COM (2018) 92 final; Ratsdok. 6988/18
969. Sitzung des Bundesrates am 6. Juli 2018
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU),
der Finanzausschuss (Fz) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt das Ziel der Kommission, die bisher vorgeschriebene physische Präsenz für den Vertrieb von Fonds in einem anderen Mitgliedstaat sowohl für Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (Richtlinie 2009/65/EG vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW-Richtlinie)) als auch für alternative Investmentfonds (Richtlinie 2011/61/EU vom 8. Juni 2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM-Richtlinie)), die von Verwaltern alternativer Investmentfonds (AIFM) verwaltet werden, abzuschaffen. Bislang ist der Fondsmarkt innerhalb der EU noch stark national geprägt. Die Erleichterung des grenzüberschreitenden Vertriebs von Fonds ermöglicht EU-weit ein breiteres Anlageangebot in Investmentfonds. Digitale Lösungen sind dazu geeignet, den Informationsbedarf umfassend abzudecken.
- 2. Der Richtlinienvorschlag enthält erstmals eine Definition des "Pre-Marketing", also der Phase vor dem eigentlichen Vertrieb.
- 3. Der Bundesrat begrüßt, dass die Kommission den grenzüberschreitenden Vertrieb von Investmentfonds weiter harmonisieren möchte und dass eine einheitliche Definition des "Pre-Marketings" eingeführt werden soll. Denn bislang wurden die erlaubten "Pre-Marketing"-Tätigkeiten in den verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich gehandhabt. Die Frage, wann ein anzeigepflichtiger Vertrieb vorliegt bzw. welche vorvertrieblichen Maßnahmen im Rahmen des "Pre-Marketings" erlaubt sind, ohne unter die Anzeigepflicht zu fallen, konnte rein national festgelegt werden.
- 4. Es werden nunmehr die Bedingungen festgelegt, unter denen ein EU-AIFM "Pre-Marketing" betrieben werden darf.
- a) Der Bundesrat begrüßt, dass der Begriff des "Pre-Marketing" in Abgrenzung zum "Marketing" europaweit einheitlich definiert werden soll. Dies ist im Hinblick auf mögliche Umgehungen der Richtlinie 2011/61/EU im Interesse des Anlegerschutzes grundsätzlich sinnvoll.
- b) Für wenig praxistauglich hält der Bundesrat dagegen die in dem Richtlinienvorschlag vorgesehene Regelung, wonach der Anleger auf keinen Fall auf der Grundlage von im Vorfeld der Errichtung des Fonds ausgetauschten oder erörterten Dokumenten eine Anlageentscheidung treffen kann (Artikel 2 Absatz 2 des Richtlinienvorschlags). Mit dieser Regelung wären Fonds, die dem spezifischen Bedarf institutioneller Anleger gerecht werden, im Grunde ausgeschlossen. Fondsanbieter müssen auch weiterhin bei der Entwicklung bedarfsgerechter Investmentfonds Anlageideen und -strategien samt Entwürfen von Dokumenten mit professionellen Investoren diskutieren können.
- c) Der Bundesrat bittet deshalb die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass die Definition so gefasst ist, dass zwischen bloßen Entwürfen und tatsächlich für den Vertrieb bestimmten Endfassungen von Dokumenten (Subskriptionsmaterial) im Hinblick auf das "Pre-Marketing" unterschieden wird. Lediglich auf das Subskriptionsmaterial sollten sich die "Pre-Marketing"-Regelungen erstrecken.
- d) Eine klare Abgrenzung zwischen Entwürfen und Subskriptionsmaterial im Rahmen des "Pre-Marketings" erleichtert es auch den Anlegern, die Unterschiede in den Verantwortlichkeiten zwischen Entwurf und Vertrieb zu erkennen.
- e) Die vorgeschlagene Richtlinie sieht vor, dass die "Pre-Marketing"-Informationen keinen bereits bestehenden AIF betreffen oder auf einen solchen verweisen dürfen. Es wird nicht hinreichend deutlich, ob die vorbereitende Gründung der juristischen Person allein bereits als "existierender AIF" angesehen wird. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, zu prüfen, inwieweit hier eine Klarstellung erfolgen kann.
- 5. Allerdings ist es aus Sicht des Bundesrates für die deutsche Wirtschaft wichtig, dass die im Richtlinienvorschlag genannten Anforderungen zum "Pre-Marketing" nicht über die bereits geltenden strikten Vorgaben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hinausgehen. Bislang wurde die Grenze zwischen vorvertrieblichen Maßnahmen und einer Anzeigepflicht für den Vertrieb in Deutschland durch das Auslegungsschreiben der BaFin "Häufige Fragen zum Vertrieb und Erwerb von Investmentvermögen nach dem KAGB" (Geschäftszeichen WA 41-Wp 2137-2013/0293) festgelegt. Da die Kriterien nun anders formuliert sind als in dem Auslegungsschreiben der BaFin, ist unklar, ob damit künftig strengere Anforderungen vorgesehen sind. Diese möglichen strikteren Anforderungen sind in Artikel 2 des Richtlinienvorschlags festgelegt, der unter anderem den neuen Artikel 30a der Richtlinie 2011/61/EU einführt. In Artikel 30a Absatz 1 der Richtlinie 2011/61/EU werden die künftig erlaubten Maßnahmen aufgezählt, die möglicherweise enger als die bisherigen Vorgaben der BaFin sind. Zudem ist unklar, ob Artikel 30a Absatz 3 der Richtlinie 2011/61/EU künftig eine Vertriebsanzeigepflicht für 1-Anleger-Spezialfonds vorsieht, auch wenn nur eine abstrakte, aber keine konkrete Vertriebsabsicht für den Spezialfonds besteht. Nach dem oben genannten Auslegungsschreiben der BaFin ist in diesen Fällen derzeit keine Vertriebsanzeige erforderlich.
- 6. Der Richtlinienvorschlag legt Schwellenwerte fest, die bestimmen, wann der Vertrieb eines Investmentfonds in einem Mitgliedstaat eingestellt werden darf. Vor der Einstellung erhalten Anleger ein Rückkaufangebot. Darüber hinaus sieht der Entwurf vor, dass auch nach einem Rückzug aus dem Vertrieb in einem Mitgliedstaat Informationspflichten für die verbleibenden Anleger weiterbestehen, und zwar in der eigenen Amtssprache dieses Mitgliedstaates. Gerade für Kleinanleger s i.d.R. gelungen zum Marktrückzug innerhalb der EU sinnvoll.
Deshalb bittet der Bundesrat die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass im Richtlinienvorschlag dahingehend differenziert wird, dass für AIFs mit wenigen, ausschließlich professionellen Anlegern, zum Beispiel "Private-Equity"-Fonds, diese Schwellenwerte nicht gelten. Professionelle Anleger sind hinreichend in der Lage, auf einen Marktrückzug zu reagieren. Damit würde dem zentralen Anliegen des Bundesrates nach Differenzierung zwischen Kleinanlegern und professionellen Anlegern Rechnung getragen.
- 7. Weiter ist unklar, welche Konsequenzen die gesamten Vertriebsänderungen auf den deutschen "semiprofessionellen Anleger" haben. Hierbei handelt es sich um eine deutsche Besonderheit: Der "semiprofessionelle Anleger" wird im deutschen Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) dem professionellen Anleger gleichgestellt, im europäischen Recht fällt er jedoch unter den Begriff des "Kleinanlegers". Hier wäre eine Klarstellung wünschenswert, dass der "semiprofessionelle Anleger" auch bezüglich der vorgesehenen Änderungen dem professionellen Anleger gleichgestellt werden kann.
- 8. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich dafür einzusetzen, dass die neuen Vorgaben zum grenzüberschreitenden Vertrieb nicht über die bisherigen - bereits strikten - Vorgaben der BaFin hinausgehen und der deutsche "semiprofessionelle Anleger" dem professionellen Anleger im Sinne der Richtlinie 2011/61/EU auch bezüglich der vorgesehenen Änderungen durch nationale Vorgaben gleichgesetzt werden kann.
B
- 9. Der Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.