 295/15 m.w. N.; anders noch OLG München, Beschluss vom 8. Dezember 2014 - 2 Ws 1190/14, NStZ 2015, 406) erfüllt nur die bereits erfolgte unerlaubte Ausreise des Ausländers das Merkmal der Zuwiderhandlung gegen eine vollziehbare Anordnung nach § 46 Absatz 2 Satz 1 oder Satz 2 AufenthG. Ist der Straftatbestand erst mit dem Vollzug der Ausreise erfüllt, stellt sich für die Strafverfolgung in Deutschland auch das Problem, dass andere Staaten einen vergleichbaren Straftatbestand häufig nicht kennen und deshalb die Auslieferung in der Vergangenheit bereits abgelehnt haben. Neben der fehlenden Versuchsstrafbarkeit mag dies ein Grund dafür sein, dass die Strafvorschrift des § 95 Absatz 1 Nummer 4 AufenthG bislang kaum praktische Bedeutung erlangt hat, zumal der Ausländer, der sich durch die verbotswidrige Ausreise dem Zugriff der deutschen Behörden entzieht, in der Regel wenig Veranlassung haben wird, wieder in die Bundesrepublik einzureisen. Gleichwohl kommt der Strafvorschrift für die Praxis der Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden besondere Bedeutung zu, namentlich mit Blick auf die Ausreise von islamistischen Gefährdern oder anderen extremistisch motivierten Ausländern, denen gegenüber ein Ausreiseverbot ausgesprochen wurde und die von der Strafvorschrift des § 89a StGB nicht erfasst werden. Auch zur Effektivierung des mit der Regelung in § 46 Absatz 2 AufenthG aufgestellten verwaltungsrechtlichen Ordnungssystems ist es geboten, die Strafbarkeit für Zuwiderhandlungen gegen vollziehbare Anordnungen nach § 46 Absatz 2 Satz 1 oder 2 AufenthG auf Fälle des Versuchs auszudehnen. Bereits mit dem Versuch dieser Taten wird strafwürdiges und strafbedürftiges Unrecht verwirklicht.

5. Zu Artikel 2 Nummer 2a - neu - (§ 14 Absatz 3 Satz 3 AsylG)

In Artikel 2 ist nach Nummer 2 folgende Nummer einzufügen:

Begründung:

§ 14 Absatz 3 Satz 3 AsylG sollte am Ende um die Wörter "oder der Asylantrag wurde zurückgenommen" ergänzt werden, weil sich ansonsten der Ausländer durch Stellung eines (meist aussichtslosen) Asylantrages in Abschiebungshaft durch dessen Rücknahme vier Wochen nach Antragsstellung gleichsam selbst entlassen könnte. Ein solcher Fall ist in der Praxis bereits aufgetreten. Im Ergebnis muss die Rücknahme eines Asylantrages den Folgen eines als unbeachtlich oder offensichtlich unbegründeten Asylantrages gleichstehen.

6. Zu Artikel 2 Nummer 6 - neu - (§ 59b Absatz 1 Nummer 4 - neu - AsylG)

Dem Artikel 2 ist folgende Nummer anzufügen:

'6. § 59b Absatz 1 wird wie folgt geändert:

Begründung:

Mit Inkrafttreten des § 59a Absatz 1 AsylG zum 1. Januar 2015 wurde die Residenzpflicht für Asylbewerber, die nicht mehr verpflichtet sind, in einer Landesaufnahmeeinrichtung zu wohnen, auf drei Monate befristet. Nach Ablauf dieser Frist können sich Asylbewerber bundesweit frei bewegen. Eine davon abweichende Anordnung oder Wiederanordnung der räumlichen Beschränkung ist nach § 59b AsylG nur in bestimmten dort genannten Fällen möglich. Durch die vorgeschlagene Regelung soll die Anordnung einer räumlichen Beschränkung auch für Gefährder ermöglicht werden.

7. Zu Artikel 2 Nummer 6 - neu - (§ 78 Absatz 2 Satz 1, Absatz 3, Absatz 4 bis 7 AsylG)

Dem Artikel 2 ist folgende Nummer anzufügen:

'6. § 78 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 2 Satz 1 werden nach dem Wort "dem" die Wörter "Verwaltungsgericht oder dem" eingefügt.

b) In Absatz 3 werden die Wörter "Die Berufung ist nur zuzulassen" durch die Wörter "Das Oberverwaltungsgericht lässt die Berufung zu" ersetzt.

c) Die Absätze 4 bis 6 werden durch die folgenden Absätze ersetzt:

d) Der bisherige Absatz 7 wird Absatz 8.'

Begründung:

Die fehlende Möglichkeit der Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht selbst führt derzeit dazu, dass eine ober- oder höchstrichterliche Klärung streitiger, nicht selten schwieriger Rechtsfragen nicht zuverlässig möglich ist. Dass bisher nur das Oberverwaltungsgericht bei entsprechendem Antrag die Möglichkeit zur Zulassung hat, hat zur Folge, dass nicht genügend Fälle mit grundsätzlicher Bedeutung und vorhandener Divergenz zugelassen wurden, um durch Leitentscheidungen für mehr Rechtssicherheit im Umgang mit schwierigen Tatsachen- und Rechtsfragen sorgen zu können. Anders als die erste Instanz, die wegen der Vielzahl der dort anhängigen Verfahren eine breitere Grundlage für die Bewertung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage sowie vorhandener Divergenz hat, verfügt das Oberverwaltungsgericht als Berufungsgericht auch aufgrund der vergleichsweise geringen Zahl von Verfahren nicht über eine entsprechende Gesamtübersicht. So muss sich das Oberverwaltungsgericht erst bei einem entsprechenden Zulassungsantrag mit einem etwaigen Fall von grundsätzlicher Bedeutung oder vorhandener Divergenz befassen. Hinzu kommt, dass es nach Einschätzung der gerichtlichen Praxis auch Konstellationen geben kann, in denen eine Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht trotz Vorliegen der Zulassungsgründe (grundsätzliche Bedeutung und Divergenz) nicht erfolgen kann, da die Darlegungsvoraussetzungen des § 78 Absatz 4 Satz 4 AsylG nicht gegeben sind.

Die fehlenden Leitentscheidungen haben zu einer Vielzahl divergierender erstinstanzlicher Entscheidungen und einer damit einhergehenden Unsicherheit der Rechtsanwender (auch beim BAMF) geführt.

Durch den Regelungsvorschlag soll den Verwaltungsgerichten die Möglichkeit eröffnet werden, eine Überprüfung ihrer Urteile durch das Berufungsgericht zuzulassen. Die Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht ist beschränkt auf Fälle von grundsätzlicher Bedeutung sowie auf solche, in denen das Verwaltungsgericht von einer Entscheidung eines Obergerichts oder obersten Gerichts bzw. des Bundesverfassungsgerichts abgewichen ist.

8. Zu Artikel 2 Nummer 6 - neu - (§ 78 Absatz 2 Satz 2, Absatz 6 AsylG)

Dem Artikel 2 ist folgende Nummer 6 anzufügen:

'6. § 78 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 2 Satz 2 wird aufgehoben.

b) Absatz 6 wird wie folgt gefasst:

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist." '

Begründung:

Die Eröffnung der Sprungrevision kann dazu beitragen, das dem Bundesverwaltungsgericht verfügbare Fallmaterial zu vermehren. Außerdem erweist sich die Sprungrevision als ein Instrument, das gezielt eingesetzt werden kann, um eine praxisrelevante Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung einer zügigen höchstrichterlichen Klärung zuzuführen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass aufgrund der Vielzahl von Fällen, mit denen die Gerichte in der ersten Instanz beschäftigt sind, dort bisweilen früher als in der Berufungsinstanz erkannt wird, welchen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung zukommt. Mit Verfahrensverzögerungen durch eine Eröffnung der Sprungrevision in Asylstreitverfahren ist nicht in einer relevanten Zahl von Fällen zu rechnen. Dem stehen bereits die engen Voraussetzungen des § 134 VwGO für den Zugang zur Revisionsinstanz entgegen. Im Übrigen überwiegt in der Abwägung der Vorteil, der sich daraus ergibt, dass das Bundesverwaltungsgericht seiner Funktion besser als bislang nachkommen kann, die Rechtsanwendung im Bereich des Asyl- und Asylverfahrensrecht durch die Herbeiführung von Leitentscheidungen zu vereinheitlichen und die effektivere Grundsatzklärung Verfahren mit gleichen oder ähnlich gelagerten Fragestellungen beschleunigt.

9. Zu Artikel 2 Nummer 1 Buchstabe b - neu - (Inhaltsübersicht Angabe zu § 80 AsylG), Nummer 6 - neu - (§ 80 Überschrift, Absatz 1, Absatz 2 - neu -, Absatz 3 - neu - AsylG)

Artikel 2 ist wie folgt zu ändern:

a) Nummer 1 ist wie folgt zu fassen:

'1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:

b) Folgende Nummer 6 ist anzufügen:

'6. § 80 wird wie folgt geändert:

Begründung:

Der vorgeschlagene neue § 80 Absatz 2 Satz 1 AsylG sieht für Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, die Rechtsstreitigkeiten nach dem Asylgesetz zum Gegenstand haben, die Einführung einer Beschwerdemöglichkeit vor. Sie ist nach § 80 Absatz 2 Satz 2 AsylG auf Fälle beschränkt, in denen das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen hat. Die Eröffnung eines solchen Rechtsmittels durch das Verwaltungsgericht kann der rechtsstaatlich gebotenen Vorhersehbarkeit und Verlässlichkeit gerichtlicher Entscheidungen dienen und eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung bewirken. Die Eröffnung einer Beschwerdemöglichkeit zwecks Entscheidung grundsätzlich bedeutsamer Fragen stellt daher ein geeignetes Mittel dar, um obergerichtlich bestimmte Tatsachen-und Rechtsfragen zu klären, was sich beschleunigend auf gleichgelagerte Fälle auswirken kann.

Zwar ist das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes systematisch nicht darauf ausgelegt, grundsätzliche Tatsachen- und Rechtsfragen abschließend zu klären und Leitentscheidungen herbeizuführen. Die Besonderheiten der sogenannten Dublin-Verfahren, in denen die Verwaltungsgerichte Zweifelsfragen häufig nicht zum Anlass nehmen, den Suspensiveffekt herzustellen, zwingen aber zu der Abwägung, entweder aus dogmatischen Gründen das faktische Fehlen der gebotenen Grundsatzklärungen hinzunehmen oder die Klärung fallübergreifender Fragen durch das Oberverwaltungsgericht in maßvollem Umfang zu ermöglichen.

Der mit der Eröffnung einer Beschwerdemöglichkeit zum Oberverwaltungsgericht verbundenen Verzögerung des betroffenen Einzelverfahrens trägt die vorgeschlagene Regelung dadurch hinreichend Rechnung, dass die Zulassung der Beschwerde auf den Fall der grundsätzlichen Bedeutung beschränkt und eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Beschwerde nicht statthaft sein soll. Darüber hinaus wird die Verzögerung gerichtlicher Verfahren dadurch begrenzt, dass das Rechtsmittel - abweichend von den für die Beschwerde geltenden Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung - binnen einer kurzen Frist von zwei Wochen unmittelbar bei dem Oberverwaltungsgericht einzulegen und zu begründen ist. Der somit begrenzte Zeitmehrbedarf in den betroffenen Einzelverfahren wird im Übrigen überkompensiert durch den Zeitgewinn, der sich für die Vielzahl von Fällen ergibt, deren Erledigung durch die Grundsatzklärung erleichtert wird.

Der neue § 80 Absatz 2 Satz 3 AsylG stellt klar, dass auch bei materiellrechtlichen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung die Beschwerde zuzulassen ist.

10. Zu Artikel 2a - neu - (§ 10 Absatz 4 AZRG)

Nach Artikel 2 ist folgender Artikel einzufügen:

'Artikel 2a
Änderung des AZR-Gesetzes

§ 10 Absatz 4 des AZR-Gesetzes vom 2. September 1994 (BGBl. I S. 2265), das zuletzt durch Artikel 3 Absatz 4 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3346) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:

(4) Die AZR-Nummer darf nur im Verkehr mit dem Register und im Rahmen gesetzlich vorgesehener Datenübermittlungen zwischen öffentlichen Stellen genutzt werden." '

Begründung:

Die Regelung in § 10 Absatz 4 AZRG schließt derzeit jede Übermittlung der AZR-Nummer zwischen der Ausländerbehörde und den Sicherheitsbehörden aus. Dies führt insbesondere im Verfahren der automatisierten Sicherheitsanfrage gemäß § 73 Absatz 2 Satz 1 AufenthG zu Problemen.

Dies betrifft insbesondere die automatisierte Sicherheitsanfrage im Titelerteilungsverfahren gemäß § 73 Absatz 2 und 3 Satz 1 AufenthG. Bei der Sicherheitsanfrage gleichen die Sicherheitsbehörden die von den Ausländerbehörden übermittelten Daten mit den Datensätzen, in denen Ihre Erkenntnisse gespeichert sind, ab. Dabei kommt es im Rahmen des technischen Abgleichs häufig zu einer großen Zahl von Treffern, da - um eine möglichst lückenlose Überprüfung zu gewährleisten - die übermittelten Vor- und Nachnamen in allen denkbaren Kombinationen und Schreibweisen abgeglichen werden. Gerade häufig vorkommende Namensteile und Geburtsdaten können so nur schwer korrekt zugeordnet werden. Diese Vielzahl an technischen Treffern muss sodann aufwändig durch Mitarbeiter der Sicherheitsbehörde daraufhin überprüft werden, ob sich die technischen Treffer tatsächlich auf den von der Anfrage betroffenen Ausländer beziehen und damit auch fachliche Treffer vorliegen.

Da zu allen Erkenntnissen, die sich auf eine zweifelsfrei identifizierte Person ausländischer Staatsangehörigkeit beziehen, die AZR-Nummer in den Systemen der Sicherheitsbehörden hinterlegt ist, würde die Übermittlung der AZRNummer als eindeutiges Datum erleichtern, nicht den Antragsteller betreffende technische Treffer auszusortieren, somit das Überprüfungsverfahren beschleunigen und zu einer spürbaren Entlastung der personellen Ressourcen der Sicherheitsbehörden führen.

Neben der automatisierten Sicherheitsanfrage schließt § 10 Absatz 4 AZRG auch bei anderen an sich zulässigen Datenübermittlungen zwischen Ausländerbehörden und Sicherheitsbehörden eine Übermittlung der AZR-Nummer sowie eine Übermittlung eines AZR-Auszugs aus. Da die "Nutzung" auch die Weitergabe an andere Behörden erfasst, ist sogar die Weitergabe der AZRNummer von einer Ausländerbehörde an die nächste Ausländerbehörde beim Wechsel der Zuständigkeit ausgeschlossen, was aufgrund häufiger Dokumentation der AZR-Nummer in der Ausländerakte gänzlich praxisfern ist.

Durch die Neufassung von § 10 Absatz 4 AZRG wird den Bedürfnissen der Praxis Rechnung getragen. Durch die Beschränkung der Nutzung der AZR-Nummer auf den gesetzlich vorgesehen Datenverkehr wird datenschutzrechtlichen Belangen Rechnung getragen. Öffentlichen Stellen wird die AZRNummer gemäß § 14 AZRG bereits jetzt mitgeteilt. Durch die Änderung wird die AZR-Nummer nur an Stellen übermittelt, die bereits auf Grundlage des § 14 AZRG

Kenntnis von der AZR-Nummer nehmen könnten.

11. Zu Artikel 2a - neu - (§ 22 Absatz 1 Satz 1 AZRG)

Nach Artikel 2 ist folgender Artikel einzufügen:

'Artikel 2a
Änderung des AZR-Gesetzes

In § 22 Absatz 1 Satz 1 des AZR-Gesetzes vom 2. September 1994 (BGBl. I S. 2265), das zuletzt durch Artikel 3 Absatz 4 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3346) geändert worden ist, wird nach Nummer 8b folgende Nummer eingefügt:

"8c. die Jugendämter," '

Begründung:

Die Jugendämter haben derzeit keine Zugriffsmöglichkeit auf das automatisierte Verfahren zum Abruf der Daten im AZR. Sie sollen deutlich schneller die Informationen aus dem AZR abrufen können. Auf diese Weise können die Jugendämter künftig - ohne Zeitverzug - erste Anhaltspunkte erhalten, ob ein unbegleiteter Minderjähriger bereits registriert wurde oder zum Beispiel bereits eine andere Anschrift im Bundesgebiet für ihn besteht. Damit wird der Informationsfluss - auch zum Schutz der einreisenden unbegleiteten minderjährigen Ausländer - verbessert.

Der Bundesrat hält eine begleitende Evaluation der durch diesen Gesetzentwurf erweiterten Befugnisse zur elektronischen Aufenthaltsüberwachung, zur Abschiebehaft, zur zulässigen Höchstdauer des Ausreisegewahrsams, zum Einbehalt ausländischer Reisepapiere, zur Identitätsprüfung mittels Auswertung mitgeführter Datenträger des Asylsuchenden sowie zu den begleitenden datenschutzrechtlichen und strafrechtlichen Bestimmungen für geboten.

Die Bundesregierung sollte dem Bundestag und dem Bundesrat erstmalig bis zum 1. Juli 2020 für den Zeitraum 1. Januar 2018 bis 31. Dezember 2019 über die Wirksamkeit dieser Regelungen und ihrer Bedeutung für die Abschiebungspraxis berichten.

Begründung:

Der Gesetzentwurf sieht keine Evaluation der in weiten Teilen in die Grundrechte von Ausländern eingreifenden Bestimmungen vor. Dies stellt angesichts der im Ausländer- und Flüchtlingsrecht seit mehreren Jahren regen Gesetzgebungstätigkeit ein erhebliches rechtsstaatliches Defizit dar. Nicht nur für den Rechtsanwender, sondern auch für alle am Gesetzgebungsprozess beteiligten Organe des Bundes und der Länder stellt eine Rechtssetzung ohne Reflexion über ihr Steuerungspotential die Sinnhaftigkeit und Angemessenheit der gesetzgeberischen Reaktionen in Frage. Sie ist umso mehr geboten, je stärker die Regelungen in Grundrechte eingreifen.

Das Fehlen einer Evaluation wird im Allgemeinen Teil der Begründung des Gesetzentwurfs damit gerechtfertigt, dass Bund und Länder in Gremien, die zur gemeinsamen Behandlung von Rückführungsfragen eingerichtet worden sind, fortlaufend kontrollieren, ob die beabsichtigten Wirkungen der Regelungen erreicht werden. Daher bedürfe es keiner gesonderten Evaluierung der durch dieses Gesetz geschaffenen Regelungen.

Dies überzeugt nicht, denn es ist nicht allein Sache der Fachleute innerhalb der betroffenen Verwaltungen Kontrollen und Prozessbeobachtungen durchzuführen und auszuwerten. Vielmehr steht der Gesetzgeber in der Pflicht, sich die Tragweite seiner Entscheidungen vor Augen zu führen und bedarf hierfür der Informationen aus dem Bereich der Exekutive. Daher ist es geboten, dem Bundestag, aber auch dem Bundesrat über die Auswirkungen, Regelungsdefizite, über das Ausmaß und die Tiefe der Grundrechtseingriffe sowie über die datenschutzrechtlichen Begleiterscheinungen zu berichten und sie zu bewerten. Dies gilt umso mehr, als das gesamte nationale Flüchtlingsrecht in den vergangenen Jahren vielfach novelliert worden ist, ohne dass bislang eine nennenswerte Evaluation in diesem Bereich vorgenommen worden wäre.