Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 124807 - vom 7. Dezember 2007.
Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 14. November 2007 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - in Kenntnis der Mitteilung der Kommission zur Verbesserung des Gemeinschaftsverfahrens für den Katastrophenschutz (KOM (2005) 0137),
- - in Kenntnis der Entscheidung 2007/162/EG, Euratom, des Rates vom 5. März 2007 zur Schaffung eines Finanzierungsinstruments für den Katastrophenschutz1,
- - in Kenntnis der Mitteilung der Kommission zum Hochwasserrisikomanagement: Vermeidungs-, Schutz- und Minderungsmaßnahmen (KOM (2004) 0472),
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 4. September 2007 zu Naturkatastrophen2,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. Mai 2006 zu Naturkatastrophen (Brände, Dürren und Überschwemmungen) - Aspekte der regionalen Entwicklung3,
- - in Kenntnis der Verordnungsbestimmungen über die Strukturfonds für den Zeitraum 2007-2013,
- - unter Hinweis auf seinen am 18. Mai 2006 in erster Lesung festgelegten Standpunkt im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Errichtung des Solidaritätsfonds der Europäischen Union4,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 4. September 2003 zu den Auswirkungen der sommerlichen Hitzewelle5,
- - in Kenntnis des Berichts von Michel Barnier vom Mai 2006 mit dem Titel "Für eine europäische Katastrophenschutztruppe: europe aid",
- - in Kenntnis des Tätigkeitsprogramms für 2007 des Abkommens zwischen Europa und den Mittelmeerländern betreffend größere Natur- und Technologierisiken (EUR-OPA), das am 13. März 2007 unter der Ägide des Europarates verabschiedet wurde,
- - unter Hinweis auf die am 5. Juni 2007 von seinem Haushaltsausschuss durchgeführte öffentliche Anhörung zum Thema "Naturkatastrophen und EU-Finanzierung",
- - in Kenntnis der Ergebnisse des von der Kommission im Jahr 2000 veranstalteten "Workshop on Mitigation of Seismic Risk" und des 2005 in Lissabon von der Europäischen Vereinigung für Erdbebeningenieurwesen veranstalteten "Workshop on Reducing Earthquake Risk in Europe",
- - gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,
- - in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für regionale Entwicklung (A6-0388/2007),
A. in der Erwägung, dass im 20. Jahrhundert Erdbeben für den Tod von 1,5 Millionen Menschen weltweit verantwortlich gewesen sind, wobei die wirtschaftlichen Kosten allein für die letzten 25 Jahre des vergangenen Jahrhunderts auf 75 Milliarden Euro geschätzt werden,
B. in der Erwägung, dass weite Teile der Europäischen Union erdbebengefährdet sind, wobei die höchste Seismizität Italien, Griechenland, Rumänien, Bulgarien, Zypern und Slowenien aufweisen, dass aber auch Länder wie Deutschland, Österreich, die Tschechische Republik, Frankreich, Spanien, Portugal und Malta ein signifikantes Erdbebenrisiko tragen,
C. in der Erwägung, dass in den meisten beitrittswilligen Ländern, den Ländern der Europäischen Nachbarschaftspolitik und den Ländern der Europa-Mittelmeerpartnerschaft ein hohes Erdbebenrisiko besteht,
D. in der Erwägung, dass Erdbeben im Zeitraum 2002-2007 die vierthäufigste Naturkatastrophe in den Mitgliedstaaten und den beitrittswilligen Ländern gewesen sind, auf EU-Ebene im Verhältnis zu anderen Naturphänomenen, für die umfassendere Konzepte bestehen, jedoch als absolut zweitrangig behandelt werden mit dem Ergebnis, dass die europäischen Regionen ohne EU-Unterstützung dastehen, wobei der Solidaritätsfonds der Europäischen Union nur in einem einzigen Erdbebenfall tätig geworden ist,
E. in der Erwägung, dass bei den nationalen, regionalen und lokalen Instanzen, die sich intensiv mit dem Phänomen von Erdbeben befassen, bei Wissenschaftlern und Forschern, bei Ingenieuren und in weiten Teilen der Gesellschaft die Auffassung besteht, dass der Europäischen Union eine stärkere Rolle beim Schutz vor Erdbeben und der Folgenbekämpfung zukommen sollte,
F. in der Erwägung, dass Vulkanausbrüche neben Erdbeben eine weitere Erscheinung der Plattentektonik darstellen, und dass damit verbundene Naturerscheinungen die Auswirkungen eines Erdbebens, insbesondere Erdbewegungen und Tsunamis, verschlimmern können; in der Erwägung, dass die äußersten Randregionen der Europäischen Union den natürlichen Unwägbarkeiten, wie z.B. Erdbeben, Vulkanausbrüche oder Tsunamis, besonders ausgesetzt sind, dass sie regelmäßig betroffen sind und entscheidende Erfahrungen in den Bereichen Beobachtung der Erscheinungen, Prävention und Reaktion gesammelt haben,
G. in der Erwägung, dass Erdbeben kurz- und mittelfristig schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft der Regionen haben, mit nachteiligen Folgen für die Infrastrukturen, die Beschäftigung, das Natur- und Kulturerbe, die Umwelt und den Tourismus, was sich insgesamt negativ auf den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt auswirkt,
H. in der Erwägung, dass die nationalen, regionalen und lokalen Instanzen die entscheidende Rolle bei Vorbeugung und Management von Erdbeben sowie bei der Minderung der Erdbebenfolgen spielen und dass deshalb Maßnahmen zu deren Mobilisierung sowie zur Information und Aufklärung der breiten Öffentlichkeit notwendig sind,
I. in der Erwägung, dass vorbeugende Maßnahmen gegen Erdbeben sowie Wiederaufbaumaßnahmen mit den verschiedenen Gemeinschaftsinstrumenten, wie den Strukturfonds oder den Gemeinschaftsmitteln für Katastrophenschutz, unterstützt werden können,
J. in Erwägung der Notwendigkeit, dass die Europäische Union den besonderen Charakter der Erdbeben in der Mittelmeerregion und ihrem weiteren Umkreis anerkennt und dass Vorbeugung, Erforschung und Management von Erdbeben sowie der Katastrophenschutz und die Instrumente der Solidarität angepasst werden,
K. in der Erwägung, dass Europa sowohl sehr anfällig für Erdbeben ist und eine hohe Erdbebenwahrscheinlichkeit aufweist als auch ein großes Knowhow besitzt, die Europäische Union gegenüber Japan, den Vereinigten Staaten von Amerika oder sogar China jedoch weitaus weniger in die Forschung und Entwicklung neuer Technologien investiert und keine europäische Agenda zur Erforschung von Erdbebenrisiken existiert,
L. in der Erwägung, dass auf europäischer Ebene kein einheitlicher Mechanismus für Intervention und Zivilschutz im Fall einer Naturkatastrophe besteht,
M. in der Erwägung, dass Erhaltung und Ausbau des Erdbeben-Knowhows in der Europäischen Union von sehr großer Bedeutung sind und dass es zu einem erfolgreichen und nutzbringenden Exportartikel werden kann, wobei die erdbebengefährdeten Regionen zu natürlichen Labors werden und somit Nutzen aus ihrer Benachteiligung ziehen können,
N. in der Erwägung, dass große Gebiete in der Europäischen Union den zerstörerischen Kräften von bergbaubedingten tektonischen Erschütterungen ausgesetzt sind, die Schäden verursachen, die mit denen eines Erdbebens vergleichbar sind,
O. in der Erwägung, dass die Kartographierung zur Erkennung von Erdbebenrisiken in den meisten Mitgliedstaaten nur unzureichend entwickelt ist,
P. in der Erwägung, dass herkömmliche Versicherungsverträge Erdbeben als Schadensgrund ausschließen, Maßnahmen: Vorbeugung, Reaktion, Schadensbehebung
- 1. ersucht die Kommission, unverzüglich eine Mitteilung zur Bewertung der Erdbebenrisiken zu erstellen, in der auch auf die Fragen der Vorbeugung und des Katastrophenmanagements eingegangen wird, und Maßnahmen für die Bewältigung und Behebung der durch Erdbeben verursachten Schäden ausgearbeitet werden;
- 2. ist der Auffassung, dass die Kommission ein technisches Protokoll über eine gemeinsame Aktion der Europäischen Union im Falle einer großen durch ein Erdbeben verursachten Katastrophe erstellen sollte, und zwar unter besonderer Berücksichtigung kritischer Verkehrs-, Energie-, Telekommunikations- und Gesundheitsinfrastrukturen sowie der Rolle, die die einzelnen nationalen, regionalen und lokalen Behörden übernehmen können;
- 3. ersucht den Rat und die Kommission, bei der endgültigen Festlegung und der Anwendung des revidierten Rechtsrahmens für den Katastrophenschutz das Erdbebenphänomen gebührend zu berücksichtigen;
- 4. fordert die Mitgliedstaaten ferner auf, das Thema Erdbeben in nationale und regionale Strategien für eine nachhaltige Entwicklung einzubeziehen und nationale Zentren zu schaffen in denen Management von Erdbebenrisiken und Katastrophenschutz auf der Grundlage von integrierten Schadensanfälligkeitsanalysen unter Einbindung verschiedener Einrichtungen und der Zivilgesellschaft erörtert werden;
- 5. erkennt den besonderen Charakter der Mittelmeerregion an und ermuntert die Kommission, sich auf die Instrumente der Vorbeugung, Aufklärung und Erforschung, des Risikomanagements, des Katastrophenschutzes und der Solidarität auf Gemeinschaftsebene zu konzentrieren mit dem Ziel einer zufriedenstellenderen Reaktion bei den häufigen Katastrophen in dieser Region,
- 6. betont die Notwendigkeit von Kampagnen zur Aufklärung der Öffentlichkeit, wobei der Schwerpunkt auf Vorbeugungsmaßnahmen und Vorsorgemaßnahmen gelegt werden sollte; von Bildungsmaßnahmen, zu denen auch Hochschullehrgänge, Masterund Promotionsstudiengänge in den einschlägigen Fachbereichen wie z.B. Ingenieurwesen gehören, und von Ausbildungsgängen in damit in Zusammenhang stehenden Berufen in der gesamten Europäischen Union;
- 7. ersucht die Mitgliedstaaten, die Forschung im Bereich Prävention, Krisenmanagement und Minimierung der Schäden in Verbindung mit dem siebten Rahmenprogramm für Forschung und technologische Entwicklung zu beschleunigen, und ersucht die Kommission, bei der Ausgestaltung einer spezifischen europäischen Forschungsagenda über Erdbeben mitzuwirken;
- 8. wünscht, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten die Schaffung von Kompetenzzentren für wissenschaftliche, technologische und architektonische Innovation mit dem zweifachen Ziel fördern, die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten und eine nachhaltige Entwicklung des Gebietes zu ermöglichen durch interregionale Zusammenarbeit und Vernetzung der Forschungseinrichtungen, der kleinen und mittleren Unternehmen sowie der Gebietskörperschaften der betroffenen Regionen, insbesondere der äußersten Randregionen;
- 9. ersucht die Kommission, sich insbesondere mit der Frage der Revalorisierung und Erhaltung alter Gebäude und Denkmäler, die große geschichtliche, kulturelle, touristische und damit im weiteren Sinne auch wirtschaftliche Bedeutung für viele Regionen der Europäischen Union besitzen, sowie von öffentlichen Gebäuden mit strategischer Bedeutung für den Katastrophenschutz und von anderen kritischen Infrastrukturen zu befassen; fordert die Mitgliedstaaten in diesem Zusammenhang auf, solche Gebäude und Infrastrukturen zu registrieren und die Kommission zu laufenden oder notwendigen Vorhaben und Maßnahmen zu konsultieren, mit denen ihr Schutz vor Erdebeben sichergestellt werden kann;
- 10. fordert die Kommission auf, die Aufnahme der Normen zum Eurocode 8 in die städtebaulichen Vorschriften aller gefährdeten Länder zu empfehlen und ersucht die auf EU-Ebene und auf der Ebene der Mitgliedstaaten zuständigen Behörden zu prüfen, ob die Notwendigkeit besteht, den Eurocode 8 nicht nur auf neue, sondern auch auf alte Bauwerke anzuwenden;
Finanzierung
- 11. ist der Auffassung, dass die künftige Finanzierung von Infrastrukturen aus den Strukturfonds in den nächsten Programmzeiträumen voraussetzt, dass alle notwendigen Erdbebenschutzmaßnahmen getroffen werden und die Mitgliedstaaten diese Maßnahmen in ihren Strukturfondsprogrammen festlegen; fordert die Mitgliedstaaten auf in ihre laufenden Strukturfondsprogramme entsprechende Erdbebenschutzmaßnahmen aufzunehmen;
- 12. ersucht die Kommission und die Mitgliedstaaten mit Nachdruck, spezielle europäische Ausbildungsprogramme und Programme für den Austausch von bewährten Verfahren in Bezug auf Fertigkeiten, die die Prävention und Bewältigung von Erdbeben betreffen, auf den Weg zu bringen; fordert die Mitgliedstaaten auf, zu diesem Zweck auf den Europäischen Sozialfonds zurückzugreifen;
- 13. ersucht den Rat angesichts der Tatsache, dass das Europäische Parlament bereits in dem oben genannten, am 18. Mai 2006 verabschiedeten Standpunkt seine Ansichten zu den zeitlichen Grenzen und den förderungswürdigen Maßnahmen dargelegt hat, das Verfahren der Mitentscheidung über die neue Solidaritätsfondsverordnung umgehend abzuschließen um in der Lage zu sein, bei der Behebung von Schäden, und zwar auch solchen die durch Erdbeben verursacht werden, durch die Vereinfachung des bestehenden Finanzierungsverfahrens im Erdbebenfall im Rahmen des neuen Solidaritätsfonds wirksam, flexibel und rechtzeitig zu helfen;
- 14. betont die Notwendigkeit, dass auch andere verfügbare Instrumente wie z.B. die regionalen staatlichen Beihilfen und die Darlehen der Europäischen Investitionsbank herangezogen werden mit dem Ziel, Erdbebenschäden vorzubeugen und sie zu beheben sowie einschlägige Versicherungen zu fördern;
Koordinierung
- 15. fordert mit Nachdruck die Einführung von Mechanismen, die die Maßnahmen der gemeinschaftlichen nationalen, regionalen und lokalen Instanzen im Sinne des oben genannten Barnier-Berichts koordinieren; ruft zu einer engeren Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Rahmen eines verbindlichen Koordinationssystems bei Vorbeugungs-, Management- und Katastrophenschutzmaßnahmen einschließlich Beobachtungssystemen, Frühwarnmechanismen, Datenbanken und dem Austausch von bewährten Verfahren auf; ersucht zur Erleichterung dieses Verfahrens jeden Mitgliedstaat, ein einheitliches und koordiniertes Leitsystem für den Katastrophenschutz einzurichten;
- 16. bringt erneut seine Unterstützung für die Schaffung einer Europäischen Katastrophenschutztruppe zum Ausdruck und ersucht die Kommission, einen entsprechenden Vorschlag zu unterbreiten;
- 17. betont, dass eine Europäische Katastrophenschutztruppe nur auf der Basis eines verbesserten nationalen Katastrophenschutzes und besserer Instrumente zur Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten sinnvoll ist;
- 18. betont die Wichtigkeit der Zusammenarbeit mit angrenzenden und anderen stark erdbebengefährdeten Drittländern, insbesondere mit jenen Staaten, die ein einschlägiges Knowhow entwickelt haben;
- 19. ersucht die Kommission alle zur Bewältigung von Naturkatastrophen vorhandenen Vorbeugungs-, Management- und Katastrophenschutzinstrumente, die im Rahmen verschiedener EU-Politiken (Umwelt, Kohäsionspolitik, Forschung, usw.) gefördert werden zu bewerten und im Sinne einer vereinfachten und besseren Koordinierung ein zentralisiertes Vorbeugungs- und Managementinstrument vorzuschlagen;
- 20. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie dem Ausschuss der Regionen zu übermitteln.
- 1 ABl. L 71 vom 10.3.2007, S. 9.
- 2 Angenommene Texte, P6_TA(2007)0362.
- 3 ABl. C 297 E vom 7.12.2006, S. 369.
- 4 ABl. C 297 E vom 7.12.2006, S. 331.
- 5 ABl. C 76 E vom 25.3.2004, S. 382.