Antrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der Gesetzlichen Krankenversicherung
(GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSG)

Punkt 30 der 829. Sitzung des Bundesrates am 15. Dezember 2006

Zu Artikel 1 Nr. 131 (§ 171b Satz 2 - neu - SGB V), Nr. 182 (§ 270 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe b, c und d - neu - SGB V), Artikel 4 (§ 183 Abs. 1 Satz 5 - neu -), § 207a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und § 360 Abs. 1 Satz 4 SGB III), Artikel 43a - neu - (§ 17 Abs. 2 Satz 2 - neu - BetrAVG) und Artikel 46 Abs. 9 - neu - (Inkrafttreten)

Der Gesetzentwurf ist wie folgt zu ändern:

Begründung:

Zu Buchstabe a:

Zu Doppelbuchstabe aa:

Die Verschuldenssituation, der zeitlich sehr enge gesetzliche Entschuldungsplan und die beabsichtigte (spätere) generelle Einführung der Insolvenzfähigkeit (der Krankenkassen, die bisher in Ausübung der Ermächtigung des § 12 Abs. 1 Nr. 2 Insolvenzordnung (InsO) landesgesetzlich vom Insolvenzverfahren ausgeschlossen waren) haben das Haftungsrisiko der Länder erheblich erhöht. Gleichzeitig werden die Krankenkassen durch zahlreiche Regelungen in finanzieller Hinsicht auf Bundesebene immer stärker vernetzt und voneinander abhängig (z.B. durch den kassenartweiten Haftungs- und Unterstützungsfonds, die kassenartweite Verschuldungshaftung etc.).

Die aufsichtlichen Steuerungsmechanismen der Länder bezüglich der Haushalts- und Finanzentwicklung ihrer landesunmittelbaren Krankenkassen verlieren in Anbetracht dieser Umverteilungslasten dramatisch an Funktion und Bedeutung. Eine weitsichtige und nachhaltige Finanzplanung der einzelnen landesunmittelbaren Krankenkassen kann wegen der hierdurch drohenden enormen und nicht vorhersehbaren Umlageverpflichtungen durch die neuen, auf Bundesebene installierten Finanzinstrumente kaum mehr gewährleistet und auch aufsichtlich von den Ländern praktisch nicht mehr durchgesetzt werden.

Aus diesem Grunde ist es in keiner Weise mehr gerechtfertigt, den Ländern das Risiko der Haftung nach § 12 Abs. 2 InsO weiter aufzubürden, zumal (gesamt betrachtet) alleine die möglichen Haftungsansprüche für die Finanzierung der laufenden Versorgungen und die bisher aufgelaufenen Versorgungsanwartschaften für die Dienstordnungsangestellten, insbesondere im Bereich der Ortskrankenkassen, einen Kapitalwert erreicht haben, der die Finanzkraft einzelner Länder übersteigen könnte. Dies wäre insbesondere auch dann grundsätzlich denkbar, wenn im Falle künftiger Großfusionen das dann aufsichtsführende einzelne Land mehrfache Haftungslasten der anderen Länder nach § 12 Abs. 2 InsO für die Arbeitnehmeransprüche aller fusionsbeteiligten Krankenkassen übernehmen müsste (Schätzungen gehen davon aus, dass alleine der Gesamtwert aller laufenden und künftigen Versorgungsleistungen für die Dienstordnungsangestellten im AOK-System bundesweit eine Größenordnung von rund acht bis neun Milliarden Euro erreicht haben könnte, die nicht durch adäquate Rückstellungen abgedeckt sind, im Falle der Einführung der Insolvenzfähigkeit von den Krankenkassen aber mit ihrem Barwert bilanziert werden müssten).

Ob die Länder jetzt noch über die Möglichkeit verfügen, den einstmals landesgesetzlich angeordneten Ausschluss der Insolvenzfähigkeit mit dem Ziel der ( § 12 Abs. 2 InsO) Enthaftung wieder aufzuheben, erscheint fraglich. Eine landesgesetzliche Rückführung der bisherigen (vor Jahrzehnten oder sogar vor annähernd einem Jahrhundert) eingeführten (Konkurs- bzw.) Insolvenzunfähigkeit der landesunmittelbaren Krankenkassen könnte in der jetzigen Verschuldenssituation in Einzelfällen unter Umständen von der Rechtsordnung als missbräuchliche Ausnutzung einer formalen Ermächtigung beurteilt und verstanden werden, die nicht mehr in der Lage ist, die bundesgesetzliche Haftungsfolge aus § 12 Abs. 2 InsO wirksam zu beseitigen.

Aus diesem Grunde ist es geboten, die beabsichtigte Einführung der Insolvenzfähigkeit kraft Bundesgesetz behutsam, der Verschuldenssituation angemessen und unter Berücksichtigung des Sicherungsbedürfnisses der hauptsächlich betroffenen Dienstordnungsangestellten in einem mehrstufigen Regelungsmodell vorzunehmen. Die bundesgesetzlichen Regelungen zur Herstellung der Insolvenzfähigkeit der bisher nicht dem Insolvenzverfahren unterliegenden Krankenkassen müssen eine vollständige Enthaftung der Länder beinhalten und wie folgt erweitert sowie untrennbar und sachlogisch miteinander verbunden werden. Das Regelungsmodell umfasst folgende drei aufeinander abgestimmte Maßnahmen bzw. Stufen ("Drei-Stufen-Modell"):

Die bundesgesetzliche Einführung der Insolvenzfähigkeit bedingt deshalb übergangsweise Regelungen und Änderungen der Vorschriften des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz), der Insolvenzordnung (InsO) und des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III).

Zu Doppelbuchstabe bb:

Zu Dreifachbuchstabe aaa:

Die Einfügung einer kurzen Legaldefinition des Begriffs der Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds soll auch verdeutlichen und bekräftigen, dass es sich hierbei grundsätzlich um ausgabendeckende Zuweisungsmittel handelt. Dieser Begriff sollte redaktionell auch bei den übrigen Vorschriften, die auf die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds Bezug nehmen, einheitlich verwendet werden.

Zu Dreifachbuchstabe bbb, ccc und ddd:

Die Deckungszuweisungen aus dem Gesundheitsfonds sind ausdrücklich auf die Mittel, die für die Erfüllung der zugesagten Versorgung und für die Beitragslast aus der gesetzlichen Insolvenzsicherung erforderlich sind, zu erweitern. Durch die erweiterten Fusionsmöglichkeiten bei den gesetzlichen Krankenkassen, in Anbetracht der beabsichtigten Einführung der Insolvenzfähigkeit der Krankenkassen und wegen der neu geschaffenen Finanzierungsinstrumente ist es nicht mehr gerechtfertigt, diese Aufwendungen ausschließlich einer einzelnen Krankenkasse als dem dafür verantwortlichen Rechtsträger oder Dienstherrn ausschließlich zuzuordnen oder weiterhin tragen zu lassen.

Diese Ausgaben können in Zukunft nur noch als gemeinsame Verpflichtungen des gesamten Krankenkassensystems angesehen und entsprechend deckungsunterlegt finanziert werden. Die Deckungszuweisungen nach § 270 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe d sind insbesondere bezüglich ihrer unterschiedlichen Regelungsinhalte begrifflich weiter zu unterteilen in "Versorgungsdeckungszuweisungen" und "Insolvenzdeckungszuweisungen" und entsprechend im Gesetz zu definieren.

Bei der Berechnung der laufenden Versorgungsdeckungszuweisungen werden die Beträge in Abzug gebracht, die die Krankenkasse als Arbeitgeber in der gesetzlichen Rentenversicherung für die (nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) versicherungsfreien Angestellten, beschränkt auf die Höhe des jeweiligen Arbeitgeberanteils, zu tragen hätte. Diese Regelung betrifft hauptsächlich Dienstordnungsangestellte und außertarifliche Angestellte mit beamtenähnlicher Versorgungszusage und soll verhindern, dass Krankenkassen mit einem höheren Anteil an Dienstordnungsangestellten und außertariflichen Angestellten mit beamtenähnlicher Versorgungszusage besser gestellt werden, als Krankenkassen, die keine oder nur einen geringen Anteil dieser Angestellten beschäftigen. Der zwingende Abzug der fiktiven Rentenversicherungsbeiträge in Höhe der jeweiligen Arbeitgeberanteile bei der Berechnung der laufenden Versorgungsdeckungszuweisungen behandelt alle Krankenkassen hinsichtlich ihrer aktiven Beschäftigten so, wie wenn diese rentenversicherungspflichtig wären. Auf diese Weise werden die bei den Krankenkassen derzeit vorhandenen unterschiedlichen Beschäftigtenstrukturen bei der Berechnung der Versorgungsdeckungszuweisungen ausreichend berücksichtigt.

Die Versorgungsdeckungszuweisungen bewirken auch eine im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI gesicherte Erfüllung der Gewährleistung jeder dieser Versorgungszusagen mit der Konsequenz, dass die hierfür erteilten Gewährleistungsbescheide nach § 5 Abs. 1 Satz 2 SGB VI weiter aufrechterhalten werden können und eine Nachversicherung gemäß § 8 Abs. 2 SGB VI (mit immensen Beitragspflichten für die Krankenkassen) rechtssicher vermieden wird.

Sowohl die Versorgungsdeckungszuweisungen als auch die Insolvenzdeckungszuweisungen gewährleisten die Erfüllung der Verpflichtungen der Krankenkassen aus den erteilten Versorgungszusagen bzw. aus der Beitraglast für die gesetzliche Insolvenzsicherung. Weitere finanzielle Rückstellungen für die Sicherstellung der Erfüllung dieser Verpflichtungen sind darüber hinaus nicht erforderlich. Aus diesem Grunde sollen diese Deckungszuweisungen bei einer eventuell erforderlich werdenden insolvenzrechtlichen Betrachtung des Vermögensstatus einer einzelnen Krankenkasse berücksichtigt werden und verhindern das sich alleine aus der Begründung und Bewertung der laufenden oder künftigen Versorgungsverpflichtungen der einzelnen Kasse sowie der Beitragslasten der gesetzlichen Insolvenzsicherung insolvenzrechtliche Folgen oder Verfahrenspflichten bzw. Antragsrechte ergeben.

Zu Buchstabe b:

Zu Artikel 4 Nr. 1:

Die Regelung, die der in Buchstabe c (Änderung des BetrAVG) entspricht, bestimmt weitere Ereignisse zum (gesetzlich bisher schon in § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III definierten) Insolvenzereignis, das die Insolvenzgeldgewährung als gesetzliche vorübergehende Lohn- und Vergütungssicherung nach §§ 183ff. SGB III auslöst und einen lückenlosen Schutz dieser Arbeitnehmeransprüche im Falle der Enthaftung der Länder und bei Auflösung oder Schließung von Krankenkassen gewährleistet.

Zu Artikel 4 Nr. 3:

Die Regelung bezweckt die lückenlose Erstreckung der gesetzlichen Insolvenzgeldgewährung zugunsten der Angestellten der derzeit noch insolvenzunfähigen Krankenkassen, für die das Land keine Haftungsverpflichtungen mehr trägt, weil diese erloschen oder auf die Bundesagentur übergegangen sind. Die Regelung entspricht der der Erstreckung der gesetzlichen Insolvenzsicherung des Betriebsrentengesetzes auf die vorgenannten Krankenkassen, vgl. Buchstabe c. Der Ausnahmetatbestand des § 360 Abs. 1 Satz 4 SGB III, der solche Unternehmer, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren nicht zulässig ist oder deren Zahlungsfähigkeit gesetzlich gesichert ist, vom Insolvenzgeldverfahren einschließlich seiner Finanzierung ausnimmt wird für die Krankenkassen im Sinne des § 171b SGB V (in diesen Fällen gesetzestechnisch als weitere Ausnahme von der Ausnahme) zurückgeführt. Diese Krankenkassen werden nunmehr dem grundsätzlich für alle Unternehmer geltenden Insolvenzgeldverfahren unterworfen.

Zu Buchstabe c:

Die Regelung bezweckt die lückenlose Erstreckung der gesetzlichen Insolvenzsicherung des Betriebsrentengesetzes zugunsten der (insbesondere Dienstordnungs-)Angestellten und zum Schutze ihrer sicherungsfähigen Versorgungsleistungen und -anwartschaften (§§ 7 bis 15 BetrAVG) auf die derzeit noch insolvenzunfähigen Krankenkassen, für die das Land keine Haftungsverpflichtungen mehr trägt, weil diese erloschen oder auf den Träger der Insolvenzsicherung übergegangen sind; gleichzeitig werden die entsprechenden Umlagepflichten zur solidarischen Finanzierung der Insolvenzsicherung begründet.

Als zusätzlicher (gesetzlich bisher schon in § 7 Abs. 2 Satz 2 BetrAVG definierter) Sicherungsfall wird das (jetzt fiktive) haftungsbegründende Ereignis im Sinne des § 12 Abs. 2 InsO (Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der Krankenkasse) sowie alternativ der von der Aufsichtsbehörde festgesetzte Zeitpunkt der Auflösung oder Schließung der Krankenkasse bestimmt.

Gesetzestechnisch führt die Regelung den geltenden Ausnahmetatbestand des § 17 Abs. 2 BetrAVG für die juristischen Personen des öffentlichen Rechts hinsichtlich der Krankenkassen im Sinne des § 171b SGB V zurück und unterwirft diese Krankenkassen wieder dem allgemeinen Grundsatz der Insolvenzsicherung. Danach sind grundsätzlich alle Arbeitgeber, gleichgültig ob sie als natürliche oder juristische Person des privaten wie des öffentlichen Rechts z.B. den Arbeitnehmern Versorgungszusagen versprochen haben, der gesetzlichen Insolvenzsicherung gemäß §§ 7 bis 15 BetrAVG unterworfen.

Lediglich der Bund, die Länder, die Gemeinden sowie die Körperschaften, Stiftungen und Anstalten des öffentlichen Rechts, bei denen das Insolvenzverfahren nicht zulässig ist, und solche juristische Personen des öffentlichen Rechts, bei denen der Bund, ein Land oder eine Gemeinde kraft Gesetzes die Zahlungsfähigkeit sichert, sind von der gesetzlichen Insolvenzsicherung ausgenommen. Nur bei diesen juristischen Personen des öffentlichen Rechts geht der Gesetzgeber von einem uneingeschränkten Bestand aus und unterstellt deshalb ein mangelndes Sicherungsbedürfnis für die dem Betriebsrentengesetz unterfallenden Versorgungsleistungen. Die Geltung dieses Ausnahmetatbestandes (und die damit implizierte Unterstellung ihres fortwährenden Bestandes einschließlich der davon abgeleiteten Solvenz) ist jedoch für die Krankenkassen im Sinne des § 171b SGB V nicht mehr uneingeschränkt gerechtfertigt.

Zu Buchstabe d:

Folgeänderung z.B.chstabe a Doppelbuchstabe aa (Artikel 1 Nr. 131 [§ 171b Satz 2 - neu - SGB V]).